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„Mein Mädchen ahnt nichts. Sie hat große Schuld auf sich geladen. Sie wird zu meiner Rabenschwester …“ Eine junge Prostituierte stürzt von einer Brücke in ein fahrendes Auto. Eine Zweite sitzt tot an einem Campingtisch bei einer Raststation. Als die alarmierte Polizei am Tatort eintrifft, stellt sie fest, dass die toten Mädchen ein schreckliches gemeinsames Merkmal aufweisen: Sie haben Rabenmasken auf ihr Gesicht geklebt. Als Chefinspektor Tony Braun mit seinem Team zu ermitteln beginnt, ahnt er noch nicht, dass er es mit seinem bisher schlimmsten Fall zu tun hat, denn diesmal ist er persönlich betroffen… Alle Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Die Tony-Braun-Thriller-Reihe: "Totes Sommermädchen" - wie alles begann - der erste Tony Braun Thriller "Töten ist ganz einfach" - der zweite Fall "Freunde müssen töten" - der dritte Fall "Alle müssen sterben" - der vierte Fall "Der stille Duft des Todes" - der fünfte Fall "Rattenkinder" - der sechste Fall "Rabenschwester" - der siebte Fall "Stiller Beobachter" - der achte Fall "Strandmädchentod" - der neunte Fall "Stilles Grabeskind" - der zehnte Fall
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Impressum
Anmerkung
Über die Autoren B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
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Bücher von B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Damals
Jetzt
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Damals
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Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
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Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
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Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
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Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Damals
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Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Damals
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Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Danksagung
Sämtliche Figuren und Ereignisse dieses Romans sind der Fantasie entsprungen. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist zufällig und von den Autoren nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Blue Velvet Management e.U. urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.
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Hintergrund: Authors own
Wir haben uns erlaubt, einige Namen und Örtlichkeiten aus Spannungsgründen neu zu erfinden, anders zu benennen und auch zu verlegen. Sie als LeserInnen werden uns diese Freiheiten sicher nachsehen.
Barbara und Christian Schiller leben und arbeiten in Wien und auf Mallorca mit ihren beiden Ridgebacks Calisto & Emilio.
Gemeinsam waren sie über 20 Jahren in der Marketing- und
Werbebranche tätig und haben ein totales Faible für spannende Krimis und packende Thriller.
B.C. Schiller gehören zu den erfolgreichsten Spannungs-Autoren im deutschsprachigen Raum. Bisher haben sie mit ihren Krimis über 3.000.000 Leser begeistert.
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TONY-BRAUN-THRILLER:
TOTES SOMMERMÄDCHEN – der erste Tony-Braun–Thriller –
»Wie alles begann«
TÖTEN IST GANZ EINFACH – der zweite Tony-Braun-Thriller
FREUNDE MÜSSEN TÖTEN – der dritte Tony-Braun-Thriller
ALLE MÜSSEN STERBEN – der vierte Tony-Braun-Thriller
DER STILLE DUFT DES TODES – der fünfte Tony-Braun-Thriller
RATTENKINDER – der sechste Tony-Braun-Thriller
RABENSCHWESTER – der siebte Tony-Braun-Thriller
STILLER BEOBACHTER – der achte Tony-Braun-Thriller
STRANDMÄDCHENTOD – der neunte Tony-Braun-Thriller
STILLES GRABESKIND – der zehnte Tony-Braun-Thriller
Alle Tony-Braun-Thriller waren monatelang Bestseller in den Charts. Die Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
GRETCHEN LARSSEN UND DAS OSTSEEMÄDCHEN: der erste Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DAS DÜNENOPFER: der zweite Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEZORN: der dritte Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEESCHULD: der vierte Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DER KÜSTENMÖRDER: der fünfte Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEMORD: der sechste Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEETRÄNEN: der siebte Band mit Gretchen Larssen
MALLORCA-INSELKRIMI:
MÄDCHENSCHULD – ist der erste Band der neuen spannenden Mallorca-Inselkrimi-Reihe mit der Inspectora Ana Ortega und dem Europol-Ermittler Lars Brückner. Die Krimis sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
SCHÖNE TOTE – der zweite Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.
