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Wenn Braxton Walker auf Tyson Langley trifft, sprühen die Funken – und nicht nur die guten. Tyson, der Star-Lacrossespieler und selbst ernannte König des Campus, ist das genaue Gegenteil von Brax: privilegiert, beliebt und ständig im Mittelpunkt. Brax, der düstere Einzelgänger mit einer kriminellen Vergangenheit, sieht in Tyson alles, was er verachtet und dennoch auf merkwürdige Weise anziehend findet. Ty, der die Aufmerksamkeit seiner weiblichen und männlichen Fans gewohnt ist, findet in Braxtons Widerstand eine neue Herausforderung. Seine Versuche, Brax aus der Reserve zu locken, entwickeln sich bald zu einer Mischung aus Wettbewerb und Faszination. Jeder bissige Kommentar und jede spitze Bemerkung treibt die unerwartete Anziehung nur weiter voran. Doch können zwei so unterschiedliche Menschen wirklich zusammenfinden?
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Seitenzahl: 346
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RILEY HART
PLAYING GAMES
FRANKLIN UNIVERSITY 1
Aus dem Englischen von Anne Sommerfeld
Über das Buch
Wenn Braxton Walker auf Tyson Langley trifft, sprühen die Funken – und nicht nur die guten. Tyson, der Star-Lacrossespieler und selbst ernannte König des Campus, ist das genaue Gegenteil von Brax: privilegiert, beliebt und ständig im Mittelpunkt. Brax, der düstere Einzelgänger mit einer kriminellen Vergangenheit, sieht in Tyson alles, was er verachtet und dennoch auf merkwürdige Weise anziehend findet.
Ty, der die Aufmerksamkeit seiner weiblichen und männlichen Fans gewohnt ist, findet in Braxtons Widerstand eine neue Herausforderung. Seine Versuche, Brax aus der Reserve zu locken, entwickeln sich bald zu einer Mischung aus Wettbewerb und Faszination.
Jeder bissige Kommentar und jede spitze Bemerkung treibt die unerwartete Anziehung nur weiter voran. Doch können zwei so unterschiedliche Menschen wirklich zusammenfinden?
Über die Autorin
Riley Harts Leidenschaft für romantische Geschichten spiegelt sich in jedem ihrer Werke wider. Ihr Schwerpunkt liegt auf Liebesgeschichten zwischen Männern, doch unter verschiedenen Pseudonymen schreibt sie über nahezu alle Facetten von Liebe und Beziehungen. Ihr Ziel ist es, Geschichten zu schaffen, in die sich ihre Leser:innen nicht nur verlieben, sondern in denen sie sich auch selbst wiedererkennen können. Echte Charaktere und echte Liebe – das ist das Markenzeichen der hoffnungslosen Romantikerin Riley Hart.
Wenn Riley gerade nicht an ihrem nächsten Roman arbeitet, liest oder reist sie – oder träumt von beidem. Sie genießt die Zeit mit ihren zwei schlagfertigen Kindern und ihrem charmanten Ehemann, der beinahe selbst einem ihrer Romane entsprungen sein könnte.
Die englische Ausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Playing Games«.
Deutsche Erstausgabe Dezember 2024
© der Originalausgabe 2022: Riley Hart
© für die deutschsprachige Ausgabe 2024:
Second Chances Verlag, Inh. Jeannette Bauroth,
Hammergasse 7–9, 98587 Steinbach-Hallenberg
Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Die Nutzung des Inhalts für Text und Data Mining
im Sinne von § 44b UrhG ist ausdrücklich verboten.
Umschlaggestaltung: Ronja Forleo
Lektorat: Nina Restemeier
Schlussredaktion: Daniela Dreuth
Satz & Layout: Second Chances Verlag
ISBN Taschenbuch: 978-3-98906-055-5
ISBN E-Book: 978-3-98906-054-8
Auch als Hörbuch erhältlich!
www.second-chances-verlag.de
Inhaltsverzeichnis
Titel
Über die Autorin
Impressum
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Epilog
BRAX
»Oh ja, Partypeople!«
Mein Blick schoss zur Tür des Shenanigans, der Bar in der Nähe des Campus der Franklin University. Ich hätte die Stimme auch so erkannt, keine Ahnung also, warum ich trotzdem hinsah. Wer posaunte seine Ankunft denn so laut und unausstehlich heraus, als wäre er ein Geschenk an die Welt?
Tyson Langley natürlich.
Alle richteten ihre Aufmerksamkeit auf ihn. Ich leider auch. Im Gegensatz zu den anderen mochte ich den Kerl nicht und betete diesen verwöhnten kleinen Lacrosse-Gott nicht an, weil er umwerfend und dreist war und einen reichen Daddy hatte. Allerdings musste ich zugeben, dass er heiß war, was mich einfach wütend machte. Ich hasste Sport, ich hasste Sportler und die Art, wie die Leute sie verehrten. Warum nur fand ich sie gleichzeitig so schrecklich sexy?
Das passierte mir nicht zum ersten Mal, und ich fürchtete, es würde auch nicht das letzte Mal sein.
Echt ätzend.
»Hey, Mann. Bereit für die Saison?«, fragte jemand Ty, als dieser zum Tresen ging. Wir hatten Januar, deshalb hatten sie ihr erstes Spiel noch nicht gespielt. Das wusste ich auch nur, weil andernfalls der gesamte Campus über nichts anderes geredet hätte, und weil das Team im Shenanigans oft seinen Sieg feierte. Praktisch, wenn man die Bar zu Fuß erreichen konnte.
Es gab zwei Sportarten an der FU, bei denen alle gleichermaßen durchdrehten – Lacrosse und Football. Ersteres lag hauptsächlich an Tyson Langley, den Zirkus um die zweite verdankten wir Peyton Miller. Offenbar hatten Peytons Dads beide in der NFL oder so gespielt. Genau wusste ich es nicht, weil ich meistens einfach nicht hinhörte. Ich hatte schon genug um die Ohren.
»Bro, bekomme ich ein Bier?«, fragte ein Typ in einem Tanktop der Franklin University.
»Jap«, antworte ich. »Welches willst du denn?«
»Das billigste«, antworte er. Da sind wir schon zu zweit, Mann.
Ich warf einen Blick auf sein Armband. Ins Shenanigans durfte man schon ab achtzehn rein – Oscar, der Besitzer, wollte aus allen Studenten der FU Profit schlagen –, trinken aber erst mit einundzwanzig. Um Alkohol zu bekommen, brauchte man ein Armband, das man vom Türsteher bekam. Jeden Abend eine andere Farbe. Heute Abend gab es ein hellblaues Bändchen mit kleinen Sonnen darauf. Oscar brachte gern etwas Leben in die Bude. Ich fand es albern, aber was wusste ich schon?
