Pulse of Passion - Sehnsucht nach dir - Philippa L. Andersson - E-Book

Pulse of Passion - Sehnsucht nach dir E-Book

Philippa L. Andersson

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Beschreibung

Sie will ihn nicht, aber sie braucht ihn.
Er will sie, aber er muss sie von sich stoßen …

Die Nascar-Fahrerin Riley Luman braucht die Geschwindigkeit wie die Luft zum Atmen. Wenn sie über den Asphalt jagt, dann gibt es kein Gestern und kein Morgen, nur der Moment zählt. Bis sie Drohungen erhält und ihr Traum vom Sieg in Gefahr ist.
Der neu eingestellte Bodyguard Evan Crawford soll sie schützen. Doch der Mann ist das genaue Gegenteil von ihr. Während sie es schnell und spontan liebt, geht er ruhig und bedacht vor.
Am liebsten würde sie ihn feuern. Aber er ist verdammt gut in seinem Job. Außerdem treibt seine Nähe ihren Puls noch aus ganz anderen Gründen in die Höhe …

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Inhaltsverzeichnis

Klappentext

Impressum

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Epilog

Danksagung

Newsletter

Über Philippa

Philippa L. Andersson

PULSE OF PASSION

Sehnsucht nach dir

 

Sie will ihn nicht, aber sie braucht ihn.

Er will sie, aber er muss sie von sich stoßen …

 

Die Nascar-Fahrerin Riley Luman braucht die Geschwindigkeit wie die Luft zum Atmen. Wenn sie über den Asphalt jagt, dann gibt es kein Gestern und kein Morgen, nur der Moment zählt. Bis sie Drohungen erhält und ihr Traum vom Sieg in Gefahr ist. Der neu eingestellte Bodyguard Evan Crawford soll sie schützen. Doch der Mann ist genau das Gegenteil von ihr. Während sie es schnell und spontan liebt, geht er ruhig und bedacht vor. Am liebsten würde sie ihn feuern. Aber er ist verdammt gut in seinem Job. Außerdem treibt seine Nähe ihren Puls noch aus ganz anderen Gründen in die Höhe …

Pulse of Passion - Sehnsucht nach dir

Philippa L. Andersson

Copyright: © Philippa L. Andersson, 2016, Berlin, Deutschland

 

Umschlagfoto: © fotolia/Andrey Kiselev

Umschlaggestaltung: Philippa L. Andersson

Lektorat: Mona Gabriel, Leipzig, Deutschland

Korrektorat: Laura Gosemann, Berlin, Deutschland

 

Philippa L. Andersson vertreten durch:

Sowade, Plantagenstraße 13, 13347 Berlin, Deutschland

[email protected]

www.philippalandersson.de

 

Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet.

Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.

Prolog

Jetzt …

Ich fühle mich wie in einem Traum, in dem man sprinten möchte, doch stattdessen nur in Zeitlupe vorwärtskommt. Mist!

Während ich auf der Damentoilette der Rennstrecke in Phoenix sitze, mit Handschellen an eine Wasserleitung gefesselt, höre ich die Menge auf der Tribüne kreischen. Dann folgen Durchsagen. Ich verstehe nur einzelne Worte, aber das macht nichts. Ich kenne den Ablauf eines Nascar-Rennens, denn ich bin Dutzende gefahren. Er ist jedes Mal ähnlich. Vor zwei Stunden gab es ein Meeting mit den teilnehmenden Teams. Danach haben die Moderatoren alle Fahrer vorgestellt, auch mich, und nun laufen die letzten Minuten bis zum Start, nur dass ich nicht mehr dabei bin und das scheinbar niemanden stört …

Im Stillen gehe ich die Namen meiner Konkurrenten durch. Jeff Meyers, Dale Johnson, Ryan Tanner … Plötzlich kreischt das Publikum lauter. Der Boden scheint zu vibrieren. Es liegt diese besondere Art von Spannung in der Luft und ich weiß, woher sie rührt: Heute entscheidet sich, wer von den besten acht Fahrern weiterkommt, und ob ich die erste Frau werde, die es dann ins Sprint Cup-Finale schafft.

»Evan Crawford, ich hasse dich!«, schreie ich wutentbrannt die Kabinenwände an und rüttle wieder an meinen Handschellen. Dieser riesige, muskulöse, supersexy Typ hat mich vor fünf Minuten mit den Worten »Es ist zu deinem Besten, Darling!« hier festgekettet. Er hat mir einen dieserKüsse gegeben, die meinen Puls in die Höhe treiben und mich alles vergessen lassen, und ist gegangen. Um das Rennen an meiner Stelle zu fahren. Was absolut verrückt ist.

Ich versuche wie in Hollywood-Filmen, das Rohr, an das ich gefesselt bin, mit einem kräftigen Ruck aus der Verankerung zu reißen. Ich bin kein Arnold Schwarzenegger, aber ich habe Muskeln und bin außerdem so aufgebracht, dass ich Bäume ausreißen könnte.

»Au!«, heule ich auf, als mich die Kette unnachgiebig zurückzieht. Du hattest schon bessere Ideen, Riley!

Draußen verändert sich die Geräuschkulisse. Es gibt vor jedem Start diesen einen magischen Moment vollkommener Stille. Ich hege die absurde Hoffnung, dass genau in diesem Augenblick jemand bemerkt, dass nicht ich in meinem Wagen sitze, sondern dieser Vollidiot.

Doch dann höre ich das vertraute Geräusch von mehr als vierzig Motoren, die gleichzeitig an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebracht werden.

Ich bin fassungslos. Evan tut es tatsächlich. Er tritt an meiner Stelle an.

»Denk ein Mal im Leben nach, Riley!«, ermahne ich mich laut. Mein üblicherweise kopfloses Verhalten bringt mich in dieser Situation nicht weiter.