FAMILIENBLUT – der dritte Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.
NORDTOD - KÜSTENTHRILLER:
NORDTOD - DIE KOLIBRIMÄDCHEN: der erste spannende Cold-Case-Fall mit der schwedischen Ermittlerin Signe Nord.
DUNKELSTEIG – Trilogie:
DUNKELSTEIG: der erste Band mit Felicitas Laudon
DUNKELSTEIG – SCHULD –der zweite Band mit Felicitas Laudon
DUNKELSTEIG – BÖSE: der dritte und letzte Band mit Felicitas Laudon
Psychothriller:
DIE FOTOGRAFIN
DIE SCHWESTER
DIE EINSAME BRAUT
Die TARGA-HENDRICKS-Thriller:
DER MOMENT, BEVOR DU STIRBST – der erste Fall mit Targa Hendricks
IMMER WENN DU TÖTEST – der zweite Fall mit Targa Hendricks
DUNKELTOT, WIE DEINE SEELE – der dritte Fall mit Targa Hendricks
Die DAVID-STEIN-Thriller:
DER HUNDEFLÜSTERER – David Steins erster Auftrag
SCHWARZER SKOPRION – David Steins zweiter Auftrag
ROTE WÜSTENBLUME – David Steins dritter Auftrag
RUSSISCHES MÄDCHEN – David Steins vierter Auftrag
FREMDE GELIEBTE – David Steins fünfter Auftrag
EISIGE GEDANKEN – David Steins sechster Auftrag
TODESFALTER – David Steins siebter Auftrag
LEVI-KANT-Cold Case-Krimi:
BÖSES GEHEIMNIS – der erste Cold Case
BÖSE TRÄNEN – der zweite Cold Case
BÖSES SCHWEIGEN – der dritte Cold Case
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„Ich will nicht sterben“, schrieb sie mit dem Zeigefinger in den feinen Staub, der sich wie Puderzucker auf der Tischplatte abgelagert hatte. ‚Ich muss meinen Namen dazusetzen‘, dachte sie, konnte aber die Hand nicht weiter nach rechts bewegen. Langsam kroch die Panik wieder in ihr hoch. Es war dieselbe Panik von vorhin, die aber in einen lähmenden Schockzustand übergegangen war, als sie den glühenden Schmerz in ihrem Auge spürte. Nachdem die erste Welle des Grauens abgeebbt war, hatte sie sich beruhigt und sich eingeredet, dass nichts passiert sei, dass sie noch immer am Leben war. ‚Ruhig ein- und ausatmen‘, ermahnte sie sich und konzentrierte sich wieder auf den stillen Jungen. Der jetzt bemerkte, dass sich ihr Finger bewegte, und der mit abgezirkelten Bewegungen an den Tisch trat, um den Satz zu lesen. Der sie mit großen ausdruckslosen Augen anstarrte und schließlich mit der Hand den Staub vom Tisch wischte.
Die Worte „Ich will nicht sterben“ wurden unsichtbar, waren nie geschrieben. Ihr tonloser Hilferuf fiel in einer Unzahl von Staubpartikeln auf den Betonboden, verschmolz mit anderen ungesehenen und ungelesenen Botschaften der Angst. Damit schien ihr Schicksal besiegelt zu sein, genauso wie das der anderen Mädchen, die an Stühle gefesselt um den Tisch saßen.
Der stille Junge richtete mit beiden Händen ihr Kleid. Dann positionierte er die Kaffeetasse in einem exakt bemessenen Abstand zur Tischkante und schob vorsichtig ihren Finger wieder zurück auf die Stuhllehne. Zum Schluss zog er das Klebeband fester, mit dem sie an den Stuhl gefesselt war.