Ich reichte dem Kerl eine Flasche und nahm das Geld entgegen, dabei wäre ich überall lieber gewesen als hier. Auf mich wartete ein Haufen Hausaufgaben. Mein Notendurchschnitt durfte nicht unter ein B fallen, damit ich das Stipendium nicht verlor und von der Uni flog.
Ich kümmerte mich um ein paar Drinks, während Ty und seine Freunde lachten und plauderten. Natürlich waren sie dabei wie immer verdammt laut.
Ich hatte gerade eine Runde Margaritas für eine Gruppe Mädels gemixt, als ich hörte: »Braxton Walker … Lächelst du auch mal?«
Das durfte doch nicht wahr sein. Ich sah ihn an und verschränkte die Arme. »Tyson Langley, hältst du auch mal die Klappe?« Ich wusste nicht, warum er unbedingt mit mir reden wollte. Wir studierten beide Informatik und hatten viele Kurse zusammen, waren aber keine Freunde. Das würden wir auch nie werden, und soweit ich das beurteilen konnte, waren wir uns in der Hinsicht einig. Er reizte mich einfach gern. Und wie bei allem anderen im Leben, kam er auch damit durch.
»Na, na, redet man so mit seinem Lieblingsgast?«
»Du bist nicht mal mein Lieblings-irgendwas«, erwiderte ich.
Er verkniff sich ein Lachen, und ich verdrehte die Augen. War ja klar, dass er das nicht als Beleidigung auffasste.
»Hast du die Hausaufgaben für Ethik im Computerwesen gemacht?«
Ich runzelte die Stirn. Worauf wollte er denn hinaus? »Nein.« Aber ich hatte es noch vor.
»Also, ich bin früher fertig geworden.« Selbstgefällig streckte er die Brust heraus.
Hätte ich mehr Zeit, wäre ich auch schon fertig. Doch mit der Uni, meinen Stunden als Lehrassistent für das Stipendium und meinem Job hatte ich eine Menge zu tun. Ich hatte mir bereits Einstiegsjobs in meiner Branche angesehen, aber die Firmen zahlten mies, solange man noch keinen Abschluss hatte. Wegen des Trinkgeldes übernahm ich mehr Schichten in der Bar. Nächstes Jahr würde ich ein Fachpraktikum absolvieren müssen, doch darum würde ich mich kümmern, wenn es so weit war.
»Im Gegensatz zu dir«, erklärte ich Ty, »müssen einige von uns neben dem Studium tatsächlich arbeiten. Nennt sich Job, und genau den mache ich gerade.«
Bildete ich mir das nur ein, oder zuckte er zusammen? Ty sah mich wieder mit seinen blauen Augen an. »Soll ich dir meine Antworten geben?«
»Auf gar keinen Fall. Ich will nicht durchfallen.« Hör auf, mit ihm zu reden. Geh weg. Ich wusste nicht, dass er diese Macht über mich hatte. Jedem anderen hätte ich gesagt, er solle mich am Arsch lecken, und wäre gegangen, aber bei Ty konnte ich es einfach nicht auf sich beruhen lassen. Ich wollte sehen, wie weit wir uns treiben konnten, und musste immer das letzte Wort haben.
»Sollten Typen wie dir Noten nicht eigentlich egal sein?« Er zog eine Braue hoch.
Meine Nackenhaare stellten sich auf. »Typen wie ich? Was soll das heißen?«
Er deutete mit einer Hand wedelnd auf mich. »Die schwarzen Haare … Lederjacke … Ständig finsterer Blick. Im Grunde bist du der Klischee-Bad-Boy aus jeder Teenieserie. Dir fehlen nur die Tattoos. Ich hab gehört, Remy von ›Indelible Ink‹ soll gut sein.«
Unwillkürlich musste ich laut auflachen. »Erstens: Du kannst mich mal. Zweitens: Und du bist kein Klischee? Reicher Sohn, check. Sportler, check. Blonde Haare, check.« Er schüttelte sie sich aus dem Gesicht. Sie waren zerzaust, oben länger und an den Seiten kurz geschnitten. Die Strähnen flogen in alle Richtungen und fielen ihm in die Stirn. »Blaue Augen, check. Arschloch, check.«
»Oh, autsch.« Ty fasste sich ans Herz. »Und ich dachte, du magst mich.«
Ich beugte mich über den Tresen und legte die Lippen an sein Ohr. Beim Einatmen überwältigte der Duft seines Aftershaves meine Sinne. Irgendwie roch er wie ein Sportler. Hatten Sportler einen Geruch? Ty schon – Gras, frische Luft und körperliche Betätigung. »Träum. Weiter.« Und dann, weil es mich einen feuchten Dreck interessierte, was andere über mich dachten – ganz besonders er – leckte ich über seine Ohrmuschel, bevor ich mich zurückzog.
Ty zuckte zurück, doch ich konnte den Ausdruck in seinen geweiteten Augen nicht deuten. »Alter, ernsthaft? Ich weiß nicht, wo deine Zunge vorher war.«
»Und das wirst du auch nie.«
»Gott sei Dank.«
»Wieso spielst du nicht mit deinen Freunden und lässt die Großen Erwachsenensachen machen?«
»Meinetwegen, Sonnenschein.«
»Wow. Das tat weh.«
»Yo! Ty! Schwing deinen Hintern hier rüber!«, rief einer seiner Kumpels in dem Moment, als ich hörte: »Barkeeper, bekomme ich einen Drink?«
Ty grinste und zwinkerte mir zu, ehe er ging.
Im Shenanigans wurde es voller, und ich kümmerte mich um die Drinks. Als ich zufällig zu Ty sah, berührte er sein Ohr an der Stelle, an der ich es abgeleckt hatte, und das entlockte mir doch tatsächlich ein Lächeln.
***
Kurz vor drei Uhr morgens hielt ich mit dem Motorrad vor dem Haus, in dem mein Bruder Asher und ich den Großteil unseres Lebens in unregelmäßigen Abständen mit unserer Grandma gewohnt hatten. Auch Dad war hier manchmal untergekommen, aber bei ihm war es eher ein Kommen und Gehen, da er immer wieder im Gefängnis landete. Dort saß er auch gerade wieder ein. Grandma war erst vor ein paar Monaten in eine Einrichtung für betreutes Wohnen gezogen. Sie gehörte zu meinen Lieblingsmenschen, deshalb hatte ich mich noch nicht ganz daran gewöhnt.
