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Er küsste die Realität fort, die Sorgen, die Vergangenheit. Es gab nur das Jetzt – und ein Jetzt mit Nate bedeutete, überall sein zu können. Als die 21-Jährige Quinn nach einem Autounfall mit Fahrerflucht in einem Londoner Krankenhaus erwacht, fehlen ihr sämtliche Erinnerungen an die vergangenen sieben Monate. Als wäre das nicht genug, findet sie kurz danach heraus, dass ihre beste Freundin Emilia als vermisst gemeldet wurde. Das Chaos ist komplett, als sie von Emilias Exfreund angesprochen wird, mit dem sie eigentlich nie etwas zu tun hatte. Der charmante Nate behauptet, dass sie nach Emilias Verschwinden die einzigen waren, die an ein Verbrechen glaubten und sich deshalb zusammengetan haben. Quinn ist sich nicht sicher, ob sie ihm vertrauen kann, geht aber aus Mangel an Alternativen einen Deal mit ihm ein und muss sich mit ihm auf der Suche nach Antworten in die schillernde Welt des alten englischen Geldadels begeben – ein ihr verhasster Ort voller Lügen und Intrigen. Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Gefühle kommen für ihn auf. Gefühle, die nicht sein dürfen. Je mehr die beiden in Erfahrung bringen, desto undurchsichtiger werden die Informationen. War der Autounfall, bei dem sie ihr Gedächtnis verlor, wirklich Zufall? Oder hat sie kurz davor etwas erfahren, was der Wahrheit zu nah gekommen war?
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Seitenzahl: 572
Leandra Seyfried
POINT OF NO RETURN
Das Zitat auf S. 7 stammt aus: Little Women or, Meg, Jo, Beth and Amy, Louisa May Alcott. 1868, Roberts Brothers.
Das Originalzitat der Übersetzung auf S. 21 stammt aus: The Case-Book of Sherlock Holmes, Sir Arthur Conan Doyle. 1927, John Murray.
Das Zitat auf S. 258 stammt aus: The Picture of Dorian Gray, Oscar Wilde. 1891, Ward, Lock & Co.
Originalausgabe
© 2024 reverie in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
Covergestaltung von Andrea Janas | andreajanas.com
Coverabbildung von ferdel99 / depositphotos, tofutyklein, tomertu / Shutterstock, seraficus / istockphoto
E-Book-Produktion von GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783745704488
www.reverie-verlag.de
Für Dominik.Ich liebe dich vom Mond.
»I am not afraid of storms, for I am learning how to sail my ship.« – Louisa May Alcott
»Blitzeinschlag«
Mein Herz pochte im Takt meiner Schritte, als ich auf die Gewitterwolken zurannte. In den Fenstern der elfenbeinfarbenen Häuser Kensingtons brannten bereits vereinzelt Lichter, durch den halb transparenten Stoff eines Vorhangs erkannte ich die Umrisse eines Kronleuchters, der von der Decke hing. Zuerst fielen nur wenige Regentropfen auf mein Haar und in mein Gesicht – zwanzig atemlose Schritte später war es, als stünde ich unter einer Dusche. Ich zupfte am schwarzen Shirt, das an meinem Oberkörper klebte, meine Sneaker durchnässten. Auch das noch.
Nicht stehen bleiben, ermahnte ich mich, als meine Beine zu schmerzen begannen. Ich schoss an schmiedeeisernen Zäunen, akkurat getrimmten Hecken und schwarz lackierten Eingangstüren vorbei. Geistesabwesend wich ich den Wasseransammlungen auf dem Gehweg aus, in denen sich die warmen Lichter der Häuser spiegelten – in jeder Pfütze eine heile Welt.
Ich ließ die von Säulen gesäumten Gebäude hinter mir und zerknüllte das inzwischen feuchte Papier in meiner rechten Hand noch fester. Umklammerte es, als wären die Worte, die darauf geschrieben standen, ein rettender Anker … Ironisch, wenn man bedachte, dass sie gerade mein Untergang waren.
Ich wagte einen Blick über die Schulter zurück. Die Straße war verlassen, ich allein. Es war nicht mehr weit, ich konnte es schaffen. Nach allem, was geschehen war, musste ich das. Sollte ich versagen, wäre alles umsonst gewesen, und die Wahrheit würde niemals ans Licht kommen.
Ich wischte mir die Regentropfen aus dem Gesicht und sah wieder nach vorn. Ich kam dem Gewitter immer näher, nicht weit von mir entfernt zuckten die schwarzen Wolken hell auf.
Du darfst keine Zeit verlieren. Ich riss mich von meinen Gedanken los, wollte die Straße überqueren, als mich plötzlich ein weißgelber Scheinwerfer blendete und ein aufgebrachtes Hupen erklang.
Shit. Ich konnte gerade rechtzeitig anhalten, um nicht vor das schwarze Motorrad zu laufen, und blieb inmitten einer Pfütze stehen. Geistesabwesend hob ich die freie Hand, um mich zu bedanken, ehe ich eilig weiterlief. Mein Brustkorb hob und senkte sich schnell, das Blut pulsierte in Rekordgeschwindigkeit durch meine Adern.
Als ein Blitz die Fassaden der Häuser erhellte, zuckte ich heftig zusammen, verlangsamte aber meinen Schritt nicht. Weiter, schneller, nicht aufgeben.
In diesem Augenblick knallte ein ohrenbetäubend lauter Donnerschlag, der die Welt um mich herum erbeben ließ. Mein Herz setzte einen Schlag aus, ich zog den Kopf ein und rannte weiter. Am Ende der Straße bog ich links ab und lief unter der weinroten Markise eines italienischen Restaurants hindurch. Buttriges Licht schwappte aus den Fenstern, im Inneren prostete sich ein Paar mit bauchigen Weingläsern zu. Ich wischte mir die nasskalten Haare aus der Stirn und wagte einen erneuten Blick hinter mich, als ich das Auto sah.
Mein Blut gefror zu Eis.
Nein, nein, nein.
Ich war zu langsam gewesen. Die Scheinwerfer des heranrasenden Fahrzeugs blendeten mich, und ich presste meine brennenden Augen zusammen. Du kannst es dir nicht erlauben, zu versagen. Ich lief weiter, stolperte über einen lockeren Pflasterstein, fing mich jedoch sofort wieder und beschleunigte trotz schmerzender Füße meinen Schritt. Nackte Angst legte sich wie ein Korsett um meine Brust, zog die Fäden enger und enger, bis ich keine Luft mehr bekam.
Als hätte jemand den Auslöser einer Kamera gedrückt, leuchteten die Straßen ein weiteres Mal für einen Augenblick taghell auf. Ich biss die Zähne so fest zusammen, dass es wehtat, und bog in der Hoffnung, das Auto abschütteln zu können, rechts ab.
Als es dieses Mal donnerte, wirkte es, als befände sich das Gewitter direkt über meinem Kopf. Für den Bruchteil einer Sekunde musste ich an die Marmorstatuen der griechischen Götter im Museum denken, die mit missbilligenden Blicken auf die Menschen hinabsahen. So musste es sich anfühlen, wenn man Zeus verärgert hatte und er nach Rache sann.
Als ich das schmiedeeiserne Tor, das zu einem kleinen Park führte, am Ende der Straße entdeckte, entfachte ein Hoffnungsfunke in meiner panikerfüllten Brust. Das Tor war verschlossen und nicht gerade niedrig, doch ich könnte es schaffen. Ich würde nicht kampflos aufgeben. Oder überhaupt aufgeben. Das lag mir nicht im Blut. Ich musste nach vorn sehen, wie ich es immer getan hatte, weshalb ich meinen Blick auf die verwurzelten Bäume rechts und links des Tores richtete, die ihre Äste zueinander ausstreckten, als wollten sie einander berühren. Regen prasselte auf das üppige Blätterdach, das weiter hinten in vollkommene Dunkelheit gehüllt war.
Erst als das Donnergrollen verebbte wie eine Welle, die sich ins Meer zurückzog, hörte ich den lauter werdenden Motor. Der Wagen beschleunigte, und meine Chancen sanken, sanken, sanken …
O Gott, bitte nicht.
Ich war mir nicht sicher, wann genau mir bewusst wurde, dass ich verloren hatte. Dass es irrelevant war, wie schnell ich rannte. Dass ich das Tor nie erreichen würde.
Ich blickte nach hinten, nur um zu sehen, wie das Auto die Straße verließ und auf den Gehweg fuhr – die Scheinwerfer zu hell für mich, um irgendetwas anderes zu erkennen. Nein, das darf nicht passieren.Nicht jetzt, da ich endlich die Wahrheit kenne.
Plötzlich fuhr ein solcher Schmerz durch meine Beine, dass ich unweigerlich aufschrie. Ich verlor den Boden unter den Füßen. Noch während ich durch die Luft wirbelte, hielt ich an dem Papier fest, als würde mein Leben davon abhängen.
Der Aufprall auf dem Asphalt presste mir sämtliche Luft aus den Lungen und ließ mich laut keuchend nach Atem ringen. Doch es war noch nicht vorüber – mein Körper rollte weiter. Panisch versuchte ich, den Schwung mit den Händen abzufedern, aber außer einem scharfen Brennen an meinen Handflächen hatte es keine Wirkung. Ich riss die Augen auf und sah die Wand, der ich mich mit rasender Geschwindigkeit näherte. Das Scheinwerferlicht brach sich in den Regentropfen, ließ sie wie schimmernde Silberfäden wirken, die in der Luft schwebten.
