Poetische Rosen in Knospen - Sidonia Hedwig Zäunemann - E-Book

Poetische Rosen in Knospen E-Book

Sidonia Hedwig Zäunemann

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Beschreibung

Sidonia Hedwig Zäunemann war eine deutsche Dichterin. In ihrem Werk greift sie radikal und selbstbewusst die gesellschaftliche Vorherrschaft der Männer an und verurteilt die These, dass Frauen Menschen zweiter Klasse seien. Durch diese Äußerungen und ihr unkonventionelles Leben galt sie lange Zeit als Außenseiterin, und ihr Einfluss auf spätere Dichterinnen war dadurch geringer als der von Christiana Mariana von Ziegler.

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Poetische Rosen in Knospen

Sidonia Hedwig Zäunemann

Inhalt:

Sidonia Hedwig Zäunemann – Biografie und Bibliografie

Poetische Rosen in Knospen

Geistliche Gedichte

Leichen-Gedichte

Hochzeit-Gedichte

Lob- Ehren- und Glückwünschende Gedichte

Vermischte Gedichte

Poetische Rosen in Knospen , S. Zäunemann

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849640330

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Sidonia Hedwig Zäunemann – Biografie und Bibliografie

Thüringische gekrönte Dichterin. Als Tochter des Advokaten und Notars Paul Nicolaus Z. wurde Sidonia am 15. Januar 1714 zu Erfurt geboren und zeichnete sich in der Jugend trotz mütterlichen Widerstrebens durch großen Lerntrieb aus. Früh schon begann sie zu dichten, allerdings im ausgetretenen Gleise der Gelegenheitsgedichte zu Hochzeiten, Kindtaufen, Beerdigungen u. s. w. In ihrer Gedichtsammlung sind die ältesten datierten aus dem Jahre 1731, doch sagt sie selbst, dass sie nicht alles aufgenommen habe; Gedichte aus dem Jahre 1728 hat sie später selbst verbrannt. Viele dieser Erzeugnisse entsprangen nicht eigenem inneren Antriebe, sondern sind auf fremde Bestellung gefertigt, denn die Zeitsitte erforderte es, jedes Ereignis des Familienlebens mit Reimen zu begleiten. Eigentümlich berühren dabei im Munde einer jungfräulichen Dichterin die ziemlich unverhüllten Anspielungen auf die Vorgänge und Folgen der Brautnacht, doch entsprachen dieselben lediglich dem allgemeinen, vielfach weit derberen Geschmacke der Zeit, dem sich die sonst mit zarter Empfindung begabte Verfasserin anpasste. Erscheint Z. also hierbei durch Stoffwahl und Behandlung durchaus als Kind jener Tage, ragt die Hauptmasse dieser Gedichte über die damalige Poesie für den Hausgebrauch nicht hinaus, so zeigt Sidonia doch in einigen Schöpfungen, dass sie selbständiger Gedanken und Gefühle fähig war. Jene Stoffe füllten ihren Sinn nicht aus, auch die Ereignisse des öffentlichen Lebens ihrer Heimat, die großen Weltbegebenheiten zogen ihr Interesse auf sich. Festtage benachbarter Fürsten (besonders des Weimarer Hofes), der Antritt eines neuen kurmainzischen Statthalters in Erfurt 1732, der große Brand ihrer Vaterstadt 1736, der Tod ihres Landesherrn, des Kurfürsten Franz Ludwig zu Mainz, und der Antritt seines Nachfolgers, Philipp Karl, die Stiftung der Universität Göttingen 1737, besonders aber auch militärische Vorgänge regten sie zum Dichten an. Außer mehreren früheren Soldatenliedern entflossen ihr Verse über den Ausmarsch der Erfurter Garnison 1733, die Einnahme von Kehl 1733, ein dem Prinzen Eugen gewidmetes Lied auf die kaiserlichen Husaren 1735, worin sie selbst die üblichen Familienstoffe zurückweist („Soll Trauring, Wiege, Leichenstein – Nur bloß der Lieder würdig sein?“). Zu Eugen’s Geburtstag 1735 richtete sie an ihn ein längeres Glückwunschgedicht, das bei manchem Schwulst doch Stellen von kräftiger, schwungvoller Begeisterung bietet und uns zugleich zeigt, dass der große Feldherr ihr ein anerkennendes Schreiben hatte zukommen lassen; auch in dem Trauergedicht auf seinen Tod 1736 betont sie neben dem Verluste, den Kaiser und Reich, Verwaltung, Kriegswesen, Wissenschaft und Kunst erlitten, ihren eigenen Schmerz („Eugen, der meiner Niedrigkeit – So viele Gnad’ und Huld erwiesen, – Eugen, der meinen Fleiß gepriesen etc.“). Ein frommes, gläubiges Gemüt verraten ihre „Geistlichen Gedichte“, zum Teil in der Weise der Kirchenlieder, poetische Ausführungen von Worten der heiligen Schrift; dabei zeigt ihr Christenglaube mehrfach ein erfreuliches Freibleiben von der engherzigen Auffassung der orthodoxen Theologie ihrer Zeit. Sie selbst legte besonderes Gewicht auf zwei Gedichte, deren Art bisher auf dem deutschen Parnass nicht gepflegt worden sei, auf das „Waldgedicht“ zu Ehren einer Jagd des Herzogs Ernst August von Weimar im Ilmenauer Forst 1737, und ihr langes, dem König August III. von Polen und Kurfürsten von Sachsen zugeeignetes Gedicht über „Das Ilmenauische Bergwerk“, worin sie ihre zweimalige Einfahrt in Bergmannskleidern zu Ilmenau am 23. und 30. Januar 1737 zwar etwas weitschweifig und mit vielen moralischen Reflexionen, aber das Bergwerk selbst anschaulich in seinem technischen Betrieb und in seinen Eindrücken auf das menschliche Gemüt schildert. Dieses Unternehmen ward ihr aber verschiedentlich, besonders von Geistlichen, als unpassend vorgehalten; doch im Gefühle ihres Rechtes weist sie die Zeloten mit ernstem Nachdruck zurück: in dem Unternehmen selbst wie im Tragen der Manneskleider liege nichts unschickliches. Auch sonst trug sie bei ihren Ausflügen, die sie zu Roß zu unternehmen pflegte, männliche Kleidung; furchtlos ritt sie bei Regen und Sturm, bei Gewitter und im nächtlichen Dunkel durch die Täler und dichten Wälder, gerade dabei enthüllte sich ihr die Großartigkeit der Natur und Gottes Macht in der Schöpfung, wie sie schön in ihren „Andächtigen Feld- und Pfingstgedanken“ zum Ausdruck bringt. Bei aller Zartheit weiblichen Seelenlebens (nur für Mannesliebe scheint ihr allein der Ehre nachstrebendes Herz unempfänglich gewesen zu sein) prägt sich in ihrem Wesen ein kräftiges Selbstbewusstsein aus; sie erscheint fast als Vorläuferin der modernen Frauenbewegung, denn mit Entrüstung verwirft sie den Anspruch der Männer auf den Alleinbesitz gelehrter Bildung und verwahrt die Frauen gegen die Beschränkung auf das lediglich hauswirtschaftliche Gebiet, so in dem Berggedicht „Es sei (sagen ihre Gegner) von Gott der Weiberorden | Zum Haushalt nur erschaffen worden; | Man nimmt des Salomons sein Spruchbuch zum Behuf. | Der König hat ganz Recht; allein, wer will’s uns wehren, | Wenn wir darneben auch uns von dem Pöbel kehren? | Wer straft uns, wenn auch unser Geist | Ein Herz voll Muth und Feuer weist? | Wozu hat uns die höchste Kraft | Verstand und Muth ins Herz gegeben, | Als dass wir auch nach Wissenschaft | Und edlen Werken sollen streben?“ und ähnlich in ihrem Madrigal auf die gelehrten Frauenzimmer: „Ihr Männer, bildet euch nicht ein, | Als ob Vernunft, Verstand und aufgeklärter Sinn | Sollt’ euer Eigenthum und Erbrecht sein. | Nein! wahrlich, der das Firmament gesetzt, | Der hat das Frauenvolk nichts minder hochgeschätzt: | Und ihnen auch Verstand und Witz verlieh’n. | Es soll, wie ihr, des hohen Geistes Gaben | Auch im Besitze haben. | Drum muss ihr Lorbeerzweig, so wie der eure, blüh’n!“ und noch an zahlreichen anderen Stellen schlägt sie ähnliche Töne an. Die von ihr besungene Universität Göttingen zeigte sich alsbald dankbar: am 3. Januar 1738 ernannte sie Z. zur „kaiserlichen gekrönten Poetin“, eine Ehre, die 1733 als erster deutscher Dame der Christiane Marianne von Ziegler durch die Universität Wittenberg zuteil geworden war; Diplom und Lorbeerkranz überbrachte der Glücklichen der Reichsgraf Heinrich XI. Reuß am 11. Januar, und sie dankte durch eine Ode. Die literarischen Kreise Deutschlands nahmen lebhaft Teil an dem seltenen Ereignisse; man feierte es überschwänglich, selbst Denkmünzen wurden, nach der Sitte der Zeit, darauf geschlagen; sie selbst aber blieb, so sehr sie auch von freudigem Stolze gehoben ward, doch bescheiden und ihre, der Kaiserin Anna von Russland gewidmete Gedichtsammlung, die 1738 zu Erfurt erschien, betitelte sie „Poetische Rosen in Knospen“, um dadurch, wie sie im Vorwort sagt, „anzuzeigen, dass ich selbe noch vor keine reife Früchte, sondern vor Rosen, die ihre völlige Blüte noch nicht erreichet haben, erkenne“. Außer dieser bunten Sammlung von verschiedenster Art und verschiedenstem Werth sind noch einige Einzelgedichte von ihr erschienen, von denen nur das auf Friedrich’s des Großen Thronbesteigung hier erwähnt sei. Es war Sidoniens Verhängnis, dass sie in einer wie literarisch, so auch politisch öden Zeit dichtete und nicht einmal die ersten Erfolge des Preußenkönigs erlebte. Welche patriotische Begeisterung würde sein frisches, energisches Auftreten (ahnungsvoll singt sie von ihm: „Dich, großer König, dessen Wesen | Auch Königlich und Fürstlich ist, | Was wir bereits von Dir gelesen, | Das zeugt schon gnugsam, wer Du bist!“) in ihrem lebhaften Gemüte erweckt haben, das sich sogar für den alternden Helden Eugen begeistert hatte, obwohl dessen letzter Feldzug ja, ohne seine Schuld, ihm keine neuen Lorbeeren gebracht hatte. In Friedrich hätte sie ihr Helden- und Fürstenideal in ganz anderer Weise noch verwirklicht gesehen als in den Personen, die ihre Zeit ihr zur Verherrlichung darbot, und mit dem würdigeren Stoffe würde auch ihre Poesie höheren Schwung genommen haben, denn eigene Schöpfungsgabe und unabhängigen Gedankenflug inmitten ihrer an wahrem Gefühlsausdruck armen Zeit verraten, wie erwähnt, mehrere ihrer Werke. Doch schon am 11. Dezember 1740 fand sie ein frühes Ende; das unerschrockene Mädchen hatte einen Ritt zu ihren Ilmenauer Verwandten unternommen, und beim Überschreiten der Gera bei dem Dorfe Angelroda unweit Plauen brach die vom Hochwasser erschütterte Brücke unter ihr zusammen. Tags darauf wurde ihre Leiche gefunden und am 16. Dezember zu Plauen bestattet.