Asher hingegen nutzte die Situation aus, wie sonst auch. In der Hinsicht war er genau wie unser Dad.
In der Einfahrt und am Straßenrand standen unzählige Autos. Gedämpfte Musik ertönte in der salzigen Luft. Grandpa hatte das Haus in den Achtzigern gekauft. Er und Grandma hatten immer von einem Haus in San Luco, nicht weit von San Diego, geträumt. Jetzt konnte es keiner der beiden mehr genießen, denn Grandpa war vor fünfzehn Jahren gestorben.
Nach der Auseinandersetzung mit Ty war ich immer noch gereizt. Er hatte eine Schnecke klargemacht. Bei ihm konnte man nie wissen, ob er mit einer Frau oder einem Mann nach Hause gehen würde. Heute war es eine Blondine. Der Mistkerl hatte ihr übers Ohr geleckt und mich dabei angesehen.
Ich fuhr über den Rasen um das Haus herum, da ich bei keinem dieser betrunkenen Leute darauf vertraute, dass sie beim Verlassen der Party nicht doch mein Bike anfuhren. Ich hatte mir den Arsch aufgerissen, um es zu reparieren. Meine Harley Sportster war mein Baby.
Ich trat den Ständer nach unten und stellte den Motor ab. Ich war unfassbar müde und wollte eigentlich nur ins Bett, aber ich musste mich noch um die Sachen für die Uni kümmern. Beides wäre ohnehin unmöglich. Die Party würde so schnell kein Ende finden.
In dem Moment, in dem ich die Küche durch die Hintertür betrat, hielten ein paar Typen meinen Bruder an den Beinen nach oben, während er im Handstand aus einem Bierfass trank. Was sonst. Asher war zwei Jahre älter als ich, aber darauf würde niemand kommen.
Das Haus platzte aus allen Nähten, und einige der Leute skandierten »trink, trink, trink«, um Asher anzufeuern. Der Geruch von Gras, vermischt mit Schweiß, Alkohol und eventuell Erbrochenem, stieg mir in die Nase. Eine typische Nacht bei den Walkers.
Asher wurde wieder auf die Füße gestellt, und er taumelte ein wenig, sodass er sich an der Wand abstützen musste, um nicht umzufallen. Dann entdeckte er mich. »Braxton! Mein kleiner Bruder ist da! Jemand muss ihm einen Drink sorgen … einen Drink besorgen … Hab ich das richtig gesagt?«
Ich zog eine Braue hoch. »Du bist ein Hornochse.« Ich musste laut sprechen, damit er mich über die Musik und die anderen Leute hören konnte.
»Du bist ein Hornochse.«
»Halt die Klappe.«
»Halt die Klappe.«
»Wie alt bist du?«
»Wie alt bist …«
»Herrgott noch mal, Asher.« Ich hatte ständig Vollpfosten um mich, was mich sofort wieder an Ty erinnerte. Verständlich, immerhin fiel er genau in diese Kategorie, aber ich wollte ihn auch aus dem Kopf bekommen. Dort nahm er definitiv zu viel Raum ein. Es war einfach sehr unpraktisch, mit jemandem schlafen zu wollen, den man hasste. Ich musste meinen Schwanz im Zaum halten, doch bei Sportlern schien mein Verstand auszusetzen. Na ja, zumindest einmal war mir das passiert.
Jemand drückte mir schwungvoll einen roten Plastikbecher in die Hand, sodass Bier auf mein Shirt schwappte. »Hi, du bist heiß.« Die junge Frau, die mir den Drink gebracht hatte, lächelte mich an.
»Er mag Schwänze«, verriet Asher ihr. Meine Damen und Herren: mein Bruder. Was für ein Esel. Allerdings hatte er auch recht.
»Ich hab einen Umschnalldildo«, erwiderte sie.
Unfassbar. »Das ist nicht ganz dasselbe. Schwänze sind toll, aber es geht weniger um den Körperteil als um die Tatsache, dass ich auf Männer stehe.«
»Och Mann. Die Heißen sind immer schwul.« Ich nahm ihr den Becher ab, und sie verschwand.
»Trink, Kumpel«, sagte Asher. Jemand rempelte ihn an und schubste ihn gegen mich, sodass noch mehr Bier überschwappte.
»Ich habe gerade die ganze Nacht gearbeitet und muss dieses Wochenende einen Haufen Zeug für die Uni machen. Du hast gesagt, du würdest nicht feiern.«
»Weißt du … Das war nicht geplant … Es ist einfach passiert … und ich war betrunken, deshalb hab ich’s vergessen … Hab dich lieb, Bruder!« Und mit diesen eloquenten Abschiedsworten drehte sich mein Bruder um und rief: »Hey, Dildo-Girl!«
Seufzend legte ich den Kopf in den Nacken, dann kippte ich das Bier weg und ging schnurstracks in mein Zimmer. Ich hatte die Tür abgeschlossen, da sich niemand an meinen Sachen vergreifen sollte.
Das Bett quietschte, als ich mich darauf fallen ließ. Die Musik brachte die Wände zum Vibrieren, und Johlen und Gebrüll drang durch die Tür.
Ich hätte mitfeiern, mir einen Typen suchen und ihn mit in mein Zimmer nehmen können, damit wir uns für den Rest der Nacht im Körper des anderen verloren. Ein sehr verlockender Gedanke, doch stattdessen nahm ich meine Bücher und den Laptop aus dem Rucksack. Da ich ohnehin kein Auge zumachen würde, konnte ich genauso gut etwas Produktives tun.
TY
Es passte mir wirklich nicht, dass ich mit Braxton Walker schlafen wollte.
Zugegeben, er war heiß, allerdings hatte er auch einen Stock im Arsch, so tief, dass er ihm schon zum Mund wieder rauskam. Normalerweise stand ich darauf, etwas im Arsch zu haben, denn es fühlte sich unheimlich gut an. Aber er versaute mir das beinahe mit seiner selbstgerechten Art, während er mir genau dasselbe vorwarf. Keine Ahnung, was er gegen mich hatte, doch seit unserer ersten Begegnung sah er mich ständig an, als hätte ich seinen Welpen getreten.