Das ist das Letzte, was ich jemals sehen werde, schoss es mir durch den Kopf. Ich hatte mein ganzes Leben damit verbracht, die Scherben meiner Vergangenheit aufzufegen, um niemals wieder in eine Situation zu geraten, in der ich mich hilflos fühlte. Damit mir nie mehr die Kontrolle entglitt.
Aber genau das geschah jetzt.
Mir entglitten die Kontrolle, das Bewusstsein, das Papier in meiner Hand. Die Wand kam dichter, ich presste die Augen zusammen.
Ein Knacken im Kopf, ein Piepen im Ohr.
Dann ein großes Nichts.
»Donnergrollen«
Mein Herz raste.
Ich wusste nicht, weshalb, doch es fühlte sich an, als befände ich mich in unmittelbarer Gefahr. Die Dunkelheit lag über mir wie ein Schleier, bis ich bemerkte, dass schlicht meine Augen geschlossen waren. Ich befahl meinem Körper, sie zu öffnen, aber nichts geschah. Verdammt, das ist gar nicht gut. Langsam spreizte ich meine Finger und war erleichtert, als mir wenigstens das gelang. Es fühlte sich an, als wäre eine schwere Decke auf mir, unter der ich mich nicht bewegen konnte.
Mit einem Mal ertönte das Geräusch einer sich öffnenden Tür. »Ihr Puls ist erhöht, ruf die Ärztin«, sagte eine tiefe Stimme.
»Wacht sie auf?«, fragte eine andere.
»Entweder das, oder es ist eine verspätete Reaktion ihres Körpers auf den Unfall.«
Unfall? Reden die von mir?
Dieses Mal gelang es mir, meine Augen zu öffnen. Als sich das Deckenlicht auf meine Netzhaut legte, schien es, als fiele ich durch eine Glasscheibe.
»Miss, können Sie mich hören?«
Ich blinzelte einige Male, ehe sich meine Sicht klärte. Innerhalb von Sekunden nahm ich alles um mich herum in Augenschein: ein Mann in blauem Kittel, mit gebräunter Haut und Dreitagebart. Beigefarbene Wände, weiße Vorhänge, ein Bett mit Metallgestell. Die Tür links von mir. Ich war in einem Krankenhaus.
Was zum Teufel ist geschehen?
»Wo bin ich?«, wollte ich fragen, doch es kam nur ein Krächzen heraus, als hätte ich seit Wochen kein Wort mehr gesprochen. Eilig räusperte ich mich, doch der Mann kam mir zuvor.
»Können Sie mich verstehen? Sprechen Sie Englisch?«
Ich legte eine Hand an meinen trockenen Hals. »Wo bin ich?«, versuchte ich es erneut und sah in Richtung des Fensters, hinter dem ich durch die zugezogenen Vorhänge jedoch nichts erkennen konnte.
»Sie sind im St. Thomas’ Hospital.«
Ich nahm meine Hand herunter, hielt die zweite daneben und ließ den Blick darüberschweifen.
Ach, du Scheiße.
Meine Handinnenflächen waren von roten Schrammen überzogen. In meiner rechten Hand steckte eine Infusionsnadel, einzelne Bluttropfen prangten auf dem weißen Laken unter mir. Mein Blick schoss zurück zu dem Mann, vermutlich ein Pfleger, der mich besorgt beäugte.
»Was ist passiert?«
»Die Ärztin wird all Ihre Fragen beantworten.«
Ich schüttelte den Kopf und bereute es sofort, als sich ein Schwindelgefühl in mir breitmachte. »Bitte«, brachte ich hervor.
Er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »Man hat Sie heute Nacht bewusstlos auf dem Gehweg in der Queen’s Gate Terrace gefunden. Wir vermuten, dass Sie in einen Unfall verwickelt waren.«
Wie bitte? Ich blinzelte. Bewusstlos? Unfall?
Der Pfleger nestelte an der Akte herum, die er an seine Brust presste wie einen Schutzschild. »Die Ärztin ist gleich da«, murmelte er und drückte auf seinem Pager herum.
Im Schnelldurchlauf versuchte ich, meine Gedanken zu ordnen. Ein Unfall in der Queen’s Gate Terrace. Wann war ich in Kensington gewesen? Was war mit mir passiert? Und wusste Adam, dass ich hier war?
»War jemand hier?«, fragte ich schließlich. »Ich meine … Hat mich jemand besucht?«
Der Pfleger schüttelte zaghaft den Kopf. »Nein, aber Sie hatten weder ein Telefon noch eine Geldbörse bei sich, anhand derer wir Sie hätten identifizieren können. So konnten wir auch niemanden informieren. Tut mir leid.«
Ich schluckte. Ich hatte die Nacht in diesem Krankenhaus verbracht und niemand wusste, wo ich war. Adam und Emilia mussten außer sich vor Sorge sein. Ich kannte meinen Freund und meine beste Freundin gut genug, um zu wissen, dass sie inzwischen ganz London auf den Kopf gestellt haben mussten. Was hatte Adam wohl gedacht, als ich nicht nach Hause gekommen war?
Ich muss sofort zu ihm. Ruckartig schlug ich die wolkenweiße Bettdecke beiseite.
»Halt, was haben Sie vor?«
»Ich muss nach Hause«, gab ich zurück.
Er hob beschwichtigend eine Hand. »Bitte warten Sie einen Moment.«
Ich richtete mich auf und ignorierte dabei die blauvioletten Blutergüsse auf meinen Beinen, so gut es ging. Ehe ich die Füße auf den Boden stellen konnte, schwang die Tür auf, und eine Frau in weißem Kittel trat ein. Ihr rotes Haar war an der Seite ihres Kopfes kunstvoll geflochten, was im Kontrast zu ihrem pragmatischen Outfit stand. Ihre Gesichtszüge waren zart, die Finger feingliedrig.
»Guten Abend, Miss. Wir haben gehofft, dass Sie bald zu sich kommen und uns erzählen können, wer Sie sind«, meinte sie mit einem schmalen, vorsichtigen Lächeln.
Ich schluckte und merkte dabei, wie trocken meine Kehle wirklich war. »Ich bin Quinn. Quinn Fleming, einundzwanzig und aus London.«
Sie machte Notizen auf ihrem Klemmbrett, danach kam sie zwei Schritte näher, wodurch mir der schwache Geruch nach Desinfektionsmittel entgegenwehte.
»Was ist mit mir passiert?«, wollte ich wissen. Meine Stimme klang genauso gebrechlich, wie ich mich fühlte.
»Wir gehen davon aus, dass Sie angefahren wurden. Die Polizei hat den Vorfall als Verkehrsunfall mit Fahrerflucht in den Akten notiert. Können Sie mir sagen, was passiert ist?« Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine dünne Falte gebildet.
Ich dachte nach, suchte in meinen Erinnerungen nach einem Unfall … Doch da war nichts. Wenn ich von einem Auto angefahren worden wäre, würde ich mich daran erinnern, oder? Ein unwohles Gefühl breitete sich in meinem Brustkorb aus, ich schüttelte vorsichtig den Kopf.
Sie schien meine Sorge zu bemerken. »Es ist vollkommen normal, dass Patienten nach so einer Erfahrung eine Weile brauchen, um wieder richtig zu sich zu kommen. Dass Sie sich nicht an den Unfall erinnern, kann ein Schutzmechanismus Ihres Gehirns sein.«
Ich nickte und rieb abwesend über das Tattoo an meinem linken Oberarm. Normalerweise gab mir der kunstvoll verzierte Bilderrahmen auf meiner Haut Kraft – aber gerade fühlte ich mich einfach nur leer.
»Sie schweben nicht in Lebensgefahr. Zuerst haben wir einen Schädelbasisbruch vermutet, diesen konnten wir allerdings beim CT ausschließen. Sie sind mit einem geschlossenen Schädel-Hirn-Trauma, genauer einer leichten Gehirnerschütterung, und einer Rippenfraktur davongekommen. Wie fühlen Sie sich?«
Ich fuhr mit der Hand an meine Stirn und ertastete den weichen Stoff eines Pflasters. Da waren keine Schmerzen, nur der Schwindel, der hinter meiner Stirn pochte. Ich muss zu Adam. Der Gedanke strahlte wie eine rote Leuchtreklame im Nebel. »Kann ich gehen?«, fragte ich. »Es gibt Menschen, die sich sicher Sorgen um mich machen, und –«
»Das bezweifle ich nicht, Miss Fleming, doch erlauben Sie mir bitte, zuerst noch einige Tests durchzuführen?«
Ich setzte an, um zu widersprechen, ehe ich mich fragte, wie klug das in meiner Situation wäre. Schließlich folgte ich still ihren Anweisungen, während sie meine Reflexe und mein Temperatur- und Berührungsempfinden überprüfte. Danach nickte sie zufrieden und seufzte tief. »Alles klar, das sieht gut aus. Allerdings habe ich ein paar letzte Fragen.«
»Okay?«
»Welches Datum haben wir?«
Ich runzelte die Stirn. Die Frage traf mich trotz der Umstände so unvorbereitet, dass ich beinahe lachen musste. »Welches Datum wir haben?«
Sie nickte ernst. »Standardfragen.«
Ich stieß die Luft aus und überlegte. Gestern hatte ich das Geschenk für Adams Geburtstag kommende Woche besorgt. »Vierundzwanzigster Februar? Fünfundzwanzigster?«
Die Ärztin und der Pfleger tauschten einen Blick. »Welches Jahr?«, fragte sie mit einem alarmierten Unterton in der Stimme.
