Radpilgern Extrem - Gerd Lange - E-Book

Radpilgern Extrem E-Book

Gerd Lange

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Beschreibung

Als Grundidee steht der rein sportliche Aspekt und darüber hinaus noch mal die abscheulichen Grenzüberschreitenden Übergriffe vom eigenen Erzeuger zu reflektieren. Aufgrund der schrecklichen Übergriffe aus der Kindheit, und den geschmiedeten Mordplänen die Authentisch wiedergegeben werden, wird der Spannungsbogen aufrecht gehalten. Aber auch einige einmalige und sehr witzige Geschichten wie sie das Leben und die Pilgertour schreibt werden dargestellt. Angelehnt an den Sehenswürdigkeiten auf der Tour und die Authentische Schilderung von Momentaufnahmen mit Stimmungen, Emotionen, von Höhen und absoluten Tiefst Punkten gelangt man im Rausch des Pilger Spirits. Nach und nach verliert sich der Grundgedanke des rein sportlichen, das Beten und nächtigen in Klöstern sowie der soziale Kontakt mit anderen Pilgern wirkt tiefgreifend. Die noch vielen unbekannten, sowie Atemberaubenden Pilgerwege in Frankreich werden in einzelnen Stationen der gewählten Route wiedergegeben. Am Cruz de Ferro angekommen wird das aufgearbeitete Kindheitstrauma in Form eines "Seelensteins" mit der Aufschrift "Grenzen- Schmerzen –Adrenalin" über die Schulter geworfen und somit abgelegt. Nach selbstlosen aufteilen des letzten Wasservorrats in unerträglicher Hitze auf einem abgelegenen steilen Pilgerweg, der einen Kreislaufkollaps nach sich zieht wird letztendlich das Ziel Santiago de Compostela erreicht. Die noch weitestgehend unbekannten Französischen Routen bringen durch die ungewöhnliche Perspektive, aus Sicht des Radpilgerns einen frischen Wind in das Genre. Durch die spezielle Zeitreise (die immer wieder einfließt)mit vielen lustigen aber auch sehr traurigen Episoden aus der Kindheit, erreicht diese Erzählung den internationalen Mainstream.

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RadpilgernExtrem

Grenzen-Schmerzen-Adrenalin

Mit dem Fahrrad 2833 km von Hilden / Deutschland nach Santiago de Compostela Pilgerbericht, Tagebuch und Zeitreise/ Aufarbeitung eines Kindheitstraumas

Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Der Weg zum Radfahren als sportliche Betätigung und Vorbereitung

Kapitel 2

Jetzt geht’s Los

Kapitel 3

Wildes Camping

Kapitel 4

Übernachtungen “in nee Kaschemme“

Kapitel 5

Ruhetag Trier und Bulgarisches Miss(t)Verhältnis

Kapitel 6

Metz und die Begegnung mit der etwas wärmeren ART

Kapitel 7

60 Kilometer Umweg

Kapitel 8

Der erste Bericht in der lokalen Presse

Kapitel 9

Freundliche Niederländer versorgen mich mit Essen und kaltem Bier

Kapitel 10

Ruhetag in Dijon

Kapitel 11

Sponti Treffen und ein Fass Bier gewonnen.

Kapitel 12

„Vom Winde verweht“

Kapitel 13

Vom Sturm in die Traufe

Kapitel 14

Konfuzius hilft

Kapitel 15

Lichter Prozession

Kapitel 16

Pilger Schlafsaal

Kapitel 17

Elfe im Sägewerk

Kapitel 18

Klappe, „Elfe“ die zweite. Ruhe am Set

Kapitel 19

Die Woche geht zu Ende und Frankreich macht nach hinten raus einen schlanken Fuß

Kapitel 20

„Lectoure“ Schlafen in einem Kloster

Kapitel 21

Plattfuß

Kapitel 22

21. Hochzeitstag

Kapitel 23

GEDÄCHNISSETAPPE

Kapitel 24

„Wein für umsüss“

Kapitel 25

„BEIKI“

Kapitel 26

Der Tag ist mein Freund

Kapitel 27

Camino Brutal

Kapitel 28

Cruz de Ferro

Kapitel 29

Ich kann Farben hören

Kapitel 30

„Ich wurde angekommen“

Freitag der 16.08.2013

Resümee

Danksagung

Quellennachweis

Vorwort

So, was passiert denn noch so spannendes Ü 50. Das tagelange Durchfeiern geht schon lange nicht mehr. Selbst die noch so kleinsten Blessuren und Prellungen dauern immer länger, bis sie abklingen. Die Ohren zu bügeln, wird mir immer wichtiger. Meine letzte Fratzenfackel habe ich vor Jahren ausgemacht und jetzt lebe ich in totaler Zigarettenabstinenz, was sich auf dem Kilomessgerät bemerkbar macht. Die Hosen, die noch vor vielen Monden passten, reißen auf einmal im Schritt. Meine Frau wäscht die Hemden im Bauchbereich viel zu heiß und mein Bauchnabel entfernt sich unaufhaltsam immer weiter von meiner Wirbelsäule.

Ich hetze von einer Place To Be Veranstaltung zur nächsten, um vor allem mit denen, die da sind und sein müssen, im Vordergrund zu stehen und die Veranstaltung eher zweitrangig ist. Beim Feiern mit guten Freunden allerdings ist letzteres unberechtigt.

Wie hieß es doch so oft: >> So jung wie heute kommen wir doch nie mehr zusammen. <<

Lecker Bierchen, lecker Essen und noch mehr leckere Bierchen. Dazu Chips und Flips und noch ein- zwei - drei Schnäpschen runtergekippt. >>Herrlich! <<

>>Was geht es uns gut und wieder greift das Motto: Lieber zu viel trinken, als zu wenig schlafen. <<

Ich fahre doch mindestens zwei Mal pro Woche mit dem Rad 50 – 100 Kilometer und doch werde ich immer runder.

Der Arzt hat erhöhte Cholesterinwerte, Bluthochdruck und vor kurzem noch ein Barett - Syndrom diagnostiziert. Mein Kreuz ist vom vielen Schleppen der Heizungskessel und der Gussbadewannen nicht mehr belastbar. Von daher kann ich meinen erlernten Beruf schon lange nicht mehr ausüben. Der Lungenarzt teilt mir mit, dass meine Werte so schlecht seien und dass ich ohne Sport längst nur mit dem Rollator unterwegs wäre.