Poetische Rosen in Knospen

 Der Allerdurchlauchtigsten/ Großmächtigsten und Unüberwindlichsten Kayserin,

Anna Joannowna, Der Grossen,

 Souverainin aller Reussen, Mutter des Vaterlandes etc. etc. etc.

Meiner Allergnädigsten Kayserin.

Unüberwindlichste und Größte Kayserin!

Verzeihe, daß ich mich, so schlecht ich immer bin,

Zu Deinem Kaysers-Thron und höchsten Purpur wage,

Ich, die ich stets Dein Bild in meinem Herzen trage.

Vergieb Großmächtigste! wenn dieses schwache Blat

Die Thaten Deines Arms zu seinen Inhalt hat.

Erlaube, daß ich Dir ein stilles Opfer bringen;

Die Großmuth Deiner Brust, die Majestät besingen,

Und Dich bewundern darf. Ihr Musen! steht mir bey,

Und führet Hand und Kiel; die Cyther ist noch neu,

Dieweil ihr mich jüngsthin zum Mitglied aufgenommen.

Kaum war ich dazumahl auf eurem Pindus kommen,

Von dessen steiler Höh, die fast dem Himmel gleich,

Mein Auge fähig war ein jedes Königreich

In einem schnellen Blick vergnügt zu übersehen,

Als eine Stimme rief: Triumph! es ist geschehen!

Die Ehrfurcht nahm mich ein; die Freude riß mich hin:

Denn ich erblickte hier Die Höchste Kayserin,

Aus deren Angesicht ein himmlisch Feuer blitzte,

Und deren Helden-Arm so Volck als Land beschützte,

Ich stund, als wie entzückt. Nichts kam an Pracht und Zier

Der Tapfern Heldin bey. Sie gieng, ich folgte Ihr

Mit meinen Augen nach. Ihr Fuß betrat die Stuffen,

Wo man den Krieges-Gott um Beystand anzuruffen,

Und zu verehren pflegt. Die Ursach war der Sieg,

Den Ihre Völker jüngst in dem geführten Krieg,

Mit der beschnittnen Schaar beherzt erfochten hatten;

Drum eilte Sie den Dank dem Mavors abzustatten.

Siezog recht prangend ein; ein jeder der Sie sah,

Blieb vor Verwundrung stehn und rief Victoria!

Der Feind, der Ihrem Schwerd sich unterwerffen müssen.

Lag dort und krümte sich beschämt zu Ihren Füssen

List, Untreu, Bosheit, Stolz, Betrugund Tyranney

Erhielten ihren Lohn benebst der Barbarey,

Und musten voller Spott, und unter Furcht und Grämen

Mit Fesseln angethan, den Weg zum Tempel nehmen.

Nach ihnen kam der Ruf, zur linken Hand die Zeit;

Ihr Absehn vor der Welt die seltne Tapferkeit;

Die Macht Der Kayserin, und was in diesen Tagen

Durch Ihren Arm geschehn dem Erd-Kreyß vorzutragen.

Sie zeigten überall die grossen Wunder an,

Die das gezückte Schwerd Der Kayserin gethan.

Ihr Mund, der niemahls schwieg, ward weder mat noch müde.

Gleich vor Der Kayserin gieng Gnade Lieb und Friede,

Die Andacht, Gottesfurcht, die Sanftmuth, Freundlichkeit,

Die Großmuth, Wahrheit, Ernst, Huld und Gelassenheit,

Nebst andern Tugenden. Dann kam mit Gold umhangen,

Voll Glanz und Majestät, Die Kayserin gegangen.

Die Gröste Kayserin, so je die Welt gesehn,

Und jemahls finden wird, so lang die Sterne stehn.

Die Klugheit muste Sie an Ihrer rechten Seiten,

So wie zur linken Hand die Tapferkeit begleiten,

Und zwar im schönsten Schmuck. Ihr folgte auf dem Fuß

Glück, Ehre, Freude, Sieg, Gehorsam, Uberfluß,

Und Treu und Ehrfurchtnach. So bald nun Diese Grosse

Und Tapfre Kayserin, Die Gott und Glück im Schooße

Und in den Armen ruht, in solchem Götter-Staat

Und höchster Majestät in Mavors Tempel trat;

Ließ sich der Krieges-Gott mit einer holden Miene,

Die tapfermüthig gnug und unerschrocken schiene,

Jedoch darneben auch sehr ehrerbietig war,

Vor Ihren Augen sehn, nicht ferne vom Altar,

Auf welchem nach Gebrauch der Weyhrauch brennen solte.

Es war bereits an dem, daß Sie ihm opfern wolte

Vor dem erhaltnen Sieg: Gleich in dem Augenblick

Ergrief er Ihre Hand und hielte sie zurück

Wie? sprach er, Kayserin! wilst Du mich so beschämen?

Ich kan und darf von Dir kein solches Opfer nehmen;

Dubist der Opfer werth; ich danke Dir vielmehr,

Daß Du mir durch Dein Schwerd und tapfres Krieges-Heer

Gelegenheit ertheilt, mit meinen blanken Waffen

DirEhre, Ruhm und Sieg; dem Reiche Ruh zu schaffen.

Geht, rief er freudig aus, geht, bringt mir ohn Verzug

Die stärkste Rüstung her, die einst Achilles trug,

Und hier im Tempel hängt; ich will statt Gold und Seiden

Die Grosse Kayserinin diesen Harnisch kleiden.

Nun, fuhr er liebreich fort, o Höchste Kayserin!

Nim diesen Waffen-Schmuck von meinen Händen hin;

Es kan fast keiner nicht, ich muß es selber sagen,

Mit grössrer Würdigkeit als Du die Rüstung tragen.

Kein Feind, so stolz er ist, und solt er Feuer speyn,

Wird Dir und Deinem Reich hinführo schädlich seyn.

So wenig als Dein Ruhm wird untergehn und sterben,

So wenig wirst Du auch in diesem Schmuck verderben.

Verfolge Deinen Feind, so, wie bisher geschehn,

Und glaube nur der Sieg wird Dir zur Seiten stehn.

Er schwieg; Die Kayserin ließ sich dadurch bewegen,

Achillens Helm und Schild und Harnisch anzulegen.

Nachdem Sie ihm gedankt, begab Sie Sich zurück.

Die Feinde, welche Sie gleich auf dem ersten Blick

In solcher Rüstung sahn, die noch mehr Glanz erhielte,

Weil nichts als Majestät aus Aug und Antlitz spielte,

Geriethen allesammt in Schrecken, Furcht und Graus,

Und ruften: Himmel hilf! nun ist es mit uns aus

Ich selber weiß fast nicht wie mir dabey geschehen.

Als ich so viele Pracht und Herrlichkeit gesehen.

Die höchste Majestät von Dieser Kayserin

Verwirrte mein Gesicht entzückte meinen Sinn;

IhrBild war mir so tief und fest ins Herz gedrücket,

Daß ich, so bald ich nur den Musen-Gott erblicket,

Ihm fragte: O! wer ist dieß Götter gleiche Bild!

Die Grosse Kayserin, Die ich in Helm und Schild

Und Harnisch vor mir seh? Die stets so glücklich krieget?

DieIhre Feinde schlägt, und unaufhörlich sieget?

Dievoller Majestät aus Mavors Tempel gieng,

Und diesen Waffen-Schmuck von seiner Hand empfieng?

Es muß doch Anna seyn, die Rußlands Scepter führet,

Und diese Monarchie so klug und wohl regieret!

Apollo rief mir zu: ja! ja du schliessest recht:

Sehr wenig Sterbliche aus Fürstlichem Geschlecht

Sind Annens Majestät und Hoheit zu vergleichen;

Vor Ihr muß Hercules, ja selbst auch Hector weichen.

So mancher Sieges-Kranz, der Haupt und Schläfe deckt,

Zeigt von der Tapferkeit, die Feind und Untreu schreckt.

IhrArm zückt kaum das Schwerd, und läßt den Sebel blinken,

So must der Feinde Stolz und frecher Hochmuth sinken.

Das Glücke pfleget stets mit Ihr im Krieg zu gehn;

Vor Ihr kan Hannibal und Cäsar nicht bestehn.