Nun musste ich tatsächlich lachen. »Welches Jahr? Ist das ein Witz?«
Als sie nichts erwiderte, räusperte ich mich und sagte: »Zweitausendvierundzwanzig.« Ich wischte meine feuchten Handflächen vorsichtig an dem weißen Laken ab und sah vom Pfleger zur Ärztin. Mit einem Mal war ich mir gar nicht mehr so sicher, ob das stimmte. »Es … es ist doch zweitausendvierundzwanzig, oder?«
»Ja.« Ihr goldener Ehering blitzte im Deckenlicht auf, als sie die Akte sinken ließ und mir in die Augen sah. »Aber es ist nicht Februar, sondern September.«
»Sonnenuntergang«
Ich hatte früh gelernt, dass man den meisten Menschen nicht trauen konnte. Sie waren unberechenbar, betrogen und täuschten einen. Auch, wenn sie zu der ein oder anderen selbstlosen Tat fähig waren, hatte am Ende des Tages jeder nur sich selbst im Sinn. Es gab einen Grund, aus dem ich bereits als Kind Regeln aufgestellt hatte, an die ich mich bis heute hielt. In diesem Moment kam mir Regel Nummer acht in den Sinn: Wenn Zweifel bestehen, glaube niemandem – verlass dich nur auf die harten Fakten.
»Das kann nicht sein.« Mein Verstand wehrte sich gegen das, was die Ärztin gerade gesagt hatte, obwohl ich wusste, dass sie keinen Anlass hatte, mich anzulügen. »Eine Tageszeitung«, brach es aus mir hervor. »Ich muss es sehen.«
Die Ärztin nickte, der Pfleger presste die Lippen zusammen und verließ den Raum. Sie sah mir direkt ins Gesicht. Ihr Ausdruck war nicht vorwurfsvoll, sondern mitleidig, was viel schlimmer war. Bitte lass sie eine notorische Lügnerin oder die Ärztin mit dem makabersten Sinn für Humor der Welt sein.
Ich sah nach links auf den Monitor, der meinen Puls kontrollierte, und wandte eilig den Blick ab, als ich die dreistellige rote Zahl sah.
Der Pfleger kam nur wenige Herzschläge später zurück und trat mit geröteten Wangen ans Bett. Er sah mir nicht in die Augen, als er mir eine Ausgabe der Times überreichte. Das Papier knisterte leise, als ich sie aufschlug. In der Mitte war das Bild eines Tennisspielers mit schweißbenetzter Stirn zu sehen, der seine Lippen an einen goldenen Pokal drückte. Ich hielt den Atem an und sah zum Datum.
O mein Gott, das kann nicht sein. Es fühlte sich an, als hätte ich beim Treppensteigen eine Stufe verpasst und würde nun rückwärts in einen endlosen Abgrund fallen. Ich las es ganze drei Mal, doch die Buchstaben und Zahlen veränderten sich nicht.
Montag, der 16. September 2024.
Montag, der 16. September 2024.
Montag, der 16. September 2024.
Ich ließ die Zeitung auf meinen Schoß fallen, als hätte ich mich daran verbrannt. Es konnte nicht September sein. Es war erst Silvester gewesen, Adam und ich hatten mit Emilia in ihrem Townhouse in Chelsea gefeiert. Im Januar hatte ich einen neuen Aufgabenbereich bei meinem Werkstudentenjob in der National Gallery übernommen. Die Prüfungen im Februar waren gut gelaufen, so wie jedes Mal, da ich es mir aufgrund des Stipendiums nicht erlauben konnte, auch nur eine mittelmäßige Note zu schreiben. Danach hatte ich Adams Geburtstagsgeschenk besorgt und dann …
… dann war ich hier aufgewacht. Ich konnte mich weder an seinen Geburtstag Ende Februar noch an meinen eigenen erinnern, der kurz darauf folgte. Nicht an den Frühling, den Sommer, die zweite Prüfungsphase …
Ein Monitor begann zu piepen.
Ich sah ein letztes Mal auf das Datum, dabei hatte es sich längst in meine Netzhaut gebrannt. Wie hatte Arthur Conan Doyle es so schön formuliert? Wenn man das Unmögliche ausgeschlossen hat, muss das, was übrig bleibt, die Wahrheit sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag.
Fakt war, dass wir September hatten und ich die vergangenen sieben Monate vergessen hatte.
Ich kann mich nicht erinnern.
Die Gewissheit rann wie Eiswasser meinen Körper hinab, fror daran fest und hielt mich in einer Schockstarre gefangen.
»Eine retrograde Amnesie ist nach Unfällen mit Kopfverletzung nicht selten«, fuhr die Ärztin leise fort, aber ich konnte sie nicht ansehen. »Es passiert häufig, dass sich Patienten an mehrere Wochen, Monate oder gar Jahre nicht mehr erinnern können.«
Sie sagte das so nüchtern, als würden wir über eine Narbe sprechen, die nicht mehr verschwinden würde. Nun schaute ich doch auf und blickte geradewegs in ihre blaugrauen Augen. »Werde ich meine Erinnerungen zurückbekommen?«
Sie zögerte. »Das lässt sich pauschal nicht sagen. In manchen Fällen kommen sie schrittweise zurück, in anderen nur bruchstückhaft oder gar nicht mehr.«
Das passiert gerade nicht wirklich, oder? So etwas geschah in Filmen und Büchern, aber doch nicht … mir?
»Danke für alles«, meinte ich eilig und verbarg den Schock hinter einer Maske aus Gleichgültigkeit. »Ich werde jetzt gehen.« Ich schwang die Beine über die Kante und setzte meine nackten Füße auf dem kalten Boden auf. Der Pfleger bot mir seine Hand an, aber ich konnte sie nicht nehmen. Nicht, wenn ich mich an meine wichtigste Regel halten wollte, die gleichzeitig eine meiner ersten Lektionen im Leben gewesen war: Nimm von niemandem Hilfe an, den du nicht kennst – ganz egal, wie sehr du sie gebrauchen könntest. Wenn man Hilfe annahm, entstand automatisch ein Ungleichgewicht und man schuldete der anderen Person etwas, so klein die Geste auch gewesen sein mochte. Ich hatte mir vor langer Zeit angewöhnt, alles allein zu regeln, da ich genau das vermeiden wollte. Adam fand es übertrieben, doch ich hatte mir die Regeln nicht zum Spaß ausgedacht – jede Lektion war aus einer prägenden Erfahrung heraus entstanden.
Die Ärztin sah nicht begeistert aus. »Können Sie jemanden anrufen, der Sie abholt? Sonst kann ich Ihnen auch ein Taxi rufen, oder …«
Ich schüttelte den Kopf. »Danke, ich komme zurecht.« Emilia sagte immer, dass mich mein Stolz irgendwann ins Grab bringen würde. Sie hatte nie verstanden, dass es nicht um Stolz ging, sondern um Unabhängigkeit. Vielleicht auch ein wenig um Misstrauen. Ich sah auf meine nackten Füße hinunter und biss mir auf die Wangeninnenseite. »Hatte ich …« Hatte ich etwas an? Herrje, Quinn. Natürlich hattest du etwas an, du bist wohl kaum nackt in Kensington gewesen. »Wo sind meine Sachen?«, fragte ich stattdessen.
»Hier drüben«, gab der Pfleger zurück und zeigte mit dem Daumen über seine Schulter auf einen weißen Einbauschrank.
Alles klar. Anziehen, Krankenhaus verlassen, nach Hause gehen. Alles würde gut werden. Spätestens, wenn ich einen vertrauten Menschen sah und in Ruhe alle Lücken füllen konnte. Ich musste verstehen, was passiert war – zuallererst jedoch musste ich hier raus.
Die Ärztin zog die Infusionsnadel in missbilligendem Schweigen und bat mich, ein Dokument zu unterzeichnen und mich bei der Polizei zu melden. »Ich wünsche Ihnen für Ihre Genesung alles Gute, Miss Fleming«, sagte sie zum Schluss. »Wenn sich Ihre Beschwerden verschlimmern sollten, kommen Sie bitte wieder. Ansonsten sehen wir uns Ende der Woche zu einer Nachuntersuchung, die ich dringend empfehle.« Sie warf mir einen strengen Blick zu und verließ danach gefolgt vom Pfleger den Raum.
Das Rauschen in meinen Ohren übertönte das leise Tapsen meiner Schritte, als ich an den Schrank herantrat und die quietschenden Türen öffnete. Meine schwarze Jeans hing über einem Bügel, direkt daneben mein kurzärmeliges Marvel Shirt. Ich vergrub die Finger in dem vertrauten Stoff und merkte, dass er knittrig und steif war, als wäre das Oberteil nass geworden und nur langsam wieder getrocknet. Ich entledigte mich des Krankenhauskittels, schlüpfte erst in die Unterwäsche, die im Regal daneben lag, und danach in meine Kleidung. Obwohl die Sachen von mir waren, fühlten sie sich fremd an. Ich konnte mich nicht daran erinnern, sie angezogen zu haben. Außerdem hatte ich doch gerade noch meine Winterjacke getragen … oder?