Er drapierte eine Kaffeekanne in der Mitte des Tisches und richtete erneut die Tassen aus.
Konzentriert.
Mit der Zunge zwischen den Zähnen.
Fast zwanghaft.
Dann endlich schien der Abstand zwischen den Tassen zu stimmen und er drehte sich wieder zu ihr. Für den stillen Jungen war sie interessant, denn sie war noch am Leben. Die anderen Mädchen beachtete er nicht, denn diese waren bereits tot. Er hatte doch ihren Hilferuf gelesen. Warum redete er nicht mit ihr? Was war mit dem Jungen nicht in Ordnung? Er war vielleicht zehn Jahre alt, konnte also begreifen, was mit ihr hier passierte. Er konnte doch Hilfe holen, konnte sie retten.
‚Ich will nicht sterben.‘ Dieser Satz hatte sich in ihrem Kopf eingenistet, und wie eine leuchtende Neonschrift raste er durch ihre düsteren Gedanken und versuchte das bisschen Leben, das noch in ihr steckte, wie eine zarte Flamme zu bewahren.
‚Ich muss versuchen, das Klebeband um meine Hände zu lockern‘, dachte sie. Es gab plötzlich nach. Ganz, ganz langsam. Sie spürte, dass sie ihre Handgelenke ein wenig bewegen konnte. ‚Ruhig atmen und den stillen Jungen durch das Loch beobachten.‘ Dieses kleine Loch, das ihr wie durch ein Astloch einen Einblick in die Hölle erlaubte. Ihr gegenüber saß noch ein Mädchen. Auch dieses Mädchen trug ein geblümtes Kleid und hatte eine schwarze Maske mit einem spitzen Schnabel vor dem Gesicht. Genau wie sie? Auch sie trug eine Maske mit einem Loch, durch das sie mit einem Auge sehen konnte. Das andere Auge war bereits tot. So tot wie das Mädchen gegenüber. Mit einem Mal kehrte die Panik wie eine Welle zurück und ihr Herz begann wild zu schlagen. Sie würde die Nächste sein.
Der stille Junge schlich jetzt geschäftig hinter ihr herum. Sie hörte seine zögernden Schritte. Schritte, die plötzlich verharrten. Hatte er gemerkt, dass sie das Klebeband gelockert hatte? Sie begann zu zittern, konnte dieses verdammte Zittern nicht unterdrücken. Ihr Zeigefinger klopfte unkontrolliert auf die Armlehne, dreimal kurz, dreimal lang, dreimal kurz. ‚SOS. Ich lebe. Ich will nicht sterben.‘
Das Klopfen machte den stillen Jungen nervös. Er ging schnell an ihr vorbei und wirkte verstört. Jetzt stand er auf der anderen Seite des Tisches und betrachtete sie aus leeren Augen. Dann griff er nach dem Notizblock, den er an einer Schnur um den Hals hängen hatte. Der Block war mit Zeichnungen vollgekritzelt und sah fast wie ein Bilderbuch aus. Wieder schlich sich die Panik an, kroch durch die Poren ihrer Haut, um in kleinen Wellen nach oben zu steigen. Zunächst war es nur ein leichtes Ziehen im Bauch, als würde sich ein fremdes Wesen in ihr aus seiner Hülle schälen. Ein kleines schwarzes Tier, das sich gierig durch ihre Eingeweide nach oben fraß und groß und größer wurde. Bis es ihren Brustkorb erreichte, dort, wo ihr Herz lag, und das Atmen noch schwerer machte.
Plötzlich war ihr der stille Junge egal, und sie zerrte mit aller Kraft an den Klebebändern, die noch mehr nachgaben. Endlich bekam sie eine Hand frei und dann die andere. Sie riss das Klebeband von ihren Haaren, mit dem ihr Kopf an der Stuhllehne fixiert war. ‚Jetzt nur noch die Füße frei machen, dann aufspringen, die Maske vom Gesicht streifen und laufen, laufen, laufen‘, dachte sie.