Menschen, die mir ständig komisch kommen und immer wieder mit negativer Energie die gute Atmosphäre kontaminieren, möchte ich am liebsten von meiner geistigen Festplatte formatieren. Aber zu meinem Glück kann ich diesen unumgänglichen Restbestand an einer Hand abzählen. Alle anderen wurden schon über die Jahre, wegen Mangel an Wichtigkeit, von der großen Liste gestrichen.

>>Less is more<< Das klingt nur scheinbar paradox. Denn heute wende ich das Prinzip an, um in allen Aspekten des Lebens Unnötiges zu entsorgen und tatsächlich nur das Wichtige zu behalten.

Seit vielen Jahren bin ich mit einer liebenswerten Powerfrau, die mir sehr viel Raum für meine diversen Exkursionen lässt, glücklich verheiratet. Das Leben mit all seinen Facetten, den Höhen aber auch den Tiefen hat diese Ehe reifen lassen. Diese Liebesbeziehung ist für mich das Fundament meiner kleinen Familie. Alles ist eingespielt, funktioniert und somit können neue Inspirationen wachsen und Formen annehmen.

Ich habe zwei gesunde und fantastische Kinder, die weder Alkohol noch Drogen konsumieren. Diese >>MEINE<< Familie ist mir das Wichtigste und bildet meinen Lebensmittelpunkt. Im erzieherischen Umgang mit meinen Kindern achtete ich stets darauf, sie eher “antiautoritär“ zu erziehen.

Der tägliche Drill, das bedingungslose Ausführen von Befehlen, die immer mit den Worten:

>> „Ja Sir, Papa Sir“<<,

lautstark beantwortet werden müssen, habe ich gut vermeiden können und sie hatten bei meinen Kindern keinen Stellenwert. Meiner Meinung nach entwickeln sich Persönlichkeiten nicht durch blinden Gehorsam. Auf diese Art macht man sie allenfalls funktionstüchtig, aber sie werden dann fast immer nur mit dem Strom schwimmen.

>>Ich denke, nur ein freier Geist, der sich durch eine gute wertschätzende Erziehung entwickelt und ausbildet, wird die Quelle erreichen<<

Mein guter und weltoffener Freundeskreis, der bis auf wenige Ausnahmen am Puls der Zeit lebt, ist eine Bereicherung für mich und mein Leben. Und eins sei gesagt:

>> „Jeder darf mich gerne dafür beneiden!“<<

Ursprünglich wollte ich schon vor einigen Jahren, nach dem Lesen des Buches eines bekannten deutschen Entertainers, den Spanischen Jakobsweg mit dem Rad erleben. Die Suche nach geeigneten Mitstreitern aus meiner Selbstfindungsgruppe „Up se Kumme“ scheiterte bereits nach einer kurzen 50 Kilometer Teststrecke aus gesundheitlichen oder später aus zeitlichen Gründen.

Angeregt von Radfahrern, die ich ein Jahr zuvor am Nordkap traf die auch mit dem Fahrrad zum Nördlichsten Teil von Europa gestrampelt sind, fasste ich den Entschluss, die Strecke von zu Hause aus zu starten.

Vom schönen Hilden, entlang des Rheins und der Mosel, über Frankreich mit sehr vielen Bergstrecken nach Spanien, bis hin nach „Santiago de Compostela“.

Hierbei sollte aber nicht das Pilgern im Fokus stehen. Mich reizten vielmehr der sportliche Aspekt und die Frage, wie lange ich für die knapp 2900 km mit meinem zarten Alter von 53 Jahren wohl brauchen würde?

>>Da ich im Hier und Jetzt lebe, möchte ich meine Wünsche und Träume jetzt leben und realisieren, nicht erst später, denn später kann es zu spät dafür sein. <<

Nach jahrelanger Vorbereitung sollte es dann im Jahre 2013 losgehen. Ich wollte meinem Körper und meinem Geist das zurückgeben, was ich ihnen über Jahrzehnte abverlangte. Also lautete meine Devise: Kein exzessiver Alkoholkonsum mehr, nur noch Wasser. Keine fetten Nahrungsmittel mehr und ausschließlich gute Kohlenhydrate sowie viele sekundäre Pflanzenstoffe.

>>Dürfte ja wohl nicht so schwer sein! Denke ich. Na ja mal schauen<<.

Ich werde eine fantastische Landschaft entlang der Rheinschiene und der Mosel erleben. Die Täler und Berge in Frankreich und Spanien sauge ich geradezu auf. Sie werden sich dauerhaft in mein Langzeitgedächtnis einbrennen.

Auf der Tour sollte ich viele interessante Menschen treffen. Wir werden wundervolle Gespräche mit viel Inhalt und Emotionen führen und wir werden gemeinsam singen, lachen und sogar ab und zu beten.

Meine anfangs rein sportlichen Beweggründe waren schnell hinfällig, da ich durch meine Übernachtungen in vielen Klöstern und anderen kirchlichen Refugien dochtiefer von der Christliche Religion berührt wurde, als ich es vermutet hätte.

Ich suchte imposante Gotteshäuser auf, die mir intensive Ruhe und Stille gaben. In ihnen konnte ich die teils hohen heißen Außentemperaturen vergessen und immer wieder in angenehm kühler Atmosphäre meditieren. Eine wahrhafte Quelle der Entspannung und des Kräftetankens.

Am Ende waren es 31 abwechslungsreiche Tage mit vielen Höhen aber auch mit einigen Tiefen. Teilweise verlangte ich mir Leistungen ab, die an meine physischen Grenzen und leider auch darüber hinausgingen. Ich hatte viele grenzwertige Situationen und Herausforderungen, bedingt durch Wettereinflüsse aber leider auch durch menschliches Unvermögen, zu bewältigen.

In dieser Zeit dachte ich, viel mehr als sonst, über meine Gegenwart und Vergangenheit nach. Gerade meine Vergangenheit brachte Erlebnisse von Unterdrückung und Erniedrigung in Erinnerung. Ich hatte auf der Tour den Kopf frei und konnte mir endlich mal die Zeit nehmen, um diese Übergriffe für mich zu bedenken und sie möglicherweise ein Stück „aufzuarbeiten“.

Denn schreckliche Geschehnisse haben in meinem Kopf immer noch einen kleinen Bereich belegt und diese geistige Müll-Ecke will ich für ein letztes Mal sortieren.

Die geraubte Kindheit und vor allem die offene Gewalt meines Erzeugers, der ein kranker, brutaler Psychopath war und mir und meinen vier Brüdern aufs schändliche einbläute, dass wir nichts sind, gehört für mich noch Mal verarbeitet und danach für alle „Ewigkeit“ aus dem Gehirn verbannt.