Vielleicht war es merkwürdig, aber unser andauernder Schlagabtausch steigerte meine Lust auf ihn nur noch weiter. Es fühlte sich an wie ein jahrelanges Vorspiel. Seit Studienbeginn reizte er mich auf die eine oder andere Art. Anfangs lag es einfach nur an seinem guten Aussehen, das ich widerwillig bewunderte. Letzten August hatte die Sache noch mehr Fahrt aufgenommen, als er im Shenanigans anfing. Wir hatten schon vorher einen Haufen Kurse zusammen, doch die verbale Vögelei begann erst, nachdem er den Job bekommen hatte und wir uns außerhalb der Uni über den Weg liefen. Vermutlich veränderte die neue Atmosphäre unser Verhältnis zueinander und gab uns den Raum, aufeinander loszugehen.
Gestern Nacht nach der Bar hatte ich Sex mit einer wunderschönen Frau gehabt und heute beim Lacrosse-Training allen gezeigt, was Sache ist. Trotzdem hatte ich beim Runterholen in der Dusche daran gedacht, wie Braxton mir über das Ohr geleckt hatte … Und jetzt, während meine Freunde Madden spielten, ging er mir immer noch nicht aus dem Kopf.
Ich wollte mir nicht vorstellen, was ich tun würde, wenn er wüsste, wie oft er in meinen Fantasien auftauchte.
»Was soll das, Langley? Wo ist das Bier?«
Ich wäre mit Einkaufen an der Reihe gewesen. Wir hatten einen Plan, wer was und wann besorgte. Zum ersten Mal hatten drei meiner Teamkollegen und ich eine Unterkunft auf dem Liberty Court ergattert, dem großen Wohnkomplex auf dem Campus. Jedes Haus war nach einem ehemaligen Dekan benannt. Wir wohnten im Adler House. Außerdem gab es noch Freidman, Mundell und Stormer, wobei letzteres eher als Stoner House bekannt war. Im Freidman wohnte ein hinreißender Twink namens Felix. Wir hatten nichts miteinander, aber obwohl ich nicht seinem Typ entsprach – groß –, flirtete er ständig mit mir. Manchmal winkte er mir vom Dach ihres Hauses verspielt zu, was mich unheimlich neidisch machte, denn unser Gebäude hatte nur ein Stockwerk.
»Ich hatte keine Zeit zum Einkaufen!«, rief ich Ford, einem unserer Verteidiger, zu. Wir spielten nun seit drei Jahren zusammen Lacrosse. Sie waren meine Jungs. Gleich im ersten Semester hatte ich ihnen von meiner Bisexualität erzählt, und keinen von ihnen hatte es gestört. Wir spielten und feierten zusammen. Mir war immer gesagt worden, dass das die besten Jahre meines Lebens sein würden, deshalb versuchte ich, alles mitzunehmen, was ich konnte. In anderthalb Jahren würde ich einen Job anfangen, den ich hasste, bei einem Mann, den ich mein ganzes Leben lang vergöttert hatte, bis ich herausgefunden hatte, dass er ein Schwindler war.
Aber darüber würde ich mir heute nicht den Kopf zerbrechen. Auf keinen Fall. Im Grunde fuhr ich gut damit, die Existenz meines Dads zu ignorieren und so zu tun, als würden meine neuen, selbst verschuldeten Geldprobleme nicht zu einem Hindernis werden. Denn ich würde keinen Cent mehr von ihm annehmen, meine Kreditkarten nicht benutzen oder mich auf andere Weise von ihm unterstützen lassen. Mit Geld hatte er immer bekommen, was er wollte, aber bei mir funktionierte das nicht mehr.
»Wir haben keinen Krümel mehr im Haus!«, rief Ford aus der Küche. »Wie kann das sein? Wir sind noch im Wachstum. Ich brauch Chips oder so was.« Ford kam zurück und ließ sich auf die Couch fallen. Der Typ konnte den ganzen Tag essen. Ständig. Ich sollte wohl einkaufen gehen, wollte das Geld auf meinem Konto allerdings sparen.
Ich hatte keine Ahnung, was zum Teufel ich tun sollte. Studiengebühren und Unterkunft für dieses Jahr waren beglichen, aber wie sah es nächstes Jahr aus? Was war mit unvorhersehbaren Ausgaben? Ich wusste nur, dass ich eine Lösung finden musste, da ich absolut nichts mit Montgomery Langley zu tun haben wollte. Zumindest, bis es sich nicht mehr vermeiden ließ. Nicht, seit ich herausgefunden hatte, dass ich einen ein Jahr jüngeren Bruder namens Perry hatte. Ein Bruder, von dem er gewusst, uns aber nie etwas erzählt hatte … Im Zuge dieser Enthüllung war ans Licht gekommen, dass er meine Mom seitdem wiederholt betrogen und mit seiner neuen Freundin eine einjährige Tochter hatte. Und daraufhin hatte er Mom verlassen, um bei ihnen zu leben.
»Hallo? Bist du noch da, Langley?« Collins schnippte mir gegens Ohr.
»Alter!«
»Du bist abgedriftet«, erwiderte Collins.
Uuuuund Zeit für einen Themenwechsel. Ich wollte nicht, dass sie fragten, was los war, dabei war ich mir nicht einmal sicher, ob sie das überhaupt tun würden. Das war nicht unser Ding. Sie achteten nicht auf solche Sachen, und mir war das ganz recht.
»Gib her.« Ich zog Collins den Controller aus der Hand. »Ich zeig euch Vollpfosten mal, wie das geht.«
Wie erhofft vergaßen sie augenblicklich, dass ich in Gedanken verloren gewesen war, und laberten stattdessen einfach vor sich hin, während ich sie im Spiel fertigmachte.
Watty, der eigentlich Watson hieß, sagte: »Da wir gerade von Vollpfosten sprechen, hat Barkeeper Arschloch dir wieder das Leben schwer gemacht?« Das war ihr Spitzname für Braxton. Offensichtlich war ich nicht der Einzige, der ihn für eine Arschgeige hielt.
»Ja, was hat der denn für ein Problem?«, fügte Ford hinzu.
Ich zuckte mit den Schultern. »Nix. Ist einfach so.« Ich würde ihnen nicht sagen, dass es mir mehr gefiel, als es sollte.
Wir chillten ein paar Stunden. Irgendwann vibrierte mein Handy auf dem Couchtisch und Dad erschien auf dem Display. Zähneknirschend schnappte ich mir mein Handy. Watty und Collins spielten gerade. Ford durchsuchte erneut Kühlschrank und Schränke, als wäre seit dem letzten Mal auf magische Weise etwas Essbares darin aufgetaucht. »Bin gleich wieder da«, sagte ich.