Ich tastete meine Hosentaschen und jedes Regalbrett mehrmals ab, aber es war, wie der Pfleger gesagt hatte: Weder mein Handy noch mein Geldbeutel waren auffindbar. Seltsam. Ich war kaum ohne aus dem Haus gegangen. Hatte ich sie bei dem Unfall verloren?
Der in meinem Kopf pochende Schwindel machte es mir unmöglich, meine Sneaker im Stehen anzuziehen, weshalb ich mich widerwillig ein letztes Mal aufs Bett setzte. Ich wartete, bis sich der Schwindel weitestgehend gelegt hatte, ehe ich zur Tür trat. Als ich nach links blickte, starrte mir mein eigenes Gesicht aus einem ovalen Spiegel entgegen, und ich hielt einen Herzschlag lang inne. Meine grünen Augen waren blutunterlaufen, meine schulterlangen hellblonden Haare umrahmten mein blasses Gesicht. Ich sah von dem einzelnen Leberfleck auf meiner rechten Wange zu der dünnen Narbe auf meinem Nasenrücken. Bis auf das Pflaster am Kopf, die blutige Schramme über der Augenbraue und den vereinzelten Kratzern dazwischen sah ich aus wie immer, was es noch seltsamer machte.
Wer war die Quinn, die mir aus dem Spiegel entgegenblickte? Was hatte sie in den vergangenen Monaten gesehen?
Ich riss mich von dem Anblick los, ließ das Zimmer hinter mir und durchquerte das Krankenhaus auf meiner Suche nach einem Ausgang. Als ich die gläserne Doppeltür aufstieß, begrüßten mich die letzten kräftigen Sonnenstrahlen des Tages, die durch die Äste eines Kastanienbaums auf mein Gesicht fielen. Die Luft war außergewöhnlich mild und roch nach einem Tag voller Sonnenschein. Doch da lag noch etwas anderes, Dunkleres in der Luft. Erde, Holz, Herbstbeginn. Er zeichnete sich in den gelbgoldenen Blättern zu meinen Füßen und den dünnen Jacken der Passanten ab. Der Sommer endete, und ich konnte mich an keinen einzigen Tag davon erinnern – es war, als wäre ich kein Teil davon gewesen.
Ich brauchte nicht lang, um mich zu orientieren. Ich konnte von Glück reden, dass es von hier bis zu Adams und meiner Wohnung nur knapp dreißig Minuten Fußweg waren. Es hätte schlimmer sein können, denn ohne mein Handy und meinen Geldbeutel konnte ich sämtliche Verkehrsmittel vergessen. Wenn ich es mir recht überlegte, war Glück angesichts meiner aktuellen Situation allerdings nicht das richtige Wort.
Während ich lief, versuchte ich immer wieder aufs Neue, mich zu erinnern. Ich dachte an Weihnachten, als Adam die Glasschüssel seiner Großmutter mitsamt dem Trifle darin im Flur seines Elternhauses fallen gelassen hatte und vor Schuldgefühlen beinahe in Tränen ausgebrochen wäre. Dachte an meinen ersten Arbeitstag im neuen Jahr und wie ich die goldverzierten Räume des Museums wie immer mit einem Gefühl der Ehrfurcht betreten hatte. Dachte an Emilias Silvesterparty, zu der sie über einhundert Gäste in ihr Townhouse eingeladen hatte, nur um kurz vor Mitternacht mit mir auf dem Teppich in ihrem Ankleidezimmer zu liegen. Wir hatten aus dem geöffneten Fenster in den Himmel über uns geschaut, die importierten Pfingstrosen auf ihrer Kommode hatten einen zitronigen Duft verbreitet, und die Gäste im Wohnzimmer hatten den Countdown bis Mitternacht gegrölt. Als sie den Kopf zu mir gedreht hatte, war ihre Perlenhalskette verrutscht, und ihre schwarzen Haare hatten sich mit meinen blonden vermischt. Du und ich – das ist das, was bleibt, hatte sie gesagt, kurz bevor das Feuerwerk losgegangen war.
All diese Erinnerungen waren hell und klar wie in einem Film. Die ersten Februarwochen. Der Seidenschal, den ich für Adam gekauft und in sonnengelbes Papier verpackt hatte, um dem grauen Wetter zu trotzen.
Doch dann?
Dann kam das hier.
Und das ergab einfach keinen Sinn.
Meine Rippen schmerzten, meine Beine zitterten, und der Schwindel ließ nicht nach. Auf der Westminster Bridge blieb ich das erste Mal stehen und atmete tief aus. Goldene Sonnenstrahlen kitzelten in meinem Nacken, beleuchteten die neugotische Fassade des Parlaments und ließen die Goldverzierungen des Elizabeth Towers aufblitzen. Ich wich einem Fahrradfahrer aus und umrundete eine Gruppe französischer Touristen. Das Wasser der Themse floss unter der Brücke hinweg, das Brummen eines Motorbootes drang an meine Ohren. Kurz spielte ich mit dem Gedanken, jemanden nach einem Handy zu fragen, um Emilias oder Adams Nummer zu wählen, ließ es dann aber bleiben. So, wie ich gerade aussah, dachten die Leute vermutlich noch, ich würde sie bestehlen wollen.
Nach einer Weile begrüßte mich Covent Garden mit den sich überlappenden Gitarrentönen zweier Straßenmusiker. Die gusseiserne Dachstruktur der Markthalle summte vor Energie, Plakate bewarben ein neues Musical und spätblühende Sommerblumen in Honiggelb, Himbeerrot und Kobaltblau quollen in den Pflanzenkübeln über. Menschen lachten, Kinder rannten umher, und alles war laut, bunt, falsch. Die Ackerhummeln in den Beeten waren im Blütenrausch, ich am Vergessen, und mein Herz pochte schmerzhaft.
Ich lief am The White Lion vorbei, Adams Lieblingspub, dessen goldene Schrift auf schwarzem Untergrund prangte. Ich blieb nicht stehen und ging beinahe mechanisch weiter. Trotz der Angst in meinem Inneren, die sich anfühlte, als hätte ich eine der Hummeln aus den Blumenkästen verschluckt, spürte ich beim Anblick meines Zuhauses eine Welle der Sicherheit.
Seit nun über einem Jahr wohnte ich mit Adam in der Drei-Zimmer-Wohnung im Theaterdistrikt. Obwohl sie seinem Dad gehörte und ich nur einen kleinen Teil zur Miete beisteuerte, fühlte sie sich wie das Kostbarste an, was ich jemals gehabt hatte. Was vermutlich daran lag, dass ich mir in jeder schlaflosen Nacht, in der die Atemzüge der Mädchen um mich herum tief und gleichmäßig gewesen waren, ein eigenes Zuhause gewünscht hatte. Ich hatte oftmals aus dem Fenster auf das Apartmenthaus gegenüber geblickt und mich gefragt, wie es wohl sein musste, ein Zuhause zu haben … und eine Familie, die dort auf einen wartete.
Ich wechselte die Straßenseite und kam vor der schiefergrauen Tür zum Stehen. Sechs Klingelschilder, das oberste auf der rechten Seite mit Adams Nachnamen beschriftet. Leeds. Ich hatte mir stets erhofft, irgendwann meinen eigenen Nachnamen an einem Klingelschild zu sehen, doch da dies die Wohnung seines Vaters war, hatten wir es bei seinem belassen. Sämtliche Briefe und Pakete ließ ich über seinen Nachnamen laufen – beinahe so, als wäre meine Identität ein Geheimnis, das nie laut ausgesprochen wurde.
Ich drückte die Klingel. Hoffentlich war er zu Hause. Montags war er für gewöhnlich früher aus der Uni zurück. Wenn ich Glück hatte, war er bereits hier – wenn er denn überhaupt gegangen war. Wer wusste, was er diese Nacht durchgemacht hatte? Verdammt, ich wollte es mir nicht andersherum vorstellen. Ich war nicht sicher, was ich getan hätte, wäre Adam ohne jegliche Erklärung abends nicht nach Hause gekommen. Vermutlich hätte ich die Polizei verständigt und danach alle Krankenhäuser abtelefoniert, ob jemand, der auf seine Beschreibung passte, eingeliefert worden war. Hatte er das bei mir nicht gemacht?
Der Summer ertönte, und ich fuhr zusammen. Im ersten Stockwerk angekommen, ging mir bereits die Luft aus, aber ich blieb nicht stehen und stieg die letzten Stufen nach oben. Gleich würde alles gut sein. Adam würde sehen, dass mit mir alles in Ordnung war, und mir wiederum alles erklären. Vermutlich hatte er bereits mit der Polizei gesprochen. Nichts davon war allerdings so wichtig, wie ihn zu sehen und seine Arme um mich herum zu spüren.
Ich erreichte das zweite Stockwerk, die Eingangstür auf der rechten Seite ging auf, und Adam trat in den Flur. Er sah … gut aus. Nicht gut im Sinne von attraktiv, denn das war er sowieso. Ich meinte gut im Sinne von erholt, glücklich, zufrieden. Nicht, als hätte er heute Nacht vor Sorge um mich kaum ein Auge zubekommen. Ich saugte jedes Detail von ihm auf: die schwarzen Locken, die sich in seinem Nacken kräuselten, die hellblauen, von dunklen Wimpern eingerahmten Augen und die Sommersprossen auf seinen Wangen.