In meinen Erinnerungen taucht meine Jugend in den Holzbungalows auf, die Kräftigung und Steigerung meines Selbstwertgefühls durch den jahrelangen Kampfsport, aber auch, und dies ist mir besonders wichtig, die tausend schönen Stunden mit vielen Freunden und den mit ihnen durchfeierten Nächten werden sich wiederholt und mit Freude vor meinem inneren Auge auftun.

>>Wichtig ist es mir, dass ich es mit mir aushalte und immer wieder aufstehe, egal, „was war - was ist- und was kommt“. <<

Ich werde bemerken, dass ich mich zurückzunehmen bzw. mich nicht immer so wichtig nehmen muss bzw. brauche. Diese Einsicht half ungemein und das nicht nur in kritischen Situationen.

Alles in allem machte ich eine fast überirdische Erfahrung, die ich jedem empfehlen kann. Wobei weniger die Dauer wichtig war, als mehr das Umsetzten des Vorhabens, seinen Körper noch mal so intensiv zu spüren und sich zu fordern. Den inneren Schweinehund, und das nicht nur für zwei Stunden, „Paroli“ zu bieten war für mich entscheidend.

Mir war es vor allem auch wichtig, nicht alles zu planen und straff durchzuorganisieren, sondern auf gegebene Situationen und Herausforderungen zu reagieren, wenn sie sich stellen.

Nach dem sich das anfängliche Teilnehmerfeld ja auf null reduzierte, wollte ich dann auch unbedingt alleine fahren und das nicht nur wegen meines eigenen Biorhythmus‘.

Soziale Kontakte hatte ich auf meiner gewählten Route ohnehin genug. Unbekannte sprachen mich schon nach kurzer Zeit an und fuhren eine Zeitlang mit mir. Wir tauschten uns aus und brachten uns jeder auf seine Art mit seinen ganz eigenen Erfahrungen ein. Und wenn nötig, ließen die Menschen mich auch schnell wieder in Ruhe.

Schon bald als ich mich in Frankreich und Spanien auf dem Pilgerweg befand, sollte ich einige wenige Radfahrer auch wieder treffen.

Auch die Fußpilger waren sehr interessante Gesprächspartner, denen ich mich nach kurzer Zeit auch nicht mehr entziehen wollte und wie ich empfand, entziehen musste.

Mir begegnete immer mal einiges an interessanter Historie. So tauche ich z.B. ein wenig ein in die Geschichte der Reconquista und die Vertreibung der Mauren. Dies hätte ich gerne auch intensiver gemacht, aber ich hatte ja ein Ziel vor Augen und nicht unbegrenzt Zeit.

Alles das hat Suchtpotenzial. Und nicht nur jeder Adrenalin Junkie kommt voll auf seine Kosten. Auch für Breitensportler, die schon immer den Kick gesucht haben, bleibt nach einer Tagesetappe kein Wunsch nach „ja-da-geht-doch-noch-was“ offen.

Aber eines kann nicht verschwiegen werden, denn manchmal hing ich wirklich knietief im emotionalen „Analkuchen“ und das ein oder andere Mal drohte die geistige Umnachtung. Dann schimpfte ich viel und fragte mich: >>Eigentlich bist du dumm wie ein Stück Toast. Nein schlimmer noch, das Teil kann schimmeln und was kannst du? <<

Schlussendlich bleibt die Einschätzung, dass ich diese Tour nie missen möchte!

Für meine Tour habe ich mir folgendes Motto ausgedacht.

„LIEBER ARM DRAN ALS RAD AB“

Kapitel 1

Der Weg zum Radfahren als sportliche Betätigung und Vorbereitung

Zu Beginn meiner „Radfahrkarriere“ habe ich mich im nahen Umfeld von Hilden- Langenfeld – Richrath mit einem gebrauchten Fahrrad bewegt und spürte nach 30 km mein Sitzfleisch ungemein, die Knie zwickten und mit der Kondition war es schon so eine Sache. Nach einem halben Jahr waren mir die Strecken sehr vertraut und ich war wirklich sichtlich angetan von unserem schönen grünen Umfeld, welches mir als Autofahrer weitestgehend verborgen blieb. Binnen kürzester Zeit wagte ich mich auch ins angrenzende Bergische Land und mit viel Kampfeswillen wurde ich immer besser. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass immer, wenn ich Zigarettenhunger bekam, ich mich auf das Rad setzte und das Verlangen war wie weggeflogen. Eigentlich eine coole Erfahrung! Ich habe mal gelesen, dass dies mit Ersatzbotenstoffe und Glückshormonen, die beim Sport freigesetzt werden, zusammenhängt.

Die Strecken wurden immer länger und müheloser und nach 2 Jahren konnte ich die 50 – 60 km ohne große Anstrengung fahren. Eigentlich ein Witz, wird jedem gut trainierten Radler dazu einfallen, aber ich war stolz darauf vom Sofapotato zum Freizeitradler avanciert zu haben.

Eines Tages überzeugte ich meine Kinder, dass wir zusammen entschleunigt nach Koblenz radeln und so sind wir dann für die knapp 160 km vier Tage unterwegs gewesen. Zu diesem Zeitpunkt war der jüngste Teilnehmer, mein Sohn Vincent, 5 Jahre alt und dementsprechend wurden die Tagesstrecken auch ausgelegt. Ich hatte mir einen Fahrradanhänger zugelegt, damit die Kids fast ohne Gepäck fahren konnten. Das hat mir und leider nur mir so gut gefallen, dass ich in Koblenz wusste, das ist ausbaufähig.

Die Tagesstrecken wurden immer länger und mit dem etwas älteren Gefährt war ich irgendwann nicht mehr zufrieden.

Gute Gerätschaft war mir schon immer wichtig, um einträgliche Arbeit abzuliefern. Da ich mich entschieden hatte, dass das Radfahren mich in Zukunft fit halten soll, wurde ein gutes Markenfahrrad angeschafft. Leider hielt die Freude nur sehr kurz an, weil mir das Rad schon nach vier Monaten gestohlen wurde. Dem neuen Besitzer wünsche ich an dieser Stelle weniger Hals aber mindestens einen Beinbruch mit seiner, also meiner, neuen Errungenschaft. Diese hatte mich viel Geld gekostet. Zur Freude des Zweiradhandels wurde innerhalb kürzester Zeit ein zweites Rad erworben, welches dann im 750,-€ Preissegment lag. Da mir die Straßen mit dem ganzen Autoverkehr nicht so liegen, wählte ich ein geländetaugliches Trecking Model.