Sie achteten kaum auf mich, als ich zur Tür hinaus auf den großen, quadratischen Hof auf dem Liberty Court schlüpfte. Es gab Grills, Hängematten, Picknicktische und einen Springbrunnen zwischen den zum Unigebäude passenden weißen Häusern im spanischen Stil. Ich betrachtete die Kakteen und Palmen um mich herum.
Ging ich nicht schnell genug ran, würde er es sofort noch einmal versuchen. Wenn Montgomery Langley anrief, nahm man ab. Ich hatte immer respektiert, dass er Aufmerksamkeit verlangte. Jetzt verursachte es mir eine Gänsehaut.
»Moment«, sagte ich, verließ den Hof und ging um eines der Gebäude herum. Ich wollte nicht riskieren, dass mich jemand hörte. Es war noch früh am Abend, die Sonne war jedoch bereits untergegangen und die Temperaturen waren auf etwa zwölf Grad gesunken. Kälter wurde es hier im Grunde nicht. Das liebte ich an Südkalifornien. »Was?«, fragte ich.
»Ich weiß nicht, für wen du dich hältst, Tyson, aber es ist nicht in Ordnung, so mit mir zu reden. War es nie und wird es nie sein.«
»Du hast kein Recht mehr, mir vorzuschreiben, wie ich mein Leben zu leben habe.« Nicht, nachdem er mich einundzwanzig Jahre lang belogen hat. Und meine Mom.
»Das zwischen deiner Mutter und mir hat nichts mit dir zu tun.«
»Hat es wohl!«, erwiderte ich so laut, dass ein paar Leute im Vorbeigehen in meine Richtung sahen. »Ich habe einen Bruder und eine Schwester, von denen du mir nie erzählt hast! Einer davon ist zwanzig Jahre alt! Wer weiß, womöglich könnte es sogar noch mehr geben. Ich habe dich respektiert. Ich dachte, du hast mich lieb, dabei hast du mich die ganze Zeit nur angelogen. Du schenkst mir Geld und falsche Zuneigung, während du die Mutter meines Bruders bezahlst, damit niemand von ihm erfährt. Bei deiner neuen Freundin hast du das bestimmt auch gemacht, bevor sie dich gezwungen hat, reinen Tisch zu machen.« Sein ganzes Leben lang war er mit allem durchgekommen, solange er nur einen Scheck ausgestellt hatte. Sogar ich hatte die Anzeichen ignoriert, er könnte nicht der sein, für den ich ihn gehalten hatte. Doch jedes Mal hatte er mich mit einem Geschenk abgelenkt. Das würde ich nicht mehr zulassen.
»Ich verbiete dir, so mit mir zu reden.«
»Dann ruf mich nicht an.«
Er seufzte. »Du weißt doch, dass das Geld von deiner Mom auch von mir kommt. Lassen wird das einfach hinter uns. Du bist nach wie vor mein Sohn. Wir schaffen das. Du bleibst noch anderthalb Jahre an der Uni, dann kommst du nach Hause und arbeitest bei mir …«
»Nein«, unterbrach ich ihn.
»Wovon willst du leben? Abgesehen von Schule und Sport musstest du noch keinen einzigen Tag in deinem Leben für irgendetwas arbeiten.« Warum wurde mir das ständig vorgehalten? Gestern Abend von Braxton und jetzt von Dad. »Du bist an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt. Hör auf mit den Spielchen, Tyson. Was willst du tun, wenn die Studiengebühren fällig sind? Wenn du denkst, ich lasse mich von dir wie Dreck behandeln, um dir nächstes Jahr wieder zu helfen, liegst du falsch. Und versprich mir bitte, dass du unsere kleinen Problemchen diskret behandelst.« Sein Geld und sein Name hatten auch diese Angelegenheit gelöst.
Denn Geld war alles, worum es ihm ging. Und er erwartete, dass ich ebenfalls an nichts anderes dachte, und nun ja, ich konnte es ihm nicht vorhalten. Ich gab es ziemlich gern aus. Ich war tatsächlich an einen gewissen Lebensstandard gewöhnt, aber … »Ich will dein Geld nicht, und ich will auch nicht mit dir reden.«
Ich legte auf und versuchte, nicht an den Bruder, den ich nie kennengelernt, und die Schwester, die ich nur einmal gesehen hatte, zu denken. Welchen Schmerz er ihnen und meiner Mom zugefügt hatte.
Aus dem Adler House drang lautes Gelächter, und als ich aufsah, kamen meine Freunde aus dem Gebäude. »Wir brauchen dringend was zwischen die Zähne, Langs«, erklärte Ford. »Wir gehen was essen.«
Ich war nicht so blauäugig, meinem Dad das Geld zurückzugeben, das ich bereits hatte, aber fest entschlossen, kein weiteres anzunehmen. Wenn ich das tat, hatte er mich in der Hand. Ich wäre wieder von ihm abhängig. So gefiel es ihm.
Ich brauchte einen Job, und zwar bald.
Mist.
***
Wir gingen zu unserem Lieblings-Tacostand am Pier. Es war ein beliebter Treffpunkt mit Tischen davor auf der Promenade. Ich gönnte mir drei Tacos, denn Ford hatte recht. Wir befanden uns noch im Wachstum und so. Ich musste was essen.
Wir trafen ein paar Mädels vom Campus und hingen bis etwa neun mit ihnen ab, bis alle entschieden, wieder ins Shenanigans zu gehen. Ein elektrischer Schauer durchfuhr mich, den ich allerdings sofort unterdrückte. Ich hatte keinen Grund, mich darauf zu freuen, möglicherweise Braxton wiederzusehen und ihn aufzuziehen. Ich hatte tausend andere Probleme.
»Bringt ihr Jungs uns dieses Jahr zu den Meisterschaften?«, fragte Krista. Zumindest glaubte ich, dass sie so hieß. »Das Football-Team hat es geschafft, aber die haben auch Peyton.«
»Wer ist Peyton?«, witzelte ich. Zwischen Peyton Miller und mir hatte sich eine Frenemies-Beziehung entwickelt, da wir beide die Besten in unserem Sport waren. Nur war ich heißer.
»Haha«, erwiderte Krista.
»Aber ja, verdammt, das werden wir. Musst du das überhaupt fragen, wenn wir im Team sind?«
Watty, Collins und Ford johlten und klopfte mir auf dem Weg zur Bar auf den Rücken und Hintern.
Ich liebte die Gegend um den Campus, da sich alles in Laufweite befand. Wir hatten den Strand direkt hinter der Straße, etwas weiter runter den Pier und das Shenanigans genau dazwischen.