Ich sehe mich um. In der Kabine ist nichts, womit ich die Handschellen aufschlagen kann. Hoffnungslos zerre ich wieder daran, obwohl das Metall mittlerweile Einkerbungen in meiner Haut hinterlassen hat. Wenn meine Handgelenke nur ein kleines bisschen schmaler wären, könnte ich sie durchziehen. Denn Evan hat die Teile nicht richtig eng angelegt. Aber wenn das Wörtchen wenn nicht wäre …

Seufzend lehne ich mich gegen die Fliesenwand. Die Moderatoren überschlagen sich gerade. Ich verstehe nur Wortfetzen, aber höre zu deutlich, von welchem Stockcar die Rede ist. Die Nummer acht. Meines. Das heißt, dass Evan seine Sache gut macht.

Aber mir sagen, ich wäre verrückt, so zu rasen!

Niedergeschlagen hocke ich mich hin, winkele meine Beine an und verziehe mein Gesicht, als mich etwas an der Hüfte drückt. Gleich darauf lächele ich, als mir klar wird, was in meiner hinteren Hosentasche steckt. Der Lippenbalsam, mit dem ich mir eben noch die Lippen eingeschmiert habe, um hübsch für Evan auszusehen. Hätte ich wissen müssen, dass ich mir das sparen kann.

Vorsichtig, um ihn nicht aus Versehen fallen zu lassen, fummele ich den Lippenbalsam hinter meinem Rücken heraus, öffne ihn und verschmiere Shining Strawberry mit künstlichem Erdbeeraroma an meinen Handgelenken.

»Komm schon, Riley, und jetzt reiß dich los!«, rede ich mir selbst gut zu, um den Schmerz zu ertragen, als die scharfe Stahlkante wiederholt in meine Haut schneidet. Aber dieses Mal bleibe ich hartnäckig. Millimeter für Millimeter verschiebe ich die Fessel, um freizukommen. Jede Sekunde habe ich es geschafft.

Mit geschlossenen Augen zerre ich so kräftig, wie ich kann, an den Handschellen, bis ich plötzlich frei bin und mit Schwung auf dem Fliesenboden lande. Doch ich halte mich nicht damit auf, meine Wunden zu zählen. Ich habe nur einen Gedanken: Ich muss zu meinen Leuten, wir brauchen einen Boxenstopp, und ich muss irgendwie unbemerkt den Platz mit Evan tauschen, bevor der Schwindel auffliegt und ich als Fahrerin disqualifiziert werde. Ich bin so kurz davor, als erste Frau die Sprint Cup Series zu gewinnen, und das werde ich mir nicht nehmen lassen.

Hektisch ziehe ich die Handschellen hinter der Leitung hervor. Ich springe auf und laufe durch den Backoffice-Bereich zu den Boxen. Die Muskeln in meinen Oberschenkeln brennen. Ich muss wahnsinnig schnell sein. Dennoch habe ich das Gefühl, mich wie in Zeitlupe zu bewegen.

Während ich renne, als ginge es um mein Leben, spule ich die letzten Minuten mit Evan ab, kurz bevor er mich festgekettet hat. Dem werde ich was husten!

Ich bin megawütend, bis mich plötzlich ein ungutes Gefühl beschleicht, das mir den kalten Schweiß ausbrechen lässt. Er wollte tun, was für mich das Beste ist. Ungeachtet dessen, was für ihn gut ist.

Gerade als ich zu meinem Team abbiegen will, um ihnen zu sagen, dass Evan in Gefahr ist, gibt es eine Explosion, dicht gefolgt von einem ohrenbetäubenden Knall. Automatisch ändern meine Beine die Richtung, bevor ich verstehe, was passiert sein kann. Ich sprinte geradewegs zur Rennstrecke.

Ich spüre jede einzelne Sekunde wie eine Ewigkeit, durch die ich mich kämpfen muss. Keine Ahnung, woher ich es weiß, aber noch ehe ich die Ansage des Moderators höre, weiß ich, dass das mein Wagen war.

Sobald ich auf der Tribüne bin und das Feld einsehen kann, läuft mir ein eiskalter Schauer über den Rücken. Mein Ford mit der bunten Sponsoren-Reklame dreht sich um seine eigene Achse. Unter der Motorhaube züngeln Flammen. Mein Verstand versucht, sich wider besseren Wissens diese Bilder zu erklären und vermutet, dass Nick mit dem Benzineinlauf geschlampt hat. Fehler passieren. Auch ihm. Aber ich weiß, dass das nicht der Grund für den Unfall ist. Ich registriere, wie unnatürlich tief die Vorderachse liegt, was unmöglich durch den Brand verursacht worden sein kann. Jemand hat etwas an meinem Wagen gedreht, um mich aus dem Verkehr zu ziehen. Nur dass nicht ich in diesem Schrotthaufen sitze, sondern Evan.

Menschenmassen springen von ihren Plätzen auf, um das Spektakel zu verfolgen. Die Presse ist ebenfalls zur Stelle. Leute laufen aus meiner Box zum Unfallort. Feuerwehr- und Rettungswagen fahren los. Und das Pacecar, das Fahrzeug, das das Rennfeld bei schlechtem Wetter oder eben bei schweren Unfällen einfängt, ist bereits auf der Strecke. Das Rennen wird gestoppt.

Immer mehr Schaulustige versperren mir den Weg und ich habe das Gefühl, ich brauche hundert Jahre, um mich durchzuboxen. In Wahrheit sind es nur Sekunden. Der Ford überschlägt sich, knallt gegen die Sicherheitsmauer und bleibt schließlich brennend auf dem Dach liegen.

»Scheiße, Riley, bleib hier!«

Das ist Kevin, mein Teamchef, der mich ruft. Aber ich höre nicht auf ihn. »Evan ist in dem Wagen!«, rufe ich, überwinde die Absperrung und laufe auf die Fahrbahn. »Evan ist da drin!«

»Ich weiß«, sagt Kevin.

»Dann hilf mir!« Denn das, was sich vor meinen Augen abspielt, ist heftig. Wie aus einem Actionfilm. Nur dass kein Stuntman hinter dem Steuer sitzt und dass sowohl der Crash als auch das Feuer echt sind. Weshalb mir ganz anders wird.

Wir Fahrer tragen zwar feuerfeste Anzüge, haben Kopfstützen, Gurte, Airbags und weiß der Teufel was noch alles, aber das ist für Unfälle auf der Strecke, nicht um vor einem Anschlag zu schützen.