An dieser Stelle möchte ich noch einmal Heinz, Frank, Wolfgang und Volker danken, die mit mir mal knapp 50 km gefahren sind, um für sich zu testen, ob wir gemeinsam von Pamplona aus nach Santiago fahren.

>>Jungs nicht traurig sein, vielleicht im nächsten Leben<<.

Als nun klar war, dass ich von Hilden aus starte, setzte ich alles daran, dass mir eine Strecke von bis zu 120 km am Tag, nicht zu schaffen machte. Und diese Strecke musste in 6 – 7 Stunden geschafft sein. Ich arbeitete daran und es gelang mir, weil der Körper und die Gesundheit mitspielten.

Nach und nach wurde dann auch das Equipment optimiert. Gelhandschuhe, spezielle Radfahrhosen, atmungsaktive Shirts, um die Feuchtigkeit abzutransportieren und vernünftiges Schuhwerk. Mittlerweile gibt es auch Sportsandalen im Fachhandel. Als sehr gut empfinde ich auch Triathlon Schuhe. Diese sind innen nahtlos, so dass sie auch bei höheren Temperaturen problemlos und ohne Socken zu fahren sind.

Dann wurde für die Tour das notwendige Zubehör zugelegt. Ein guter Markengepäckträger bis mindestens 25 kg Tragkraft. Ich entschied mich hier für einen kombinierten Gepäckträger mit Klick –Verschluss- und Vorrichtung für ein Bügelschloß. Ein guter Tacho ist unverzichtbar, allein schon, um die Tageskilometer nachhalten zu können. Das Packtaschensystem wählte ich von einem Deutschen Anbieter. Hier schon mal die Anmerkung, dieses Produkt ist nicht nur wasserabweisend, sondern absolut wasserdicht. Genauso wie die Lenkertasche, hier hatte ich alle elektronischen Utensilien wie GPS, Handy, Ersatz Akku, Pilgerausweis, Geldbörse, Notizblöcke, Kartenmaterial usw. verstaut.

Es hat während meiner Pilgerreise wirklich einmal über 30 Stunden wie aus Eimern geschüttet und alles ist furztrocken geblieben. Qualität zahlt sich aus, und wer billig kauft, der kauft oft zweimal. Vom selben Hersteller auch eine transparente Kartentasche, die einfach oben drauf fixiert wird. Alles gut durchdacht und mein Kompliment für das Gelingen dieses gut abgestimmten Produktes.

Auf Packtaschen, die am Vorderrad befestigt werden, sogenannte „Lowrider“, verzichtete ich, da diese für eine starre Vorderradgabel optimal und ausgereift sind.

Ich bin auch froh über diese Entscheidung, da ich in einen extrem heftigen Mistral rein geraten war und somit mein Gefährt bedeutend weniger Angriffsfläche bot. Aber dazu später mehr.

Es gibt auch einige Befestigungsalternativen von Nischenanbietern für Federgabeln. Nur die passten nicht für meine Bremsklickvorrichtung. Mir war aber die Federgabel für solch eine lange Tour wichtiger. So entschloss ich mich für eine runde Motorradtasche aus eigenem Bestand. Diese hatte mir schon auf vielen Motorradtouren treue Dienste erwiesen und ist ebenfalls wasserdicht. Die Motorradtasche wurde auch auf dem Gepäckträger mithilfe von zwei Gummischnellspanner fixiert. In diese Rolle habe ich folgende Sachen verstaut: Ein kleines ultraleichtes Zelt, meinen Schlafsack, Luftmatratze, Isomatte und diverses Werkzeug, drei Ersatzschläuche, sowie weiteres Ersatzmaterial wie Schmierstoff, Arbeitshandschuhe, Züge für die Schaltung, Flickzeug, passenden Maulschlüssel, um für den späteren Rückflug die Pedale abzuschrauben zu können. Außerdem ein paar kleinere Inbusschlüssel.

Unter dem Sattel noch eine kleine Tasche mit einem Mini Werkzeugtool und auch noch einen weiteren Ersatzschlauch. Bei den Ersatzschläuchen wählte ich so genannte „Unkaputtbare“, sind sie zwar nicht, aber halten doch mehr aus, als die einfachen Schläuche und unbedingt Schläuche mit Autoventilen nehmen. Ich habe eine kleine kompakte Teleskopluftpumpe und die schafft bei ca. 250 Hüben, etwa 3,0 bar. Das reicht aber aus, um bis zur nächsten Tankstelle zu fahren und dort dann auf einen Luftdruck von 4,5 – 5,0 bar nachzufüllen.

In den Packtaschen, die farblich auf mein Rad abgestimmt waren, nämlich weiß-schwarz und mit großen Reflektoren, wurden folgende Dinge verstaut: Zwei atmungsaktive Shirts, eine Soft-shell –Regenjacke, zwei Radfahrerhosen, hier keine No-Name-Produkte wählen, ruhig so 35,00 € pro Stück ausgeben. Zwei Baumwollshirts, die würde ich aber nicht mehr mitnehmen.

Entgegen der atmungsaktiven Shirts, trocknen diese bei späterer Möglichkeit des Waschens nur sehr schlecht. Ich hatte noch vier Unterhosen dabei, zwei hätten auch gereicht.

Eine lange Leichtleinenhose, wenn ich in einem Restaurant esse. Zwei kurze Hosen mit vielen Taschen. Ein paar warme Wollsocken und drei paar Runner- Socken.

Unbedingt und nicht vergessen Badelatschen, um Fußkrankheiten beim Duschen zu vermeiden. Ein paar Triathlon Schuhe und gute Fahrradsandalen, wobei letztere bei hohen Temperaturen für mich die Priostufe 1+++++ bekommen. Ein kleines Nothandtuch und ein großes Badetuch. Diese würde ich aber in Zukunft gegen Mikrofaser Handtücher ersetzen.

Ich habe hinterher meine Baumwollhandtücher in den Hotels, in denen ich übernachtete, getauscht. Ich möchte hiermit schon mal klarstellen, dass ich nicht zum Diebstahl animieren möchte, vielmehr habe ich nur frische Handtücher gegen verunreinigte getauscht. Die Qualität war immer gleichwertig, allerdings differierten die aufgebrachten Hotelnamen stark.