»Ich frier mir die Eier ab«, bemerkte Watty. »Ich hab keinen Pullover mitgenommen.«
»Es sind über zehn Grad«, hielt ich dagegen und stellte ihm spielerisch ein Bein.
»Ihr Ostküstler kommt mit diesem Wetter vielleicht klar. Aber ich bin und bleibe ein kalifornischer Junge und brauche bei unter fünfzehn Grad einen Pullover.« Wir lachten. Ich zog meinen Pullover aus und reichte ihn ihm, worauf er erwiderte: »Hach, willst du mit mir ausgehen? Eigentlich stehe ich nicht auf Kerle, mit dir würde ich es allerdings versuchen.«
Meine Freunde waren absolute Hornochsen. »Du bist nicht heiß genug für mich.«
»Alter, Langs hat dich gerade hässlich genannt«, stichelte Collins.
»Warum sind Typen so albern?«, fragte Krista.
In solchen Momenten vergaß ich beinahe den ganzen Mist in meinem Leben, doch er lauerte nur darauf, sich im richtigen Moment wieder auf mich zu stürzen.
Wir erreichten das Shenanigans, ein altes, wettergegerbtes Gebäude, aber es hatte vier Wände und drinnen gab es Alkohol, wen interessierte es also? Oscar, der Besitzer, hatte es letztes Jahr neu streichen lassen, doch auf der weißen Farbe zeichnete sich bereits Schmutz ab.
»Was geht, Mann?«, fragte ich den Typen an der Tür.
»Hi.« Wir zeigten ihm unsere Ausweise, und er gab uns Armbänder mit Gänseblümchen darauf.
Ich hasste mich dafür, doch sobald ich die Bar betrat, huschte mein Blick auf der Suche nach Sonnenschein augenblicklich zum Tresen.
Es herrschte ziemlicher Trubel, vor allem angesichts der Uhrzeit. Leute drängten sich an die Bar, aber nach nicht einmal einer Sekunde hatte ich ihn entdeckt. Er goss gerade Wodka in ein Glas. Sein schwarzes T-Shirt spannte über der Brust. Zwar konnte ich seine Jeans nicht sehen, vermutete aber, dass sie dieselbe Farbe wie sonst auch hatte. Er trug sie etwas lockerer, sodass sie unter den Bund seiner Unterwäsche rutschte, die ich gesehen hatte, als er sich in der Vorlesung streckte. Eventuell hatte ich auch ein wenig gesabbert.
Heute Abend wirkte er müde, trotzdem lachte er über etwas, was ein Typ sagte. Er trug mehrere Ringe, ein Armband und eine Halskette, ohne die ich ihn noch nie gesehen hatte. Obwohl er es mit Sicherheit nie zugeben würde, verbrachte er offensichtlich viel Zeit damit, seine kohlschwarzen Haare so zu stylen, dass sie vorn ein bisschen hochstanden. Verdammt sexy, als wäre er einmal zu oft mit den Fingern hindurchgefahren.
Als hätte er meine Anwesenheit gespürt, schoss Braxtons Blick in meine Richtung. Sein Lächeln verblasste, und die Muskeln an seinem kantigen Kiefer spannten sich an.
Ich grinste.
Er machte ein noch finstereres Gesicht.
Eigentlich sollte es nicht so viel Spaß machen, ihn aufzuziehen, aber ich hatte das Gefühl, dass es ihm genauso ging, egal, wie sehr er sich dagegen wehrte.
»Was starrst du an, Langs?« Ford drückte meine Schultern.
»Gar nichts.«
»Willst du was trinken?«
»Nee, heute nicht.« Bis auf Ford gingen alle zum Tisch, also drehte ich mich um und sagte: »Ich helf dir beim Tragen.«
Ford redete belangloses Zeug, und ich hörte zu, während wir eine gefühlte Ewigkeit warteten, bis wir an der Reihe waren. Meine Freunde wussten, dass ich bi war, doch meine Braxtons Anziehung auf mich würden sie nicht verstehen. Verdammt, ich verstand sie ja selbst nicht. Wir waren absolut gegensätzlich. Er hatte deutlich gemacht, dass er allergisch auf Sportler reagierte. Er war bestimmt noch nie im Leben bei einem Lacrosse-Spiel gewesen, und mal ehrlich … wie konnte das sein?
All das fachte meine Aufregung jedoch nur noch an.
Schließlich traten wir an den Tresen, und Braxton verdrehte die Augen, als er mich sah.
»Alter, vielleicht solltet ihr noch jemanden einstellen«, murmelte Ford.
»Oh Mann, verdammt. Warum ist uns das nicht eingefallen?«, erwiderte Braxton. »Wenn man unterbesetzt ist, sollte man sich also Bewerbungen ansehen, Leute für Bewerbungsgespräche einladen und dann jemanden einstellen und einarbeiten? Meinst du, das dauert länger als einen Tag? Ich frage für meinen Boss.«
Ich musste mir auf die Zunge beißen, um nicht zu lachen.
»Du musst nicht gleich so ein Arsch sein«, antwortete Ford.
»Aber du machst es mir so leicht«, hielt Braxton dagegen. »Also, was wollt ihr trinken? Wie ihr sehen könnt, ist viel los, und wir sind unterbesetzt. Unser Hilfskellner-Schrägstrich-Geschirrspüler ist nicht aufgetaucht, deshalb muss der zusätzliche Barkeeper das auch noch übernehmen.«
»Ihr sucht also jemanden?«, fragte ich und wurde sofort von zwei verwirrten Blicken durchbohrt.
»Wieso interessiert dich das?«, wollten sie gleichzeitig wissen.
»Ich bin nur neugierig, was dagegen?« Und vielleicht verletzte es mich ein wenig, dass selbst mein Freund über den Gedanken schockiert schien, ich könnte Interesse an einem Job haben. Natürlich konnte ich arbeiten. Ich war nicht vollkommen hilflos.
»Typisch«, erwiderte Braxton.
»Was soll das heißen?«
»Nichts. Ich hab heute Abend keine Zeit für deine Spielchen, Lacrosse. Was willst du?«
Mir lag bereits eine sarkastische Bemerkung auf der Zunge, aber er sah wirklich müde aus, und hier war die Hölle los. Da ich kein Monster war, bestellte ich einfach zwei Pitcher Bier.
Braxton sah mich nicht wieder an, und bevor ich mich versah, bezahlte Ford, und wir gingen zum Tisch.
Ich hatte gerade ziemlich sicher einen Job gefunden.
Das löste gemischte Gefühle in mir aus. Der Vorteil: Ich würde mein eigenes Geld verdienen und hätte mehr Zeit für das Vorspiel mit Sonnenschein.