Kurz bevor ich an der Unfallstelle bin, reißt mich Kevin zurück. »Herrgott, Riley, willst du dich umbringen?«

Protestierend winde ich mich in seinen Armen und versuche loszukommen. Mein Ford brennt lichterloh und ich meine, eine Bewegung ausmachen zu können. Für einen kurzen Moment durchflutet mich pure Erleichterung. Ich habe das Gefühl, dass die Welt sich langsam wieder normal dreht. Dass wie durch ein Wunder alles gut werden wird. Dann folgt eine zweite Explosion, durch die Teile des Hecks in die Luft geschleudert werden.

»Wie konnte er nur?!«, schreie ich wie von Sinnen und kämpfe gegen Kevins Griff an, weil es mir unmöglich ist, einfach zuzuschauen, während Evan dort drin krepiert. »Was hat er sich dabei gedacht?!«

»Wir wissen beide warum«, sagt er.

Hilflos stehe ich da und sehe zu, wie der Löschschaum das Wrack unter einer weißen Decke begräbt, die mich an eine Lawine aus Schnee erinnert. Kurz danach bergen zwei Feuerwehrmänner einen Körper aus dem Inneren.

Oh Gott! Ich wünsche mir, die Welt würde an mir vorbeirasen, wie sie es mit zweihundert Meilen pro Stunde tut. Bei dieser Geschwindigkeit verliert die Umgebung ihre Konturen und das, was vor einem liegt, ist einen Atemzug später bereits im Rückspiegel. Aber stattdessen brennt sich jede verfluchte Millisekunde in mein Gedächtnis ein.

»Ich muss zu ihm«, jammere ich, sobald die Sanitäter den leblosen Körper untersuchen.

»Lass die Ärzte ihren verdammten Job machen!«, fährt Kevin mich wütend an, als wäre all das meine Schuld. »Zur Abwechslung geht es mal nicht um dich, Riley! Also hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen, und werd’ endlich erwachsen!«

Sanitäter lösen Evans Helm. Sie schneiden den Anzug auf und beginnen mit der Reanimation. Währenddessen landet ein Hubschrauber auf dem Asphalt. Evan wird auf eine Trage gehievt. Sie schieben die Liege zum Helikopter, er wird eingeladen, die Türen schließen sich und das Rettungsteam erhebt sich in die Luft.

Und ich? Ich habe nur einen einzigen Gedanken: Halte durch! Ich hab dir noch so viel zu sagen, du Scheißkerl. Halt verflucht noch mal durch!

»EVAN!«

Kapitel 1

Vor einem Monat …

»Da ist sie! Unser Supergirl der Stunde!«

»Bitte keine weitere –« Sektdusche will ich sagen. In dem Moment spritzt mir der klebrig-süße Champagner schon ins Gesicht. Kevin, mein Manager und Crew Chief, wirft mich Fliegengewicht in die Luft und ich werde von einer johlenden und pfeifenden Menge durch die Bar getragen, in der wir meinen Sieg beim einunddreißigsten Renntag in Kansas feiern.

Lachend entscheide ich mich für das Einzige, was man in solch einer Situation machen kann: Ich strecke die Zunge raus und fange so viel Sekt wie möglich auf. Wäre ja sonst schade drum.

Seit drei Jahren fahre ich Nascar und erinnere mich noch gut daran, wie ich als Frau anfangs von den Männern belächelt wurde. Doch bereits im letzten Jahr konnte ich mir ab und zu die Poleposition sichern, auch wenn ich letztlich wegen technischer Probleme vorzeitig ausscheiden musste und dafür Spott und Häme von den Herren kassiert habe. In diesem Jahr gibt es kein Halten mehr. Aktuell liege ich in der Gesamtrangliste auf Platz drei. Und heute habe ich das Rennen gewonnen – und bin damit die erste Frau überhaupt, der das gelungen ist. Über Stunden hat mich die Presse belagert und nun feiere ich mit meinem Team und Freunden den Sieg.

»Lasst sie runter, ihr Perversen!«, faucht Joyce, meine beste Freundin und die Verlobte von Kevin.

»Spielverderberin!«, sage ich scherzhaft, als die Menge tut, was sie sagt, und ich wieder festen Boden unter den Füßen habe.

»Ich konnte einen kurzen Blick auf deine Brüste und dein Höschen erhaschen. Und ich stand fünf Meter entfernt. Was die Leute in der Nähe gesehen haben, will ich mir nicht mal vorstellen.« Sie packt mich an der Hand und zieht mich zu den Waschräumen.

»Gesehen ist okay. So gut wie jeder hier hatte schon einen Blick drauf. Wenn du meine Brüste angetatscht hättest, dann würde ich mir Sorgen machen«, ziehe ich sie auf und zupfe mein feucht gewordenes Minikleid zurecht.

»Du bist echt die schamloseste Frau, die ich kenne!«, ruft sie empört, befeuchtet ein Papiertuch, wischt mir damit über meine Arme und tupft mir die Stirn ab.

»Und du die …« Ich beiße mir auf die Zunge. Nein, Joyce ist alles andere als verklemmt. Sie hat lange, weich fallende dunkle Haare, liebt hohe Absätze und roten Lippenstift. Und ich finde, dass Kevin ein Glückspilz ist, dass er sie hat, denn sie ist sexy und smart. »Du bist einfach nur toll«, sage ich überschwänglich.

»Ich weiß.« Zufrieden mustert sie mein sektfreies Antlitz. »Fast wie neu.«

Zustimmend nicke ich. Mein blonder Fransenbob ist verwuschelt, aber die Mascara ist nicht zerlaufen und das enge schwarze Designer-Minikleid sitzt tadellos. Nur die Sneaker an meinen Füßen stören das Gesamtbild der sexy, Männer verschlingenden Femme fatale. Doch damit kann ich leben. Ich mag keine High Heels, weil ich darin nur durch die Gegend stolpere. Stattdessen bevorzuge ich Schuhe, in denen man jederzeit Dummheiten anstellen kann.