Sie zog fest an der Maske, doch der Schmerz schoss wie glühendes Feuer durch ihren Kopf. Die Maske lockerte sich nicht, sondern klebte wie eine zweite Haut auf ihrem Gesicht. ‚Also mit der Maske rennen, rennen, rennen. Weit weg von hier.‘
Sie sprang auf, strauchelte über den Stuhl, stützte sich am Tisch ab, eine Tasse fiel klirrend zu Boden und der Lärm hallte wie ein Schuss durch die leere Halle. Der stille Junge schreckte hoch, klopfte nervös mit der Faust auf den Tisch und starrte ihr nach. Sie rannte durch die Halle, stolperte über Schutt, stürzte und riss sich ihre Hände und die Knie an scharfen Glassplittern auf. Schnell war sie wieder auf den Beinen, übersah aber eine Betonsäule im toten Winkel und krachte dagegen. Benommen taumelte sie weiter, endlich tauchte das Tor auf und sie wankte hinaus. Draußen war es bereits Nacht, doch der zunehmende Mond tauchte die Umgebung in ein bleiches Licht. Hastig drehte sie sich um sich selbst. Sie stand auf einer rissigen Betonfläche mit verwaschenen Markierungen. Dahinter begann der Wald, im Mondlicht sah sie die Silhouetten der Bäume, die mit ihren dürren Ästen riesig und bedrohlich wirkten, wie eine Geisterarmee, die um Mitternacht aus ihren Gräbern steigt.
Das Leuchtfeuer in ihrem Kopf, das ihr mit dem Satz „Ich will nicht sterben“ die Richtung wies, gab ihr auch die Kraft, stundenlang weiterzulaufen, bis sie Motorengeräusche hörte, zuerst fern, dann immer näher. Wieder zerrte sie an der Maske, wieder durchzuckte sie der glühende Schmerz, deshalb rannte sie einfach weiter, bis der Wald plötzlich aufhörte und sie an einen Zaun prallte. ‚Das ist eine Schnellstraße‘, dachte sie und krallte ihre Finger in den Draht. Sie blickte auf die gegenüberliegende Seite und sah ein Auto in der Parkbucht stehen. Die Glut einer Zigarette glimmte auf. Hoffnungsvoll winkte sie nach drüben, sprang in die Höhe, doch man bemerkte sie nicht. Dann entdeckte sie plötzlich eine Brücke, die sich wie ein Bogen aus Metall über die Straße spannte. Jetzt nur über die Brücke und zu dem Auto laufen.
Plötzlich sah sie auf der anderen Seite der Brücke den anderen Wagen mit abgeblendeten Scheinwerfern und die bekannte Gestalt, die mit verschränkten Armen an der Kühlerhaube lehnte und bereits auf sie wartete. In diesem Moment sank ihre Hoffnung wie ein gekentertes Schiff.
Mickey Hauser saß in seinem Wagen und sah hinüber auf die gegenüberliegende Seite der Schnellstraße in der Nähe der Grenze, wo ihm ein Partymädchen zuwinkte. Eigentlich war es ziemlich gefährlich, um diese Zeit alleine an der Schnellstraße entlangzugehen, aber es gab zum Glück den hohen Sicherheitszaun.
Das Mädchen schien von einem Frühlingsfest zu kommen, denn es hatte ein dünnes Blumenkleid an, aber etwas stimmte mit ihrem Gesicht nicht. Doch Mickey war nicht in der Stimmung, sich darüber Gedanken zu machen, denn er hatte ein ziemlich schlechtes Gewissen. Er konnte nur hoffen, dass seine Frau noch tief schlief und nicht merkte, dass er später als normal zu ihr ins Bett schlüpfte. Mickey öffnete das Fenster seines Wagens und zündete sich eine Zigarette an, denn er wollte den verräterischen Geruch nach verbotenem Sex loswerden.