Ich bekam mit der Handwäsche bereits nach einer Woche den muffigen Geruch nicht weg und so richtig sauber wurden die Sachen auch nicht. Und zum Waschen in der Maschine hatte ich, wenn dies auch mindestens fünf Mal möglich gewesen wäre, zum einen keine Zeit und darüber hinaus „Null Böcke“.

Eine Kulturtasche mit den persönlichen Kleinigkeiten (Medikamente nicht vergessen!), die jeder individuell zusammenstellen sollte. Sonnenschutzcreme, hier hatte ich Lichtschutzfaktor 50 plus. Und immer viel eincremen ist Pflicht. Eine gute After sun - Lotion und Mückenschutz sind unverzichtbar.

Ein Seidenschlafsack, um in den Refugien Schutz vor nächtlichen Flohbissen zu haben. Hier spreche ich aus Erfahrung, wie später zu lesen ist. Aber auch die nicht regelmäßig gewaschene Bettwäsche in diversen Etablissements erfordert den Einsatz des Seidenschlafsacks. In heißen Nächten reichte mir dieser auch vollkommen aus.

Auf mein kleines Kissen verzichtete ich nicht. Dies hatte ich mit etwas Charme meiner Frau abverlangt. Dieses Kissen war auch so eine emotionale Brücke nach meinem geliebten Zuhause, wenn ich in fremden Sphären mein Haupt bettete.

Am Anfang der Tour musste ich öfter feststellen, dass die Klamotten einer gewissen Rotation unterliegen. Will sagen, dass wenn ich unterwegs etwas benötigte, es immer in der zuletzt geöffneten Tasche gefunden wurde. Noch eine kleine Kulturtasche mit Platz für Sonnenschutz, Ersatzmückenschutz sowie Waschmittel aus der Tube. Und komplett sind die notwendigen Reiseutensilien.

Da einige Radfahrer mit Klick – Pedalen und selbigen Schuhwerk unterwegs sind, möchte ich hier anmerken, dass ich davon kein Gebrauch machte. Zum einen aus Platzmangel und zum anderen, weil die speziellen Schuhe nach den Touren am Tag schlecht als Laufschuhe eingesetzt werden können.

Ich habe auch schon Fälle mit Klickverschlüssen erlebt, die im sozialen Netzwerk viele Lacher gefunden hätten. Etwa auf meiner Heimstrecke in Opladen. Der entstand wie folgt: Ich stand bereits angelehnt an einer Ampel und sah, wie auf der gegenüberliegenden Seite ein mit vielen Muskeln bepackter und mit freiem Oberkörper fahrender Bodybuilder sich der Ampel nähert.

Beim Versuch sich auch an der Ampel anzulehnen, verpasste die „Pumpe“ den optimalen Neigungswinkel. Da sich die Ereignisse nun überschlugen, konnte er die Klickverschlüsse nicht lösen. Er holte tief Luft, pustete seine Wangen auf, spannte seinen Körper bis in die Haarspitzen an und fiel dann in Zeitlupe um.

Er hatte bei dieser Aktion viele Zuschauer, denn diese große verkehrsreiche Kreuzung war voll mit wartenden Autofahrern.

Da ich immer ein Erste- Hilfe- Paket dabeihabe, wartete ich noch auf meiner Seite auf ihn und erkundigte mich noch, ob etwas passiert ist?

>>Nein nur ein paar kleine Abschürfungen, sonst alles ok<<, antwortete er etwas unsicher mit dem Gefühl im Hinterkopf, oh wie unangenehm!

>>Sah aber cool aus dein Sturz, schade, dass ich das nicht gefilmt habe<<.

Ich war also aus Platzgründen bestens mit meinen zwei Paar Schuhen ausgerüstet. Mit den Badelatschen konnte ich mich auch noch gemütlich in den Klöstern und Hotels bewegen und darüber hinaus waren sie auch für kleinere Spaziergänge einzusetzen.

Da ich mich die meiste Zeit auf Pilgerwegen befinden würde und immer noch nicht getauft war, entschloss ich mich, vorher diese Lücke noch zu schließen. Es war mir schon immer ein Bedürfnis diese Tatsache für mich befriedigend zu lösen.

Ich habe es noch äußerst unangenehm in Erinnerung, als mein älterer Bruder „Eric“, der vor 26 Jahren starb, von einem freien Priester in der Totenmesse vom irdischen Dasein verabschiedet wurde. Meine Mutter, so erinnere ich mich dumpf, hatte Probleme einen christlichen Beistand zu organisieren, da „Eric“ nicht getauft war.

Nur welche Konfession darf es denn bitte sein? Auf jeden Fall christlich, denn ich bin in einem Abendland aufgewachsen. Und die Moslembrüder, auch wenn die Anzahl derer, die sich seit einigen Jahren mit Dynamit in die Luft jagen und zahllose, meist unschuldige Menschen so mit in den Tod ziehen, verschwindend gering ist, dennoch auf keinen Fall Islamisch. Das Wort Moslem bedeutet „der sich Gott Unterwerfende“, also was bitte sind diese religiösen Rituale der militanten, polarisierenden Neo-Islamisten? Wie PUFF sprengen die sich und andere Menschen in die Luft. Dafür habe ich kein Verständnis, auch wenn ich den Glauben anderer Menschen achte. Dann aber „Bitte“ keine vorsätzlichen Tötungsdelikte, denn das hat auch Euer und unser Gott nicht angeordnet.

Mit den Katholiken ist das auch so ein „Kreuz“, denn die aufgedeckten Fälle von Missbrauch an Jugendlichen haben in den vergangenen 10 Jahren zugenommen und damit komme ich nicht so klar. Hier möchte ich aber auch zur Entlastung der Katholischen Kirche anmerken, dass in letzter Zeit nichts mehr von neuen Fällen in den Medien berichtet wurde.

Ich erinnere mich noch an meine Kindheit, als ich in Hilden auf der Schulstraße in der Evangelischen Jugendgruppe sehr viel Spaß hatte und die Kirche sehr viel für die Jugend anbot. Dann ist es auch der „Luther Gang“, der es erlaubt, einen Lebenspartner zu ehelichen und eine Familie zu gründen. Das war Grund genug für mich, dieser Kirche beizutreten.

Zur Ostermesse, die sog. Auferstehungsmesse, im Jahre 2012 war dann mein Termin. Ich lud meine Freunde vom Stammtisch, der Selbstfindungsgruppe, sowie die Sportgruppe ein. Außerdem den Tupperclub, Nachbarn, Familie und weitere Freunde. Alle waren eingeladen mit mir morgens um sechs Uhr diesen für mich feierlichen Moment zu teilen.