»Wir haben noch gar nicht angestoßen«, fällt mir auf und ohne Widerrede schleife ich Joyce mit zur Bar.

»Auf die größte Rennfahrerin aller Zeiten!«, ruft sie und unsere Biergläser knallen aneinander.

»Und auf die beste Freundin!«

»Oh mein Gott!«, haucht Joyce plötzlich total aufgeregt. »Kann ich dich kurz alleine lassen, ohne dass du gleich mit einem deiner Fans abzischst?«

Ich nicke, dabei wissen wir beide, dass es darauf früher oder später hinauslaufen wird. Ich habe im Gegensatz zu ihr keinen festen Freund. Jemanden zu finden ist verdammt schwer, solange man während der Saison alle paar Tage woanders ist. Aber ich habe Groupies und bin der Ansicht, dass nichts dabei ist, sich von dem attraktivsten Typen abschleppen zu lassen oder ihn abzuschleppen. Ich glaube, Sex ist mir sogar noch lieber, als schnell zu fahren. Das Gefühl, wenn du abhebst. Man ist ganz im Hier und Jetzt. Und dann explodiert man.

»So allein?«, spricht mich ein Mann von der Seite an.

Ich taxiere ihn, lange genug, um festzustellen, dass er attraktiv ist und in mein Beuteschema fällt. Aber natürlich werde ich mich nicht sofort auf ihn stürzen, sondern ihn zappeln lassen. Wenn ich mich ziere, ist der Sex nachher umso heißer.

Scheinbar desinteressiert wende ich mich ab und sehe Joyce hinterher.

Sie stellt sich auf die Zehenspitzen und legt einem großen, breitschultrigen Typen von hinten die Hände über das Gesicht. Der packt sie daraufhin und sie kreischt vergnügt, sodass ich mitlachen muss. Bis er sich umdreht und sich unsere Blicke treffen.

Was der Kerl neben mir sagt, geht vollkommen an mir vorbei. Ich bin gefesselt von den stechend hellen Augen, deren Farbe ich auf die Distanz nicht erkennen kann und die mich durchdringend mustern. Auf eine sehr intime Art fühle ich mich nackt, verletzlich und weiblich, und mein Puls schnellt in die Höhe. Ein unbekannter Hunger ergreift jede Faser von mir. Schmerzlich. Als wüsste ein Teil von mir bereits, dass er nicht gestillt werden wird.

Es kostet mich meine ganze Willensstärke, den Blickkontakt zu unterbrechen, um den Rest von ihm zu begutachten.

Der Kerl ist größer als Kevin und hat schmale Hüften, die von locker sitzenden Jeans betont werden. Und ich bin froh, dass er bloß ein schlichtes, graues Shirt anhat. Denn wenn er auch nur einen Hauch eleganter gekleidet wäre, könnte ich für nichts garantieren. Er trägt einen herausgewachsenen Military Cut und einen kurz geschnittenen Bart, der zwar seine Wangen und sein Kinn überzieht, jedoch nicht seine markanten Gesichtszüge verdeckt.

Ich werde ebenso gemustert und schiebe mein Kleid tiefer, damit es mehr von mir bedeckt. Dabei ist meine übliche Reaktion auf attraktive Typen, es zu heben. Mein Mund ist trocken, meine Haut brennt, meine Nippel sind hart und meine Brüste schwer. Zwischen meinen Beinen bin ich außerdem feucht und sehne mich mit einer nie gekannten Dringlichkeit danach, von diesem Mann genommen zu werden. So fühle ich mich zum ersten Mal. Heiß und ein bisschen schwindelig. Als käme meine Welt zum Stillstand und würde sich gleichzeitig mit doppelter Geschwindigkeit drehen.

Und je länger er mich mustert und das Lächeln, das Joyce ihm ins Gesicht gezaubert hat, verblasst, umso faszinierter bin ich von ihm.

»Du willst es sofort?«, haucht der Typ neben mir in mein Ohr.

»Wie bitte?«, frage ich verdattert, bis die Worte zu mir durchdringen. »Ja«, hauche ich. Ja, ich will es nicht nur, sondern brauche es. Und bevor der Typ zu meiner Linken seinen Arm um mich legen kann, löse ich mich von der Bar und schlängele mich zu Joyce, Kevin und dem mysteriösen Unbekannten.

»Entschuldigt mich«, sagt der genau in dem Moment, als ich komme, und entfernt sich von Joyce und Kevin.

»Hab ich was getan?« Ich runzle die Stirn, weil ich solch eine Reaktion nicht erwartet habe.

»Quatsch! Evan macht sich bloß nichts aus Frauen, deren Nippel man durch den Stoff sehen kann«, sagt Kevin frech und kassiert dafür von Joyce einen Hieb in die Seite. Zu Recht. Er lacht. »Aber es ist die Wahrheit.«

»Auf was für Frauen steht Mr Miesepeter denn sonst?«, frage ich, ohne mein Interesse an ihm besonders gut kaschieren zu können.

»Machst du dir etwa Hoffnungen?«, fragt mich Joyce und mustert mich amüsiert, weil sie mich so forsch und eindeutig interessiert nicht kennt. »Ich glaube, dieser Typ Frau muss noch geboren werden.«

Glaubst du?, denke ich mir. Wenn du dich da mal nicht täuschst. Wohin auch immer er gegangen ist, er ist in der Nähe und beobachtet mich weiter. Ich drehe mich und finde ihn mühelos in der Menge, als gäbe es zwischen uns eine unsichtbare Verbindung. Er steht an der Bar mit einem Bier in der Hand, einem kleinen, das er sich gerade geholt hat.

Ich proste ihm zu, hebe lächelnd mein Glas und warte eine Sekunde länger als nötig, ob er es auch macht. Tut er aber nicht.

»Nimm es nicht persönlich. Mein großer Bruder ist so, seit er von seinem letzten Irak-Einsatz zurück ist. Ich dachte, ein bisschen Spaß würde ihm guttun. Aber ich hab mich wohl getäuscht«, sagt Kevin, dem der Blickwechsel zwischen Evan und mir nicht entgangen ist.