»Adam«, entfuhr es mir, eine Mischung aus Erleichterung und Freude. Ich überquerte die letzten Meter, schlang meine Arme um seine Mitte, atmete seinen Geruch ein und presste die Augen zusammen. Plötzlich befand ich mich nicht mehr inmitten des Hurrikans, sondern im Auge des Sturms. Der Wind tobte weiterhin um mich herum, doch ich blieb verschont von seiner zerstörerischen Kraft.
Zumindest bis ich bemerkte, dass er meine Umarmung nicht erwiderte. Seine Muskeln waren angespannt, und er stand steif da, ohne seine Arme um mich zu legen.
Ich wich zurück, sah zu ihm hoch. Als ich seine zusammengezogenen Augenbrauen und den verkrampften Gesichtsausdruck bemerkte, nahm mein Puls Fahrt auf. »Adam?« Dieses Mal klang es nach Skepsis und Sorge.
Ich hatte keinesfalls eine große Geste erwartet, allerdings … Ich war überzeugt gewesen, ihm die Erleichterung vom Gesicht ablesen zu können, sobald ich bei ihm wäre. Stattdessen ließ er den Blick von den Schrammen und Kratzern bis hin zu meinen Augen wandern und runzelte die Stirn.
»Was zum Teufel tust du hier?«
»Orkan«
Es fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube. »W-was meinst du? Was ich hier tue?!«
Er wich einige Zentimeter zurück. »Ich habe nicht mit dir gerechnet.«
Was soll das denn bedeuten? Ich schluckte, um mir nicht anmerken zu lassen, wie sehr mich seine Reaktion zu gleichen Teilen überrumpelte und verletzte. »Ich bin angefahren worden, im Krankenhaus aufgewacht und kann mich nicht erinnern, wie ich dorthin gekommen bin. Das ist die Kurzfassung.« Ich schluckte, als er mich noch immer beäugte. »Im Ernst, ich war die ganze Nacht weg, und du hast mich nicht vermisst?«
Er blinzelte. »Du wurdest angefahren?«
Ich zog die Brauen zusammen. »Hast du dir etwa keine Sorgen um mich gemacht?«
Er presste die Lippen aufeinander, wie er es immer tat, wenn er dichtmachte. »Was ist mit dir passiert? Warum weißt du das nicht mehr?«
Mein Puls erreichte zuvor unbekannte Höhen. »Was weiß ich nicht mehr?«
Er rieb sich über die Schläfen. »Quinn, du wohnst seit knapp einem Monat nicht mehr hier. Wir haben uns getrennt.«
Langsam sickerten seine Worte in mein Bewusstsein. Mir wurde übel. Es war, als würde jemand mein panisch zitterndes Herz mit einem Pfahl durchbohren. Das erste Mal seit dem Kinderheim fühlte ich mich alleingelassen. Doch das Schlimmste? Ich spürte, dass er die Wahrheit sagte. Ich sah es an seinem vorgeschobenen Kiefer, den zusammengezogenen Brauen. Genau wie die Ärztin log er nicht, dabei hätte ich alles getan, um eine Lüge in seinen Worten zu entdecken. Tatsachen hin oder her, ich musste mich davon überzeugen, um die Bandbreite des Gesagten zu begreifen. Ohne abzuwarten, ob er protestieren würde, zwängte ich mich an ihm vorbei durch die Tür … und blieb nach zwei Metern wie angewurzelt im Wohnzimmer stehen. Die bunten Teppiche lagen wie immer überlappend auf dem Boden, die schwarze Ledercouch etwas schräg darüber. Die zwei Fenster, die einen Blick auf die Fußgängerzone boten, ließen leises Gelächter und den Duft nach Gebäck hinein. Aber das Regal mit meinen Comicheften, das neben dem Sofa gestanden hatte, war durch eine Palme mit an den Spitzen braun werdenden Blättern ersetzt worden. Der Posterdruck von Rubens’ Samson und Delilah über dem Esstisch neben der offenen Küche war fort – an seiner Stelle hing jetzt eine nichtssagende Fotografie der London Bridge. Die Bilderrahmen neben der Badezimmertür, in denen wir gemeinsame Fotos gesammelt hatten, waren ebenfalls Geschichte. Stattdessen befand sich dort nun eine Gitarre, die ich nie zuvor gesehen hatte. Wenn die Delle im Boden vor dem Teppich, wo ich beim Einzug die Schreibtischlampe fallen gelassen hatte, nicht wäre, könnte man meinen, ich hätte hier nie gewohnt.
»Du erinnerst dich nicht.« Es war eine Feststellung, keine Frage. »Dieser Unfall …«
Meine Augen begannen zu brennen, und ich kniff mir eilig mit den Fingern in die Nasenwurzel, um den Tränen keinen Platz zu geben. Regel Nummer sechs: Vergießeniemals Tränen vor Menschen, die nicht zu deinem engsten Kreis gehören. Und das tat Adam offenbar nicht mehr. Es gab nur zwei Menschen, vor denen ich meinen Schutzwall, der seit Kindertagen immer höher geworden war, einstürzen lassen konnte: Emilia und Adam. Es hatte Monate gedauert, ehe ich Adam weit genug an mich herangelassen hatte, um eine Bindung aufbauen zu können. Und jetzt? Jetzt war ich eine Fremde für ihn. Ich musste mit Emilia sprechen. Sie würde alle Lücken füllen können. Nun war sie der einzige Mensch, dem ich blind vertrauen konnte. Na gut, vielleicht auf einem Auge blind. Zu mehr war ich nicht fähig.
Ich drehte mich zu Adam um. »Wo wohne ich jetzt?« Ein Satz, von dem ich niemals gedacht hatte, ihn einmal zu sagen.
Er rieb sich über den Mund. Bevor sein sorgenvoller Blick in Mitleid umschwenken konnte, räusperte er sich, trat zu der cremefarbenen Kücheninsel und riss einen Zettel von einem Block ab. »Ich schreib dir die Adresse auf.«
Es war, als hätte man mich am Boden festgenagelt – ich konnte keinen Schritt weiter in die Wohnung hineingehen. Irgendwie stand mir das jetzt auch nicht mehr zu, oder? Es fühlte sich an, als wäre ich in die Zukunft gereist. Ich hatte mehrere Kapitel übersprungen und befand mich nun in einem neuen Abschnitt – allerdings ohne Zugriff auf die Lektionen und das Wissen der vorherigen Seiten zu haben.
Ich war im Nachteil.
Und für mich gab es beinahe nichts Schlimmeres als das.
Adam kam zurück, drückte mir das Papier in die Hände und rieb sich über den Hinterkopf. »Ähm, hier.«
Ich starrte auf die Adresse hinab und erkannte sie sofort. Es war nicht weit von hier, direkt am Seven Dials Market, den ein Bekannter von mir leitete. Dort wohnte ich also. Ein Gefühl der Fremde breitete sich in mir aus. Das war eine Wohnung, in der ich noch nie gewesen bin … nur dass ich es eben doch war.
Ich konnte mich nur nicht erinnern.
Eine Gänsehaut breitete sich auf meinen Armen aus, und ich steckte den Zettel in meine hintere Hosentasche.
»Was ist passiert?«, fragte Adam und musterte mich sorgenvoll. »Du bist nach dem Unfall aufgewacht und hast dich einfach nicht mehr … erinnert?«
Ich ignorierte seine Frage. »Warum haben wir uns getrennt?«, wollte ich wissen und versuchte damit wenigstens eine meiner unzähligen Fragen in Worte zu fassen.
Das letzte bisschen Farbe wich aus seinem Gesicht. »Fuck, das weißt du auch nicht mehr?«
Das Blut gefror in meinen Adern. »Was?« Es war mehr ein Hauchen als ein ganzes Wort. Es schwebte zwischen uns und lud sich durch Adams bedeutungsschweren Blick mit jeder Sekunde weiter auf.
Das Deckenlicht sickerte durch seine Wimpern und malte Schatten auf seine Wangen. »Es tut mir so leid, Quinn. Emilia …«
Mein Herzschlag setzte für einen Moment aus. »Was ist mit ihr?«
Die drei Sekunden, ehe er die nächsten Worte aussprach, würde ich niemals vergessen. Es waren die letzten drei Sekunden Frieden, bevor das Chaos losbrach.
»Emilia ist vor über einem Monat verschwunden.«
»Gletscherbildung«
Mit acht Jahren war ich einmal gegen eine Glastür gerannt. Ich war auf dem Weg zum Küchendienst durch die Flure im Heim gelaufen und hatte mit einem Mal einen Schmerz gespürt, der mir die Luft aus den Lungen gepresst hatte. Das, was ich nun empfand, war damit zu vergleichen.
»Was soll das heißen? Was ist passiert?«
Adam lehnte sich gegen die Kücheninsel. »Magst du dich setzen?« Er zeigte auf den taubenblauen Ohrensessel, als wäre ich das erste Mal hier und würde mich nicht auskennen. Dabei hatte ich das Möbelstück ausgesucht.
»Nein.«
Er seufzte. »Okay. Am achten August ist Emilia nach einer Vorlesung nicht nach Hause gekommen. Zuerst hat sich keiner außer dir Sorgen gemacht. Du weißt schon«, er wedelte mit der Hand umher, »weil es nicht das erste Mal ist, dass sie von zu Hause abgehauen und dann wiedergekommen ist, als es ihr gepasst hat.«
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Adam hatte Emilia nie leiden können und war immer der Meinung gewesen, dass sie ein verwöhntes Mädchen war, das stets im Mittelpunkt stehen musste. Da würde ich nicht widersprechen, schließlich war sie tatsächlich verwöhnt und liebte die Aufmerksamkeit, doch das radierte ihre guten Eigenschaften nicht einfach aus. Mit sechzehn war sie einmal von zu Hause weggelaufen und hatte drei Wochen in Paris verbracht. Zwei Jahre später war sie ohne Vorwarnung – und ohne Handy – nach Neapel gereist und erst zehn Tage später wiedergekommen. Beide Male wäre ich vor Sorge um sie beinahe umgekommen.