Ein Blick ist schon genung den Feind in Furcht zu setzen;

IhrAnsehn kan so leicht erschrecken als ergötzen.

Wer sucht Ihr Bündniß nicht? welch Volk und welcher Staat

Begehrt nicht Ihre Gunst und wohlbedachten Rath?

Den Feinden ist Ihr Nam ein Donner, Blitz und Schauer;

Dem Freund und Unterthan ein Schatten, Schutz und Mauer.

Was sich nur Menschlich nennt verehrt und liebet Sie,

Man bethet Sie fast an, und beuget Haupt und Knie.

Drum auf Sidonia! Du must vor allen Dingen

Auch Dieser Kayserin ein Demuths-Opfer bringen.

So schwer und fürchterlich Ihr Arm den Feinden ist;

So gnädig werden die empfangen und begrüßt,

Die sich vor Ihrem Thron in tiefster Demuth beugen,

Und ein verlangend Herz nach Ihrem Schutz bezeigen.

Sieliebt die Wissenschaft, und ist darauf bedacht,

Daß Sie Ihr grosses Reich zu einem Garten macht,

Wo Sitten, Weisheit, Kunst, Gelehrsamkeit und Wissen

Im schönsten Flore stehn. Sie ist mit Ernst befliessen,

Mir Tempel aufzubaun; Ihr Purpur schützet mich

Und meine Musen Schaar; Getrost! und fasse dich.

Hier schwieg Apollo still, und setzte mein Gemüthe,

Das vor Verwunderung ganz auser sich geriethe,

In tausend Kümmerniß. Wie? sprach ich: Grosser Fürst!

Ich hoffe daß du jetzt mich nicht betrüben wirst;

Was meinst du solt ich mich so frey und kühne wagen,

Der Grösten Kayserindie Gaben vorzutragen,

Die keine Kostbarkeit in ihren Umfang sehn;

Die nur in Wort und Reim und in Papier bestehn?

Nur Rosen, welche noch in ihren Knospen stecken,

Sind was ich bringen kan. Soll dieß nicht Zorn erwecken,

Wenn ich Die Kayserin, Die selbst das Ruder faßt,

Das Schwerd in Händen führt, und die Regierungs-Last

Gleich einen Atlas trägt, durch mein Geschenk verstöhre?

Nein Phöbus! es sey fern, daß ich so kühne wäre!

Apollo fiel mir drein: o fürchte dieses nicht,

Der Russen Kayserinverklärtes Angesicht,

Und Großmuthsvolles Herz, wird dieß dein Unternehmen

Das lauter Ehrfurcht hegt warhaftig nicht beschämen.

Trieb, Ehrerbietung, Furcht bestritten mein Gemüth;

Zuletzt erwehlt ich doch, was mir Apollo rieth.

Unüberwindlichste! Großmächtigste der Erden!

Monarchin! Diean Ruhm nicht kan gefunden werden,

Ich wage mich zu Dir in Unterthänigkeit;

Ich komm und werffe mich jetzt vor Dein Purpur-Kleid

Und höchsten Kaysers-Thron zu Deinen Füssen nieder,

Und bitte demuthsvoll, nimm meine schlechte Lieder,

Die Rosen welche noch in ihren Knospen sind,

An denen man noch nicht die rechte Schönheit findt,

So gern und gnädig an, als jetzo ehrerbietig

Sie meine Hand Dir giebt. Dein Herz ist edelmüthig.

Die Hoffnung schmeichelt mir, Du werdest auf mich sehn,

Und diesen Rosen-Strauß aus Gnaden nicht verschmähn.

Die Allmacht lasse Dir statt schlechter Rosen-Blätter,

Den Palm- und Lorbeer-Baum, den nie ein Donner-Wetter

So leicht zersplittern kan, um Deine Schläfe blühn,

Und Deine Lebens-Zeit in güldnen Faden ziehn.

So wird die späte Welt einst aus der Asche lesen,

Duseyst auf Rußlands Thron die mächtigste gewesen.

Erfurt den 28ten April 1738

Sidonia Hedwig Zäunemannin.

Vorrede

Geehrtester Leser!

Ich überliefere Demselben allhier Poetische Rosen in Knospen. Die Absicht, welche ich gehabt habe, meine Gedichte also zu benennen, stimmet mit der Redlichkeit meines Gemüthes überein; sintemahlen ich mich dieses Tittels zu keinem andern Ende bedienet, als dadurch aufrichtig anzuzeigen, daß ich selbige noch vor keine reife Früchte, sondern vor Rosen die ihre völlige Blüthe noch nicht erreichet haben, und folglich mit noch keiner vollkommenen Schönheit ausgeschmücket sind, erkenne. Inzwischen, da man in Gärten nicht allein vollkommene aufgeblüthe Rosen; sondern auch solche, die noch in ihren Knospen stecken, und nur einige Blätter hervor schiessen lassen, abzubrechen pflegt; so glaube nichts unbesonnenes begangen zu haben, wenn ich allhier dem Geehrtesten Leser auch einige solche Poetische Rosen-Knöpfe, die noch nicht zu ihrer vollkommenen Blüthe gelanget sind, übergebe.

Alle Rosen haben nicht einerley Schönheit und Geruch; also wird man mir auch nicht übel auslegen, wenn unter diesen meinen Poetischen Rosen einige erscheinen, welche nicht so viel Anmuth hegen, als sie haben solten. Mein Leser! ich bekenne dir frey: daß ich einige Eigenliebe besitze, vermöge welcher ich mir schmeichele, daß unter dieser Sammlung, auch solche Gedichte zu finden seyn werden, welche ihre Schönheit ziemlich erreichet haben, und eine gesunde Critic auszuhalten im Stande sind. Jedoch wer kan es allen Köpfen recht machen? Critisiret man schon so strenge und geschickt über manche Buchstaben und Wörter, ob sie auf diese, oder auf jene Art sollen geschrieben werden, wie wird es nicht meinem ganzen Werke bey genauer Untersuchung derer Gedanken und Reime ergehen! Doch ich gönne solchen sinnreichen Criticis gerne diese Zank-Lust, und verwehre ihnen nicht, auch an meinen Gedichten die Stärke ihrer Waffen zu prüfen. Ja ich wolte auch nicht wie viel nehmen, diesen Splitter-Richtern und Werkverständigen den Titel grosser und scharfsinniger Gelehrten streitig zu machen. Gewiß, ihr Zorn würde so unendlich seyn, als ihre Vollkommenheiten unergründlich sind. Ich bekenne Dir, Geehrtester Leser! nach meiner Aufrichtigkeit auch ferner: daß in meinen übrigen Gedichten viele Fehler sind/ welche aber vielleicht mehr von wahrhaften Kennern als blossen Liebhabern der Dichtkunst möchten erkannt werden. Unterdessen suche ich diese Fehler und Mängel keinesweges zu entschuldigen; denn sie verändern und verliehren sich dadurch doch nicht, sondern bleiben, wo, und wie sie sind. Solte dich aber, Geehrtester Leser! jemand fragen: Warum ich solche nicht ausgestrichen und verbessert hatte, da ich doch selbst bekennte, daß es Fehler wären? so gieb ihm nur diese bekannte Redensart zur Antwort: Du wüßtest es nicht; es könte aber wohl seyn, daß es mir an Zeit gefehlet hätte, solche zu verbessern.

Rosen wachsen nicht ohne Stacheln; also wirst du auch zuweilen unter diesen Poetischen Rosen-Knospen einige antreffen, welche mit kleinen Stacheln umgeben sind. Doch dafern deine Vernunft geläutert ist, und Du von den Affecten und Vorurtheilen befreyet bist, so wirst du sehen bekennen, daß ich mich hierbey jederzeit bescheiden aufgeführet habe, indem mein Vorsatz niemahls gewesen, eine Arbeit zu verfertigen, wodurch mein Nächster würklich möchte beleidiget, oder geärgert werden. Ich halte davor, es sey weder Christlich noch Philosophisch gehandelt, wenn man die Fehltritte, Schwachheiten oder Ubereilungen seines Nächsten spöttischer, liebloser und verläumderischer Weise durchziehet, und ihn öffentlich auf den Schauplatz stellet. Aber offenbahre und im Schwang gehende Laster und Thorheiten und Fehler hochmüthiger und tadelsüchtiger Menschen auf eine nette, sinnreiche, lebhafte und überzeugende Art in einer geschickten und vernünftigen Satyre abzuschildern, ist so wohl was nützliches als erlaubtes. Wer sich nicht getroffen findet, der hat nicht Ursache sich darüber aufzuhalten, oder deßwegen zu beschweren. Wer sich aber darinnen abgeschildert zu seyn vermeinet, der thut wohl, wenn er sich schämet, und sein Leben hinführo zu bessern suchet. Ob ich nun gleich überzeugt bin, daß eine Satyre von solcher Art von unvergleichlichem Nutzen sey, so habe mich dennoch niemahls unterstanden, eine vollständige Satyre aufzusetzen, aus Furcht, ich möchte noch nicht Geschicklichkeit genug besitzen, ein solches wichtiges Werk gehörig auszuarbeiten. Solte mir aber Gott fernerhin Gesundheit verleihen, so werde einige Versuche machen, und den Hochmuth, die Gleißnerey, die Verläumdung und andere Untugenden auf den Schauplatz führen.