Sein Job bei der Sicherheitsfirma war zwar nicht anstrengend, denn er musste bloß auf dem weitläufigen Firmengelände an der tschechischen Grenze die Schlösser alle dreißig Minuten kontrollieren, aber die Nacht konnte sich manchmal ganz schön in die Länge ziehen. Darum war es immer eine willkommene Abwechslung, wenn um drei Uhr die Putzkolonne mit den netten Mädchen anrückte. Mit denen konnte man wenigstens ein wenig quatschen. Besonders wenn Juli dabei war. Juli, die genauso nach Sommer roch, wie sie hieß, und die trotz der unförmigen Arbeitskleidung atemberaubend sexy aussah.
Das Mädchen auf der anderen Straßenseite versuchte jetzt, über den Zaun zu klettern, rutschte aber immer wieder an dem glatten Draht ab. ‚Das ist auch besser so, denn wahrscheinlich ist sie betrunken, und in ihrem Zustand wäre es ganz schön gefährlich, über die Schnellstraße zu torkeln‘, dachte er.
Der helle Mond tauchte hinter einer Wolke hervor, und er blickte jetzt zum ersten Mal in das Gesicht des Mädchens. Es hatte einen eigenartigen Vogelkopf. Mickey riss die Augen weit auf, was war denn das? Spielte ihm sein Verstand einen Streich? War er wirklich so nervös wegen seiner Frau, dass er schon Gespenster sah? Er schaute nochmals hinüber, aber jetzt war das Mädchen zum Glück verschwunden und seine Gedanken wanderten wieder verbotenerweise zu Juli.
Im Grunde war doch überhaupt nichts Schlimmes passiert, nur ein lässiger, kleiner Flirt, der sich in eine Richtung entwickelt hatte, die keiner wollte, wie sie beide später mehrfach betont hatten. Aber eines war zum anderen gekommen und schließlich hatten sie sich plötzlich in der Garderobe nackt gegenübergestanden. Als sie wieder in ihre Kleider schlüpften und versuchten, den Geruch nach Sex, der noch auf ihrer Haut klebte, zu ignorieren, hatten sie sich versichert, dass es kein zweites Mal geben würde.
Und trotzdem hatte Mickey Angst davor, seiner Frau morgens in die Augen schauen zu müssen, er hatte Angst vor seinem Gewissen, das ihm jetzt diese Bilder eines Mädchens mit Vogelkopf vorgaukelte, das auf der anderen Seite der Schnellstraße stand und ihn beobachtete. Genug davon! Er schnippte die Kippe aus dem Fenster, startete seinen Wagen und fuhr langsam aus der Parkbucht.
Die Scheinwerfer seines Autos fingen die bogenförmige Brücke ein und Mickey entspannte sich ein wenig. Wenn er erst einmal unter der Brücke durchfuhr, dann würde er auch die letzte Nacht und alles, was damit zusammenhing, hinter sich lassen. Dann wäre er wieder auf sicherem Terrain. Dann würde ihm auch eine perfekte Ausrede einfallen. Das war sein Mantra.
Die Brücke war keine architektonische Meisterleistung. Sie wölbte sich wie ein Rundbogen in einer Höhe von zehn Metern über die Schnellstraße und war normalerweise beleuchtet, aber jetzt war es schon spät in der Nacht und deshalb war auch das Licht bereits ausgeschaltet.
Als er die Brücke fast erreicht hatte, entdeckte er wieder das Mädchen. Schemenhaft schälte es sich aus der Dunkelheit, kletterte über die Brüstung, ließ die Beine nach unten hängen und winkte mit den Armen. Dann schüttelte das Mädchen diesen grässlichen Vogelkopf.
Unwillkürlich bremste Mickey seinen Wagen und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf diese bizarre Erscheinung.