»Nach drei Tagen haben ihre Eltern die Polizei eingeschaltet. Ich denke nicht, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt bereits Sorgen gemacht haben, du weißt ja, wie sie sind. Aber du warst diejenige, die darauf bestanden hat.« Er unterbrach sich. »Sorry, aber es ist seltsam, es dir zu erzählen, als wärst du nicht dabei gewesen.«
Wem sagst du das? Als ich nichts erwiderte, fuhr er fort. »Emilia ist volljährig. Und wenn man bedenkt, dass sie schon einmal untergetaucht ist, ist es eigentlich kein Wunder, dass die Polizei nicht viel unternommen hat. Aber du hast dich derart in Ermittlungen verfangen, dass du kaum mehr anwesend warst. Physisch und psychisch.« Mit jedem Wort wurde er etwas lauter und sprach schneller, als würden sich die Sätze von allein ihren Weg nach draußen bahnen. Es wirkte, als hätte er nie die Möglichkeit gehabt, mir all das zu sagen, was ich mir kaum vorstellen konnte. Vielleicht nutzte er auch schlichtweg die Gelegenheit, es mir noch einmal mitzuteilen. »Irgendwann kam dann der Punkt, an dem es nicht mehr ging. Wir haben uns nur noch gestritten, und du warst einfach … anders, ich kann es gar nicht erklären. Du warst wie besessen von ihrem Verschwinden –«
»Vielleicht weil sie wie eine Schwester für mich ist?«, unterbrach ich ihn lauter als gewollt. Es war mir ein Rätsel, wie man derart unsensibel sein konnte. Er erzählte mir, dass Emilia verschwunden war, und warf mir dann vor, nach ihr gesucht zu haben. Es war einfach, mich als Schuldtragende der Trennung darzustellen, schließlich konnte er mir nun, da ich es vergessen hatte, alles erzählen. Doch wenn er jetzt noch immer mit solchem Unverständnis reagierte, konnte ich mir denken, wie es damals gewesen war. Und weshalb wir uns getrennt hatten.
Ich holte tief Luft, woraufhin ein stechender Schmerz durch meinen Oberkörper ging, der mich zusammenzucken ließ. »Was ist der aktuelle Stand?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe es nicht weiterverfolgt. Du bist ausgezogen, die Zeitungen haben aufgehört, über den Fall zu berichten, und damit war die Sache für mich erledigt.« Er schüttelte den Kopf, wodurch eine Locke in seine Stirn fiel. Wie oft hatte ich sie ihm aus dem Gesicht gestrichen? Nun war nichts mehr von uns übrig, und der Stich in meinem Inneren fühlte sich nach Trennung und Verrat an.
»Emilia hat schon öfter versucht, einen Keil zwischen uns zu treiben«, fügte er hinzu und sah mir direkt in die Augen. »Dieses Mal hat sie es geschafft.«
Ich biss mir auf die Zunge, um die bitteren Worte zurückzuhalten, die sich anbahnten. Dann atmete ich zweimal durch, um mir neue zu überlegen. »Du weißt, wie viel mir Emilia bedeutet. Sie ist meine Familie, ich kenne sie besser als jeder andere –«
»Das!« Er zeigte mit dem Finger auf mich. »Genau das hast du damals auch gesagt.« Er wischte sich mit beiden Händen übers Gesicht. Als er mich dann ansah, lag in seinen Augen keine Wut mehr, lediglich Enttäuschung und Ermüdung. Da war kein Wille zu kämpfen. Er wollte mich nicht zurück.
Ich schielte auf sein rechtes Handgelenk, an dem er Tag und Nacht das braune Lederarmband getragen hatte, das ich ihm zu Weihnachten geschenkt hatte. Die Haut war nackt.
Jetzt verstand ich, weshalb mich niemand im Krankenhaus besucht hatte – Emilia war verschwunden, und Adam hatte mich ohnehin seit Wochen nicht gesehen. Mein Magen verkrampfte sich. Sollte ein Herz so lange am Stück derart rasen? Das konnte auf keinen Fall gesund sein.
Ich nahm eine Bewegung im Augenwinkel wahr und entdeckte unseren schwarzen Kater Ramen, der auf mich zusteuerte. Er miaute leise und schmiegte seinen Kopf an mein Bein, woraufhin ich mich bückte und über sein weiches Fell streichelte. Adam hätte es nie zugegeben, aber er war stets ein wenig neidisch gewesen, wie sehr Ramen mich mochte. Vielleicht war unsere Bindung deshalb so eng, weil Ramen ebenfalls aus einem Heim kam. Als mir bewusst wurde, dass ich ihn nun nicht mehr sehen würde, stolperte mein Herz, und ich richtete mich auf.
»Ich will die Trennung kein zweites Mal durchleben«, sagte Adam, den Blick auf Ramen gerichtet, der seinen Kopf an mein Bein drückte, seine Haare dort verteilte und offenbar wollte, dass ich ihn weiterstreichelte. »Ich kann diese Gespräche nicht ein weiteres Mal führen. Wenn du Hilfe brauchst, sag es mir. Ich bringe dich gern zu deiner Wohnung oder zum Arzt oder was auch immer, aber etwas anderes kann ich dir nicht geben.«
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und hob das Kinn, versuchte meine Verwundbarkeit mit einer abweisenden Geste zu kompensieren, was mir nur mäßig gelang. Emilia ist verschwunden. Der Gedanke kämpfte sich am lautesten durch das Chaos in meinem Kopf hindurch, und mein Herz wurde schwer. Was zum Teufel ist in den letzten Monaten geschehen? »Danke, aber ich brauche deine Hilfe nicht.«
Er schnaubte. »Warum war mir das klar?«, murmelte er halblaut. Ich beschloss, den Kommentar zu ignorieren und meinen Blick ein letztes Mal durch die Wohnung gleiten zu lassen. Suchte nach einer vergangenen Version, die nicht länger existierte. Ich war doch erst gestern hier gewesen – aber das stimmte nicht.
Ich riss mich vom Anblick los und trat gefolgt von Adam in den Flur, wo ich mich zu ihm umdrehte. Er lehnte mit der Schulter am Türrahmen und strich sich die Locke aus der Stirn. »Ich weiß, dass du nicht gern Hilfe annimmst, aber wenn du trotzdem etwas brauchst …«
»Danke, Adam«, erwiderte ich steif. Ich befand mich nicht in der Position, jegliche Hilfe ablehnen zu können, doch wir wussten beide, dass ich nicht darauf zurückkommen würde.
Er schenkte mir ein verhaltenes Lächeln, das sonst nur für Fremde reserviert war, und griff nach der Klinke. Für ihn war unsere Trennung Wochen her – für mich fünf Minuten. Es war keine Frage, wem von uns es leichter fiel, sich zu verabschieden.
Ich prägte mir die Details seines Gesichts ein – dieses Vertraute, von dem ich nicht geglaubt hatte, so schnell Lebewohl sagen zu müssen. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass es nicht wehtat.
Als er eine Verabschiedung murmelte und die Tür ins Schloss drückte, fühlte es sich an, als würde er mich von meinem Zuhause aussperren. Ich stand am Anfang. Mein Kopf schmerzte, mein Herz ebenso, und ich erlaubte mir für einen kurzen Moment, die Lider zu schließen. Eins nach dem anderen, Quinn. Du musst weitermachen. Für Emilia.
Ich stieg die Treppe hinab und hielt vor der Tür inne, wo ich eine einzelne Träne verstohlen aus meinem Augenwinkel wischte und sie zwischen meinen Fingern verrieb. Nach einem tiefen Atemzug sah ich aus dem quadratischen Fenster auf die Straße hinaus, auf der die ersten Lichter der Geschäfte und Cafés angegangen waren.
Mein Inneres war leer, ich verloren, entwurzelt, und es war, als wäre ich in einer Sackgasse angelangt.
Wie hätte ich wissen können, dass das erst der Anfang sein sollte?
»Blizzard«
Als ich meinen Nachnamen auf einem der rechteckigen Klingelschilder entdeckte, seufzte ich tief. Man sollte aufpassen, was man sich wünscht.
Rechts von mir befand sich der mit Kopfstein gepflasterte Kreisverkehr, in dessen Mitte eine Säule in den Himmel ragte. Dort trafen die sieben Straßen aufeinander, die dem Ort seinen Namen verliehen. Wie konnte es sein, dass ich seit vier Wochen hier wohnte und der Anblick dennoch keinerlei Erinnerungen in mir hervorrief?
Ich peilte die Tür links von mir an, die in den Seven Dials Market hineinführte. Wenn sich in den letzten Monaten nichts geändert hatte, leitete diesen nach wie vor Sam. Mit ein bisschen Glück war er derjenige, der die Wohnung an mich vermietet hatte – schließlich gehörte ihm das gesamte Gebäude.