In Rosen-Gärten findet man zuweilen Rosen, oder Knospen, welche nicht von gewöhnlicher; sondern etwas auserordentlicher Art und Bildung sind; also wirst du Geneigter Leser! auch unter diesen Poetischen Rosen-Knospen zwey Stücke antreffen, welche nicht das gewöhnliche Ansehen haben, zu welcher Erfindung, ich gestehe es frey, mich nichts anders, als eine erlaubte Ehrbegierde angetrieben hat. Das erste Stück ist mein Bergwerks-Gedichte. Es sind zwar viele Bergmanns- und Bergwerks-Lieder, als auch Gedichte auf Berg-Officiers und mancher Berg-Officianten Hochzeiten hin und wieder anzutreffen; Allein von einer solchen Einrichtung und Abfassung ist meines Wissens noch nichts zum Vorscheine gekommen. Ob es gerathen sey/ weis ich gleichfals nicht. Es können auch nicht alle Kenner der Dichtkunst davon vollkommen urtheilen, weil sie solches größten Theils nicht verstehen. Es ist zum Ruhm des Bergwerks und dererjenigen, so damit umgehen abgefaßt worden, sintemahlen dieser Stand ein solcher Stand ist, dem die Republick und die ganze menschliche Gesellschaft nicht geringen Dank schuldig ist, und welcher dahero auch gleich andern Ständen ein Lobgedichte mit allem Rechte verdienet. Und auf solche Art gehört es freylich mehrentheils nur vor Bergverständige. Die Feder in der Hand und der Degen in der Faust, sind wie bekannt, die zwey vortreflichsten Mittel seinen Namen in der Welt berühmt zu machen, daher auch bereits viele Frauenzimmer entweder durch die Feder, oder durch den Degen oder auch wohl durch beyde zugleich sich einen unsterblichen Ruhm erworben haben. Durch den Kiel war ich bereits bekannt; durch den Stahl ein gleiches zu erlangen fehlte mir mehr die Gelegenheit als Muth und Herzhaftigkeit; dahero entschloß ich mich das Gruben-Licht in die Hand zu fassen, und etwas zu unternehmen, welches sich in Ilmenau noch niemahls zugetragen hat, in andern Bergstädten aber ebenfals sehr selten wird geschehen seyn. Ich ward also ein Bergmann, und wagte mein Leben, um die unterirdischen Geister, nebst den Bergmönch in seiner finstern Behausung zu besuchen, und so dann der Minerva auf ihrem Altar einen frischen Weyhrauch anzuzünden. Es sind zwar viele gewesen, welche diese meine unterirdische Reise vor eine starke Verwegenheit ausgeschriehen, da hingegen andere dieselbige vor eine besondere Herzhaftigkeit angesehen haben. Du kanst aber mein Leser! versichert seyn, daß ich beyderley Meinungen mit Stoischen Ohren angehört habe, und über die erstern eben so wenig erzürnt, als über die andern stolz geworden bin. Es mag ein jeder denken was er will, gnug daß es mir also gefallen hat. Ich stimme hierinnen den Ausspruch des weisesten Monarchen bey, daß einen jeden sein Weg dünket recht zu seyn. Will mir aber eine Weibesperson nachfolgen, so kan sie es thun; will sie aber nicht; so kan sie es lassen. Nur dieses muß ich hierbey melden, daß da ich in meinen Bergwerks-Gedichte versprochen, die Frage: Ob ein Weib-Mannes-Kleider tragen könte? zu gelegener Zeit zu beantworten: solches Versprechen nunmehro in dem geistlichen Feld-und Pfingst-Gedichte von mir erfüllet worden. Das andere ungewöhnliche Poetische Stück ist das Wald-Gedichte – welches ich Ihro hochfürstl. Durchl. zu Sachsen Weymar bey Gelegenheit einer grossen Jagt zu überreichen die Gnade gehabt. Was mir darzu Gelegenheit gegeben, ist folgendes: Es hatte mich ein Dichter in einer Ode eine Sapho genennet; ob nun wohl ein Dichter nach der Poetischen Freyheit, sich eines Beyworts aus Höflichkeit gar wohl bedienen kan, und eben nicht nöthig hat, über einer galanten Lügen roth zu werden; so wünschte ich doch aus diesem Beyworte ein wahr Wort zu machen, und der Sapho in Erfindung einer gewissen Art von Gedichten gleich zu werden. Weilen ich mich nun nicht erinnern kunte, daß jemals ein Deutscher Poet ein so genanntes Wald-Gedichte verfertiget hätte; so machte ich bey dieser Hochfürstl. Jagd-Lust einen Versuch damit, und bediente mich auch darbey der Weydmännischen Redensarten. Die Herren Gelehrten und Meister der Dichtkunst werden davon urtheilen können, ob, und in wie fern ich in diesem Stück meine Absicht und Entzweck erreichet? Solte ich darinne geirret haben, daß ich mich vor die Erfinderin solcher Wald-Gedichte gehalten, so wolle es mir der Geehrteste Leser verzeihen. Denn es ist nicht möglich, mich um alle Gedichte, so heraus kommen, zu bekümmern. Dafern dir auch, mein Leser! die ungewöhnliche Einrichtung meiner Zuschrift fremde vorkommen solte; so will ich dich nicht darum verdenken. Wisse aber, daß es mir nun so, und nicht anders zu machen gefallen hat.

Ein wohl eingerichteter Rosen-Garten ist zwar schön und anmuthig anzusehen; er kan aber auch auf gewisse Masse dadurch verstellt werden, wenn er gar zu voll ist, und ein Rosenstock den andern gleichsam zu verdringen scheinet, doch ist der Gärtner, und der die Blumen unter der Hand hat, mehr, als der Herr des Gartens, der die Rosenstöcke hergegeben, Schuld daran. Der Geneigte Leser wird mich schon verstehen, und daher den Schluß leicht machen können. Kömmt mir ein Buch in die Hand, so sehe ich nicht so wohl auf den zierlichen Band, schön Papier, saubere Littern, nette Leisten, stark darzwischen gelassenen Raum, und unterschobene Späne und andere Zierrathen; als auf die Materie und den Inhalt der Schrift, und vergnüge mich mehr an der geschickten Ausführung als an allen äusserlichen Neben-Sachen. Hegest du, mein Leser! gleiche Gedanken, und ist dir meine Meinung anständig; so mache es bey Erblickung dieser meiner Rosen in Knospen auf eben die Weise, und beurtheile nicht ihren innerlichen Werth nach dem äuserlichen Ansehen.

Gleichwie auch Rosen nicht allemahl ihre Reinlichkeit behalten, sondern durch darauf kommende Flecken unscheinbar gemacht werden; also wirst du auch in diesen Poetischen Rosen-Knospen nicht wenige Druckfehler antreffen, worüber ich mich so sehr ärgere, als stark du dich verwundern wirst. Du hast auch fast mehr Ursache darzu, als ich. Dieser Schade kan nicht anders, als durch eine richtige Anzeigung derselben ersetzet werden, wie du denn am Ende finden wirst, daß ich mich, so viel mir unter der Eile zu bemercken möglich gewesen, bestrebet, diesem Versehen abzuhelfen. Die Schuld ist in so ferne nicht meine, dieweil ich die ganze Zeit über, da diese Sammlung unter der Presse geschwitzet, nicht über etliche Tage zu Erfurt gewesen bin, und folglich keinen Bogen unter der Correctur gehabt habe.

In übrigen sind meine Gedichte nicht nach dem Rang derer Personen, welche sie zum Inhalt haben; sondern den Tagen und Jahren nach, wie ich sie verfertiget, gesetzt worden, worbey ich zugleich alle die Stücke, die ich nicht unter meinem Namen drucken lassen, besonders bemerckt habe.

Den Schluß meiner Gedichte hatte ich mit dem 1737. Jahre gemacht. Weil aber meine Krönung von der Königlichen Academie Georg-Augusta gleich nach dem Eintrit in das 1738. Jahr erfolget ist, so habe ich nicht unterlassen können, meine gehorsamste Dancksagungs Ode, und ander dahin laufende Stücke dieser Samlung mit beyzufügen.

Ich finde weiter nichts mehr, als nur noch dieses zu erinnern, daß ich mir von dir Geehrtester Leser! nicht so wohl ein gütiges, als vielmehr ein gerechtes und vernünftiges Urtheil über meine Gedichte ausbitte. Lobst du sie, und dein Lob kömmt mit der Vernunft und Wahrheit überein; so werde ich solches bescheiden anhören, und deine Höflichkeit dankbarlich erkennen. Lobst du mich aber ohne Grund, und nur aus Gewohnheit, oder Schmeicheley, so werde ichs nicht achten, weil ich von dergleichen eitlen Lobs-Erhebungen keine Liebhaberin, und von der Schmeicheley keine Freundin bin: daher auch das Lob eines Ungelehrten, oder der es nicht verstehet, auch von der Beschaffenheit und Werth einer Sache zu urtheilen fähig ist, weder in meinen Ohren noch in meinem Herzen den geringsten Eindruck findet. Critisirest du aber gründlich, überzeugend und bescheiden; so werde ich deine Geschicklichkeit und Aufrichtigkeit mit vieler Verbindlichkeit und Hochachtung ansehen, und mir dieselbe zu nutze zu machen wissen. Tadelst du mich aber ohne Grund, aus Unverstand, oder aus Neid; so wird mir dein verderbter Geschmack und Mangel der Vernunft, den du dadurch zu erkennen giebst, mehr zum Gelächter, zur Belustigung und Zeitvertreib, als zum Mißvergnügen dienen, und ich werde mehr Ursache haben dich zu bedauren, als zu widerlegen.

Geistliche Gedichte

I.N.I.

Sprüche Salomonis 23, 20.

 Gieb mir mein Sohn dein Herz, und laß deinen Augen meine Wege wohlgefallen

Melodey: Jesum lieb ich ewiglich.

Christus hat mich sehr geliebt,

Und viel Schmach für mich gelitten;

Seine Seele war betrübt,

Als er mit dem Tod gestritten.

Welches mir das Leben giebt.

Christus hat mich sehr geliebt.

HERR mein Heyl! was forderst du?

Was wilst du vor diese Liebe?

Nichts, als daß ich gleiches thu;

Daß mein Hertz dich ewig liebe.

Nimm es, dir gehört es zu,

Herr mein Heyl; das forderst du.