Viele sind der Einladung gefolgt und wir erlebten diese Messe, die nur mit Kerzenlicht die Friedenskirche in Hilden erhellte und dem feierlichen Rahmen einen zarten Glanz verlieh. So wurde ich mit 52 Jahren getauft.

Mein Stammtisch überreichte mir zur Taufe in Orientierung an das Buch „Ich bin dann mal weg“ eine Mütze, Sonnenschutz, After-Sun und Vaseline. Letzteres wurde durch eine Wundheilsalbe ersetzt, die sich anfangs an sehr heißen Tagen als unverzichtbar erwies.

Ursprünglich wollte ich noch Essgeschirr, Besteck, Mini Gasofen, Gaspatronen, Kaffeetasse, Essig, Öl, Salz, Pfeffer, Kaffee, Milch, Spülmittel mitnehmen. Da ich aber nach dem Probepacken feststellte, dass diese kleinen Utensilien fast 4 kg ausmachten und somit mein Gesamtgewicht an Gepäck bei fast 20 Kg gelegen hätte, entschloss ich mich, diese Dinge Zuhause zu lassen. Ich wollte auch das zulässige Gesamtgewicht des Fahrrads nicht übermäßig überschreiten, denn mit mir und den notwendigen Dingen lag ich schon bei 122 Kg. Da ich auf jeden Fall abnehmen wollte und mein Körpergewicht 2000 Gramm zu hoch war, überschritt ich das vom Hersteller angegebenen maximale Gesamtgewicht. So hatte ich einen Anlass mehr, innerhalb einer Woche 2 kg abzunehmen, denn der Start der Reise rückte näher. Das Abnehmen der überschüssigen Kilos gelang mir.

Den Pilgerausweis besorgte ich schon ein halbes Jahr vorher beim Freundeskreis der Jakobuspilger in Paderborn. Dieser Freundeskreis gibt auch einiges an wertvollen Infos mit. Sehr hilfreich war das Unterkunft Verzeichnis von Saint-Jean-de Port nach Santiago de Compostela.

Da ich hinter Lyon, Richtung Le Puy en Valley auf dem von mir gewählten Pilgerweg fuhr, war der Wanderreiseführer GR 65, wie im Quellennachweis zu sehen, ein guter Begleiter für diverse Schlafmöglichkeiten.

Hier sei schon mal angemerkt, dass die Unterkünfte in den Klöstern in Frankreich für mich durch nichts zu übertreffen sind. Aber dazu später noch mehr.

Am 16.07.2013 war alles gepackt. Die Packtaschen und die runde Motorradtasche wurde noch mit Stahlseilen und Schlösser gegen Diebstahl gesichert. Ich war aufgeregt, weil es in wenigen Stunden losgehen sollte. Am Morgen des Reisestarts hatte sich die lokale Presse angemeldet, die wöchentlich über meine Exkursion berichten wollte. Dann würde es noch vom Pfarrer der Evangelischen Friedenskirche in Hilden den Reisesegen geben und einige Freunde wollten sich noch verabschieden. Ich war so heiß und hätte auf der Stelle Gas geben und losfahren können.

Mein Reisebudget betrug satte 900,- Euronen in bar, wie sich kurze Zeit später herausstellte, reichte es nicht so ganz. Aber ich wollte auch nicht noch mehr Gewicht mitnehmen und da ich ja in einem gut strukturierten Europa mit bemerkenswerter Infrastruktur lebe, sollte der Nachschub an liquiden Mitteln nicht so schwierig sein.

Also zeitig schlafen gehen, denn morgen Abend wollte ich schon in Koblenz sein.

Kapitel 2

1. Tag

Mittwoch der 17.07.2013

Jetzt geht’s Los

Alles verstaut und abreisebereit. 1

5:00 Uhr früh morgens. Wie immer brauche ich keinen Wecker, natürlich habe ich schlecht und zu wenig geschlafen, aber das Reisefieber bringt meinen Puls schon in den Aktivmodus und bald geht es ja los.

Es ist ein wunderbarer Sommertag und es soll die ganze Woche trocken und sonnig mit um die 25°C werden. Also ideales Radfahrwetter. Zuerst mal einen guten Kaffee gemacht und schön auf unserer Terrasse gesetzt und diesen „Hallo – Wach“ sehr genießen. Hoffentlich, so schießt es mir durch den Kopf, bekomme ich unterwegs von meiner Nikotinersatzdroge mindestens die gleiche Qualität! Wie schön es hier doch ist! Unser pflegeleicht angelegter Garten ist im satten Grün des Sommers getaucht. Mittlerweile sind die Tulpen und der Ginster, sowie der Flieder verblüht. Rechts von der Terrasse haben wir vor 3 Jahren eine schnell wachsende Leylandii – Zypresse angelegt. Links grenzt alter Baumbestand die Blumenbeete ein. Vor Kopf steht ein Gartenhaus, welches verschwenderisch schön mit weißen blühenden Kletterrosen protzt. In der Mitte steht ein ca. 5 Meter hoher Süßkirschbaum mit bemerkenswert vielen Kirchen dieses Jahr. Dieser große Kirchbaum spendet in den heißen Sommertagen genügend Schatten, sodass wir auf der Terrasse sitzend ein herrliches Mikroklima verspüren. Diverse Singvögel begrüßen mich mit ihrem wunderbaren Gezwitscher. Alles ist gut!

Vor einigen Monaten ließ ich unserem Pfarrer, Herr Wolf, eine E-Mail mit dem Inhalt zukommen, dass ich den Jakobsweg von unserer Gemeinde Hilden bis nach Santiago de Compostela fahren möchte und erbat von ihm meinen ersten Reisestempel in meinem Pilgerausweis. Pfarrer Wolf stimmte sofort zu und nachdem er von meinem Vorhaben ausführlich erfahren hatte, bot er mir an, den Reisesegen zu erteilen. Scherzhaft fragte er noch, ob ein Platz frei wäre? Aber ich sagte, er könne unmöglich von seinen Lämmern so lange entfernt bleiben. Da ich sehr früh loswollte, denn von Hilden bis Koblenz sind es fast 160 Kilometer, räumte er mir ein, dass ich den genauen Zeitpunkt bestimmen dürfte.