Der Nachteil: Es war bloß ein Job. Aber die Arbeit in der Bar war immer noch besser als eine Einstiegsstelle in der IT-Branche. Ich wollte das, was ich hasste, so lange wie möglich vor mir herschieben.
»Barkeeper Arschloch hasst dich echt«, bemerkte Ford.
»Wow, danke, Mann.« Gehasst zu werden hatte noch nie so viel Spaß gemacht.
BRAX
»Na, wenn das nicht mein Lieblingsmensch ist.« Ich betrat Grandmas kleine Wohnung in der Einrichtung für betreutes Wohnen und schenkte ihr ein breites Lächeln.
»Das Einschleimen habe ich dir besser beigebracht.« Sie grinste mich von ihrem Schaukelstuhl am Fenster aus an. Die Einrichtung war in Ordnung – nicht die schlechteste, aber auch nicht die beste. Ohne Grandpas Rente hätte sie sich mit einer deutlich schäbigeren begnügen müssen. Genauer gesagt hätte sie sich wahrscheinlich überhaupt keine leisten können. Außerdem wohnten wir in Südkalifornien; hier kostete alles ein Vermögen. Immerhin hatte sie Palmen vor dem Fenster, selbst wenn sie nicht am Strand lebte, und die Sonne schien immer.
Grandma war der glücklichste Mensch, den ich kannte. Sie sah grundsätzlich das Positive, was ich nie gekonnt hatte. Ihr zuliebe bemühte ich mich, versagte jedoch kläglich. »Ich bin schockiert, dass du glaubst, mehr hätte ich nicht drauf.« Ich küsste sie auf die Wange, ehe ich mich auf den Stuhl neben sie setzte. »Du siehst hinreißend aus. Ist das ein neues Nachthemd?«
Lachend schlug sie mir auf den Arm. »Ungezogener Bengel.«
»Dein allerliebster Bengel.«
»Von euch dreien bist du noch am vernünftigsten. Du erinnerst mich immer an deinen Grandpa.« Mit uns dreien meinte sie mich, meinen Dad und Asher. Dad war schon in jungen Jahren ständig in Schwierigkeiten geraten und mit dem Alter zunehmend weniger … gesetzeskonform geworden. Während sich die meisten Leute wünschten, ihr Nachwuchs sollte es einmal besser haben als sie, wollte Dad, dass wir mit ihm ins Familiengeschäft einstiegen. Also im Grunde alles, was illegal war. Grandma hatte ihr Bestes gegeben, um uns davon abzuhalten, aber es hatte nicht immer funktioniert, nicht einmal bei mir.
»Von ihm habe ich mein gutes Aussehen.« Es war so viel leichter zu scherzen, als über etwas Tiefgründiges zu reden. Außerdem war ich nicht sicher, ob sie mich in einem rosigen Licht sah, würde jedoch auch nicht auf meine Fehler hinweisen. Ich konnte sie einfach besser verstecken als Dad und Asher.
»Erzähl mir von der Uni.«
»Da gibt es nicht viel zu erzählen. Mir gefällt der Kurs über Ethik in der Computertechnik. Der Professor ist ziemlich krass. Bei Kommunikation für Ingenieurwesen und Technologie bin ich nicht so sicher.« Beide Kurse belegte ich mit Ty. Was war das gestern Abend gewesen? Wieso hatte er gefragt, ob das Shenanigans Mitarbeiter suchte? Er war zu perfekt, um sich beim Abwasch die Hände schmutzig zu machen oder betrunkene Collegejungs zu bedienen, wie er einer war. Wie sollte er seine Kurse besuchen, Lacrosse spielen und sich durch sämtliche Betten schlafen, wenn er auch noch jobben musste?
»Computer. Unglaublich, dass du aufs College gehst, um mit Computern zu arbeiten. Dein Grandpa wäre so stolz.« Sie drückte meine Hand.
»Kein Grund, stolz zu sein. So was macht man nun mal.« Außerdem kostete es eine Menge, wobei sie mir unter die Arme griff. Mit Stipendien und Krediten kam man nicht weit.
Ich wusste nur, dass ich nicht wie mein Dad, oder schlimmer noch, wie mein Bruder werden durfte, der abwechselnd tolle Gesellschaft oder ein riesiges Arschloch war. Genau wie Dad. Asher hatte keine Ziele, abgesehen davon, im Handstand aus einem Bierfass zu trinken und seinen Schwanz irgendwo reinzustecken.
»Irgendwelche netten Jungs?«, fragte Grandma, und ich verdrehte die Augen.
»Nein. Genau wie beim letzten Mal, als du gefragt hast. Ich bin von verwöhnten reichen Kids und Sportlern umgeben. Außerdem müsste ich Menschen mögen, um mit jemandem ausgehen zu wollen.«
»Du magst Menschen.«
Nicht wirklich. Zumindest die meisten nicht. »Stimmt nicht«, hielt ich dagegen.
»Eines Tages wirst du deine Meinung ändern. Du wirst einen netten Jungen treffen, der dich herausfordert. So war es bei deinem Grandpa und mir. Donnerlittchen, der Mann konnte mich zur Weißglut treiben, aber manchmal hat sogar das Streiten mit ihm Spaß gebracht. Und die Versöhnung war das Beste.«
»Äh … So genau wollte ich es nicht wissen.« Bestimmt war ich der einzige Mensch auf der Welt, zu dem Grandma so etwas sagte.
»Spielverderber.« Grandma zwinkerte mir zu. »Und dein Bruder?«
»Dem geht’s gut. Er sucht gerade intensiv nach einem Job«, sog ich mir eine Ausrede aus den Fingern, warum er sie nicht besuchte. Asher hatte nur selten eine feste Arbeit. Ich musste ihm wirklich in den Hintern treten. Nur dank Grandma hatten wir eine halbwegs normale Kindheit gehabt. Wir wohnten in ihrem Haus, und er kam sie nicht mal besuchen? Vor allem, da er es oft zu den Besuchszeiten ins Gefängnis schaffte, um Dad zu sehen?
Wir plauderten noch eine Weile, dann spielten wir eine Runde Monopoly. Als ich gähnte, sagte Grandma: »Du bist müde. Das machst du jetzt schon zum fünften Mal. Geh nach Hause und ruh dich aus. Morgen musst du wieder zur Uni. Du arbeitest zu hart, Brax. Du kannst die Fehler deines Daddys und die von Asher nicht kompensieren, indem du dir zu viel Druck machst.«
Vielleicht nicht, aber ich musste es einfach versuchen.