Reich mir aber deine Gnad,

Daß ichs rein von Sünden halte,

Und durch keine Missethat,

Mich von deiner Liebe spalte:

Daß ich folge deinem Rath;

Reich mir Jesu deine Gnad.

Iesu! Jesu! dir allein

Sey mein Herze übergeben.

Geh o Welt mit deinem Schein!

Christus soll nur in mir leben.

O! wer nimmt mein Herze ein!

Jesu! Jesu, du allein.

Schaffe mit mir, was du wilt;

Führ mich nur auf deinem Wege.

Weil dein Glanz mein Aug erfüllt,

Hasse ich die Sünden-Stege.

Ob mich Welt und Sattan schilt!

Schaffe mit mir, was du wilt.

Treibe mich nach Thabors Höh,

Wo es gut zu wohnen scheinet;

Wilst du, daß ich stille steh

An dem Oelberg, wo man weinet:

Sieh nur, wie ich freudig geh;

HERR! ich folg auf jede Höh.

IESUS führt mich bey der Hand,

Darum werd ich niemahls fallen;

Muß ich gleich zum Vaterland,

Wie mein Jesus thränend wallen.

Trotz sey allem Wiederstand!

Jesus führt mich bey der Hand.

Aber kan es möglich seyn,

Ey! so führe meine Seele

Bald aus ihrer Sünden-Pein,

Daß sie sich nicht länger quäle;

Führe sie zum Himmel ein;

Könt es doch bald möglich seyn.

Nun wohlan! mit Freudigkeit

Eil ich zu den Sternen-Hügeln,

Wo mir Gott die Krone beut,

Meinen Glauben zu besiegeln.

O vergnügte Ewigkeit!

Du schaffst lauter Freudigkeit.

Matthäus am 17. Cap. der 2. 3. und 4. Vers

Mel. Jerusalem, du hochgebaute Stadt.

Wo seh ich hin? Ist das nicht Gottes Sohn:

Ach ja hier ist desselben hoher Thron,

Den ich im Geiste sehe.

Ist das die Herrlichkeit,

Zu der ich einsten gehe,

Und die mir ist bereit?

Ach ja! hier ist das schöne Himmels-Zelt,

Das mir zum Heyl der Sieges-Fürst bestellt,

Da er vor mich gelitten,

Und an des Creuzes Stamm,

Den Fluch und Tod bestritten.

Hier wohnet Gottes-Lamm.

Ich seh dich schon in deinem Glanz und Licht,

Drum wil ich fort! ich mag nun länger nicht

Das schnöde Welt-Getümmel

Mit meinen Augen sehn.

Komm! führe mich zum Himmel!

Ach laß es bald geschehn!

Hier ist gut seyn, drum sehn ich mich dahin;

Denn dieses ist, O Jesu! der Gewinn,

Den du mir aufbehalten;

Hier ist der Sonnen Pracht,

Die, wenn ich werd erkalten,

Mir Jesus zugedacht.

Allein, so lang ich hier noch wallen soll,

So mache mich der Himmels-Freude voll;

Ich frage nichts nach Gallen,

Nach Noth und Ungemach:

Ich folge dir in allen,

Mein Heyland Jesu! nach.

Gieb mir verklärt der Unschuld weises Kleid.

Ich zweifle nicht, du bist darzu bereit;

Du kanst mirs nicht versagen.

Ich hülle mich darein,

Und will es prangend tragen,

Biß ich werd bey dir seyn.

Ach nimm mein Herz zu deiner Hütten ein,

Du wilst ja gern in solchen Häusern seyn.

Nimm Jesu! meine Seele

Vor Thabors Hügel an,

Daß ich mich nicht mehr quäle,

Und ewig freuen kan.

2 Cor. 11. v. 14. Ap. Gesch. 7. v. 55.

Mel. Auf! auf mein Herz mit Freuden.

Wo werd ich hingerücket?

Wohin gelange ich?

Wie? ist mein Geist entzücket?

O Jesu! seh ich dich?

Ja! ja! hier ist gewiß

Das schöne Paradieß;

Hier ist der Himmels-Saal;

Hier hält man Gottes Mahl.

Was hör ich dorten klingen?

O was vernehm ich hier!

O unaussprechlich Singen!

Ich bin ganz auser mir.

O unaussprechlich Wort

Vor dieser Gnaden-Pfort!

O Freude! die kein Mann

Jemahls beschreiben kan.

Ich bin mit Glanz erfüllet,

Drum blick ich Himmel- auf,

Zu dem, der Thränen stillet;

Nach Salem steht mein Lauf.

Ich eile durch die Luft

Zu dem, der droben ruft.

Ich lasse diese Bahn,

Und blick den Himmel an.

Drum eil ich nun von hinnen,

Und säume weiter nicht,

Mein Lauf ist nach den Zinnen

Der Himmels-Burg gericht.

Komm Tod und hole mich!

So bleib ich ewiglich

Mit meinem Geist und Sinn

Da, wo ich jetzo bin.

O Blick! o Wunder schauen!

Das alle Pracht verstöhrt.

Ich geh auf Salems Auen,

Wo sich die Lust vermehrt.

Hier wohnt der Himmels-Fürst,

Nachdem mich längst gedürst:

Ich hab und halt ihn fest,

Weil er sich finden läßt.

O Freude über Freude!

Die meine Seel empfindt.

O Jesu meine Weyde!

Wie liebst du mich dein Kind:

Du zeigst mir deinen Glanz,

Wie auch den Ehren-Kranz,

Den du mir nach der Nacht

Des Todes zugedacht.

Drum fall ich kniend nieder

Vor jenes Lammes Thron,

Und singe Freuden-Lieder

Ich lobe Gottes Sohn,

Den Vater und den Geist.

Die Gottheit wird gepreißt;

Ich stimme wie ich kan

Vor Gott das Heilig! an.

Verstöhrt nicht mein Vergnügen,

Darein mich Christus setzt.

O höchst-beglücktes Siegen!

Das mich allein ergötzt.

Ich ruf: Victoria!

Ich sing: Halleluja!

O Freude über Freud!

O Himmels-Herrlichkeit!

Andächtige Weyhnachts-Gedanken

Luca 2. v. 7.

Und sie gebahr ihren ersten Sohn, und wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine Krippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.

Mel. Ermuntre dich mein schwacher.

Willkommen allerliebstes Kind

Du Herr der Potentaten!

O Glück! daß man dich jetzo findt.

Wo bist du hingerathen?

Du kömmst auf dieses Jammerthal,

Verläßt den schönen Himmels-Saal,

Erwehlst der Menschen Orden,

Und bist ein Kind geworden!

Jedoch ich wundre mich nicht mehr

Daß du den Thron verlassen,

Daß du die allergrößte Ehr,

Auf eine Zeit wilst hassen,

Herr, deine Liebe hats gemacht,

Die hat dich auf die Welt gebracht,

Uns dadurch von den Ketten

Der Finsterniß zu retten.

Allein, o Herr der ganzen Welt

Und aller Herrlichkeiten!

Wie hast du dich so sehr verstellt,

Legst allen Pracht zur Seiten;

Nimmst einen Stall zur Wohnung ein,

Wo Ochsen und wo Esel seyn,

Du wilst an statt der Wiegen,

In einer Krippe liegen.

Um meinet willen bist du arm,

Und sehr gering erschienen;

Doch deine Kälte macht mich warm,

Du kömmst, nun mir zu dienen.

Dein Elend machet mich recht groß,

Erwirbet mir des Vaters Schooß:

Weil deine Niedrigkeiten,

Mir lauter Glück bereiten.

Wie? soll das Stroh dein Lager seyn?

Laß dir den Tausch belieben,

Komm nimm davor mein Herze ein,

Ich hab es dir verschrieben.

Ach! schenke mir dein Angesicht,

Zieh ein, verschmäh mein Bitten nicht,

Bleib doch nicht drausen stehen;

Ich muß dich bey mir sehen.

Der Glaube soll die Windel seyn,

Darein will ich dich winden,

Es soll der böse Heuchel-Schein

Sich nicht mit mir verbinden.

Nimm an mein Herz, bereit es zu,

Auf daß du deine sanfte Ruh

Darinnen mögest halten,

Und nur nach Willen schalten.

O Jesu! allerliebstes Kind,

Erhör mein herzlich Bethen,

Gieb, daß ich Gnade vor dir find,

Dein Geist wird mich vertreten.

Erhöre doch mein heises Flehn,

Und laß es alsobald geschehn,

So hab ich, was mir nützet,

Und vor den Tod beschützet.

Entworfene Gedanken von der Nichtigkeit des menschlichen Lebens und Freudigkeit zum Sterben

Wie nichtig ist ein Menschen-Kind?

Wie leicht und flüchtig ist sein Leben?

Es eilt hinweg, vergeht, verschwindt!

Und ist darzu mit Angst, mit Müh und Noth umgeben.

Es ist in dieser Lebens-Zeit;

Und wärens auch aus Ophir güldne Stücke,

Pracht, Ehre, Hoheit, Ruhm und Glücke,

Doch warlich nur ein Nichts, und schnöde Eitelkeit.

Das Auge hat es kaum gesehen,

So weicht es schon zurück, da wir zugleich vergehen.

Ist einer ja zu Ehr und Glück,

Und grosser Würdigkeit gekommen;

So währt es einen Augenblick;

So bald der Tod erscheint, wird alles weggenommen.

Der Tod sieht gar nicht auf Gewalt,

Nicht auf Verstand, auf Munterkeit und Jugend,

Auf Reichthum, Schönheit, Kunst und Tugend.

Nicht auf Geschicklichkeit, auf Stärke und Gestalt,

Die Grossen müssen auf der Erden

So wohl als Niedrige dereinst sein Opfer werden.

So bald der Herr, der unsre Zeit

Und Tage in ein Buch geschrieben,

Dem Tode ruft; so wird noch heut

Des Leibes fester Bau zerstöhrt und aufgerieben.