Beim Eintreten in die Markthalle schlug mir der Geruch nach gekochtem Reis, frischem Teig und Kaffee entgegen. Die Rufe der Standbesitzer mischten sich mit den Gesprächen der Menschen aus aller Welt, die sich unter der Glaskuppel versammelt hatten. An den Ständen um die Sitzgelegenheiten herum wurden Burritos, Burger, Currygerichte oder Bao Buns verkauft, und die verschiedenen Düfte vereinten sich wie bei einem Mosaik zu einem bunten Gesamtbild. Die Wärme einer großen Pfanne voller Paella schlug mir entgegen, als ich um eine Palette voller Chinakohl herumging. Die Luft pulsierte förmlich, und ich kämpfte gegen das Pochen in meinen Schläfen und den Schmerz in meinen Beinen an.
Emilia ist verschwunden. Die Worte waren wie eine Schallplatte, die immer wieder den einen Song spielte, den man mit einer schmerzhaften Erinnerung verband.
Ich stieg die Treppe nach unten in den offenen Bereich zwischen den Ständen und wollte an der unscheinbaren Tür neben einem Mochi-Verkäufer anklopfen, hinter der sich Sams Büro befand, als ich seine große Silhouette neben einem Taco-Stand entdeckte. Sam hatte seine dunkelbraunen Arme vor der muskulösen Brust verschränkt, und seine Miene war grimmiger als sonst, was schon was heißen musste. Wäre ich der Mann mit der saucenbeschmierten Schürze, der vor ihm stand, hätte vermutlich mein Fluchtinstinkt eingesetzt.
»Hey, Sam«, sagte ich und winkte ihm zu. Mein Herzschlag beschleunigte sich augenblicklich. Wenn ich ihn fälschlicherweise als meinen Vermieter ansprach, würde er denken, ich hätte den Verstand verloren. Dabei war es nur meine Erinnerung, die verloren gegangen war.
Als er mich erkannte, wurde seine Miene weicher, dann weiteten sich seine dunkelbraunen Augen. »Scheiße, Quinn, geht’s dir gut? Was ist passiert?«
Ach, ich bin angefahren worden, wurde auf der Straße liegen gelassen und leide unter Amnesie. Keine große Sache. Ich machte eine abwinkende Handbewegung. »Ich bin gestolpert, halb so wild.«
Er verengte die Augen. »Bist du sicher?«
»Ja, wirklich.« Okay, einen Versuch ist es wert. »Es ist nur … ich habe meinen Schlüssel verloren. Kannst du mir vielleicht aufschließen?« Ich hielt die Luft an. Bitte, bitte, bitte …
Sein Nasenring blitzte auf, als er nickte. »Natürlich.« Er wandte sich an den Mann mit der Schürze. »Um fehlerhafte Bestellungen kann ich mich später noch kümmern«, knurrte er, ehe er mir zu verstehen gab, ihm zu folgen.
Wir nahmen denselben Durchgang, durch den ich hineingekommen war, und kamen vor dem Hauseingang zum Stehen, wo er aufschloss und mir den Vortritt ließ. Durch ein halbrundes Fenster über der Tür fiel schwaches Tageslicht schräg auf die dunkelgrünen Fliesen und die Briefkastenfächer an der rechten Wand.
»Bitte«, meinte Sam und nickte zur breiten Holztreppe mit dem Eisengeländer.
Ich lächelte verkrampft. »Ähm, geh du ruhig vor.« Er zuckte mit den Schultern, und ich folgte ihm ein, zwei, drei Stockwerke nach oben. Vor einer dunkelblauen Tür mit der Nummer 14B blieb er schließlich stehen. Ich versuchte angestrengt, die Übelkeit in meinem Magen wegzuatmen. Am liebsten hätte ich mich hier und jetzt auf dem Boden zusammengerollt, aber das war keine Option. Nachdem er den passenden Schlüssel gefunden hatte, löste er ihn von den anderen und steckte ihn ins Schloss. Die Tür öffnete sich quietschend einen kleinen Spalt, ehe er sich zu mir umdrehte. »Den Schlüssel kannst du behalten«, sagte er. »Meld dich bei mir, wenn du noch etwas brauchst.«
Ich nickte wie benommen. »Danke, Sam.«
Er winkte ab. »Kein Ding. Nach allem, was war, freue ich mich, dass ich dir mit der Wohnung helfen konnte.«
Nach allem, was war? Meinte er damit die Trennung von Adam? Oder wusste er von dem Verschwinden meiner besten Freundin? Zum Abschied klopfte er mir etwas zu fest auf die Schulter. »Wir sehen uns.«
»Bis dann«, flüsterte ich, ohne den Blick von der Tür zu wenden. Ich wartete, bis die im Erdgeschoss zufiel, ehe ich meine Starre abschüttelte und eintrat. Der Boden knarrte, als ich über die Schwelle trat. Ich fand mich in einem kleinen Flur wieder, in dem Umzugskisten fast bis zur Decke gestapelt waren. Im Vorbeigehen hob ich den Deckel der nächstgelegenen an – sie war voll. Ich hatte die Kartons nie ausgepackt.
Ich atmete zittrig ein, ließ die halb offene Badezimmertür hinter mir und ging auf den Durchgang zu, der in die übrigen Räume führte. Es war absurd, doch aus irgendeinem Grund erwartete ich, dort auf die Quinn zu treffen, der dieses Leben, diese Wohnung, dieser Albtraum gehörte. Vielleicht war ich ja in einer alternativen Realität aufgewacht … Dass diese Idee meinem Gehirn aktuell am logischsten erschien, sagte vermutlich alles über die Situation aus.
Vor mir taten sich zwei überschaubare und durch einen Torbogen verbundene Räume auf. Unter einem Fenster auf der linken Seite stand ein dunkelgrünes Sofa, das ich nie zuvor gesehen hatte. Darüber befand sich der Posterdruck von Samson und Delilah, der zuvor in Adams und meiner Wohnung gehangen hatte. Auf dem Sofatisch davor lagen zwei Wonderwoman-Comics, auf dem Fensterbrett stand die lilafarbene Orchidee, die ich von Emilia geschenkt bekommen hatte. Offenbar hatte ich mich in den letzten Wochen nicht gerade gut um sie gekümmert: Lila war inzwischen nichts mehr an ihr. Sie war verwelkt, leblos, grau – wie meine fehlenden Erinnerungen.
Gegenüber der Couch befand sich eine offen stehende Tür, hinter der ich ein Bett mit dunkelgrauen Laken und halb offene Kartons erkannte, aus denen Kleidungsstücke herausguckten. Durch das gekippte Fenster neben mir drangen vereinzelte Stimmen an mein Ohr, der fröhliche Ton erzeugte ein seltsames Gefühl in meinem Innern.
Auf einem Umzugskarton neben dem Sofa standen zwei Bilder. Das eine war ein Polaroid von Ramen, der auf Adams Parkettboden saß und in dessen schwarzem Fell man außer den zwei riesengroßen Augen keinerlei Konturen ausmachen konnte. Das andere, gerahmte Foto war es jedoch, was mich innehalten ließ. Ich nahm den Bilderrahmen in die Hand, das Metall war kalt und glatt unter meinen Fingerspitzen. Das waren Emilia und ich, wie wir Arm in Arm auf ihrem beigen Designersofa saßen. Ich blickte direkt in die Kamera, während Emilia ihren Kopf zu mir gedreht hatte, als würde sie mir ein Geheimnis ins Ohr flüstern. Ihre schwarzen Haare waren in perfekten Wellen gestylt, ihre weiße Seidenbluse stand im Kontrast zu meinem schwarzen Pullover. Wie Yin und Yang, hatte sie mit einem Lächeln gesagt, als sie das Foto gesehen hatte. Wir ergänzen uns perfekt.
Es war treffend, dass sie der helle Part war. Sie war Scheinwerferlicht, Mittelpunkt, Hauptcharakter.
Ich hingegen war Dunkelheit, Schatten, Misstrauen.
Irgendwann in den letzten Monaten musste etwas aus dem Gleichgewicht geraten sein, denn das Mädchen, das ihr Leben im gleißenden Licht verbracht hatte, war in der Finsternis verschwunden.
Über dem Karton war bereits ein Nagel in die Wand geschlagen, wahrscheinlich ein Überbleibsel meines Vormieters. Daran hängte ich den Rahmen auf.
Ich trat durch den Torbogen. Vor zwei Fenstern mit Blick auf das gegenüberliegende Gebäude stand ein runder Esstisch, auf dem mein Laptop, eine leere Colaflasche, eine Lampe und ein aufgeschlagenes Notizbuch lagen. Ich drehte den Kopf, und als ich es sah, fiel mir der Schlüssel aus der Hand. Er kam mit einem lauten Knall auf dem Parkett auf, und ich presste eine Hand auf meinen Mund, während ich den Blick über die Zeitungsartikel, Bilder und Notizzettel schweifen ließ, die nahezu die ganze Wand bedeckten.
Vorsichtig trat ich näher. Da war eine Karte von London mit verschiedenen Reißnägeln darin, Bilder von Emilias Schwester Pippa, deren Zwillingsbruder Andrew und ihrem festen Freund Nate. Ich löste einen der Pins und nahm einen Zeitungsartikel vom 18. August von der Wand.