Das Mädchen war jetzt auf das schmale Brückengeländer geklettert. Während es leichtfüßig über den Rand balancierte, breitete es die Arme aus, um wie ein Vogel abzuheben und in dem nachtschwarzen Himmel zu verschwinden.
Mickey wollte Gas geben, doch in diesem Moment stieß sich das Mädchen vom Brückengeländer ab und krachte kopfüber in die Windschutzscheibe des Wagens.
Die beiden Männer saßen schweigend in dem Auto und beobachteten das Mädchen. Der Fahrer hatte graues lockiges Haar, das unter seiner schwarzen Strickmütze hervorquoll, der Beifahrer strich sich seine halblangen schwarzen Haare zurück und kratzte sich den grau gesprenkelten Dreitagebart. Plötzlich riss er die Tür auf und stürmte dem Mädchen hinterher.
Das Mädchen war kurz zuvor aus dem Club gestolpert und die nur schwach beleuchtete Straße entlanggelaufen. Immer wieder hatte es sich ängstlich umgeblickt, aber im trüben Schein einer Neonlampe war ihr Gesicht nicht genau zu erkennen. Sie trug glänzende Leggins und eine kurze Bomberjacke, die vorne weit offen stand. Nur wenige Augenblicke später war ein stark tätowierter Mann in einem weißen Tanktop und Lederjeans aufgetaucht und hatte die Verfolgung aufgenommen. In der rechten Hand hielt der Tätowierte ein Eisenrohr, mit dem er an dem Zaun entlanglief und das Rohr dabei rhythmisch gegen die Stahlstäbe schlug. Als er das Mädchen eingeholt hatte, stieß er sie wütend zu Boden.
„Ich habe doch nichts getan.“
Schniefend und eingeschüchtert robbte das Mädchen ein Stück nach hinten, stieß mit dem Rücken gegen den Zaun und versuchte sich aufzurichten. Doch der Tätowierte ohrfeigte sie, sodass sie wieder auf den schmierigen Boden fiel. Blut tropfte ihr aus der Nase und die Bomberjacke war dreckverschmiert.
„Ich mache es nie wieder.“
„Du hast mich beklaut“, sagte der Tätowierte wütend und holte erneut aus. Doch noch ehe er dazu kam, auf sie einzuschlagen, war der Mann mit den halblangen Haaren aus dem Wagen auch schon bei ihm und stieß ihn weg.
„Was soll das? Wer bist du denn?“
„Ich heiße Tony Braun und bin von der Polizei. Und jetzt lass das Mädchen in Ruhe.“
„Willkommen in der Neuen Welt in Linz“, höhnte der Tätowierte. „Hier gelten andere Gesetze. Also hau ab, Bulle!“
Er sprang auf Braun zu, packte ihn mit den Händen am Hals, verhedderte sich aber dabei in dessen Anhänger und das Lederband zerriss. Braun drehte sich leicht zur Seite und versetzte dem Tätowierten einen Schlag in die Nieren, sodass dieser aufstöhnte.
„Ich bestimme immer noch, welche Gesetze hier gelten“, sagte Braun ruhig. „Wenn du jetzt nicht sofort verschwindest, nehme ich dich fest.“
Als der Tätowierte verschwunden war, drehte sich Braun zu dem Mädchen, das gerade etwas vom Boden aufgehoben hatte und versteckt in der Faust hielt.
„Bist du verletzt?“, fragte er und ging auf das Mädchen zu. „Was hast du denn da in der Hand?“
„Ach, das ist nichts.“
Das Mädchen rappelte sich hoch und wollte sich an ihm vorbeischlängeln. Im letzten Moment erwischte Braun sie am Arm und hielt sie zurück, ehe sie über die Straße verschwinden konnte.
„Wie heißt du?“, fragte Braun und zog das Mädchen zurück auf den Gehweg.