Hier fällt ein zarter Säugling um;

Dort aber muß ein muntrer Jüngling sterben,

Hier muß ein Silber-Haupt verderben:

Und dort erfährt ein Fürst desselben Zorn und Grim.

Hier fällt ein Mann, der Potentaten,

Der Kirch und Policey gedient und klug gerathen.

Kein Held, kein König und kein Mann

Hat sich noch auf der Welt gefunden,

Von dem man würcklich sagen kan:

Geht! dieser hat den Tod und seine Macht gebunden.

Kein Haupt, so weise als es schien,

Vermag doch nicht ein Kraut hervor zu bringen,

Das diesen Würger könte zwingen.

Vergeblich ist der Witz! umsonst ist das Bemühn!

Kein Oel kan uns vom Tode waschen;

Wir sind von Staub und Koth, drum werden wir zur Aschen.

Machst du denn keinen Unterscheid,

O Tod! in deinem Niederhauen?

O nein! es muß die Niedrigkeit,

Und auch der hohe Stand dein Reich beständig bauen.

Jedoch was geb ich dir, o Tod!

Die Schuld, daß du uns aus der Welt wilst hohlen?

Der starke Gott hat dirs befohlen,

Ach! du vollziehest nur dem Höchsten sein Gebot.

Der Leib muß doch einmahl verderben,

Es ist der alte Bund; wir müssen alle sterben.

Geliebter Tod! dein Anblick macht

Mir nicht das allerkleinste Grauen,

Ich habe längst bey mir bedacht:

Wenn lässest du mich doch des höchsten Klarheit schauen!

Die Welt ist nur ein Marter-Haus;

Die Seele wird gedrücket und versuchet,

Der Tugend wird auch selbst gefluchet;

Drum stösset meine Brust den Seufzer täglich aus:

Ich stürbe lieber heut als morgen;

So wär ich doch erlößt und frey von allen Sorgen.

Ach! solte nicht ein Wanders-Mann

Den Abend-Stern mit Lust erblicken!

Die Ruhe will ihn ja alsdann

Mit ihrer Süßigkeit und neuer Kraft erquicken.

So sehn ich mich auch stets nach dir,

Weil deine Hand die Thränen von mir wischet,

Und mich nach Schweiß und Müh erfrischet.

Ich stelle mir die Lust der Patriarchen für.

Ein Kind der Wollust mag dich hassen;

Ich lasse mich gar gern in deine Arme fassen.

Ich hab erfahren und gesehn,

Daß diese Welt und ihre Rosen

Nur unter lauter Dornen stehn:

Sie sucht uns mit Betrug und Schmeicheln liebzukosen.

Die Welt ist ein Egyptenland,

Wo Dienstbarkeit und Last die Schultern quälet,

Wo man betrübte Nächte zehlet.

Drum komm geliebter Tod! damit mich deine Hand

Von dieser Dienstbarkeit befreye,

Und mir in Canaan und Salem Ruh verleihe.

Wenn kömmt doch meine Sterbens-Zeit!

Wenn kömmt, wenn kömmt Eliä Wagen,

Mich zu der höchsten Herrlichkeit,

Und zu der Hochzeit-Lust des Lammes hinzutragen!

Mein Gott, mir eckelt vor der Welt,

Und ihre Lust ist mir zum Abscheu worden.

Wenn komm ich doch aus ihren Orden!

Wenn werd ich doch einmahl den Engeln zugesellt!

Wenn werd ich meinen Heyland sehen,

Und in das Paradieß aus dieser Wüste gehen!

Ich seh im Geist und Glauben schon

Die Krone meiner Ehre bringen.

Ich höre vor des Lammes Thron:

Schlaf werthe Freundin ein! Komm! liebe Freundin! singen.

Ach! wie vergnügt will ich doch seyn,

Wenn mir der Tod mein Ende wird vermelden,

So komm ich zu den Glaubens-Helden.

Wie gerne geb ich doch hier meinen Willen drein.

Nun gute Nacht ihr Eitelkeiten!

Ich will mich nur zum Tod und seinen Kampf bereite.

Paßions-Betrachtung

Luca am 22 Cap. v. 1. 2.

Serenata.

Jesus, die Kirche, der Mensch.

Jesus

Die Liebe zu den Menschen-Orden

Treibt mich anjetzt zum Creuzes-Holz,

Da ich vor ihm zum Fluch geworden,

So fällt des Satans frecher Stolz.

Die Liebe zu den Menschen Orden,

Treibt mich anjetzt zum Creuzes-Holz.

Der Mensch:

Mein Schatz, mein Seelen-Freund, mein Trost und Heyl,

Mein Schirm, mein Beystand, Schutz und Leben!

Wie hast du doch die Adams-Kinder,

Die allergrößten Sünder,

So freund- und brüderlich, so inniglich geliebt!

Du hast in Eil

Den Himmels-Thron verlassen,

Und wilst nur gar am Creuzes-Stamm erblassen.

Die Kirche:

Ich freue mich auf dieses Fest,

Da Jesus zu den Leiden gehet,

Und uns zu gut am Geissel-Pfahle stehet,

Und gar sein heilges Leben läßt.

Jesus:

Und wenn ich diesen Gang nicht gieng;

So müßtet ihr nach Mosis Ausspruch sterben,

Und unter dessen Fluch verderben;

So aber such ich euch aus Liebe von dem Bösen,

Von Sünd und Straf, durch meine Marter zu erlösen.

Der Mensch:

Ich weine fast vor Freuden,

Weil mich mein Jesus durch sein Blut und Leiden,

Von Sattans Band und Ketten,

So liebreich will erretten.

Die Kirche:

Die Stunde ist nunmehr erschienen;

Da Gott die Menschen will versühnen.

Gott löschet Gottes Zorn-Glut aus,

Verstöhrt des Sattans finstres Haus,

Und hat uns nun den Frieden,

Durch diesen Gang beschieden,

Die Stunde ist nunmehr erschienen,

Da Gott die Menschen will versühnen.

Jesus:

Wie könnt ich freundlicher, ihr Menschen-Kinder! seyn?

Ich gehe zu der größten Schmach und Pein,

Nur bloß um euret willen.

Seht, ich erwerbe euch

Des Vaters Thron und Reich,

Und suche eure Brust mit Seegen zu erfüllen.

Wie viele trachten jetzt in Sünden

Lust und Vergnügen zu empfinden;

Ich geh zu meinem Leiden,

Und ihr wollt euch auf Wollusts-Auen weyden;

Ich geh zu meinen Marter-Tod.

Ihr aber welzet euch in Sünden-Koth;

Ich muß jetzt zittern, schwitzen, weinen, klagen,

Ihr aber wollt nach Lust und Lachen fragen.

Die Kirche:

Ach! ihr Sünder denket,

Denkt an Jesus Todes-Pein!

Daß ihr ihn nicht kränket,

Stellet eure Sünden ein!

Ach! ihr Sünder denket,

Denkt an Jesus Todes-Pein!

Jesus:

Wer fragt nach diesen Worten und Befehl?

Man sucht vor allen Dingen

Mich umzubringen.

Mein eigenes Geschlecht

Verfolgt mich wider Billigkeit und Recht.

Die Hohen-Priester trachten

Mich, als das rechte Osterlamm

Am Creuzes-Stamm

Zu würgen und zu schlachten.

Der Mensch:

Selbst die Deinen, als Du kommen.

Haben Dich nicht aufgenommen.

Die Kirche:

Jesus wird von seinen Freunden

Biß zum Creuzes-Tod verfolgt.

Wer von seinem Fleisch gebohren,

Hat ihm fast den Tod geschworen.

Jesus wird von seinen Freunden,

Biß zum Creuzes-Tod verfolgt.

Die Kirche:

Allein, woher entsteht die Furcht und Scheu,

Daß sie nicht öffentlich

Das Sterben meines Heylands suchen?

Jesus:

Sie fürchten bloß des Volkes Zorn und Fluchen.

Denn dieses bleibt darbey,

Ich sey der Heyland dieser Erden,

Durch welchen Glauben

Sie nimmermehr betrogen werden.

Der Mensch:

Die Armen folgen dir mein Heyland! gern,

Und ehren dich als ihren Gott und Herrn,

Sie suchen dich von Herzens Grund zu lieben;

Da dich die Grossen dieser Welt betrüben.

Jesus:

Gott wird die Welt zu rechter Zeit

Um ihre Boßheit strafen.

Die Stolzen können nicht bestehn,

Sie werden mit Erstaunen sehn,

In welchen sie gestochen;

Gott läßt nichts ungerochen.

Ich theile meine Herrlichkeit

Mit meinen Glaubens-Schafen.

Gott wird die Welt zu rechter Zeit

Um ihre Boßheit strafen.

Heilige Oster-Andacht

Auf! auf! ermuntre dich mein Herz,

Und sage nun den Thränen abe.

Verlasse deinen Seelen-Schmerz,

Und klag nicht mehr bey Jesus Grabe.

Die Traurigkeit, so Jesus Noth;

Die Angst, so dir sein Marter-Tod

Sein Leiden, Qual und Pein erreget,

Stell nun auf einmahl gänzlich ein:

Denn meines Jesus Leichenstein,

Und Schweiß-Tuch ist nun abgeleget.

Schau Seele nach Gethsemane!

Gott liegt nicht mehr in Todes-Banden.

Mein Heyland fähret in die Höh!

Er ist heut siegend auferstanden.

Das Grab ist leer, der Engel ruft:

Was sucht ihr Christum in der Gruft?

Er ist durch Stein und Sand gedrungen.

Er hat des Todes Macht bekriegt,

Dieselbe als ein Held besiegt,

Und sich nun in die Höh geschwungen.

Kommt ihr Verläugner seiner Macht,

Und schauet, wie er triumphiret!