***
Am nächsten Tag im Kurs stöhnte ich, als sich Tyson neben mich setzte. »Alter, bist du von mir besessen? Du bist wie ein Jucken, das nicht weggeht.«
»Das solltest du mal untersuchen lassen«, erwiderte er. »Ist es …« Ich blickte zu ihm auf und stellte fest, dass er mit einem Nicken auf meinen Schritt deutete. »Du weißt schon …«
Er war einfach unglaublich. »Leck mich. Hör auf, dir Ausreden einfallen zu lassen, um meinen Schwanz anzustarren.«
»Nee, du bist nicht mein Typ.«
»Du willst mich, Lacrosse. Du kannst den Blick nicht von mir abwenden. Ich wette, du hast daran gedacht, wie ich dir übers Ohr geleckt habe, als du dir einen runtergeholt hast.« Ich hatte es definitiv getan, aber das würde er nie erfahren. »Ich kann sehr gut mit meiner Zunge umgehen. Im Deepthroating bin ich Profi, obwohl das nach dem, was ich gehört habe, bei dir auch nicht schwer ist.«
»Das hättest du wohl gern, Arschloch.« Er rieb sich zur Betonung über den Schritt, und ich schüttelte den Kopf. Er trug eine Laufhose und ein langärmliges FU-Kings-Lacrosse-T-Shirt. Ja, wir waren die FU Kings. Stünde ich auf Sport, würde mir das sehr gefallen.
»Du weißt schon, dass ich dir nicht bei den Aufgaben helfe, oder?«, sagte ich zu Tyson. »Wenn du jemanden suchst, von dem du abschreiben kannst, bist du bei mir an der falschen Adresse.«
»Warst du in deinem Leben jemals glücklich?«, hielt er dagegen.
Ich wusste nicht, welcher Teil dieser Frage meinen Puls ins Stolpern brachte, aber es passierte. »Musstest du jemals in deinem Leben für irgendwas arbeiten, anstatt es von deinem perfekten Daddy zu bekommen?«
In Tysons Augen blitzte etwas Merkwürdiges auf, wie ein aufziehender Sturm, der seine himmelblauen Augen verdunkelte. Doch genauso schnell verschwanden die Wolken, als wäre es nie geschehen. Das war … seltsam. So kannte ich ihn gar nicht.
Tyson zuckte mit den Schultern. »Siehst du meinen Dad mit mir auf dem Lacrosse-Feld?«
»Keine Ahnung. Ich hab noch nie ein Spiel gesehen. Ich versuche, langweilige Dinge zu vermeiden.«
Er lachte. »Du solltest vorbeikommen. Ich kann dir ein Trikot mit meiner Nummer geben. Du könntest mich vom Spielfeldrand aus anfeuern, anstatt dir Videos von mir in den sozialen Medien anzusehen, auf die du dir einen runterholen kannst. Es ist okay, wenn du mich magst, Sonnenschein.«
»Nicht mal, wenn du der letzte Mann auf Erden wärst.«
»Red dir das ruhig weiter ein.«
Leider war mein Schwanz in Bezug auf Tyson Langley anderer Meinung als der Rest von mir. Er war sehr daran interessiert, alles über Lacrosse aus der Nähe zu erfahren.
In diesem Moment betrat Professor Meyer den Raum und begann augenblicklich mit der Vorlesung, sodass ich nicht antworten musste.
Ich öffnete meinen Laptop, um mir Notizen zu machen.
Tyson tat es ebenfalls.
Ich fing an zu tippen.
Er auch.
Je mehr ich schrieb, desto mehr schrieb er. Ich tippte schneller, und er folgte meinem Beispiel.
»Willst du daraus wirklich einen Wettbewerb machen?«, flüsterte ich.
»Oh, tut mir leid. Ich hab gar nicht gemerkt, dass du noch hier bist. Sollte dir die Uni nicht eigentlich egal sein? In diesem Szenario sollte es nur Nerds geben. Keine Typen, die aussehen wie du, Motorrad fahren und schon mal verhaftet wurden.«
»Wer stalkt jetzt wen online?« Es interessierte mich nicht, dass er von meiner Vergangenheit wusste. Ich war nicht stolz auf den Bockmist, den ich verzapft hatte, schämte mich aber auch nicht dafür. Mein Dad hatte mich dazu gedrängt, und ich hatte seit Jahren nichts mehr ausgefressen. Bei den meisten Dingen handelte sich um Betrügereien, bei denen Asher und ich Dads Schachfiguren gewesen waren. Kostenlose Mahlzeiten in Restaurants, vorgetäuschte Verletzungen; er hatte uns benutzt, um zu bekommen, was er wollte. Ein einziges Mal hatte man mich wegen Diebstahls verhaftet, und das auch nur, weil er mich dazu überredet hatte. »Und was soll das eigentlich mit diesem Bad-Boy-Nerd-Was-auch-immer-Zeug? Davon redest du ständig. Ich hab das Gefühl, du lebst in einer romantischen Teeniekomödie.«
»Mr Walker, halten Sie bitte den Mund oder verlassen Sie den Raum. Wenn Sie nicht hier sein wollen, zwingt Sie niemand«, ermahnte mich Professor Meyer, bevor er sich wieder seiner Vorlesung widmete. Natürlich sprach er nur mich an. Nicht den Lacrosse-Star. Aber das war ich gewohnt. So funktionierte die Welt eben.
Ich konzentrierte mich wieder auf meine Notizen und ignorierte Tyson. Diese Art von Ablenkung konnte ich nicht gebrauchen. Nach dem Kurs stopfte ich alles in meinen Rucksack und ging zur Tür.
»Hey, Sonnenschein. Warte mal!« Tyson folgte mir.
»Leck mich.«
Er holte mich ein, und wir gingen gemeinsam nach draußen. »Es ist nicht meine Schuld, dass Meyer ein Arsch ist.«
Meistens war er das nicht. Eigentlich mochte ich ihn sehr. »Nein, aber es ist deine Schuld, dass du einer bist.«
»Das musst du gerade sagen. Arschlöcher vereint euch!«
Nicht lächeln. Auf keinen Fall lächeln. »Irgendwas stimmt mit dir nicht.« Ich hatte keine Zeit dafür. Ich hatte noch weitere Vorlesungen, musste mich dann um meine Aufgaben als Lehrassistent kümmern und anschließend arbeiten.
»Das ist wohl nicht der beste Zeitpunkt, um dir zu sagen, dass ich mich gestern bei Oscar vorgestellt habe.«