Ich hielt 9:00 Uhr für eine gute Zeit. Zum einen, um mein Tagesziel zu erreichen und zum anderen hatte ich noch an einige Freunden eine E-Mail geschrieben, dass es am 17.07.2013 früh morgens von der Friedenskirche losginge.

Da es eine denkbar arbeitnehmerfeindliche Uhrzeit war, kamen natürlich auch nur sehr wenige.

>>Ich danke hier schon mal meinen Freund „Miki“ mit seiner Frau Kirsten, „Mumsi“ und dessen Bruder Tobias, dass ihr es einrichten konntet! <<

Hier mein Schreiben per E-Mail an einige Freunde.

Hallo zusammen,

Juhuuuuu Freuuuuuu..........

Nächste Woche geht es los.

Am Mittwoch den 17.07. bekomme ich noch um 9:00 Uhr vor der Friedenskirche im Hildener Norden von Pfarrer Y. Wolf den Pilgersegen. Drückt mir die Daumen, dass ich auf meiner Tour von Hilden bis Santiago de Compostela durchhalte und keine physischen Belange mein Vorhaben stoppen! Da es jetzt um die 3000 km Radtour sind, wurde die örtliche Presse (Wochenpost) aufmerksam und wird ein Bild von der Abfahrt machen sowie wöchentlich einmal berichten.

Ich danke hier schon mal den Unterstützern für diverse Hilfsmittel wie: Schuhe, Radhosen, Sonnenschutz, Vaseline, Kopfbedeckung, etc. etc.! Danke auch für den Zuspruch vieler Interessierter und für die vielen und anregenden Unterhaltungen bzgl. meiner Pilgertour1

Gruß Gerd

Hier die Antwortschreiben:

-Björn Beck -

Wir wünschen Dir auch viel Kraft und Ausdauer für die Pilgerreise.

-Steffi und Jochen Schmack-

Hallo Gerd,

wir wünschen dir eine gute Reise, viel Durchhaltevermögen und vor allem unvergessliche segensreiche Erfahrungen. Toll, dass du das machst. 

Liebe Grüße

Jochen und Steffi Schmack

Gesendet: Freitag, 12. Juli 2013 um 05:44 Uhr

-Rene Simon- (Hammer Dein Einfallsreichtum)

Moin Gerd,

falls wir uns nicht mehr sehen, wünsche ich Dir alles Gute. Lass es ruhig angehen…;-) Über einen (täglichen?) Zwischenbericht würden wir uns sicherlich sehr freuen! Ich hoffe, Du kommst gut durch…;)… und komm uns heil zurück…;-)

Mit freundlichen GrüßenRené Siemon

-Conny Loose-

Lieber Gerd,

Auch von uns alles, alles Liebe, eine gute Fahrt und ganz großen Respekt! Komm heil wieder nach Hause :-)

LG Conny, Steve & Katharina

-Fam. Barbara Klasen-

Hallo Gerd,

ich drücke auch die Daumen und wünsche Dir gutes Gelingen.

Gruß Babsi

-Gerda Hans Suchy-

Hallo Gerd wir wünschen dir viel Glück bei deiner Tour.

Möge dein Popo durchhalten. Lg. Gerda und Hans

-Birgitt und Rick Ammerling-

Lieber Gerd,

wir wünschen Dir eine schöne und interessante Tour und vor allem VIEL SITZFLEISCH!!!! Wir sind gespannt auf Deine Erzählungen und Fotos!

LG Birgitt & Rick

-Gerold Lange-

Also das klingt ja toll! Auch von dem Rest der Familie und mir noch mal gutes Gelingen und komme gesund wieder, weil anders wäre nämlich schlecht!!! Wir wünschen Dir viele schöne Eindrücke und gute Erfahrungen!

Liebe Grüße Gero und der Rest

-Thomas Loibl-

Geht die Tour auch mit dem Motorrad :-)

Alles Gute und Hut ab!

Lieben Gruß Thomas

-Fridolin von der Mücke-

Hallo Herr Lange, leider sehen wir uns vor Ihrem Kurztrip ja nicht mehr zum WLAN Kaffee.Ihnen auf dem Trip alles Gute und immer einen Tropfen Öl auf der Kette.Wir sehen uns dann im September - vor meinem TRIP...Alles Gute.Fridolin von der Mücke

-Willi Eich-

liebe Grit und lieber Gerd, vielen Dank für euren Geburtstagsgruß. Habe mich sehr darüber gefreut, dass ihr an meinen Geburtstag gedacht habt.Liebe Grüße WilliP.S.: Gerd, ich wünsche dir, dass du dein gestecktes Ziel, (Jakobsweg in Spanien), gesund und erfolgreich absolvierst.Werde mir die Wochenpost Hilden organisieren. Viel Glück und Ausdauer, bis bald.

-Birgit Bozen-

Hallo Gerd, wir wünschen dir Durchhaltevermögen, Gesundheit und Gottes Segen auf deiner Pilgertour. Da hast du dir ja was vorgenommen. Hoffe, dass das Wetter mitspielt und es nicht zu heiß wird. Melde mich nach dem Urlaub.Bis dahin alles Gute Birgit und Anhang

-Daniel Clasen-

Mensch Gerd geht bald los.

Hatte eigentlich vor am Mittwoch ein kurzes Stück dich zu begleiten, habe aber einen Termin,

so dass ich dir auf diesem Wege eine schöne, erfolgreiche und unfallfreie Fahrt wünschen möchte.

Lieben Gruß auch im Namen von Susanne, Hanna und Julian

Daniel

-Dennis Suchy-

Hallo Gerd, Jetzt bin ich etwas spät dran mit Antworten und vielleicht bist du auch schon wieder zu Hause, da du ja schnell wie der Sausewind bist. ;-) Hoffe es klappt alles und das du bei deinem Abenteuer Spaß hast. Mit einem Pedalec würde ich auch mit(fahren). ;-)Bis die Tage…Liebe Grüße Dennis Suchy

Die Anteilnahme ist echt überwältigend, gut, dass es solch geile Freunde gibt. Mein Dank gilt natürlich auch den vielen Menschen, die mich angerufen haben oder Ihre Glückwünsche persönlich überbrachten.

Meine Lieblingstochter Viviane, sportliche Figur knappe 50 Kg Kampfgewicht, 160 cm groß, hat sich schon vor Monaten angemeldet und angekündigt, dass Sie mich bis Koblenz radelnd begleiten wolle.

>>Nur zu<<, sagte ich, aber in Gedanken habe ich mich schon schnell erwischt >>Verdammt, ich wollte doch keinen ausgeworfenen Anker hinter mir her schleifen<<.