„Luana. Ich habe doch nichts getan und wer bist du überhaupt?“
„Ich bin von der Polizei.“ Braun fischte eine Visitenkarte hervor und steckte sie dem Mädchen in ihre Bomberjacke. „Du kannst mich jederzeit anrufen, und jetzt erzähle mir, was du dem Typen gestohlen hast.“
„Nichts.“
„Und was ist das in deiner Hand?“
Das Mädchen wand sich unter seinem Griff und trat Braun plötzlich gegen das Schienbein. Überrascht ließ er los, und das Mädchen wirbelte herum, lief über die Straße, sprang leicht wie eine Feder über einen Bauzaun und war verschwunden.
Braun ging zum Wagen zurück und griff dabei gedankenverloren nach seinem Anhänger.
„Scheiße“, sagte Braun, als er wieder neben Bruno Berger, seinem Partner, im Auto saß. „Ich habe meinen Talisman verloren. Vielleicht hat ihn dieses Mädchen mitgenommen.“
„Das hast du davon, wenn du dich immer als Retter aufspielen musst.“
„Das Mädchen hat mir einfach leidgetan.“
„Du kannst dich nicht immer um alle verlorenen Seelen kümmern. Brechen wir die Aktion für heute ab.“ Bruno gähnte herzhaft und rieb sich die Augen. „Heute kommt er doch nicht mehr in den Club.“
Bruno hatte Patrick, den Freund seines siebzehnjährigen Patenkindes Anja, im Verdacht, sich in einem Club in der Neuen Welt mit Drogen zu versorgen. Der Linzer Stadtteil Neue Welt war seit Kurzem der Hotspot für Drogen aller Art. Russen und Albaner lieferten sich erbitterte Kämpfe mit Türken und Nigerianern um die Vorherrschaft im Drogengeschäft. Es war tatsächlich nicht das richtige Pflaster für ein siebzehnjähriges Mädchen. Deshalb hatte Braun auch zugestimmt, als ihn Bruno gebeten hatte, mit ihm den Club zu beobachten. Aber Patrick war die ganze Woche über nicht aufgetaucht und Brunos Verdacht hatte sich zu seiner Erleichterung nicht bestätigt.
„Fahren wir nach Hause.“
Braun wollte gerade etwas darauf erwidern, als sein Handy läutete.
„Chefinspektor“, meldete sich ein Polizist vom Nachtdienst. „Da ist gerade ein merkwürdiger Anruf von den Kollegen aus Freistadt gekommen. Eine junge Frau ist von einer Brücke direkt auf ein Auto gesprungen. Das Ganze ist seltsam.“
„Ist das nicht ein Fall für die Verkehrspolizei?“, fragte Braun. „Wissen Sie überhaupt, wie spät es ist? Was ist denn so merkwürdig an diesem Unfall?“
„Sie hat eine schwarze Rabenmaske auf, die anscheinend auf ihrem Gesicht festgeklebt wurde.“ Der Beamte las Braun das gesamte Protokoll im Schnelldurchlauf vor.
„Das klingt tatsächlich beschissen. O. K., wir kommen.“
„Wird wohl nichts mit unserem wohlverdienten Schlaf“, sagte Braun zu seinem Kollegen, der gerade seinen alten Golden Retriever Rocky auf dem Rücksitz tätschelte. „Wir müssen sofort nach Freistadt zur Grenze fahren.“
Auf der wie ein schwarzes Band vor ihnen liegenden leeren Stadtautobahn fuhren sie zügig Richtung Norden. Nur manchmal zerrissen die Scheinwerfer eines entgegenkommenden Wagens die Dunkelheit, und in dem grellen Licht wirkte die Landschaft düster und abweisend. Braun blickte nach draußen, wo die Linie der hohen Bäume immer näher an die Straße heranrückte und sich die Schatten der ausladenden Äste wie riesige Arme über das Auto reckten.