Ihr, die ihr oft aus Unbedacht,

Und Boßheit dieses Wort geführet:

Was soll uns dieser Josephs-Sohn?

Hinweg! zum Creuz! dieß ist sein Lohn,

Er werde in die Gruft gesenket.

Nun kommt und schaut den Sieges-Mann.

Der Tod und Hölle zwingen kan.

Erzittert, wenn ihr dran gedenket!

Er bricht mit einer solchen Kraft

Schon jetzt der Riegel Zwang in Stücken;

Was wird man nicht vor Eigenschaft

Bey seiner letzten Zukunft blicken?

Macht jetzt sein Strahl die Hüter blind,

Die seiner Auffahrt Zeugen sind,

Was wird ihn nicht an jenem Tage

Vor Gottheit, Licht und Glanz erhöhn,

Wenn die Gerechten Freude sehn,

Die Bösen aber nichts als Plage.

Wer wird, o Herr! vor dieser Stund

Und vor dem Rechnungs-Tag erschrecken?

Nur die, so deinen heilgen Bund

Durch Ungerechtigkeit beflecken.

Herodes, Judas fürchten sich,

Und andre, die so freventlich

Dich Herr! mein Heyl! beleidget haben.

Die Priester stehen in der Zahl,

Ja alle, welche dazumahl

Zu deinem Tode Anlaß gaben.

Du Sieges-Fürst! des Todes Tod!

Nunmehr ist Davids Wort vollendet.

Du hast zwar in der Sterbens-Noth

Dein heilges Leben hier geendet:

Man hat dich auch ins Grab gebracht;

Doch durftest du des Moders Macht

Und die Verwesung niemahls sehen.

Kaum schließet dich des Grabes Stein,

Wie Jonam dort drey Tage ein,

So must du prächtig auferstehen.

Ihr Jünger! die ihr bitterlich

Bey eures Meisters Gruft geweinet,

Blickt auf! die Sachen ändern sich,

Weil Christus wiederum erscheinet.

Macht nicht der Magdalenen Mund,

Des Heylands Auferstehung kund?

Sie hört ja seine süsse Rede;

Sie sieht ihn würcklich vor sich stehn,

Und kan vergnügt vom Grabe gehn;

Sie ist nicht mehr betrübt und blöde.

Ja, liebster Jesu, meine Seel

Gibt deiner Auferstehung Glauben.

Du Held und starker Michael!

Den Trost soll mir kein Feind nicht rauben.

Mein Herze! denke doch daran

Wie leicht es sich verändern kan:

Der, so mit Tüchern zugebunden,

Und in die Gruft geleget war,

Hat jetzt die ganze Höllen-Schaar,

Durch seinen Durchbruch überwunden.

Umsonst ist hier der Menschen-Macht;

Vergeblich ist das Grab zu siegeln;

Was nützet wohl die starke Wacht?

O! suchet nur nichts auszuklügeln!

Wer will dem Herrscher aller Welt,

Der Meer und Wind in Schranken hält,

In seinen Werken widerstreben?

Fällt Tod und Welt und Belial

Vor ihm mit einem starken Knall,

Wie will sich dann ein Mensch erheben?

Triumph! Victoria! die Sünd

Hat Christus mit ins Grab genommen.

Ich bin nunmehro Gottes Kind;

Nun darf ich vor sein Antlitz kommen.

Mir graut nicht vor des Grabes-Thür,

Der Tod kömmt mir nicht schrecklich für,

Dieweil mein Grab geheilget worden,

Weil du mein Haupt erstanden bist;

So leb ich auch, und jeder Christ,

Der jetzo steht in Creuzes-Orden.

Du schwingest deine Sieges-Fahn,

Und rufst, der Schall dringt durch die Ohren;

Kommt her, schaut meine Wunden an.

Und glaubt, so geht ihr nicht verlohren.

Ich lebe nun und allezeit,

Des Höchsten Stul ist mir bereit,

Ich sitz zu meines Vaters Rechten.

Drum solt ihr gleichfals auferstehn.

Und mit in meine Freude gehn:

So lohn ich allen meinen Knechten.

Drum frag ich nichts nach Angst und Pein,

Nach Noth, nach Ungemach und Leiden,

Nichts nach Betrug und Heuchel-Schein,

Ich will mich stets an Christo weiden.

Stürmt alles Unglück auf mich zu:

Stöhrt Welt und Satan meine Ruh;

So will ich dulten, hoffen, schweigen.

Das kurze Leiden dieser Zeit,

Ist ja nicht werth der Herrlichkeit,

Die mir Gott wird im Himmel zeigen.

Es kan kein Held und Rittersmann

Auf seinem Haupte Palmen tragen,

Er hebe denn zu streiten an,

Und suche seinen Feind zu schlagen.

Kampf, Fechten, Mühe, Blut und Schweiß

Pflegt stets vor Ehre, Ruhm und Preiß,

Und vor dem Siege herzugehen;

So dringt man auch durch Creuz und Leid

In jene frohe Ewigkeit.

Nach Nebel ist das Licht zu sehen.

So gieng es meinem Heyland auch,

Er muste erst in seinen Jahren

Mich dünkt (ich seh den Dornen-Strauch)

Viel Schmach von seinem Volk erfahren.

Er schwitzte erst am Oelberg Blut,

Und muste seiner Feinde Wuth

Durch Bande, Hohn und Striemen sehen.

Er muste erst mit grosser Pein

Gemartert und gecreuzget seyn;

Bevor er kunte auferstehen.

Wärst du, mein Licht und Seelen-Heyl,

Nicht aus der dunklen Gruft gegangen;

So blieb der andre Tod mein Theil;

Ich könte nie zu Gott gelangen.

Herr! deiner Auferstehung Kraft,

Gibt meiner Seele Muth und Saft,

Getrost durch Noth und Tod zu brechen.

Triumph! Triumph! mein Heyland lebt,

Der mich aus meinem Grabe hebt;

So kan ich einstens Heilig! sprechen.

Aus dem 17. Capitel des 1. Buchs von Arnds Wahren Christenthum

Der Glaubigen Erbtheil ist nicht in der Welt zu finden, darum sie das Irdische als Gäste ansehen müssen.

Was Gott der grosse Herr erschaffen, und denen Menschen dargestellt,

Es sey Glück, Reichthum, Witz und Ehre, und alle Schätze dieser Welt,

Das gibt er uns zur Nothdurft nur, und darzu sollen wirs geniessen,

Hingegen seine Vaters-Hand davor in tiefster Ehrfurcht küssen.

Was wir von Nothdurft übrig haben, das stellt uns Gott zur Probe dar,

Und nimmt an diesem unsre Liebe zum Geber und zur Gabe wahr.

Gott will nur sehn, ob Seel und Geist sich an der Welt und ihren Schätzen

Mehr als an ihm, dem Höchsten Gut, und an dem Himmlischen ergötzen?

Er will uns prüfen und erforschen, ob auch die Wüste dieser Welt,

Uns mehr als Canaan und Gosen, mehr als das Paradieß gefällt?

Deswegen hat auch Gott der Herr dem Menschen freye Wahl gelassen,

Ob er sein Heyl bedenken will, und Gott mit Glaub und Lieb umfassen,

Und ob er etwa hohe Gaben, Gunst, Reichthum, Ehre höher acht,

Gott aber als das höchste Wesen in weit geringerm Werth betracht?

Gott läßt die Wahl; allein er will nach dieser auch die Menschen richten,

Und diese Wahrheit finden wir in allen biblischen Geschichten.

Dahero sind uns alle Dinge allhier zum Schauspiel vorgesetzt,

Nicht zum Vergnügen und zur Wollust, daß man sich nur daran ergötzt.

Nein! nur zur Probe ist es uns von Gott dem Schöpfer dargereichet,

Daran er merken will, wie weit das Herze von dem guten weichet

Dieß ist der Baum, dieß sind die Früchte, die Gott zu essen uns verbeut,

Und daß wir nicht darnach gelüsten in dieser Welt und Eitelkeit.

Ach leyder! suchet jetzt die Welt in Wollust, Geld und Kleider-Prangen,

In Ehre und Gemächlichkeit die höchste Freude zu erlangen.

Ach leyder! aber nur vergebens; Denn dieses führet uns von Gott,

Und stürzt in kurzen Geist und Seele, in ewge Schande, Hohn und Spott.

Wir sind ja, wenn wir unsern Stand und unsre Lebens-Zeit betrachten

Nicht anders als wie reisend Volk und fremde Pilgerim zu achten;

Und darum sollen wir die Güter zur Nothdurft, aber nicht zur Lust

Und schnöder Uppigkeit gebrauchen. Wir sollen nur in unsrer Brust

Die Freude über Gottes Gnad und seine Gütigkeit entzünden,

Wo anders; so sucht uns die Sünd und ihre Macht zu überwinden.

Der Christen angenehmste Speise und Trank ist Christi Leib und Blut,

Denn dieses heilget ihren Wandel und gibt der Seelen Kraft und Muth.

Ihr Ruhm ist dieser, daß sie Gott von Herzen können Vater heisen;

Dieß ist ihr Reichthum, daß sie sich der wahren Gottesfurcht befleisen;

Ihr Schmuck bestehet nicht in Perlen, in Purpur und in seidnen Kleid;

Nein! in der Klarheit ihres Gottes und in der wahren Heiligkeit.

Den Christen ist ja alles hier ein Antrieb zu verbothnen Sünden,

Gift, Galle, eine Arzeney daran sie ihr Verderben finden.

Denn was der Mensch mit Lust berühret und bloß nur zur Ergötzlichkeit

Und ohne Gottesfurcht gebrauchet, das hat er sich zum Gift bereit.

Es wird zur Galle, ob es gleich den Menschen noch so lieblich schmecket.

Doch wo ist jemand in der Welt, den der verbothne Baum erschrecket?