»Scheint so«, sage ich und habe Mühe, cool zu bleiben, obwohl ich die Blicke dieses Mannes wie eine Berührung spüre – in meinem Haar, meinem Nacken, auf meinem Rücken … »Du hast nie von deinem Bruder erzählt.« Verwundert sehe ich erst zu Kevin und dann zu Joyce, die ihn anscheinend ebenfalls kennt.

»Ehrlich nicht? Das war keine Absicht.«

»Er hat sich furchtbare Sorgen gemacht«, erklärt Joyce. »Evan ist seit einem Jahr wieder hier, doch er begibt sich kaum unter Leute. Keine Ahnung, was vorgefallen ist, er will nicht darüber sprechen. Es ist ein Wunder, dass er überhaupt gekommen ist.«

»Weil ich ihm seit Monaten in den Ohren liege, dass er mal etwas Spaß braucht, raus muss, sich nicht ewig einigeln kann«, sagt Kevin.

»Gefällt ihm wohl nicht so.« Ernst nippe ich an meinem Bier und fange erneut einen dieser Blicke auf, die mich ganz durcheinanderbringen.

»Lass dir von Evan bloß nicht die Laune verderben. Das ist deine Party, genieße sie! Du hast es dir verdient«, sagt Joyce, packt mich und zerrt mich lachend in die tanzende Menge.

Mein Team bejubelt mich, als wäre ich nie weg gewesen. Ich posiere für Fotos und drücke Küsse auf Wangen, lande in engen, verschwitzten Umarmungen und kann nicht fassen, dass ich wirklich das Rennen in Kansas gewonnen habe.

Ununterbrochen spüre ich dabei Evans Blicke auf mir. Intensiv und intim. Sodass ich genervt bin, weil er mich dennoch meidet wie der Teufel das Weihwasser.

»Was ist dein Problem?«, stelle ich ihn zur Rede, als es mir reicht. Ich bin niemand, der Konfrontationen scheut, und die hier, die hat er eindeutig herausgefordert.

Er mustert mich einmal von Kopf bis Fuß, als würden ihm mehr als zwei Wege einfallen, mich halbe Portion loszuwerden. Dabei wird mir bewusst, dass ich immer noch nicht sagen kann, welche Farbe seine Augen haben. Irritierend.

»Was ist deines?«, fragt er mit einer ruhigen, tiefen Stimme, die mich erzittern lässt.

»Ich habe keins«, lüge ich. »Ich feiere meinen Sieg. Und wenn du nicht mitfeiern willst …« Ich rücke zu ihm auf, so wie kleine, dumme Motten näher an die gefährliche, heiße Flamme wollen. Doch er reagiert nicht. Sein Duft steigt mir in die Nase und ich kann nicht anders, als diese exotische Mischung zu inhalieren. Seife, Parfüm und etwas Herbes, Natürliches.

Ich weiß, welche Wirkung ich auf Männer ausübe und wie sie auf mich reagieren, doch der vor mir ist mir ein Rätsel. Nervös nehme ich mehrere Schlucke von meinem mittlerweile lauwarmen Bier und beschließe, ihn aus der Reserve zu locken.

Mit Absicht streife ich mit meinem Körper seinen, warte, dass er mich packt, irgendwas macht, übernimmt, alles. Hauptsache, er schaut mich nicht länger so an.

Nichts geschieht.

Mutiger lehne ich mich gegen ihn, spüre seine Hitze und sehe, wie sich seine Pupillen verräterisch weiten, weil er mich will. Wir stehen so nah, dass gerade mal ein Blatt Papier zwischen uns passt.

Bis hierhin und nicht weiter, warnt mich da plötzlich sein Gesichtsausdruck.

Ach ja?, frage ich stumm zurück. Versuch, mich aufzuhalten! Dieser Mann hat nicht den Hauch einer Ahnung, wen er vor sich hat und wie weit ich bereit bin zu gehen. Ich bin Riley Luman und nicht dafür bekannt, mich an die Regeln zu halten.

Mutig oder dumm, bei ihm kann ich nicht sagen, was zutreffender ist, strecke ich meine Hand aus und lege sie auf seine Hüfte. Ein Zittern seiner Muskeln verrät ihn. Er weiß genau, dass ich merke, wie groß sein Verlangen ist. Aber weiterhin unternimmt er nichts, ärgert mich nur mit seiner Gelassenheit.

Na warte!

Provokativ berühre ich seinen Schritt, wo er –

Urplötzlich werde ich herumgewirbelt und habe die Wand vor der Nase. Ich verschütte mein Bier, als ich mich abstütze. Mein anderer Arm ist grob auf den Rücken gedreht. Wenn ich mich rühre, zieht ein Schmerz von meiner Schulter in den Nacken. Doch je länger ich es nicht tue, umso intensiver wird eine andere Art brennender Schmerz tief in mir drin.

»Bitte«, flüstere ich mit einer Stimme, die ich nicht von mir kenne.

Evan beugt sich zu mir, lässt mich seine Nähe spüren, und obwohl zwischen uns nichts als Hitze ist, zittere ich. »Warum suchst du dir unter all den Männern, die dir an diesem Abend an die Wäsche wollen, ausgerechnet den aus, der das nicht will?«, fragt er und seine Lippen und sein warmer Atem streifen mein Ohrläppchen.

Hektisch hole ich Luft und versuche, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich bin für meine Schlagfertigkeit berühmt, wie kann sie mich genau jetzt im Stich lassen, wenn ich jemanden ernsthaft beeindrucken möchte? »Weil ich –«, beginne ich, da lockert er unerwartet den Griff.

»Wenn ich du wäre, Riley, würde ich den Typen an der Bar ficken. Kariertes Hemd, Jeans und Stetson um den Hals. Soweit ich das überblicken kann, ist er der Einzige hier, der noch nüchtern ist und deshalb einen hochkriegen wird.« Mit diesen Worten lässt er mich so plötzlich los, wie er mich gepackt hat, sodass ich einen Moment brauche, bis ich wieder sicher auf meinen eigenen Beinen stehe.

Sobald ich herumfahre und ihn auf das Wüsteste beschimpfen will, stöhne ich auf. Evan Crawford ist in der Menge verschwunden.

Erschöpft wie nach einer Sporteinheit mit meinem persönlichen Trainer lehne ich mich an die Wand.

»Scheiße!« Dieser Mann war hart und wollte mich mindestens genauso sehr wie ich ihn. Warum ist er gegangen?

Kapitel 2

»Wir müssen reden«, fängt mich Kevin zwei Tage später zu Hause ab.

Wie die meisten Nascar-Fahrer wohne ich, wenn ich nicht unterwegs bin, am Lake Norman, einer wunderschönen Seenlandschaft in North Carolina. Charlotte, die Stadt, die auch als das Zentrum des Rennsports angesehen wird, liegt um die Ecke. Egal, was für technische Gimmicks du brauchst, dort kriegst du sie. Plus den entsprechenden Spezialisten, der dir das Teil einbaut und dich instruiert, wie du damit umzugehen hast.

Das Grundstück am See ist seit Generationen in Familienbesitz. Teile der Villa stammen aus dem 18. Jahrhundert und mit der Zeit wurde das Haus ständig umgebaut und modernisiert.

Heute lebe nicht nur ich hier, sondern mein ganzes Team. Kevin und Joyce benutzen das Gästehaus, meine Technik-Crew wohnt direkt unter dem Dach und ich selbst habe den Südflügel für mich. Neben einer kleinen Teststrecke mit Schallschutzmauern gibt es eine wunderschöne Poolanlage, einen Sportplatz und zig Acker Land, die – je weiter man sich vom Haus entfernt – immer weniger einem Park und mehr der natürlichen Landschaft am See gleichen.

Während der Rennsaison habe ich jedoch kaum Gelegenheit, mein Zuhause zu genießen. Und dafür zahlen meine Sponsoren ja auch nicht ihr Geld, sondern dafür, dass ich Rennen gewinne.

Wir sind gerade aus Kansas zurückgekommen. Mein Team überprüft die Technik, tauscht defekte Teile aus, reinigt jeden Millimeter und sorgt dafür, dass das Equipment für das Rennen in Talladega vollständig ist. Vor allem unsere Funkgeräte sind wichtig. Aber sie verschwinden im Laufe eines Wochenendes regelmäßig in der Hektik des Aufbruchs. Im Besprechungsraum trifft sich das strategische Team für eine kurze Auswertung, an der auch Fernando als Ingenieur teilnimmt. Je nach Zeitfenster müssen die Trucks dann wieder losrollen, um rechtzeitig am Austragungsort des nächsten Rennens anzukommen. Deshalb helfe ich mit, wo ich kann.

Erschöpft wische ich mir den Schweiß aus der Stirn, weil es ungewöhnlich warm ist, und bin froh, dass Kevin zu mir gekommen ist. Das erspart es mir, ihn zu suchen.

»Schau dir das an!«, sage ich und winke ihn zu unseren Computern. Michael, unser Chef-Analyst, hat die Abschnitte, an denen ich Probleme auf der Strecke hatte, markiert. »Es ist ein Wunder, dass ich gewonnen habe. Der Wagen lief, als er im maximal erlaubten Geschwindigkeitsbereich war. Aber dorthin zu kommen, hat viel zu lange gedauert.«

»Hast du deshalb in den Kurven das Gaspedal durchgetreten?«, fragt er.

»Wie hätte ich sonst gewinnen sollen?«

»Das war leichtsinnig«, erwidert er wenig begeistert.

»Und die richtige Entscheidung«, erinnere ich ihn. »Aber das kann ich in Talladega nicht bringen. Du weißt, dass wir dort zwar auf hundertneunzig Meilen pro Stunde kommen können, aber in den Kurven muss ich das Tempo drosseln. Danach verliere ich wertvolle Sekunden beim Beschleunigen. Wenn Nick den Fehler nicht findet und behebt, war es das mit meinem Sieg, meiner Position in der Gesamtrangliste und im schlimmsten Fall sogar mit dem Siegertreppchen der Sprint Cup Series 2016.«

»Was vielleicht nicht das Schlechteste wäre«, sagt Kevin, rückt sein Basecap zurecht, überfliegt nun ebenfalls die Zahlen vom letzten Lauf und gleicht sie mit den Ergebnissen vom Vorjahr ab.

»Spinnst du?!« Ich kümmere mich nicht darum, was Kevin damit meint, sondern wende mich an Nick, den Jüngsten im Team, der seinen Kaugummi ausspuckt und sich gleich den nächsten reinsteckt, so wie manche Leute rauchen.

»Chief!«, sagt er knapp zur Begrüßung, als Kevin neben mir auftaucht, bevor sein Kopf wieder unter der Motorhaube verschwindet. Dann ruft er: »Ich hab jetzt jedes Teil, was irgendwie wackelt, festgezurrt. Versuch es noch mal!«

Jeder im Team kennt die Regeln, wonach private Tests mit den Wagen nicht gestattet sind. Aber die Technik zu checken, zählt nicht dazu, redet sich mein Gewissen heraus. Außerdem kann ich auf meinem Grundstück tun und lassen, was ich will.

Wie jedes Mal bevor ich in den Ford steige, werfe ich einen letzten Blick unter die Haube. Dann knalle ich die Abdeckung zu, trinke noch einen Schluck Wasser und stülpe mir meinen Helm über. Gespannt schwinge ich mich durch den Einstieg ins Innere, setze mein Lenkrad ran und lasse den Motor aufheulen. Musik in meinen Ohren.

»Bereit?«, frage ich Michael und meinen Ingenieur Fernando. Beide heben die Daumen. Nick weicht zurück. Und wie hunderte Male zuvor, steuere ich Leo, meinen schwarzen Ford mit der Nummer 8, benannt nach meinem Bruder Leonard Luman, auf die kleine, private Teststrecke.

Als würde es um alles gehen, bringe ich den Wagen an seine Grenzen. Ich versuche sofort, das Maximum rauszuholen, bremse und beschleunige im Wechsel und kombiniere das Ganze mit verschiedenen Lenkmanövern. Die meisten glauben, man braucht einen Bleifuß, um zu gewinnen. Aber bei Autorennen kommt es genauso auf die Taktik an. Wenn man sich direkt hinter jemanden setzt, kann man Kraft sparen, da einen der andere mitzieht. Wenn hinter einem jemand hängt, kann der einem aber auch benötigten Schub nehmen. Deshalb ist es wichtig, die anderen Fahrer abzuschütteln … oder sich so früh wie möglich freizufahren. Was wir in unzähligen Teamsitzungen analysiert haben.

Bis jetzt läuft alles bestens und zum Test erhöhe ich die Geschwindigkeit, um die Situation in Kansas nachzustellen. Auf dass die Probleme behoben sind!

»Tritt erst nach der Kurve!«, ruft Michael mir über das Headset zu. »Riley, nach der –«

»Wohoo!« Da bin ich schon vorbei, brauche einen Moment, um den Wagen zu stabilisieren, und rase in die nächste Schleife. »Gute Arbeit, Nick!«, schreie ich ins Mikro, weil ich weiß, dass unser Jüngster zuhört.

»Dann komm rein, ich muss mit dir sprechen!«, mischt sich Kevin ein.

»Noch fünf Runden!«, bettele ich. »Ich beeile mich auch.«

Wenn es um das Autofahren geht, bin ich wie ein Kind, das sich mit seinem Lieblingsspielzeug beschäftigt. Ich möchte jede freie Minute mit meinem Flitzer verbringen. Es ist ein unglaubliches Gefühl, über den Boden zu fliegen, und ich genieße, dass in meinem Kopf nichts anderes existiert außer der Rennstrecke. Wenn ich fahre, habe ich keine Probleme, dann kümmert mich nichts. Dann bin ich nicht mehr Riley Luman, sondern nur ein Teil dieser Maschine, ein Wesen ohne Vergangenheit und ohne Zukunft.

Kevin erwidert daraufhin nichts und das sagt mir, dass ihm irgendetwas große Sorgen bereitet. Beunruhigt breche ich den Test ab. Auf Talladega am Dreiundzwanzigsten haben wir uns genug vorbereitet.

Ich lenke den Ford in die Box und bespreche mit Michael die Ergebnisse. Fernando, mein Daniel Düsentrieb im Team, winkt ihn zu sich, und sie stellen weitere Berechnungen an.

»Und?«, frage ich Kevin, setze den Helm ab und öffne den Anzug. »Was ist so wichtig?«

Wortlos streicht er sich über die kurzen Haare und setzt sich sein Basecap wieder auf. Dann reicht er mir einen Zettel in einer Folie, den ich automatisch rausholen will. »Nein, nicht anfassen!«, ermahnt er mich und ich lese, was auf dem Papier steht.

 

Frauen gehören an den Herd.

Mach langsamer, Hure, oder du wirst es bereuen!

 

»Was ist das?«, frage ich.

»Keine Fanpost«, sagt Kevin ernst. »Und bereits der fünfte Brief dieser Art.« Ich hole Luft, um mich darüber aufzuregen, dass er erst jetzt damit zu mir kommt, aber er bremst mich. »Anfangs waren die Botschaften harmloser. Normaler, frauenfeindlicher Scheiß eben. ›Spiel mit Puppen statt mit Autos!‹, ›Sei mein Boxenluder!‹, ›Wenn du jemanden brauchst, der es dir besorgt, frag mich!‹ Solche Sachen.«

Ich gebe Kevin das Papier zurück. »Warst du damit bei der Polizei?«

»Ja, natürlich. Aber sie finden nichts. Die Nachrichten werden auf Standardpapier mit einem Standarddrucker gedruckt und über einen Online-Versender zugestellt.« Er hebt den neuesten Zettel. »Und sie werden bedrohlicher.«

»Was schlägst du vor? Ich werde auf keinen Fall mit Absicht langsamer fahren, als ich kann.« Aufgebracht rede ich lauter. »Genau für das hier haben wir alles getan. Ich will gewinnen. Ich muss gewinnen. Für mich. Für Leo. Das weißt du doch!«

Leonard Luman ist mein Bruder. Beziehungsweise war es, bis er vor drei Jahren bei einem Rennen einen schrecklichen Unfall hatte. Man konnte ihn noch lebendig aus dem Wagen ziehen. Als er versorgt wurde, hat er mich zu sich gewunken. Ich musste ihm versprechen, ein Mal die Sprint Cup Series für ihn zu gewinnen. Kurz danach ist er gestorben. Was glaubt Kevin, was ich jetzt mache? Däumchen drehen? Ich mag Konventionen und Regeln nicht besonders ernst nehmen, aber Versprechen schon. Vor allem dieses. Nach dem Tod unserer Eltern war Leo immer für mich da. Und ich für ihn. Wir haben beide die Leidenschaft für den Rennsport geteilt. Und so wie er bin ich besessen von Autos, Motoren und Geschwindigkeit. Daran können auch Drohungen nichts ändern. Ich werde das Rennen gewinnen und mein Versprechen einlösen. Basta.

Mit der Wasserflasche in der einen Hand und dem Helm in der anderen verlasse ich die Box, um mich umzuziehen. Ja, ich bin etwas verrückt, aber das muss man sein, wenn man sich in ein Fahrzeug setzt, das eine Handbreit über dem Asphalt entlangfliegt.

Kevin läuft mir nach. »Riley, kannst du die Sache bitte ernst nehmen?«

Während ich mich ausziehe, lehnt er sich mit verschränkten Armen an den Türrahmen und sieht mir zu. Mir ist das nicht peinlich oder unangenehm. Ich kenne es nicht anders. Wenn man im Rennsport ist und von Woche zu Woche neue Wettkämpfe hat, lebt man mit der gesamten Mannschaft auf engstem Raum. Klar hat man auch mal Privatsphäre. Aber früher oder später bekommt eh jeder alles mit. Schamgefühl wäre völlig fehl am Platz.

Sobald ich mich ausgezogen habe, stelle ich mich unter die Dusche und seufze dankbar über die Abkühlung.

»Ich werde nicht aufhören«, rufe ich über das Rauschen des Wassers hinweg.

»Du bist genauso stur wie dein Bruder«, knurrt er. »Ja, du hast Leo versprochen, die Sprint Cup Series zu gewinnen. Ich hab ihm aber auch was versprochen, das weißt du ganz genau.« Auf mich aufzupassen, ja, ich erinnere mich. »Deshalb möchte ich jemanden einstellen, der rund um die Uhr an deiner Seite ist.«

»Einen Babysitter?!«, frage ich und stelle die Dusche aus. Ich wickle mich in ein Handtuch, kämme mir meine dunkelblonden Haare und gehe in mein Schlafzimmer, um mir frische Sachen aus dem Schrank zu nehmen.

»Wenn du dich wie ein Baby benimmst: ja. Ansonsten dachte ich eher an einen Bodyguard.«

»Sehr witzig, Kevin! Hältst du das nicht für etwas übertrieben?«

»Eine gelockerte Schraube und dir fliegt der Wagen um die Ohren. Also: nein.«

Ich löse das Handtuch und ziehe mir Unterwäsche, Jeans und Shirt an. »Aber es sind doch nur Briefe!«

»Ich würde mich wohler fühlen«, höre ich plötzlich Joyce und frage mich, seit wann sie uns belauscht hat.

Schachmatt gesetzt schaue ich von einem zum anderen. »Ihr zwei!«, rufe ich empört. Natürlich kann ich jetzt unmöglich dagegen protestieren. Über Kevin setze ich mich gerne hinweg, aber Joyce ist wie eine Schwester für mich. Und die Sorge in ihrem Gesicht macht mich schwach. Ich halte Kevins Vorschlag immer noch für übertrieben. Kreative Drohbriefe haben nichts mit Sabotage an meiner Technik zu tun. Außerdem bin ich die einzige Frau in einem Männerrennen. Da bekomme ich einiges zu hören. Aber so wie mich Joyce anschaut … Ich seufze.

»Wen hast du für diese Aufgabe vorgesehen?«, gebe ich mich geschlagen.

»Evan«, sagt er.

»Deinen Bruder?!« Ich könnte kaum überraschter sein. Das ist eine miese Idee, aus so vielen Gründen, dass ich mir spare, sie alle aufzuzählen.

Bevor ich in die Küche gehe, um etwas zu essen, versuche ich, aus der Nummer wieder rauszukommen. Allein die Idee, einen Bodyguard zu haben, finde ich grässlich. Wenn der obendrein locker ein Meter neunzig ist und helle Augen hat, deren Farbe ich nicht einordnen kann, dann finde ich sie zum Scheitern verurteilt.

»Nur weil er im Nahen Osten war und es geschafft hat, nicht abgeknallt zu werden, qualifiziert ihn das nicht als Personenschützer«, wende ich ein.

»Er war bei einer Sondereinheit. Außerdem kenne ich meinen großen Bruder, Riley. Ihm entgeht kein Detail, er ist absolut verlässlich und ich vertraue ihm. Bedingungslos. Er ist der beste Mann für diesen Job.«

Ich denke wieder an diesen Moment, als meine Finger Evans Erektion berührt haben. Das hitzige Flackern in seinen Augen und wie kompromisslos er die Situation daraufhin beendet hat. »Und da spielt er mit?« Nach unserer letzten Begegnung kann ich mir das nur schwer vorstellen. Der Typ konnte gar nicht genug Abstand zwischen sich und mich bringen – was irgendwie das Gegenteil von dem ist, was ein Bodyguard macht.

»Wenn ich ihn darum bitte, ja.« Kevin versperrt die Tür, bevor ich ihn stehenlassen kann. »Einverstanden?«

Das klingt nach dem Beginn einer traumhaften Zusammenarbeit. »Einverstanden«, knurre ich widerwillig.

Kapitel 3

»Alles okay?«, fragt mich Joyce und klettert im Tourbus auf den Sitz neben mir, als wir vom Rennen in Talladega zurückkommen. »Du bist in der Round of 8 und hast allen Grund zu feiern.«

»Klar, alles bestens«, sage ich lahm und schaue wieder nach draußen in die untergehende Sonne. Wenn ich anfange aufzuzählen, was nicht okay ist, lässt sie mich nie wieder hinter das Steuer eines Stockcars.

In Talladega habe ich das bisher enttäuschendste Ergebnis meiner Saison abgeliefert und wertvolle Punkte verschenkt. Mir geisterten die Drohbriefe durch den Kopf. Fantasien von Evan Crawford haben mich nachts wachgehalten. Und ich hatte den miesesten schnellen Sex seit Langem. Alle haben morgen einen Tag frei, was bedeutet, dass auch für mich der Wagen und die Technik tabu sind und …

Ich habe einfach schlechte Laune und weiß, die wird nicht besser, wenn ich darüber rede. Sondern nur, wenn ich den Rausch der Geschwindigkeit spüre.

»Mach dir keine Sorgen! Dir wird schon nichts passieren«, sagt Joyce.

Ich schweige. Irgendwas ist bereits ins Rollen geraten. Denn ich zerbreche mir den Kopf über Dinge, die außerhalb meiner Macht liegen. Das ist absolut untypisch für mich.

Erst als die Tore meines Anwesens vor uns auftauchen, atme ich auf. Unser Truck hält, ebenso der zweite hinter uns, doch die Türen bleiben geschlossen, anstatt sich zu öffnen.

»Was ist denn jetzt wieder los?«, murmele ich, als mein Wachmann Steve mit ernster Miene in den Bus klettert.

»Ich muss kontrollieren, wer an Bord ist«, erklärt er.

»Sagt wer?«, frage ich.

Unsicher schaut er zu Kevin, dann erneut zu mir.

»Ich«, meldet sich eine tiefe Stimme, die mir Schauer über den Rücken jagt – und mir Kopfschmerzen verursacht.

Im Truck erscheint Evan Crawford. Anders als bei unserer letzten Begegnung trägt er weite, schwarze Armyhosen, ein graues Shirt mit einer Sicherheitsweste, eine Waffe, Funktechnik und ein iPad.

---ENDE DER LESEPROBE---