Er fühlte sich mies, denn er hatte seinen Haifisch-Talisman verloren, den ihm Karen Jansen, eine Freundin, geschenkt hatte. „Bleib wie die Haifische immer in Bewegung“, hatte sie damals gesagt. Aber Karen war traurige Vergangenheit und nur der Talisman hatte ihn noch an sie erinnert. Plötzlich hatte er die unbestimmte Ahnung, als würde sich bald vieles in seinem Leben ändern, und das beunruhigte ihn.
Johannes Saarstein stand in dieser Nacht im Wohnzimmer seines Hauses und sah hinaus in den beleuchteten Garten. Seine Frau Elisabeth hatte am Rand der Wiese Sträucher gepflanzt, die allerdings ein wenig dürftig und ausgetrocknet aussahen. Er nahm sich vor, diese bei Gelegenheit zu gießen, denn Elisabeth war derzeit dazu nicht in der Lage. Er selbst hatte auch die letzten Nächte kaum geschlafen, seine blonden Haare waren ungewaschen und er hatte sich seit Tagen nicht mehr rasiert. In der Spiegelung der Fensterscheibe konnte er sein Gesicht zwar nur undeutlich erkennen, aber die dunklen Schatten unter den Augen ließen sich trotzdem nicht leugnen.
Langsam drehte er sich um und ging durch das lang gestreckte Wohnzimmer in die offene Küche. Das Haus hatte er nach seinen Plänen bauen lassen, es war sein Ruhepol inmitten der Natur. Saarstein befand sich als selbstständiger PR-Berater in einer privilegierten Position, denn er arbeitete von zu Hause aus und verbrachte nur einige Tage im Monat in Wien.
Durch die bodentiefen Fenster warf der Mond Lichtpunkte an die Wände und auf den grauen Zementboden. Der große Raum wirkte abweisend kühl, das hing auch damit zusammen, dass die großen Bilder abgenommen worden waren und jetzt verkehrt herum an den Wänden lehnten. Das hatte er Elisabeth zuliebe gemacht, denn die riesigen abstrakten Gemälde mit den starken Farben irritierten Aaron.
Er setzte Teewasser in einem Wasserkessel auf und dachte daran, dass er jetzt eigentlich über seiner Präsentation sitzen müsste, die in den nächsten Tagen stattfinden würde. Aber dafür hatte er jetzt keinen Kopf, denn im Augenblick war Elisabeths Zustand besorgniserregend. Als das Wasser kochte, füllte er damit die Teekanne auf und aktivierte die Stoppuhr seines Smartphones. Exakt fünf Minuten musste der Tee ziehen, dann einen Schuss Milch hinzufügen und die Tasse mit den Biokeksen auf ein Tablett stellen. Anschließend würde er das Tablett hinauf in das Schlafzimmer tragen, wo Elisabeth wahrscheinlich noch immer teilnahmslos auf dem Boden saß und ihr Handy umklammerte.
Als Saarstein die Kühlschranktür öffnete, um die frische Milchpackung herauszuholen, sah er die Zettel, die mit Magneten an die Tür geheftet waren: Fein chronologisch von unten nach oben waren die wichtigsten Tätigkeiten in Wort und Bild aufgelistet, die Aaron zu machen hatte, wenn er von der Schule nach Hause kam. Seufzend goss Saarstein die Milch in den Tee und holte die Biokekse aus dem Regal. Gerade als er das Tablett von der Anrichte hochheben wollte, klingelte sein Smartphone.
„Ja, was ist?“, fragte Saarstein. Dabei bemühte er sich, nicht nervös zu klingen. Der Anrufer sprach mit starkem Akzent, wollte ihn nur auf dem Laufenden halten und ihm mitteilen, dass es im Grunde nichts Neues gab.
Saarstein hasste diese täglichen Anrufe, die seit ein paar Tagen eingingen und die ihm immer wieder einen Stich in die Magengrube versetzten und dann einfach im Nichts verliefen.
„Wer war das?