Londoner It-Girl Emilia Graham-Goh verschwunden
Die dreiundzwanzigjährige Tochter von Henry Graham, Besitzer des Graham-Kaufhauses in London, und Yuki Goh, Erbin des Goh-Timepieces-Imperiums, wurde am 11. August als vermisst gemeldet. Am 08. August sei die Finanzmanagementstudentin mit den englischen und japanischen Wurzeln nach einer Vorlesung nicht nach Hause zurückgekehrt. Die Polizei geht nicht von einem Verbrechen aus, verweigert aber sämtliche weitere Stellungnahmen. Trotz mehrerer Anfragen haben sich zudem weder die Familie von Frau Graham-Goh noch ihr Management zu den aktuellen Entwicklungen geäußert. Wer die Vermisstenanzeige aufgegeben hat und wie die Polizei weiter vorgeht, bleibt weiterhin ungewiss.
Als Bild hatten sie eines von Emilias professionellen Model-Fotos gewählt, das für eine Goh-Timepieces-Kampagne in Tokio entstanden war. Das war vermutlich die Geschichte, die sich am besten verkaufte: Die hübsche, reiche Tochter des überaus reichen Henry Graham und der noch reicheren Yuki Goh wird vermisst. Es befanden sich drei weitere dieser Artikel an der Wand.
Ich starrte auf das Bild von Em, das ich in die Mitte der Wand gehängt hatte: eines, das nicht bearbeitet war und auf dem sie im Gegensatz zu den anderen nicht lächelte.
Ich vergrub das Gesicht in den Händen. Das kann unmöglich mein Leben sein. Das kann einfach nicht wahr sein. Mein Atem ging schwerfällig, als würde sich die Luft wehren, in meine Lungen zu strömen. Ich zwang mich zu drei tiefen Atemzügen, ehe ich mich wieder aufrichtete.
In diesem Augenblick stach mir ein an den Rand gekritzeltes Wort ins Auge. Morddrohungen. Das Blut rauschte in meinen Ohren, als ich näher trat. Auf einem weißen Post-it stand: 07. August – Emilia deutet an, dass sie Morddrohungen erhält.
Ich starrte die Worte an, bis ihre Bedeutung langsam in mich und meinen Verstand sickerte. O mein Gott. Deshalb war ich also so besessen von ihrem Verschwinden gewesen. Ich hatte einen guten Grund gehabt, an ein Verbrechen zu glauben. Was, wenn sie tatsächlich …
Nein. Den Gedanken durfte ich gar nicht erst zulassen. Emilia war am Leben. Weshalb es keine Frage war, dass ich meine Ermittlungen wiederaufnehmen würde – auch, wenn ich mich nicht erinnern konnte, was ich bisher herausgefunden hatte. Aber das war egal. Und wenn ich noch einmal von vorn beginnen musste: Ich würde jede noch so kleine Information sammeln und jedem Hinweis nachgehen, bis mich die Spur zu Emilia führte.
Aber wo zur Hölle sollte ich mit der Suche anfangen? Ich sah auf die angepinnte Stadtkarte – London war mir nie zuvor so groß vorgekommen. Und wer sagte überhaupt, dass Emilia noch hier war?
Ich schloss für einen Moment die Augen und horchte in die Stille hinein. Es war das erste Mal, dass ich eine Wohnung für mich allein hatte. Bis zu meinem siebten Lebensjahr hatte ich bei meinen Eltern gelebt, danach bis achtzehn im Kinderheim. Nach beinahe einem Jahr in dem Townhouse, in das Emilia mit achtzehn eingezogen war, war ich zu Adam gezogen. Damals hatte ich mir eine eigene Wohnung schlichtweg nicht leisten können. Wenn ich es mir recht überlegte, sollte ich das heute eigentlich auch nicht können. Die exorbitant hohen Studiengebühren wurden zwar vom Stipendium gedeckt, doch auch mit meinem Werkstudentenjob verdiente ich nicht genug, um mir mehr als eine Abstellkammer erlauben zu können. Ich musste dringend die Mietunterlagen finden und herausfinden, wie viel ich Sam bezahlte. Im Vergleich zu den anderen offenen Fragen war das allerdings das geringste meiner Probleme.
Ich drehte mich einmal um mich selbst, betrachtete die fremde Wohnung und spürte, wie meine Augen zu brennen begannen. Vor wenigen Stunden war ich noch in dem Glauben gewesen, dass mein Leben in Ordnung war: Ich war mit Adam zusammen gewesen, hatte mit ihm und Ramen zusammengewohnt und Emilia an meiner Seite gehabt.
Und jetzt?
Jetzt stand ich in den Trümmern all dessen, was ich – so fühlte es sich für mich zumindest an – innerhalb weniger Stunden verloren hatte. Adam, Emilia, meine Wohnung, Ramen … mich selbst. Das hier war ein Albtraum, aus dem ich einfach nicht schaffte, aufzuwachen.
Und das würde in naher Zukunft auch nicht besser werden. Nicht mit der kratergroßen Gedächtnislücke, die mir die Suche erheblich erschwerte. Was hatte ich an dem Abend des Unfalls in Kensington gemacht? Die Last der unbeantwortbaren Fragen drückte mich zu Boden, wo ich kraftlos in die Hocke ging, die Augen zusammenpresste und die Hände am Hinterkopf verschränkte. Ich konnte mir noch so lange wünschen, dass dies ein Albtraum war, aus dem ich wieder erwachen würde, doch dadurch würde diese Hölle nicht weniger wahr werden. Ich konnte mich noch so lange fragen, in was für eine Situation ich hineingeraten war, aber Selbstmitleid half mir auch nicht weiter. Du musst dich in den Griff bekommen, sagte ich mir, erhob mich und straffte die Schultern.
Dazu gehörte auch, dass ich mein eigenes Leben so schnell wie möglich wieder in die richtige Bahn lenkte. Ich musste mich dringend über retrograde Amnesie informieren und nachsehen, ob es eine Möglichkeit gab, meine Erinnerungen wiederzuerlangen. Musste mich mit den vergessenen Uni-Inhalten befassen, um trotz allem das Semester nicht wiederholen zu müssen. Eigentlich begann es aber auch schon in kleinerem Ausmaß: Ich wollte mich wieder wie ich selbst fühlen. Wollte wieder zu mir finden und herausfinden, wer ich in den letzten Wochen und Monaten geworden war. Wer mir heute aus dem Spiegel entgegenblickte.
Ich sah erneut zur Wand und ließ endlich die Frage zu, die ich mir nicht erlaubt hatte, zu stellen: War der Autounfall Zufall gewesen? Oder hatte ich etwas erfahren, was ich nicht hätte wissen dürfen?
»Nebel«
Ich fand meinen Geldbeutel auf einem der Kartons im Flur, mein Handy jedoch blieb verschollen. In einem weißen Ordner entdeckte ich Rechnungen, die meinen Verdacht bestätigten, dass Sam zu wenig Miete verlangte. Als ich schließlich einen aktuellen Schichtplan der National Gallery fand, wurden vor Erleichterung meine Knie weich. Ich drückte mir den Beweis, dass ich meinen Job noch hatte, fest an die Brust. Kaum etwas war mir so wichtig wie meine Anstellung im Museum – wenigstens eine Sache, die mir geblieben war.
Ich sah hinunter auf das Tattoo über meiner linken Armbeuge, das ich mir eine Woche nach meinem achtzehnten Geburtstag hatte stechen lassen. Der Moment, der mich zu dem Tattoo inspiriert hatte, lag nun mehrere Jahre zurück. Als ich dreizehn gewesen war, hatte meine Heimgruppe einen Ausflug in die National Gallery unternommen. Ich war ziemlich aufgeregt gewesen, da ich noch nie zuvor ein Museum besucht hatte. In dem Moment, als ich den Fuß über die Schwelle gesetzt hatte, hatte sich meine Sicht auf die Welt für immer verändert. Ich hatte mich so wohlgefühlt wie lange nicht mehr und mich sofort in den Gemälden verloren. In jedem Bilderrahmen hatte sich eine andere Welt befunden, und es war leicht gewesen, mich aus meiner grauen Realität hinweg dorthin zu träumen. Zwischen Kapitänen, mondlichtbeschienenen Ufern, Schiffen, Königinnen und Wolkenbrüchen hatte ich meine eigene einsame Welt für einen Moment vergessen können. Dort schien alles bedeutender, größer, schöner. Die Sonne ging in einem Gemälde unter und im nächsten wieder auf, beleuchtete dort eine andere Szene, schenkte einer neuen Welt ihr Licht. Es gab Hunderte Farben und Welten – alle an diesem Ort vereint. Die National Gallery hatte sich mit einem Schlag mehr wie ein Zuhause angefühlt, als es das Heim je hatte. Der leere Rahmen auf meiner Haut sollte symbolisch für alle Gemälde stehen und mich daran erinnern, welche Welten dort auf mich warteten – gemeinsam mit der Möglichkeit, jederzeit der Realität zu entfliehen. Etwas, das mir gerade sehr gelegen kommen würde.
Ich setzte mich an den Esstisch und tippte das Passwort meines Laptops ein. Eilig nahm ich sämtliche Dokumente der letzten sieben Monate unter die Lupe. Meine Kreditkartenabrechnungen waren unauffällig. Im Ordner Regent’s University fand ich eines mit der Überschrift Zeugnis Sommersemester 24. Wie sich herausstellte, hatte ich es mit bestmöglichem Schnitt bestanden – blöd nur, dass ich sämtliche Inhalte vergessen hatte. Ich rieb mir über das Gesicht. Das konnte sich keiner ausdenken.