Man lauft mit Lust und mit Verlangen nach dieses Baumes Früchten zu,

Und suchet unter dessen Schatten (o Elend!) täglich seine Ruh.

Ein wahrer Christ gebrauchts mit Furcht, und als ein Gast auf dieser Erde,

Und hütet sich, damit sein Gott darüber nicht erzürnet werde:

Auch daß sein Nächster gleicher Weise nicht werd zum Aergerniß gebracht.

Sein Wille ist nur auf dem Himmel und auf das Ewige bedacht.

Die Güter dieser Welt vergehn: Die Himmels-Schätze aber bleiben,

Dieß ist ein Trost, der in der Noth die Schwermuth kan zurücke treiben.

Was hilfts dem Leib, wenn er auch lange der Erde Zärtlichkeit empfindt,

Er wird den Würmern doch zur Speise, dieweil wir alle sterblich sind.

Wir kommen nackend auf die Welt, so müssen wir von hinnen scheiden,

Im Tode nützt kein Pracht und Staat, kein Kleid von Hermelin und Seiden,

Und was wir von der ersten Stunde des armem Lebens aufgezehrt,

Das hat der Herr uns nur aus Gnaden und väterlicher Huld beschert.

Ja was noch mehr, wir haben es mit Noth und Trübsal eingenommen;

Denn jeder Tag hat seine Plag, so hoch wir auch an Jahren kommen.

Wird einer auf die Welt gebohren, so bringt er Leib und Seele mit,

Man speißt und kleidet ihn nach Nothdurft, so bald sein Fuß die Welt betrit;

Wenns aber an das Sterben kömmt/ so muß er dieses alles meiden,

Und noch darzu muß Leib und Seel oft schmerzlich von einander scheiden.

Bist du nun nicht mit Gott vereinet, und stirbst alsdann; so sage an,

Ob man ein Wesen möchte finden, das sich wohl ärmer nennen kan?

Dieweil wir also fremde sind, und Gäste dieses eitlen Lebens,

Was plagen wir denn unsre Seel, und sorgen oftermahls vergebens?

Nur Thorheit ist es, Schätze sammlen, die mit der Welt und uns vergehn,

Wir wissen ja ein besser Leben/ in dem wir tausend Freude sehn.

Wo ist wohl dieses Vaterland, allwo wir einstens sollen wohnen?

Was fragst du Seele? sieh es ist dort oben bey den Engels-Thronen.

Dort wo der Glanz der Seraphinen und Abraham und David ist.

Schau doch auf diese Erden-Schätze, und halte nun geliebter Christ

Die Güter jener Ewigkeit, und was dir Gott geschenkt, dargegen,

So kanst du ja den Unterschied in deiner Brust gar leicht erwegen.

Bedenke nur die Lust des Himmels, und das Vergnügen dieser Welt,

So wirst du alsobald gestehen, daß dir der Himmel mehr gefällt.

Wofern du dieses recht erwegst; so wird dein Glaube wohl geläutert.

Und deine Andacht wird vermehrt, dein Auge wird ganz ausgeheitert,

Weil es so viele Dinge siehet, die denen gänzlich unbekannt.

Die sich in diese Welt verlieben/ und scheuen keinen Unbestand;

Aus Ursach, weil ihr Herz gedenkt, es könne diese Lust der Erden,

Die ihnen gar zu süsse schmeckt, in jener Welt nicht grösser werden.

O Thorheit! nein, die wahren Christen betrachten diesen Erden-Saal

Als ein Gefängniß, eine Grube, ja als ein Angst- und Jammerthal.

Die, so sich in das Zeitliche als in ihr Paradieß vergaffen,

Und untersuchen nicht mit Fleiß, worzu sie sind von Gott erschaffen;

Die, sag ich, haben wenig Klugheit, und fahren wie ein Vieh davon.

Dieß lehre mich doch wohl bedenken, o Jesu grosser Gottes Sohn!

Ey! solten wir nicht Gäste seyn, und Pilgerim der Erden heisen!

Es will ja unser Heyland selbst uns dieß durch sein Exempel weisen?

Der Himmel und die ganze Erde war sein, und gleichwohl war er arm,

Und hatte nicht sein Haupt zu legen; das Vieh im Stalle macht ihn warm.

Er kam zu uns als wie ein Gast und war doch selbst der Herr der Erden,

Drum folgen wir ihm billig nach, und suchen ihm hier gleich zu werden.

Auch David war in seiner Jugend arm, und verachtet, niedrig, klein;

Und gleichwohl, da er König wurde nahm ihn kein Stolz und Hochmuth ein.

Er sahe nur auf seinem Gott, und freute sich auf jenes Leben,

Das ihm der Herr aus Gütigkeit nach seinem Tode würde geben.

Sein Wort und Wohnung war ihm lieber als alle Schätze dieser Zeit.

So hielt auch Moses Schmach und Leiden viel höher als die Herrlichkeit.

Selbst Daniel erwehlte sich nur Wasser, Brod und Zugemüsse,

Und warf sich täglich Freude-voll den Höchsten dreymahl vor die Füsse.

Auch Paulus sahe diese Güter und Herrlichkeit vor Koth nur an,

Und wandelte als wie sein Meister auf seiner vorgegangnen Bahn.

Er übte sich in Heiligkeit, Gedult u. Keuschheit, Demuth, Liebe,

Woran sein Gott ergebnes Herz gleich denen Ketten hangen bliebe.

Geprüfte Christen sehn in allen nur ihres Jesus Beyspiel an,

Sie dulten, wie er hat gelitten, und wandeln so, wie er gethan.

Und flucht man ihnen; Ey! so heists: Wir segnen doch? der Herr vergebe,

Und beßre deine arme Seel, auf daß sie dermahleinsten lebe.

Sie wissen, daß sie durch viel Leiden, Noth, Trübsal, Lästrung, Haß und Schmähn

In jene vorbehaltne Freude, und in das ewge Leben gehn.

Sie sterben aller Ehr und Lust, Pracht, Reichthum, Haß und Nachgier abc,

Und sorgen täglich, daß ihr Herz nichts mit der Welt zu schaffen habe.

Sie ehren denn mit reiner Liebe, der an dem Creuze vor sie starb,

Und ihnen durch sein Blut und Wunden das schöne Himmelreich erwarb.

Ach! dieses ist die wahre Lust die Gottes Kinder hier empfinden,

Die aber, so noch an der Welt und an dem Schlamm und Koth der Sünden

Ihr nichtiges Vergnügen haben, die schmecken nicht die Süßigkeit,

So allen Labsaal übersteiget, ja alle Wollust dieser Zeit.

Bewährte Christen sind bemüht, daß sie in Jesus Wege treten,

Und wo nicht stetig mit dem Mund, doch mit dem Geist und Seufzern bethen.

Das Buch, worinnen sie studiren, ist selbst ihr Heyland Jesus Christ;

Und also leben sie in diesem, und sind, wie er gewesen ist.

Sie achten nicht das Irdische, und was sie mit den Augen sehen;

Denn alles dieses muß dereinst zu Trümmern und zu Grunde gehen.

O nein! ihr Glaubens-Auge blicket auf das, was himmlisch ist und heist,

Und auf denselben, den man nennet Gott Vater, Sohn und heilgen Geist.

Da wir nun fremd und Gäste sind; so schliessen wir hieraus gar eben,

Es sey dieß kurze Lebens-Licht uns nicht zur Eitelkeit gegeben,

Und wir zu etwas mehr erschaffen, als unser Auge hier erkannt.

Die Welt ist gar nicht unser Erbe, Besitz und rechtes Vaterland;

Wir wissen einen bessern Ort, wovor wir gerne unser Leben,

Auch mehr als hundert Welten noch, ja alle Kronen möchten geben,

Damit wir diesen Ort behalten. Drum freuet sich ein wahrer Christ,

Daß Gott ihn dieß erkennen lassen; und daß er reich im Glauben ist,

Und zu dem ewgen Himmelreich durch Gottes Gütigkeit gebohren.

Ihr Welt-Verliebten! kehrt doch um, sonst geht ihr ewiglich verlohren.

Aus dem 55sten Capitel des 2. Buchs vom wahren Christenthum

Vom Verzug Göttlicher Hülfe

Verzage nicht mein Christ in deiner Noth und Pein,

Und sprich, der Herr will nicht mein Schutz und Helfer seyn;

Es will mich seine Hand bey meinem Fall nicht fassen;

Gott hat mich ganz und gar in meiner Noth verlassen,

Mein Christ besinne dich! es ist gewiß nicht so!

Gott machet dich im Kreuz mit Trost und Hülfe froh.

Er steht dir kräftig bey; der Herr will nicht verweilen,

Was du Verziehen nennst, das ist bey Gott ein Eilen.

Denn, weil der treue Gott nach seinem weisen Rath,

Dir deine Noth gesetzt, und abgemessen hat;

So darf kein Thränlein mehr aus deinen Augen rinnen,

Als Gott bestimmet hat. O gütiges Beginnen!

Drum auf! verzweifle nicht! stellt sich gleich Kreuz und Pein,

Im Anfang, wie du meinst, mit vollen Haufen ein;

Es muß doch endlich noch das dir bestimmte Leiden,

Nachdem es ausgeraßt, aus deiner Wohnung scheiden.

Drum denke, lieber Mensch, bey jeder Noth und Schmach,

Gott lob! des Kreuzes Zahl läßt alle Tage nach,

Und wird stets weniger. Was willst du denn verzagen?

Zu dem so hilft dir Gott auch selbst das Leiden tragen,

Und beut dir seine Hand bey jedem Tritt und Schritt,

Wobey er dich zugleich mit Tröstung überschütt.

Und also hast du doch im Kreuz die Ruh der Seelen,

Und kanst des Herren Gnad vor seinem Volk erzehlen.

Wer aber seine Noth, die Gott ihm aufgelegt,

Mit Zagheit, Ungedult und schnödem Murren trägt: