Qualitätsentwicklung in der Pflege -  - E-Book

Qualitätsentwicklung in der Pflege E-Book

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Beschreibung

Das Buch ist ein Grundlagenwerk, in dem innovative Konzepte sowie wissenschaftlich basierte und in der Praxis bewährte Methoden und Instrumente zur kontinuierlichen und systematischen Qualitätsentwicklung in der Pflege vorgestellt und diskutiert werden. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt dabei auf den Expertenstandards des DNQP - als einem wichtigen Motor für die Förderung der Pflegequalität in Krankenhäusern, ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im gesamten deutschsprachigen Raum. Ein wesentlicher Teil der Beiträge stützt sich auf die langjährige Forschungs- und Entwicklungsarbeit des DNQP zu dieser Thematik. An der 2. Auflage haben 14 namhafte Fachexperten aus Pflegewissenschaft und -praxis, Gesundheitsökonomie, Sozialrecht und Verbraucherschutz mitgewirkt.

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Doris Schiemann

Martin Moers

Andreas Büscher (Hrsg.)

Qualitätsentwicklung in der Pflege

Konzepte, Methoden und Instrumente

2., aktualisierte Auflage

Verlag W. Kohlhammer

Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Warenbezeichnungen, Handelsnamen und sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme, dass diese von jedermann frei benutzt werden dürfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige geschützte Kennzeichen handeln, wenn sie nicht eigens als solche gekennzeichnet sind.

2., aktualisierte Auflage 2017

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-032637-8

E-Book-Formate:

pdf:      ISBN 978-3-17-032638-5

epub:   ISBN 978-3-17-032639-2

mobi:   ISBN 978-3-17-032640-8

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

1 Qualitätsentwicklung in der Pflege – Versuch einer Standortbestimmung

Martin Moers, Doris Schiemann & Andreas Büscher

2 Networking for Quality: Qualitätsnetzwerke der Pflege auf europäischer und nationaler Ebene

Doris Schiemann

2.1 Europäisches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (EuroQUAN)

2.2 Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)

I Expertenstandards in der Pflege

3 Qualitätsmethodik zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung evidenzbasierter Expertenstandards in der Pflege

Doris Schiemann & Martin Moers

3.1 Begriff und Funktion von Expertenstandards

3.2 Sechsstufiges Konzept des DNQP zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung evidenzbasierter Expertenstandards

3.2.1 Stufe 1: Auswahl der Themen

3.2.2 Stufe 2: Bildung einer Expertenarbeitsgruppe und Berufung der wissenschaftlichen Leitung

3.2.3 Stufe 3: Erarbeitung des Expertenstandard-Entwurfs

3.2.4 Stufe 4: Konsentierung des Expertenstandard-Entwurfs

3.2.5 Stufe 5: Implementierung von Expertenstandards

3.2.6 Stufe 6: Aktualisierung von Expertenstandards

3.3 Auswirkungen der Expertenstandards auf Berufspraxis und Berufsfeld

4 Evidenz in den Expertenstandards für die Pflege des DNQP

Andreas Büscher & Petra Blumenberg

4.1 Nutzung kollektiven Fachwissens für die Pflegepraxis

4.2 Evidenz in den Expertenstandards

4.3 Aktualisierung und Monitoring der Expertenstandards

4.4 Evidenz und komplexe Interventionen

4.5 Fazit

5 Partizipation und Patientenorientierung bei Expertenstandards in der Pflege

Wolfgang Schuldzinski & Catharina Hansen

5.1 Partizipation als Chance

5.2 Information als Bedingung

5.3 Theorie und Praxis

5.4 Gefahren des Konzepts der Partizipation

5.5 Partizipation in der Pflege

5.6 Welchen Beitrag können Expertenstandards zu einer partizipativen Pflege leisten?

5.7 Fazit

6 Expertenstandards implementieren – Spezifika gelingender Einführungsprozesse

Martin Moers, Doris Schiemann & Heiko Stehling

6.1 Zur Einführung von Innovationen in die Pflegepraxis

6.2 Ergebnisse der sieben modellhaften Implementierungsprojekte

6.2.1 Der Datenbestand

6.2.2 Die Implementierungseinrichtungen

6.2.3 Der pflegerische Entwicklungsstand in den Modellpflegeeinheiten

6.3 Bereitstellung zeitlicher und personeller Ressourcen durch das Management

6.4 Die Arbeitsgruppen in den Modellpflegeeinheiten

6.5 Wissenstransfer: Fortbildungen für die Teams der Modellpflegeeinheiten

6.6 Wissenstransfer: Konkretisierung der Standardaussagen

6.7 Wissenstransfer: Verbindliche Einführung des Standards

6.8 Erkenntnisse aus den Audits für Patienten, Bewohner und Pflegefachkräfte

6.8.1 Assessment

6.8.2 Koordination von Maßnahmen im Rahmen von Verfahrensregelungen

6.8.3 Planung von Maßnahmen

6.8.4 Durchführung von Maßnahmen

6.8.5 Edukation von Patienten, Bewohnern und Angehörigen

6.8.6 Evaluation

6.9 Schlussfolgerungen mit Blick auf die regelhafte Implementierung von Expertenstandards ohne externe Begleitung

7 Evaluation der Anwendung von Expertenstandards in der Charité – Universitätsmedizin Berlin: Was kommt bei den Patienten an?

Armin Hauss & Gertrud Schmälzle

7.1 Einführung: Pflegerische Qualitätsentwicklung an der Charité

7.2 Beispiel Expertenstandard »Dekubitusprophylaxe in der Pflege«

Armin Hauss & Thomas Skiba

7.2.1 Nachhaltige Einführung des Expertenstandards

7.2.2 Evaluation der Anwendung des Expertenstandards mit internem Auditinstrument

7.2.3 Vorstellung und Diskussion der Auditergebnisse: Erhebungszeitraum 2009–2015

7.3 Beispiel: Expertenstandard »Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen«

Gertrud Schmälzle & Armin Hauss

7.3.1 Nachhaltige Einführung des Expertenstandards

7.3.2 Evaluation der Anwendung des Expertenstandards mit internem Auditinstrument

7.3.3 Vorstellung und Diskussion der Auditergebnisse des Fachbereichs Neurochirurgie: Erhebungszeitraum 2009, 2011, 2012, 2014 und 2015

8 Gesundheitsökonomische Evaluation von nationalen Expertenstandards in der Pflege

Reinhold Wolke

8.1 Einführung: Zur Notwendigkeit und Einordnung der Evaluation von nationalen Expertenstandards

8.2 Stellenwert und Inhalte gesundheitsökonomischer Evaluationen in der Pflege

8.3 Zentrale Aspekte der ökonomischen Evaluationsstudien

8.3.1 Grundsätzliche Betrachtung und Fragen des Untersuchungsdesigns

8.3.2 Bewertung der Kosten

8.3.3 Bewertung des Nutzens

8.4 Beispiele zur ökonomischen Evaluation in der Pflege und von nationalen Expertenstandards

8.4.1 Krankheitskostenanalysen

8.4.2 Kostenvergleichs- oder Kostenminimierungsanalysen

8.4.3 Kosten-Wirksamkeits-Analysen

8.4.4 Kosten-Nutzwert-Analysen

8.4.5 Kosten-Nutzen-Analysen

8.5 Fazit

9 Rechtliche Verbindlichkeit von Expertenstandards

Klaus Theuerkauf

9.1 Expertenstandards im Recht

9.2 Sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeit

9.2.1 Sozialversicherungsrechtliche Leistungspflicht im SGB XI

9.2.2 Sozialversicherungsrechtliche Verbindlichkeit von Expertenstandards

9.2.3 Standardidentität und Wirtschaftlichkeitsgebot

9.3 Zivilrechtliche Verbindlichkeit

9.3.1 Zivilrechtliche Leistungspflicht

9.3.2 Zivilrechtliche Verbindlichkeit von Expertenstandards

9.3.3 Leistungen unterhalb des allgemein anerkannten Stands der medizinisch-pflegerischen Erkenntnisse

9.4 Fazit

10 Methode der »Stationsgebundenen Qualitätsentwicklung« (SQE) zur Entwicklung und Einführung von Praxisstandards in der Pflege

Doris Schiemann & Martin Moers

10.1 Stellenwert der SQE für eine kontinuierliche und systematische Qualitätsentwicklung

10.2 Zielsetzung, Aufbauorganisation und Anwendungsformen der SQE

10.2.1 Aufbauorganisation der SQE

10.2.2 Der Qualitätszyklus und seine Anwendung

10.3 Forschungs- und Entwicklungsprojekte zur SQE in Großbritannien und Deutschland

10.3.1 Ergebnisse zur Methodenwirksamkeit

10.3.2 Ergebnisse zu den Anwendungsvoraussetzungen der SQE

II Qualitätsindikatoren in der Pflege

11 Entwicklung von Qualitätsindikatoren auf der Basis von Expertenstandards

Andreas Büscher & Ahmed Kabore

11.1 Einleitung

11.2 Was sind Qualitätsindikatoren?

11.3 Wozu dienen Indikatoren im Gesundheitswesen?

11.4 Anforderungen an Qualitätsindikatoren

11.5 Verfahren zur Entwicklung von Qualitätsindikatoren

11.6 Entwicklung von Qualitätsindikatoren auf der Grundlage von Expertenstandards

11.6.1 Auswahl und Relevanz des Themas

11.6.2 Formulierung eines vorläufigen Sets von Indikatoren

11.6.3 Bewertung und Auswahl geeigneter Qualitätsindikatoren

11.6.4 Praxistest der ausgewählten Qualitätsindikatoren

11.6.5 Einführung des Indikators

11.7 Der Nutzen von Indikatoren auf der Grundlage von Expertenstandards

12 Entwicklung von Qualitätsindikatoren in der Pflege auf der Basis von Praxisstandards

Astrid Elsbernd

12.1 Einordnung und Begriffsbestimmung

12.2 Entwicklung von pflegesensiblen Qualitätsindikatoren in der Altenpflege im Rahmen eines Forschungsprojektes

12.2.1 Anlage des Forschungsprojektes

12.2.2 Methodisches Vorgehen zur Ableitung der pflegesensiblen Qualitätsindikatoren

12.2.3 Arbeitsschritte, die nicht mehr vollzogen werden konnten

12.3 Ausblick

13 Entwicklung, Erprobung und Anwendung von Qualitätsindikatoren der Pflege im Krankenhaus: das Beispiel NDNQI

®

aus den USA

Michael Simon & Nancy Dunton

13.1 Einleitung

13.2 Kontext der Qualitätsmessung im Krankenhaus in den USA

13.3 Entwicklung, Struktur und Anwendung der NDNQI

®

13.4 Entwicklung, Implementierung und Testung der Indikatoren

13.5 Bedeutung der NDNQI

®

für das Pflegemanagement und den nationalen Kontext

Abkürzungsverzeichnis

Sachwortregister

Autorenverzeichnis

III Anhang

1 Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege (1. Aktualisierung 2010)

2 Audit-Instrument zum aktualisierten Expertenstandard Dekubitusprophylaxe

3 Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen (1. Aktualisierung 2011)

4 Das Audit-Instrument zum aktualisierten Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen

Martin Moers, Doris Schiemann & Heiko Stehling

 

1          Qualitätsentwicklung in der Pflege – Versuch einer Standortbestimmung

Martin Moers, Doris Schiemann & Andreas Büscher

 

Mit diesem Buch, das sich an Wissenschaft und Praxis gleichermaßen richtet, möchten wir einen grundlegenden Beitrag zur Fachdiskussion in einem sich differenzierenden Feld leisten. Qualitätsarbeit im Gesundheitswesen als diskrete Methode der Steuerung von Prozessen schreitet einerseits von seinen Ursprüngen der schlichten (aber keineswegs trivialen) Qualitätssicherung fort zur einrichtungsinternen Qualitätsentwicklung und -steuerung, was in der Folge Fragen nach geeigneten Verfahren und Strukturen für ein wirksames, berufsübergreifendes Qualitätsmanagement aufwirft. Auf der anderen Seite nehmen externe Qualitätssicherung und -prüfung in der Folge gesetzlicher Regelungen erheblich zu. Hier stellen sich Fragen nach einer sinnvollen Verknüpfung beider Bereiche.

Wir nähern uns der aktuellen Diskussion überwiegend aus der Perspektive wissenschaftlich fundierter Methoden und Instrumente zur systematischen und kontinuierlichen Qualitätsentwicklung in der Pflege. Der inhaltliche Schwerpunkt des Buches liegt dabei auf den Expertenstandards des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) als einem Basisinstrument, von dem eine große Ausstrahlung in andere Bereiche der Qualitäts- und Pflegeentwicklung zu verzeichnen ist (Schiemann & Moers 2011, S. 624). Das Selbstverständnis unserer Standortbestimmung speist sich aus der inzwischen 25-jährigen Netzwerkarbeit, in deren Rahmen es gelungen ist, auf dem Gebiet der Standardentwicklung internationales Niveau zu erreichen.

Nach einem kurzen Blick auf die nationale und internationale Netzwerkarbeit in der Pflege werden im ersten Teil zu den Expertenstandards in der Pflege zunächst die Qualitätsmethodik zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung von Expertenstandards (Kap. 3) dargestellt. Darauf folgen zwei Beiträge, die sich mit Fragen der Evidenzbasierung (Kap. 4) und Patientinnen- und Bewohnerinnenbeteiligung1 (Kap. 5) im Rahmen der Entwicklung von Expertenstandards auseinandersetzen. Beide Themen sind für das Qualitätsniveau der Expertenstandards sowie für ihre Akzeptanz in Fachöffentlichkeit und Gesundheitspolitik von maßgeblicher Bedeutung.

Die Einführung von Expertenstandards, einschließlich regelmäßiger Qualitätsmessungen, bildet in vielen Einrichtungen inzwischen die Grundlage für kontinuierliche Qualitätsverbesserungen. Die Beiträge zu dieser Thematik befassen sich insbesondere mit den Spezifika gelingender Einführungsprozesse (Kap. 6) und der Wirksamkeit von Expertenstandards: Was kommt bei Patientinnen und Bewohnerinnen an? (Kap. 7) Sie basieren zum einen auf Ergebnissen der wissenschaftlichen Begleitung aller bisherigen bundesweiten Projekte zur modellhaften Implementierung von Expertenstandards und zum anderen auf mehrjährigen Auditergebnissen eines Berliner Universitätsklinikums zur Anwendung von zwei Expertenstandards. Abgerundet wird diese Fragestellung durch Erkenntnisse aus der gesundheitsökonomischen Evaluationvon Expertenstandards (Kap. 8), womit auch die Perspektive des Nutzerinnenkollektivs, also der Versicherten, angesprochen ist. Dazu gehört ebenfalls eine Einordnung der Expertenstandards (Kap. 9) in das Sozialrecht, wobei deutlich wird, dass diese als Abbildung des aktuellen Standes von Wissenschaft und Praxis den Nutzerinnen von Pflege eine klare Orientierung über das zu erwartende Leistungsniveau geben können.

In den Einrichtungen harren jedoch viele Themen der Pflegeentwicklung, die bislang keine Berücksichtigung bei der sektorenübergreifenden Expertenstandardentwicklung finden konnten. Das heißt, dass auch weiterhin in der Praxis entwickelte Pflegestandards ein wichtiges Element interner Qualitätsentwicklungsprozesse spielen werden. Aus diesem Grund haben wir ein Kapitel in diesem Band der Methode der Stationsgebundenen Qualitätsentwicklung (SQE) (Kap. 10) zur dezentralen Entwicklung und Anwendung wissenschaftlich fundierter Praxisstandards gewidmet. Die SQE gehört zu den international bekanntesten Methoden zur Qualitätsentwicklung in der Pflege, ihre Praxistauglichkeit und Qualitätswirksamkeit konnte in verschiedenen Entwicklungs- und Forschungsprojekten hinreichend belegt werden.

Im zweiten Teil des Buches wird mit dem Thema Qualitätsindikatorenin der Pflege (Kap. 11, 12 und 13) ein zukunftsweisendes Thema aufgegriffen. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, im Rahmen des internen Qualitätsmanagements in regelmäßigen Abständen und mit überschaubarem Aufwand Daten zu erheben, die verlässliche Hinweise auf den Umsetzungsgrad angestrebter Qualitätsziele zu besonders sensiblen Problembereichen der pflegerischen Versorgung liefern (Schiemann & Moers 2011, S. 623 und 635). Hier liegen neben internationalen auch erste nationale Erfahrungen vor.

Zu allen angesprochenen Methoden und Instrumenten liegen zahlreiche Ergebnisse und Erkenntnisse vor, die wir in diesem Band zusammengetragen und für Synthesen aus unterschiedlichen Perspektiven aufbereitet haben. Im Sinne einer Zwischenbilanz benennen die Autorinnen darüber hinaus weiteren Entwicklungsbedarf. Wir hoffen, damit die Debatte über zukünftige Schritte und Wege der Qualitätsentwicklung anzuregen.

Blicken wir an dieser Stelle kurz zurück auf die von allen Akteurinnen des DNQP und den zahlreichen Netzwerkerinnen in den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen geleistete Arbeit der letzten 25 Jahre. Es handelt sich dabei zweifellos um eine Erfolgsgeschichte, die darauf beruht, dass die Arbeit mit Expertenstandards zum Motor der Pflegeentwicklung gemacht werden konnte. In die Wiege gelegt ist es der Qualitätsarbeit zunächst einmal nicht, entstand sie doch aus der betriebswirtschaftlichen Überlegung, wie man Mitarbeiterinnen zu erhöhter Leistungsdichte bringen kann, ohne die Qualität der Produkte oder Dienstleistungen zu gefährden. Man wollte zunächst reine Qualitätssicherung, verstanden als Minimierung von Fehlern, betreiben. Erst später entwickelten sich weitergehende Ansätze eines integrierten Qualitätsmanagements (siehe dazu Dahlgaard & Schiemann 1996, S. 4–23). In der Medizin gesellte sich seit den 1990er Jahren die Bewegung zur Evidenzbasierung hinzu, die zunehmend in die Entwicklung zahlreicher Leitlinien einmündete. Diese mussten und müssen sich jedoch vielfach mit Widerständen aus den eigenen Reihen auseinandersetzen, da sich sowohl die niedergelassenen Ärztinnen als auch die leitenden Krankenhausärztinnen in ihrer professionellen Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sahen (siehe dazu z. B. Ollenschläger et al. 2005).

In der bundesdeutschen Pflege gab und gibt es aufgrund eines gegenüber der Medizin niedrigen Professionalisierungsgrades häufig noch gar keine differenzierte Beschreibung der Leistungen und Prozesse, der dazu notwendigen Strukturen und der angestrebten Ergebnisse. Daher stieß die vom Oxforder Institut des Royal College of Nursing Anfang der 1990er Jahre ausgehende Initiative für ein europäisches Qualitätsnetzwerk (Euro-QUAN), mit forschungsgestützten Pflegestandards, Auditinstrumenten und durch die Anwendung der SQE einen Paradigmenwechsel auf dem Gebiet der Qualitätsentwicklung in der Pflege herbeizuführen, alsbald auf reges Interesse in den sich nach europäischem Vorbild bildenden nationalen Netzwerken, so auch des DNQP. Das Erfolgskonzept beruht also nicht nur darauf, pflegerische Risiken inhaltlich zu bearbeiten und das zusammengefasste Wissen in Qualitätsinstrumente wie Praxis- oder Expertenstandards zu übersetzen, sondern dieses Wissen auch an den Ort des Handlungsvollzugs zu bringen und handlungswirksam werden zu lassen, kurz: zu implementieren. Durch das in den Expertenstandards per Konsensuskonferenz durch die Berufsgruppe vereinbarte hohe Niveau pflegerischer Leistung löst deren gezielte Implementierung in der Regel einen hohen Fortbildungsbedarf aus und führt bei der Einführung zu innovativem, patientinnenorientiertem Handeln und messbarer Pflegeentwicklung. Darüber hinaus vermitteln sie der Berufsgruppe größere Handlungssicherheit und auch ein stärkeres Gefühl beruflicher Autonomie, da die Expertenstandards aus der Berufsgruppe selbst stammen und die Selbstbestimmung über die Inhalte pflegerischer Arbeit einen weiteren Schritt im langfristigen Professionalisierungsprozess ausmacht.

Bei der Implementierung von Expertenstandards haben die Netzwerkeinrichtungen und -akteurinnen hervorragendes geleistet. Sie haben die Chance gesehen, unter den zunehmend restriktiven Bedingungen eines wettbewerbsorientierten Gesundheitswesens damit weiterhin Pflegeentwicklung betreiben zu können, die sonst vielfach unterbleiben würde. Eine ungebundene, allein nach pflegewissenschaftlich und pflegerisch inhaltlichen Gesichtspunkten betriebene partizipative Pflegeentwicklung, findet bedauerlicherweise zur Zeit nur noch punktuell institutionelle Förderung, während die Qualitätsarbeit aufgrund gesundheitspolitischer, rechtlicher und wettbewerblicher Rahmenbedingungen größere Spielräume bietet. Durch die Bündelung des Wissens aus Forschung und Praxisexpertise in den Expertenstandards und dessen systematischen Transfer in die Praxis konnte für die Professionalisierung der Pflege Erhebliches geleistet werden: die eigenständige Wissensbasis der Pflege wird deutlich, und das systematische Arbeiten auf der Grundlage der Pflegeprozessmethode wird gestärkt, denn in den Expertenstandards werden alle Schritte der Pflegeprozessmethode themenspezifisch mit Inhalt gefüllt.

Wenden wir uns der aktuellen Situation zu, so finden wir auf der einen Seite neben aller Zustimmung auch kritische Stimmen sowohl zu den Expertenstandards als Instrumente als auch zu den Wirkungen und Folgen ihrer Implementierung. Aus pflegewissenschaftlicher Sicht begrüßen wir diese ausdrücklich, da Kritik den Kern des wissenschaftlichen Diskurses bildet, der zur Weiterentwicklung der Disziplin führt. Wir sehen zwei Hauptströmungen, mit denen wir uns exemplarisch auseinandersetzen wollen. Die eine Strömung moniert, dass Expertenstandards mit zu wenig wissenschaftlicher Genauigkeit erarbeitet seien – so Vertreterinnen einer evidenzbasierten Praxis. Die andere Strömung kritisiert, dass Expertenstandards zu viele technokratische Normierungen mit sich brächten – so Vertreterinnen der Kritischen Theorie.

Beginnen wir mit der Frage der zu geringen Wissenschaftlichkeit von Expertenstandards. Einig sind sich alle an der Diskussion Beteiligten, dass das beste verfügbare Wissen Grundlage des Wissenstransfers sein soll. Auch die Netzwerkerinnen des DNQP möchten das Wissen mit der größtmöglichen Evidenz in die Praxis bringen. Eine erste Differenz gibt es jedoch in der Frage, welches dieses Wissen sei. Im naturwissenschaftlich-positivistischen Denken werden bei der Bewertung des Wissens Forschungsergebnisse mit experimentellen oder statistischen Designs sowie deren Synthese in Übersichtsarbeiten, die dieser methodischen Vorgabe folgen, an die Spitze einer Evidenzhierarchie gestellt (dazu z. B. Balshem et al. 2011). Dies bringt u. E. eine Engführung mit sich, gegen die wir zu bedenken geben, dass gerade in der interaktionsreichen Pflegepraxis zahlreiche Forschungsfragen gerade auch zur Patientinnen- und Nutzerinnenperspektive nur mit Designs der subjektorientierten Rekonstruktion von Bedeutungen des Erlebens und des sozialen Handelns bearbeitet werden können. Ebenso fehlt es der rein an methodischer Bewertung von Interventionsforschung interessierten Bewegung der evidenzbasierten Praxis an Möglichkeiten der und Interesse an Theoriebildung. Diese stellt jedoch eine wesentliche Orientierungsgrundlage für Pflegeentwicklung dar (vgl. Moers et al. 2011). Hinzu kommt, dass aktuell in vielen pflegerischen Handlungsfeldern wenig klare Evidenz für Interventionen vorliegt. Mit Blick auf die Pflegepraxis erscheint es gleichwohl unumgänglich, zu den großen pflegerischen Risiken auch dann Expertenstandards zu entwickeln, wenn keine eindeutige Evidenz im Sinne der oben genannten Evidenzhierarchie vorliegt, da Pflegefachkräfte Handlungssicherheit für die tägliche Arbeit unter Handlungsdruck benötigen. Bei der Entwicklung der Expertenstandards wird deshalb kein Wissenstyp ausgeschlossen, wobei einzelne Kriterienebenen selbstverständlich im Lichte der vorliegenden Evidenz formuliert werden.

Dies soll am Beispiel des Expertenstandards »Sturzprophylaxe« verdeutlicht werden, der im Jahr 2013 aktualisiert wurde (DNQP 2013, S. 20 ff.). Die aktualisierte Literaturstudie hat dabei einen derartigen Umfang angenommen, dass neben der gedruckten Kurzfassung von immerhin 107 Seiten eine 253 Seiten, mit Anhängen 600 Seiten umfassende Langfassung vorliegt, die auf der Homepage des DNQP einsehbar ist. Die umfangreichen Studienergebnisse geben ein noch deutlicheres Bild, um welch komplexes und von zahlreichen Faktoren beeinflusstes Geschehen es sich bei Stürzen handelt, als es sich bei der der ersten Literaturstudie zur Entwicklung des Expertenstandards zeigte. Jedoch bestehen weiterhin große Forschungslücken im Bereich der Interventionsforschung (nicht nur) zu dieser Thematik. Das heißt, die Empfehlungen der Expertinnenarbeitsgruppe zur Formulierung der Standardkriterien zu den einzelnen Maßnahmen der Sturzprophylaxe, konnten nur bedingt aus Studienergebnissen abgeleitet werden und basieren daher auf dem gebündelten Fachwissen der Expertinnenarbeitsgruppe.

Für die Praxis verweist das Missverhältnis zwischen der Vielzahl an Studien und der nicht vorhandenen Klarheit hinsichtlich einzelfallbezogener Wirksamkeit von Maßnahmen, auf ein auch in anderen Zusammenhängen anzutreffendes Phänomen: die Bedeutung der fachlich begründeten Entscheidungsfindung im Einzelfall. Professionelles Handeln in der Pflege zeichnet sich, wie auch in anderen Gesundheitsberufen, dadurch aus, dass umfangreiches Regelwissen, das aus unterschiedlichen Quellen stammen kann, auf einen Einzelfall bezogen werden muss. Das Regelwissen zur Sturzprophylaxe ist in der Literaturstudie dieser Aktualisierung, in den Kriterien des Expertenstandards und erläuternd in den Kommentierungen, zusammengefasst und ausgeführt. Es trägt dazu bei, Pflegefachkräften in der Praxis einen Rahmen vorzugeben, in dem sie sich bei Entscheidungen in der Pflege einzelner Patientinnen oder Bewohnerinnen und der Begründung ihrer Vorschläge diesen gegenüber bewegen können. Ausgangspunkt der zu leistenden Interventionen ist jedoch immer der individuelle Fall. Daher ist stets eine begründete Einschätzung dieses Falls notwendig, aus der dann Maßnahmen abgeleitet, mit der Adressatin der Maßnahme vereinbart und dann durchgeführt werden.

Schauen wir uns demgegenüber nun die Kritik des Zuviel an technokratischer Normierung an, so stellen sich die Diskussionslinien völlig anders dar. Die Art der Expertise oder Frage nach geeigneten Forschungsdesigns spielt hier gar keine Rolle, und theoretisches Denken wird explizit begrüßt und einbezogen. Entscheidend sind für Vertreterinnen der Kritischen Theorie allein die gesellschaftlichen Folgen. Beispielhaft sei hier auszugsweise die Position des Kollegen Friesacher zitiert, die sich explizit auf andere Instrumente und Methoden bezieht, jedoch ohne Zweifel auch auf Instrumente der Qualitätsentwicklung gemünzt ist:

»Case Management und dem Pflegeprozess sollen auf allen Ebenen optimierte Abläufe und Strategien implementiert werden. Die Steuerungsinstrumente folgen dabei der Theorie der Kybernetik mit ihren Grundbegriffen der Steuerung, Kontrolle, Information und System. Diese aus einem mathematisch-technizistischen Zusammenhang stammende Großtheorie restrukturiert die sozialen Bereiche und lebt in den neoliberalen Gouvernementalitätspraktiken fort. Damit diese ›Kybernetisierung des Menschen‹ gelingen kann, muss das Humane transformiert werden in die Sprache der Technik.« (Friesacher 2011, S. 380)

 

»Der systemisch-kybernetische Ansatz des Pflegeprozesses und seine technokratische Passung in die bestehende Praxis lassen die Rede von selbstbestimmten, die Ziele der Pflege aushandelnden Nutzerinnen als absurd erscheinen […].« (a. a. O., S. 381)

Im Falle einer technokratischen Verwendung der angesprochenen Instrumente und Methoden ist die Kritik nachvollziehbar, und der Einfluss von Herrschaftstechnologien auf die Pflegeentwicklung sollte unbedingt kritisch hinterfragt werden. Eine kritische Sicht auf die Bedingungen und Ergebnisse des Wissenstransfers hat dabei bereits eine lange Tradition in der Soziologie (vgl. Beck & Bonß 1989) – eine Diskussion, die seit einiger Zeit auch für die Pflege nutzbar gemacht wird (vgl. Schaeffer 2006). Die Intentionen der Pflegeprozessmethode als Problemlösungs- und Beziehungsprozess sind im Kern jedoch andere, als Friesacher konstatiert. Für die Expertenstandards, die ein möglichst hohes und dabei immer auch patientinnenorientiertes Niveau der pflegerischen Versorgung anstreben, stellt der angemessene Einsatz der Pflegeprozessmethode eine Voraussetzung dar. Es geht bei beiden Instrumenten und Methoden um die maximale Einbeziehung und Förderung der Interessen der Nutzerinnen. Daher spielt bei den Empfehlungen der Expertenstandards die Nutzerinnenperspektive und die entsprechende subjektorientierte Forschung eine erhebliche Rolle, auch wenn bisweilen die durch Interventionsforschung gestützte Evidenz noch schwach ist.

Den Nutzerinnen von Pflegeleistungen einschließlich ihrer Angehörigen wird zunächst einmal in allen Expertenstandards ausführliche Information, Anleitung, Schulung und Beratung zu ihren Problemen angeboten. Das macht deren Einbeziehung in Aushandlungsprozesse erst möglich, da sonst Wissensgrundlagen fehlen und Alternativen oft nicht bekannt sind, z. B. welche Entlastungsmöglichkeiten pflegenden Angehörigen zur Verfügung stehen, um ein stabiles häusliches Pflegearrangement zu erreichen. Die Wünsche und Ziele der Nutzerinnen, die so auf der Basis von angemessener Aufklärung erkundet werden, stellen – wie oben bereits ausgeführt – eine wesentliche Grundlage für fallangemessene pflegerische Vorschläge dar. In diesem Beispiel wäre die Frage, welche Versorgungsform, ob zu Hause oder in einer stationären Pflegeinrichtung, angestrebt werden soll und welche Hilfen jeweils erforderlich wären. Ein weiterer Punkt verdient Beachtung in der Diskussion um Patientinnen- bzw. Bewohnerinnenorientierung: Alle Expertenstandards zielen darauf ab, die Ressourcen der meist funktionseingeschränkten Nutzerinnen zu stärken und eigenständiges Handeln zu fördern. Das gilt für die Bewegungsförderung zur Dekubitusprophylaxe, die sichere Mobilität zur Sturzprophylaxe, den begleiteten Toilettengang zur Kontinenzförderung, das individuell angepasste Angebot von Speisen und Getränken oder das angemessene Schmerzmanagement, um Eigenaktivität überhaupt erst zu ermöglichen. Das alles sind noch keine individuellen Ziele der Nutzerinnen, aber erst bei einer patientinnenorientierten Pflege auf diesem Niveau werden Nutzerinnen in die Lage versetzt, Ziele zu entwickeln und zu artikulieren.

Nicht verschwiegen werden soll an dieser Stelle, dass es im Rahmen der Ökonomisierung und Wettbewerbsorientierung des Gesundheitswesens – wie aller anderen wichtigen Lebensbereiche auch – durchaus zu einem Diktat der Kostenrationalität kommt, das Entwicklungsspielräume und auch Professionalisierungsbemühungen der Pflege untergräbt. Insofern ist Friesachers Befund, dass es aufgrund ökonomischer Rahmenbedingungen zu »Entfremdungen, Transformationen und Umkodierungen« (Friesacher 2011, S. 374) für alle Beteiligten kommt, durchaus zuzustimmen. Doch auch dann gilt, dass erst durch die in den Expertenstandards vorgenommene, fachlich von der Berufsgruppe selbst verantwortete Leistungsbeschreibung benennbar, messbar und nachvollziehbar wird, was denn unter Kosteneinsparungszwang und Personalabbau Notwendiges nicht mehr getan wird, aber getan werden müsste. Insofern stellen Instrumente der Qualitätsentwicklung wie die Expertenstandards auch eine Rückfallposition für eine nutzerinnenorientierte Qualitätssicherung dar, da das Niveau der in Frage stehenden Leistung aus fachlicher Sicht nicht unterschritten werden darf. Für die entsprechenden strukturellen Bedingungen zu sorgen, stellt eine nicht hintergehbare Aufgabe des Managements jeder Einrichtung dar.

Kommen wir zu einem letzten Punkt, den Wirkungen und Folgen der Implementierung von Qualitätsinstrumenten und -methoden. Jede Innovation hat erwünschte und unerwünschte, erwartete und unerwartete Wirkungen und Nebenwirkungen, die konkret in den Kapiteln 6–8 vorgestellt werden. Vorweg sollen lediglich einige weiterführende Überlegungen skizziert werden. Zunächst noch einmal zu den Rahmenbedingungen: Es ist natürlich kontraproduktiv, Personalstellen im Pflegedienst massiv abzubauen, wie es im letzten Jahrzehnt allerorten in Deutschland geschehen ist und auch weiter geschieht, und gleichzeitig, auch als externe Qualitätskontrolle, die Einhaltung der Expertenstandards zu verlangen. Deren Inhalte können dann nur noch formal und minimal abgearbeitet werden, wobei der Zusammenhang mit der Gesamtproblematik der Patientin oder Bewohnerin allzu leicht verloren zu gehen droht.

Hier rächt sich, dass mit der formalen Einführung der Pflegeprozessmethode Mitte der 1980er Jahre nicht die längst fällige Umstellung der Pflegeorganisation durchgeführt wurde. Zur inhaltlich angemessenen Einführung der Pflegeprozessmethode hätte von den bis dahin überwiegend verrichtungsorientierten (Funktionspflege) auf personenorientierte Organisationsformen mit klarer Patientinnen- oder Bewohnerinnenzuordnung zu einer primär verantwortlichen Pflegefachkraft, im Idealfall also das Primary Nursing, umgestellt werden müssen. Nur so kann mit der Pflegeprozessmethode das Potenzial zur Patientinnen- oder Bewohnerinnen- bzw. Fallorientierung realisiert werden. Diese Umstellung ist maximal halbherzig geschehen, etwa mit der Einführung der Bereichspflege, und wird unter Personaleinsparungsdruck zum Teil sogar wieder zurückgedreht. Erst mit der vollständigen Delegation der Verantwortung für die Pflege von Patientinnen oder Bewohnerinnen an dafür entsprechend qualifizierte Pflegefachkräfte, kann überhaupt festgestellt werden, welches Maß an Arbeit zu leisten möglich ist. Den direkten Zusammenhang von steigender Fallzahl und zunehmenden ernsten Zwischenfällen in der Pflege haben US-amerikanische Studien eindeutig herstellen können (Aiken et al. 2002; 2003). Für die bundesdeutsche Situation ist zusätzlich auf die notwendige Anhebung des Qualifikationsniveaus zu verweisen. Die internationalen Erfahrungen zeigen, dass für die Übernahme der vollständigen pflegerischen Verantwortung für Patientinnen und Bewohnerinnen ein Bachelor-Abschluss die regelhafte Voraussetzung darstellt, womit deutlich wird, dass auch erfahrene Pflegefachkräfte fort- und weitergebildet werden müssen, um den mit dem Primary Nursing verbundenen Anforderungen gerecht zu werden. Die hierzulande nun zahlreicher werdenden dualen Pflegestudiengänge mit klinischer Ausrichtung lassen hoffen (vgl. Moers et al. 2012).

Eine andere Entwicklung, die mit der Einführung anspruchsvoller Qualitätsmethoden und -instrumente in der Pflege eng zusammenhängt, kann demgegenüber deutlicher als Erfolg bezeichnet werden. Gemeint ist der Einsatz von Pflegeexpertinnen als »change agents« oder »facilitators« in zahlreichen Gesundheits- und Pflegeinrichtungen. Sie verfügen meist über ein pflegewissenschaftlich ausgerichtetes Studium und haben sich als unverzichtbare Ebene des Wissenstransfers etablieren können. Auf dem langen Weg der Professionalisierung der Pflege als traditionsreichem, aber nicht wissenschaftlich gestützten Beruf, kommt gerade der Funktion der Sicherstellung des Wissenstransfers eine nicht zu überschätzende Bedeutung zu.

Ebenfalls mit der Pflegeprozessmethode zusammen hängt eine weitere, zum Teil unerwünschte Folge der Einführung von Expertenstandards, die hier exemplarisch für ähnliche Probleme benannt sei: Durch die themenbezogene Einführung der inzwischen sieben Expertenstandards in einzelnen Projekten, ist in manchen Einrichtungen eine Fülle zusätzlicher Formulare entstanden, die in Projektzusammenhängen hilfreich erscheinen, mit Blick auf den gesamten Pflegeprozess aber zu Doppelerhebungen und -dokumentationen führen können, da die Themen oft nach- und nebeneinander abgearbeitet werden und nicht in einem zusammenhängendem Assessment, anders gesagt: in die Pflegeanamnese integriert werden. Hier ein solches übergreifendes Assessmentinstrument zu schaffen kann als Forschungs- und vor allem: Entwicklungsbedarf klar benannt werden, der allerdings über die eigentliche Aufgabe des DNQP, die Entwicklung von Qualitätsinstrumenten, hinausgeht. Wir arbeiten daran, wie es so schön heißt, hoffen jedoch auch, dass andere Institute oder Arbeitsgruppen sich dieses Themas ebenfalls annehmen.

Weiterer Forschungsbedarf besteht über die in diesem Band vorgestellten Ergebnisse ganz sicher in der Wirkungsforschung der Expertenstandards: Welche konkreten Verbesserungen der klinischen Pflege sind feststellbar? Ebenso gibt es großen Unterstützungsbedarf in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen zur Einführung von Expertenstandards. Hier hat das DNQP über die modellhaften Implementierungsprojekte hinaus einen weiteren Schritt getan und eine offene Liste von Referenzeinrichtungen auf seine Internetseite gestellt, die im Sinne des Netzwerkgedankens bereit sind, ihre Erfahrungen mit der Implementierung von Expertenstandards weiterzugeben.

So schwierig die Situation der Pflegeberufe zwischen neuen und erhöhten Anforderungen einerseits und verknappten Ressourcen andererseits auch ist: Unsere Standortbestimmung für die bisherige Netzwerkarbeit fällt insgesamt positiv aus. In den letzten zwei Jahrzehnten konnten wichtige Entwicklungen zur Stärkung der Handlungssicherheit in der Pflegepraxis in Gang gesetzt werden: Das berufliche Selbstverständnis der Pflegenden ist in vielen Bereichen nicht nur klarer geworden, es ist auch gelungen, den eigenständigen Beitrag der Pflege zur Gesundheit von Patientinnen und Bewohnerinnen deutlich zu machen. Dabei lassen sich bereits Ausstrahlungseffekte über die einzelnen Standardthemen hinaus beobachten. So kann in den Einrichtungen, die mit Expertenstandards arbeiten, eine Renaissance des Themas Mobilität verzeichnet werden – denn ob Dekubitus- oder Sturzprophylaxe, Kontinenzförderung oder Schmerzmanagement: Die im Expertenstandard postulierte patientinnenorientierte Pflege, führt zur Förderung sicherer Mobilität und dem Erhalt weiterer Fähigkeiten von Patientinnen und Bewohnerinnen.

Ebenso wurde die Berufsgruppe gestärkt, indem sie zeigen konnte, dass sie in der Lage ist, ihre Inhalte selbst zu definieren und das Niveau fachlich angemessener Leistung selbst zu bestimmen – all dies sind wesentliche Merkmale der Professionalisierung und der in diesem nur langfristig zu denkenden Prozess gemachten Fortschritte. Weitere, auch institutionelle Schritte werden folgen, wie an der Diskussion um die Einrichtung von Pflegekammern abzulesen ist, die allmählich Fahrt auf- und Form annimmt. Dafür danken wir den tausenden von Netzwerkerinnen in der Pflege, die diese Erfolge durch langjährige Arbeit möglich gemacht haben. Ihnen widmen wir dieses Buch, das für alle Leserinnen hoffentlich eine inhaltsreiche und spannende Lektüre mit vielen Anregungen für Praxis, Forschung und Entwicklung darstellt.

Literatur

Aiken, L.; Clarke, S.; Sloane, D.; Sochalski, J. & Silber, J. (2002). Hospital nurse staffing and patient mortality, nurse burnout, and job dissatisfaction. In: JAMA. 288. Jg., Heft 16, 1987–1993.

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Dahlgaard, K. & Schiemann, D. (1996). Voraussetzungen und Darstellung der Methode der Stationsgebundenen Qualitätssicherung. In: Bundesministerium für Gesundheit (Hrsg.). Qualitätsentwicklung in der Pflege (Abschlußbericht), Teil 1. Baden-Baden: Nomos.

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1     Zur sprachlichen Vereinfachung und damit zur Verbesserung der Lesbarkeit wird im Text lediglich eine Geschlechtsform verwendet. Das jeweils andere Geschlecht ist ausdrücklich mit gemeint.

 

2          Networking for Quality: Qualitätsnetzwerke der Pflege auf europäischer und nationaler Ebene

Doris Schiemann

2.1       Europäisches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (EuroQUAN)

Die Entstehung von Qualitätsnetzwerken in der Pflege auf europäischer und nationaler Ebene Anfang der 1990er Jahre steht in direktem Bezug zum Programm der Weltgesundheitsorganisation (WHO) »Gesundheit für alle bis zum Jahr 2000« von 1980. In ihrer 31. Zielsetzung forderte die WHO alle Mitgliedsstaaten auf, bis 1990 im Rahmen ihres jeweiligen Gesundheitssystems effektive Verfahren zur Qualitätssicherung in der Patientenversorgung zu entwickeln und anzuwenden. Damit waren die Gesundheitsberufe in den Mitgliedsstaaten aufgerufen, die fachlichen und methodischen Anforderungen »guter Qualität« in der Gesundheitsversorgung zu definieren und ihren spezifischen Beitrag zur Entwicklung geeigneter Verfahren zur Qualitätsförderung und -messung zu leisten.

Die Überlegenheit von Netzwerken gegenüber anderen Organisationsformen besteht darin, dass sie aufgrund der Kultivierung informeller Austauschprozesse dynamischere Entwicklungen durch Synergieeffekte ermöglichen. Ihre Funktion kann außerdem darin bestehen, Gegengewicht zu bürokratischen Praktiken zu sein, beispielsweise zu gesetzlich verordneten Qualitätssicherungssystemen, in deren Rahmen statt gezielter Unterstützungsprogramme zur Verbreiterung des Qualitätswissens, behördliche Überwachungen der Pflegequalität im Vordergrund stehen. Qualität lässt sich nicht allein durch externe Prüfverfahren sichern, sondern bedarf der systematischen Qualitätsentwicklung auf breiter Front. Dabei spielt die Vernetzung der zahlreichen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen eine wesentliche Rolle, denn nur so können lokal bewährte innovative Verfahren flächendeckend nutzbar gemacht werden. Zur Herstellung der Akzeptanz der Qualität durch Akzeptanz des allgemein anerkannten Standes der Kunst innerhalb der Profession, ist wiederum der Vernetzung von Pflegewissenschaft und -praxis ein hoher Stellenwert beizumessen. Ihrem Zustandekommen wurde deshalb von Anfang an besondere Aufmerksamkeit gewidmet.

Die Gründung von EuroQUAN erfolgte 1992 durch das Oxforder Institute for Nursing des Royal College of Nursing (RCN) unter Federführung von Alison Kitson. Während im WHO-Förderprogramm zunächst nur diejenigen Länder beteiligt waren, die bereits über ein breites Wissens- und Erfahrungsspektrum auf diesem Gebiet verfügten – hierzu zählten Dänemark, Großbritannien, Irland, die Niederlande und die skandinavischen Länder –, wurden nun auch die übrigen westeuropäischen Länder einbezogen. Ihnen bot sich damit die Chance, im Rahmen von EuroQUAN-Konferenzen, länderübergreifenden Projekten und Hospitationen den eigenen Entwicklungsrückstand aufzuholen. Eine Steuerungsgruppe – pro Land ein Mitglied – übernahm die Aufgabe, gemeinsame Qualitätsstrategien und -projekte zu entwickeln, Konferenzen vorzubereiten und sich an der Erstellung und Verbreitung eines englischsprachigen Newsletters zu beteiligen. Von den Mitgliedern in der Steuerungsgruppe wurde außerdem erwartet, dass sie in Kooperation mit den Berufsverbänden ihres Landes ein eigenes nationales Qualitätsnetzwerk aufbauen.

Auf ihrer ersten Sitzung konnten sich die Mitglieder der Steuerungsgruppe auf die folgenden fünf Ziele für das »Networking for Quality« einigen (Schiemann 1993, S. 27 f.):

•  Hervorragende Leistungen in der Pflege zu fördern,

•  traditionelle Verhaltensmuster zu reflektieren,

•  transkulturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede zu nutzen,

•  effektive Praktiken in der Qualitätsentwicklung zu verbreiten,

•  Forschungsergebnisse in einer durchdachten und systematischen Weise zu nutzen.

In der Mehrzahl der beteiligten Länder war es auch tatsächlich möglich, Programme zur Umsetzung der gemeinsam formulierten Ziele in einem überschaubaren Zeitraum auf den Weg zu bringen: Ein wesentlicher Programmpunkt war in nahezu allen Ländern die Einführung der Methode der »Stationsgebundenen Qualitätsentwicklung« (SQE) – im internationalen Sprachgebrauch als »unit-« oder »ward-based-method« bekannt. Es handelt sich um ein in den USA Anfang der 1980er Jahre des letzten Jahrhunderts entwickeltes »dezentrales und dynamisches bottom-up-system«, in dessen Rahmen die Pflegenden in kleinen Organisationseinheiten, z. B. auf Stations- bzw. Abteilungsebene, ihre Pflegestandards selbst erarbeiten und evaluieren und während dieses Prozesses von eigens für diese Aufgabe qualifizierten Kollegen fachlich und methodisch unterstützt werden (Schroeder & Maibusch 1984).

Für eine Reihe von Mitgliedsländern (Dänemark, Großbritannien, Niederlande und Schweden) stand zu Beginn der 1990er Jahre parallel zur Einführung der SQE auch bereits die Entwicklung nationaler Pflegestandards durch Expertenarbeitsgruppen auf dem Programm. Das war ihnen im Vergleich mit den übrigen Ländern aufgrund deutlich besserer struktureller Voraussetzungen möglich. Dazu gehörten in allen Ländern u. a. ein höherer Entwicklungsstand der Pflege auf fachlicher und organisatorischer Ebene, ein früherer Beginn akademischer Ausbildungsprogramme in Kombination mit der staatlichen Förderung von Qualitätsprojekten, dem Vorhandensein eines berufsübergreifenden Qualitätsinstituts für die Gesundheitsberufe oder eines Forschungsinstituts für die Pflegeberufe.

Von diesen ersten gut dokumentierten Erfahrungen mit der Entwicklung von Expertenstandards profitierten in hohem Maße auch die Partnerländer. Als richtungsweisende Beispiele sollen hier insbesondere die 22 RCN-Standards für die pädiatrische Krankenpflege in Großbritannien und das standardisierte Auditinstrument zu diesen Standards genannt werden (RCN 1994). Aufgrund ihres innovativen Potenzials haben sie vielerorts einen Paradigmenwechsel in der Kinderkrankenpflege eingeleitet, der darin bestand, kind- und familienorientierte Konzepte konsequent umzusetzen und den Wissenstransfer zu beschleunigen.

Die Finanzierung des europäischen Netzwerks war über einen Zeitraum von drei Jahren durch die British Foundation of Nursing Studies in London gesichert. Diese Stiftung hatte sich zur Aufgabe gemacht, Anschubfinanzierungen für Projekte zu leisten, mit deren Hilfe der Wissenstransfer von der Forschung in die Pflegepraxis beschleunigt werden kann. Ihr Slogan hieß kurz und bündig: »Putting Research into Practice«. Leider sind alle Versuche gescheitert, nach diesem Förderzeitraum eine langfristige Etablierung von EuroQUAN auf Basis von Beiträgen aus den Mitgliedsländern oder Mitteln der Europäischen Union sicherzustellen. Aus diesem Grund ist erklärbar, weshalb trotz der sehr effektiven Netzwerkarbeit der Auflösungsprozess von EuroQUAN bereits wenige Jahre nach seiner Gründung einsetzte. Auch wenn dem »Networking for Quality« innerhalb von EuroQUAN nur eine kurze Zeitdauer beschieden war, sind zwischen verschiedenen europäischen Partnerorganisationen tragfähige Verbindungen entstanden, mit denen der Qualitätsdialog bzw. die Zusammenarbeit im Rahmen gemeinsamer länderübergreifender Projekte fortgesetzt werden konnte. Zur Erfolgsbilanz von EuroQUAN gehört auch, dass innerhalb weniger Jahre in allen Mitgliedsländern ein deutlicher Kompetenzzuwachs in der Qualitätsmethodik der Standardentwicklung und -einführung erreicht werden konnte. Darüber hinaus sind mit dem Aufbau nationaler Netzwerke Voraussetzungen für eine langfristige professionelle Qualitätsarbeit in der Pflege geschaffen worden. Der Aufbau eines nationalen Qualitätsnetzwerks stellte insbesondere für diejenigen Länder einen wichtigen Meilenstein dar, denen bis dahin (für einige Länder gilt das immer noch, z. B. für Deutschland) noch keine geeigneten Strukturen für die Institutionalisierung der Qualitätsarbeit in der Pflege zur Verfügung standen, die weder über entsprechende Qualitätsinstitute, ausreichende Forschungsressourcen noch über Pflegekammern verfügten.

2.2       Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)

In Deutschland hat die Hochschule Osnabrück 1992 mit dem Aufbau eines nationalen Qualitätsnetzwerks begonnen. Sie konnte dabei auf eigene grundlegende Erfahrungen und den Wissensvorsprung von Partnerländern aus dem europäischen Netzwerk zum methodischen Vorgehen bei der Entwicklung von Praxis- und Expertenstandards zurückgreifen (RCN 1990; Schiemann 1990; Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Osnabrück 1992; Verpleegkundig Weetenschappelijke Raad 1992).

Die Voraussetzungen für einen zügigen Aufbau tragfähiger Netzwerkstrukturen waren an der Hochschule Osnabrück nicht nur deshalb günstig, weil von Anfang an Ressourcen für eine Geschäftsstelle zur Verfügung standen. Aufgrund vielfältiger Aktivitäten zum Aufbau von Studiengängen zur akademischen Qualifizierung von Pflegemanagern und -experten und zur Etablierung des Lehr- und Forschungsgebietes Pflegewissenschaft verfügte die Hochschule bereits über weitreichende Kontakte und Vernetzungen zu Berufsverbänden, Gesundheitsministerien auf Bundes- und Länderebene sowie Bildungs-, Forschungs- und Praxiseinrichtungen im In- und Ausland.

Unter diesen Rahmenbedingungen war es bereits 1994 möglich, einen hochkarätigen Lenkungsausschuss für das DNQP zu bilden, analog zur Steuerungsgruppe im europäischen Netzwerk. Seine Mitglieder sind mit der Weiterentwicklung der Pflegequalität in unterschiedlichen Aufgabenfeldern der Pflegepraxis und -wissenschaft tätig, ihre Aufgabe im DNQP besteht hauptsächlich in der inhaltlichen Steuerung der Netzwerkarbeit. Dies geschieht in enger Zusammenarbeit mit der wissenschaftlichen Leitung und dem wissenschaftlichen Team in Osnabrück. Darüber hinaus sind die Lenkungsausschuss-Mitglieder referierend, moderierend und protokollierend an allen Veranstaltungen des DNQP aktiv beteiligt.

Schwerpunkt der inhaltlichen Arbeit des DNQP war in den 1990er Jahren die Entwicklung betriebsinterner Pflegestandards. In diesem Kontext nahm der Fachdiskurs über die Methode der Stationsgebundenen Qualitätsentwicklung (SQE) einschließlich der im Ausland vorliegenden Erfahrungen mit ihrer Anwendung einen breiten Raum ein. Ein wichtiges Medium für den kontinuierlichen Informationsaustausch innerhalb des DNQP war neben den regelmäßig stattfindenden Netzwerk-Workshops von 1994 bis 1999 eine jährlich stattfindende Berichterstattung über die aktuellen Qualitätsaktivitäten der Netzwerk-Mitglieder (Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, ambulante Pflegedienste und Bildungseinrichtungen), die vom DNQP in einem sogenannten Netzwerk-Katalog zusammengefasst und veröffentlicht wurden.

Dem Netzwerk-Katalog von 1999 war bereits ein deutlicher Trend der Mitgliedseinrichtungen (knapp 90 Einrichtungen hatten sich an der Berichterstattung beteiligt) zur Anwendung der Stationsgebundenen Methode zu entnehmen. Analog zu den Erfahrungen der weiterentwickelten europäischen Partnerländer konnte in diesen Einrichtungen (überwiegend Krankenhäuser) ein beachtlicher methodischer Kompetenzzuwachs im Rahmen der Standardentwicklung und -einführung festgestellt werden. Allerdings gab es neben dieser positiven Entwicklung auch deutliche Hinweise darauf, dass das fachliche Niveau der Praxisstandards teilweise unzureichend war und aus diesem Grund auffällige Qualitätsabweichungen zwischen den Pflegestandards unterschiedlicher Mitgliedseinrichtungen zur selben Thematik bestanden (DNQP 1999).

Dies führte innerhalb des DNQP zu einer wachsenden Verunsicherung über das anzustrebende Qualitätsniveau interner Pflegestandards. Nach intensiven Diskussionen hat das DNQP in der Folge einen Strategiewechsel vollzogen und arbeitet seit 1999 in Kooperation mit dem Deutschen Pflegerat (DPR) an der Entwicklung evidenzbasierter Expertenstandards, die für Kooperationspartner alle Aufgabenfelder der professionellen Pflege als richtungsweisend anzusehen sind. Den Ausschlag für diese Entscheidung haben zu einem großen Teil die Ergebnisse aus dem o. g. britischen Forschungsprojekt gegeben, denen zu entnehmen war, dass Expertenstandards eine wichtige Orientierung gebende Funktion für die Entwicklung betriebsinterner Pflegestandards haben.

Mit der Entscheidung, Qualitätsvereinbarungen auf nationaler Ebene zu treffen, verfügen die Pflegeberufe über weitere notwendige Voraussetzungen zur Lenkung der Professionalisierung und Ausbildung. Mit diesem Schritt war es dem DNQP außerdem möglich, den Anschluss an den internationalen Entwicklungsstand auf dem Gebiet der Entwicklung und Anwendung evidenzbasierter Qualitätsinstrumente in Pflege und Medizin herzustellen.

Die Finanzierung der DNQP-Arbeit erfolgte zunächst (von 1999 bis 2008) sowohl aus Fördermitteln des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) als auch aus Einnahmen des DNQP und inzwischen ausschließlich aus eigenen Einnahmen. Dabei handelt es sich um Verkaufserlöse aus Veröffentlichungen und Einkünften im Rahmen von Konsensus-Konferenzen und Netzwerk-Workshops. Mit dieser Finanzierungsform aus öffentlicher Förderung und Eigenmitteln ist die Unabhängigkeit des DNQP von kommerziellen oder anderen Interessengruppen sichergestellt. Besonders hervorzuheben ist, dass ein großer Teil der Qualitätsarbeit im DNQP ehrenamtlich erbracht wird, vor allem Lenkungsausschuss und Expertenarbeitsgruppen.

Ein wichtiger Anstoß für die Projektförderung von Expertenstandards durch das BMG war der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) von 1999 über »Ziele einer einheitlichen Qualitätsstrategie im Gesundheitswesen.« Mit dieser gemeinsamen gesundheitspolitischen Strategie auf Bundes- und Landesebene hat die GMK neben der Ärzteschaft auch die Pflegeberufe verpflichtet, sich im Rahmen der Qualitätssicherung um wissenschaftliche Verfahren, evidenzbasierte Instrumente und fachliche Kompetenzen zu kümmern (GMK 1999, S. 10 f.).

Mit Inkrafttreten des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes (PfWG) zum 1. Juli 2008 sind die Expertenstandards des DNQP als ein wesentliches Qualitätsinstrument in den institutionellen Rahmen und den rechtlichen Zusammenhang des XI. Sozialgesetzbuches gestellt worden, um die Regelfinanzierung zur Entwicklung und Anwendung zukünftiger Expertenstandards für den Bereich der Pflege gemäß § 113a Sozialgesetzbuch (SGB) XI zu sichern. Die Verantwortung für das Verfahren zur Entwicklung, Konsentierung, Implementierung und Aktualisierung von Expertenstandards wurde den in § 113a SGB XI genannten Vertragsparteien (Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände, Vereinigung der Träger der Pflegeeinrichtungen, GKV-Spitzenverband) im Sinne eines Sicherstellungsauftrags übertragen. In Anlehnung an das »DNQP-Methodenpapier« (2007) ist eine Verfahrensordnung erarbeitet worden, die weitgehend sicherstellt, dass eine unabhängige Entwicklung von Expertenstandards auf hohem wissenschaftlichen Niveau stattfinden kann und Transparenz über die Ergebnisse der einzelnen Verfahrensschritte gegenüber der Fachöffentlichkeit gewährleistet ist. Aufträge zur Erarbeitung und Aktualisierung von Expertenstandards für die Pflege in Einrichtungen aus dem Geltungsbereich des PfWG, sollen in Zukunft fachöffentlich ausgeschrieben und durch die Vertragsparteien vergeben werden. Eine erste Ausschreibung zum Thema Erhaltung und Förderung der Mobilität in der Pflege ist 2012 erfolgt. Der Auftrag wurde an das DNQP vergeben.

Das DNQP verfolgt weiterhin seine sektorenübergreifende Qualitätsarbeit mit den Expertenstandards und hat sich auf eine dauerhafte Etablierung eingestellt. Darüber hinaus besteht die Notwendigkeit, das Spektrum wissenschaftlich erprobter und wirksamer Qualitätsinstrumente zu erweitern, um nachhaltig an die Erfahrungen des Auslands anknüpfen zu können (Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2005; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen 2012; Schiemann & Moers 2005). Besonderes Interesse besteht an der Entwicklung und Anwendung evidenzbasierter Qualitätsindikatoren. Entsprechend den internationalen Regeln zur Entwicklung von Qualitätsindikatoren im Gesundheitswesen ist eine enge Anbindung an die Schlüsselinstrumente, Leitlinie oder den Expertenstandard zu dem jeweiligen Themenschwerpunkt anzustreben (CBO 2002; Kopp et al. 2007; Reiter et al. 2008). Die Expertenstandards des DNQP bieten sich als Grundlage für die Entwicklung und Anwendung wissenschaftlich hochwertiger Qualitätsindikatoren sowohl für das interne Qualitätsmanagement als auch für die externe vergleichende Qualitätssicherung, entsprechend den gesetzlichen Vorschriften von § 137 SGB V und § 115 SGB XI, an. Mit dem Generalindikator »Dekubitusprophylaxe«ist hier ein erster Schritt getan (BQS 2005; AQUA-Institut 2012; IQTIG 2016). Qualitätsindikatoren eignen sich als Werkzeug für die Evaluierung von Versorgungsleistungen, mit denen es möglich ist, in regelmäßigen Abständen und mit überschaubarem Aufwand Daten zu erheben, die verlässliche Hinweise auf den Umsetzungsgrad der angestrebten Qualitätsziele zu besonders sensiblen Problembereichen der Pflege liefern und eine Unterscheidung zwischen gut und verbesserungsbedürftig ermöglichen. Diese Evaluierungen sind allerdings kein Ersatz für differenzierte Qualitätsmessungen, auffällige Ausprägungen von Indikatoren geben lediglich einen Hinweis auf Mängel, deren Vorliegen in einem weiteren Schritt zu untersuchen ist (u. a. ÄZQ 2002, S. 2 f.; Kopp et al. 2007; Reiter et al. 2008, S. 9 f.; Elsbernd 2009, S. 446 f.; Lelgemann 2009, S. 8). Das DNQP hält es aus Ressourcengründen für sinnvoll, die Entwicklung von Expertenstandards zukünftig mit der Entwicklung von Qualitätsindikatoren zu verknüpfen (Kap. 5).

Im Hinblick auf den Erhalt einer fachlich unabhängigen Entwicklung von Expertenstandards, das gilt ebenso auch für die Entwicklung von Qualitätsindikatoren, wird auch in Zukunft ein starker Rückhalt in der Berufsgruppe von entscheidender Bedeutung sein. Aufgrund einer vorbildlichen Zusammenarbeit von Pflegepraxis und -wissenschaft, einer engen Kooperation mit dem DPR und einem produktiven »Networking for Quality« ist es bisher gelungen, auf dem Gebiet der Standardentwicklung internationales Niveau zu erreichen. Nicht nur bundesweit, sondern auch im gesamten deutschsprachigen Raum ist eine große und weiterhin steigende Resonanz auf die Arbeit des DNQP festzustellen, aus der sich ein deutliches Interesse an der Fortsetzung dieser Arbeit ableiten lässt. Belege dafür sind neben der hohen Nachfrage nach den Expertenstandards das wachsende Interesse von Institutionen und Fachexperten an der Einführung von Expertenstandards (Besendorfer 2009; Mittermaier & Kozon 2012; Ralic 2013).

Literatur

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Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Osnabrück (1992). Leistungskatalog und Pflegestandards. Arbeitskreis Einsatzmöglichkeiten der EDV in der Krankenpflege an der Fachhochschule Osnabrück. Arbeitsberichte Band 25/92. Osnabrück: Fachhochschule Osnabrück.

Gesundheitsministerkonferenz (1999). Ziele für eine einheitliche Qualitätsstrategie im Gesundheitswesen. 72. Gesundheitsministerkonferenz am 9./10. Juni 1999 in Trier.

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Kopp, I.; Geraedts, M.; Jäckel, W. H.; Altenhofen, L.; Thomeczek, C. & Ollenschläger, G. (2007). Nationale Versorgungsleitlinien – Evaluation durch Qualitätsindikatoren. In: Med Klin. 102. Jg., Heft 8, 678–682.

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Reiter, A.; Fischer, B.; Kötting, J.; Geraedts, M.; Jäckel, W. H.; Barlag, H. & Döbler, K. (2008). QUALIFY: Ein Instrument zur Bewertung von Qualitätsindikatoren. Düsseldorf: BQS.

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WHO (1987). Die Rolle des Beraters bei der Qualitätssicherung in der Pflegepraxis. Bericht über eine WHO-Tagung. Den Haag, 2.–4. Dezember 1987. Kopenhagen: WHO Regional Office for Europe.

 

 

 

I           Expertenstandards in der Pflege

 

3          Qualitätsmethodik zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung evidenzbasierter Expertenstandards in der Pflege

Doris Schiemann & Martin Moers

3.1       Begriff und Funktion von Expertenstandards

Stand der internationalen Qualitätsdiskussion in der Pflege ist seit langem, dass neben betriebsintern entwickelten Pflegestandards auch von Pflegeexperten erarbeitete evidenzbasierte und von der Berufsgruppe konsentierte Standards in die Pflegepraxis zu implementieren sind. Praxis- und Expertenstandards gelten als effektive und hochpriorisierte Instrumente zur Qualitätsentwicklung. Sie geben die Zielsetzung komplexer pflegerischer Aufgaben sowie Handlungsspielräume und -alternativen vor und eignen sich für Pflegeprobleme mit erheblichem Einschätzungsbedarf und Pflegehandlungen mit hohem Interaktionsanteil – mit anderen Worten: Sie zeigen das angestrebte Niveau der Leistungserbringung auf – und sind daher nicht mit Handlungsrichtlinien (procedures) zu verwechseln, die auf die genaue Beschreibung von Handlungsabläufen, technischen Anweisungen oder Anweisungen zur Hygiene ausgerichtet sind und im deutschen Sprachgebrauch häufig mit dem Begriff »Standardisierung« im Sinne von immer gleichen Abläufen belegt werden (Schiemann 1993; Moers & Schiemann 2004).

Praxis- und Expertenstandards stellen also ein professionell abgestimmtes Leistungsniveau dar, das dem Bedarf und den Bedürfnissen der damit angesprochenen Bevölkerung angepasst ist und Kriterien zur Erfolgskontrolle dieser Pflege mit einschließt. Diese Definition von Standards in der Pflege entstammt der internationalen Diskussion der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem International Council of Nurses (ICN) und dem Europäischen Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (EuroQUAN). Sie reflektiert den verbindlichen und weitgehenden Auftrag, wirksames Instrument der Qualitätsentwicklung zu sein und durch den aktiven Theorie/Praxis-Transfer zur Entwicklung und Professionalisierung der Pflegepraxis beizutragen (WHO 1982; WHO 1984; RCN 1990; RCN 1994; ICN 1991; ICN 2004; Schiemann 1993, S. 28; Bieback 2004, S. 105).

Aus Sicht des ICN besteht für jede Berufsgruppe im Gesundheitswesen eine Notwendigkeit, für sich gewisse Standards festzulegen und zu kontrollieren und sie allen interessierten Beteiligten transparent zu machen. Für die Pflegeberufe wird die Entwicklung von Standards für Praxis und Ausbildung als besonders dringend angesehen, weil Kostensenkungsmaßnahmen in vielen Ländern mit weitreichenden Umstrukturierungen und Schwerpunktverlagerungen innerhalb der Gesundheitsversorgung verbunden sind, die neben der Entwicklung neuer Berufsgruppen zu Neubestimmungen der Rolle des Pflegepersonals führen. Standards in der Pflege sind als ein Instrument zu verstehen, mit deren Hilfe die Qualität von Leistungen definiert, eingeführt und bewertet werden kann und das Auskunft darüber gibt, welche Verantwortung die Berufsgruppe gegenüber der Gesellschaft, den Pflegebedürftigen, dem Gesetzgeber wie auch gegenüber ihren einzelnen Mitgliedern übernimmt (ICN 1991, S. 629–652).

Die nationalen Expertenstandards des DNQP sind evidenzbasierte, monodisziplinäre Instrumente, die den spezifischen Beitrag der Pflege für die gesundheitliche Versorgung von Patienten, Bewohnern und ihren Angehörigen zu zentralen Qualitätsrisiken aufzeigen und Grundlage für eine kontinuierliche Verbesserung der Pflegequalität in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen bieten. Ihre Funktion besteht hauptsächlich darin, neben der Definition beruflicher Aufgaben und Verantwortungen, eine evidenzbasierte Berufspraxis zu fördern und Innovationen in Gang zu setzen. Darüber hinaus fördern sie – analog zu ärztlichen Leitlinien – die interprofessionelle Kooperation in der Gesundheitsversorgung.

In den 1990er Jahren wurde innerhalb und zwischen den Gesundheitsberufen kontrovers darüber debattiert, ob die Zusammenarbeit von Ärzten und Pflegenden durch die Verwendung unterschiedlicher Begriffe für Qualitätsinstrumente mit ähnlicher Funktion zu Reibungsverlusten im Rahmen des Qualitätsmanagements führen kann. Analog zu den internationalen Erfahrungen hat sich gezeigt, dass evidenzbasierte Expertenstandards und evidenzbasierte ärztliche Leitlinien mit dem gleichen Themenschwerpunkt keine miteinander konkurrierenden Instrumente sind, sondern sich weitgehend ergänzen. Dies lässt sich beispielhaft an patientenorientierten Behandlungs- bzw. Versorgungspfaden aufzeigen. Hier besteht die Notwendigkeit, eine für den therapeutischen Erfolg optimale Abfolge ärztlicher, pflegerischer, physiotherapeutischer und weiterer Leistungen für einzelne Zielgruppen oder Behandlungsanlässe festzulegen und darüber hinaus die jeweiligen inhaltlichen Beiträge der beteiligten Berufsgruppen auf Grundlage anerkannter Leitlinien und Standards zu definieren. Gezeigt hat sich auch, dass die intra- und interprofessionelle Akzeptanzvon Leitlinien und Standards weitgehend von deren Qualität, z. B. dem Evidenznachweis und der Verständlichkeit, der Transparenz ihres Zustandekommens und nicht zuletzt auch ihrer Implementierbarkeit abhängt (Selbmann & Kopp 2005; Schiemann & Moers 2011b). Für die intraprofessionelle Akzeptanz ist darüber hinaus ausschlaggebend, dass die Berufsgruppe ihre Instrumente selbst auf der Grundlage von kollektivem Fachwissen (der sogenannten Evidenz) entwickelt und anwendet (Ollenschläger 2007, S. 8). Dass die bisher vorliegenden Expertenstandards des DNQP innerhalb der Pflegeberufe außerordentlich große Akzeptanz gefunden haben, ist darauf zurückzuführen, dass es gelungen ist, die Berufsgruppe bundesweit in einen intensiven Qualitätsdialog zu den einzelnen Standardthemen einzubinden und den Fachdiskurs zwischen Pflegepraxis und -wissenschaft erfolgreich in Gang zu setzen. Das weiterhin steigende Interesse an den Expertenstandards und einer aktiven (ehrenamtlichen) Mitwirkung im Rahmen der Standardentwicklung, -konsentierung, -implementierung und -aktualisierung lässt sich aus den Rückmeldungen der Teilnehmer an den einzelnen Verfahrensschritten, der hohen Nachfrage nach allen vorliegenden Expertenstandards und der großen Anzahl an Veröffentlichungen zu den Expertenstandards durch Berufsangehörige aus unterschiedlichen Aufgabenfeldern ableiten.

Die vorliegenden Expertenstandards des DNQP haben nicht nur innerhalb der Pflegeberufe große Wirkung entfaltet, sondern auch bei Kostenträgern, Juristen und Standesorganisationen der Ärzte sowie anderer Gesundheitsberufe für erhebliche Aufmerksamkeit gesorgt. Ihre Wirksamkeit als Qualitätsinstrumente und ihre Praxistauglichkeit in stationären Pflegeeinrichtungen, ambulanten Pflegediensten und Krankenhäusern konnten in den vergangenen Jahren unter anderem in allen sieben bundesweiten Implementierungsprojekten überzeugend nachgewiesen werden (Kap. 6–8).

3.2       Sechsstufiges Konzept des DNQP zur Entwicklung, Einführung und Aktualisierung evidenzbasierter Expertenstandards

Die Expertenstandards werden in einem sechsstufigen Prozess entwickelt, konsentiert, modellhaft implementiert und aktualisiert. Das qualitätsmethodische Vorgehen ist in einem Methodenpapier zu jeder einzelnen Stufe detailliert festgehalten und steht der Öffentlichkeit auf der Webseite des DNQP als PDF-Datei kostenlos zur Verfügung (DNQP 2011). Es stützt sich auf international anerkannte Regeln der Standard- und Leitlinienentwicklung und wird auf der Basis eigener Projekterfahrungen sowie einer Analyse der aktuellen qualitätsmethodischen Fachliteratur kontinuierlich weiterentwickelt.

Für die Erarbeitung einer qualitätsmethodischen Konzeption zur Entwicklung von Expertenstandards