Mir schoss sofort folgende Erinnerung ins Kleinhirn. Einige Zeit verbrachte Vivi mit mir, um Sport zu treiben. Wir sind mehrere Male nach Essen gefahren und umrundeten den Baldeneysee mit Inlinern. Dies bereitete uns sehr viel Spaß. Vivi war und ist immer noch um Längen besser als ihr alter Vater. Einmal ist die Kleine dann mit mir Rad gefahren. Mittlerweile war ich auch schon im Bergischen Land sehr viel unterwegs gewesen und kannte so einige Touren, die so gut 70 – 100 Kilometer betrugen.

Da ich die Route Solingen - Haan- Gruiten - Mettmann - Wülfrath - Wuppertal - Solingen wählte, die so rund 75 km mit einigen Bergen oder wie ich heute sagen würde mit einigen Hügelchen aufwartete, teilte mir Vivi vor einer Spitzkehre (Es ging einen Hügel hoch) unmissverständlich folgendes mit:

>> „PAPA ICH SPÜHRE MEINE BEINE NICHT MEHR.“<< Über diesen Spruch lachen wir heute noch.

Nachdem über einige Wochen die Sache immer wieder mal thematisiert wurde, einigten wir uns darauf, dass Vivi nur bis nach Köln mitkommen würde.

>>Puh… noch mal gut gegangen. <<

Nicht dass ich die Kleine nicht gerne hätte oder ungern mit ihr zusammen wäre, aber die Tatsache, dass ich jeden Tag Strecke machen wollte und Vivi in letzter Zeit wenig oder besser gar kein Fahrrad gefahren war, verhieß nichts Gutes für mein gesetztes Tagesziel. Nichtsdestotrotz, eine sehr liebe Geste, die ich von Herzen und gerne angenommen habe. Aber nur bis Köln war mir lieber. Da Vivi`s Fahrrad noch vom Umzug - Hamburg nach Hilden - bei uns stand, und es nicht gerade in einem fahrbaren Zustand war, erledigte ich dies auch noch kurz.

Vivi kommt wie verabredet um 7:30 Uhr mit Brötchen und wir starten den Tag mit einem letzten gemeinsamen Frühstück im kleinen Kreis unserer Familie. Da sich ja die örtliche Presse für 9:00 Uhr an der Kirche angemeldet hatte, ist es ab 8:00 Uhr vorbei mit meiner inneren Ruhe.

>>Hatte ich auch wirklich nichts vergessen und sind alle Leute instruiert? <<

Eigentlich war der Trip perfekt und straff organisiert, denn ich habe ja auch lange auf die Abreise hingearbeitet. Alles, was um halb neun nicht dabei ist, wird später gekauft oder besorgt. Also entspann dich Gerd! Nur noch zwei Flaschen Wasser in den vorgesehenen Trinkflaschenhalter und den Tacho mit allen wichtigen Eckdaten auf null gestellt. Die kombinierte Puls-Uhr und den Brustgurt angelegt, denn ab heute werden auch die verbrannten Kalorien festgehalten. Mal sehen, was du am ersten Tag so vom überflüssigen Hüftgold verlierst.

Es ist 8:45 Uhr. Wir, also meine Frau Grit, Vincent, Vivien und meine Wenigkeit machen uns auf den Weg zur Friedenskirche, die in 3 Minuten zu Fuß zu erreichen ist. Wir sind gerade aus der Tür heraus, da klingelt schon mein Handy.

Der –Mumsi – in seiner sehr eigenen durchdringenden aber herzlichen Art,

>>Wo bleibt ihr denn, es ist schon viertel vor neun und alle sind da? <<

Da ich gleich um die Ecke biegen würde und sowieso alle sehen würde, sagte ich zu ihm:

>> Bleib ruhig, es ist alles abgesagt worden, ich fahre doch nicht, habe keine Lust mehr! <<

Als ich dann um die Ecke biege, grinst Mumsi zufrieden. Mein Freund Mumsi, der singulär maskulin inkarnierte Heinz Erhardt, immer sehr hilfsbereit, äußerst zuverlässig und manchmal trägt er sein Gehirn auf der Zunge und ist zuweilen penetrant aber in sich ruhend.

Da Mumsi am 18.07.2013 eine Abspeckkur antreten würde, drückte ich ihm dafür schon vor meiner Abreise die Daumen und zollte ihm meinen Respekt, dass er den Hebel im Kopf nun umgelegt hatte. Ich erinnere mich noch an Folgendes:

Wir karrten meine letzte Ladeneinrichtung von Osterhauderfehn in Ostfriesland nach Hilden. Was hatten wir alles an einem Tag geschafft, geschleppt und geschwitzt. Alles für die Kinder. Ist ein gutes Argument, wenn es darum geht, Dinge zu erwerben, die auch einen gemeinnützigen Zweck erfüllen könnten. Da wird der Verkaufspreis gerne mal nach unten oder oben korrigiert. So geschehen in Osterhauderfehn. In einem großen Lebensmittelgeschäft war im Eingangsbereich eine Bäckerei als Untermieter. Eine Spiegelwand diente dem Ladeninhaber als Paketdienst - Annahmelager. Weil ich aber eine Bäcker - Ladeneinrichtung für 230,- € über das Internet erworben hatte, gehörte diese Spiegelwand dazu. Für diese vier Elemente jedes 2,50 x 1,20 Meter hatte ich überhaupt keine Verwendung und mir graulte es schon vor dem Abbau. Der Inhaber hatte schon beim Mumsi durchklingen lassen, dass er für den Preis auch alles gekauft hätte. Da er immer schon ganz nervös um mich herumspazierte, sagte mir meine innere Stimme, der will doch etwas.

>>Wenn Sie die alten Spiegel nicht brauchen, was möchten Sie denn dafür haben? Aber ich zahle auf keinen Fall den Preis, den sie für alles gezahlt haben<<

Aha, da tut sich doch was!

>> Also wissen Sie, das ist doch für ein Schülerkaffee und eigentlich alles für die Kinder, die brauchen doch jeden Cent. Also für 180,- € lass ich die Teile hier<<. Er gab mir 150,- €

Er hatte somit ein gutes Gefühl etwas zum Gemeinwohl beigetragen zu haben und ich war heilfroh, dass ich den „Mist“ nicht mitnehmen musste.

Ich nehme freudig zur Kenntnis, dass noch drei meiner Freunde am Start sind. Wir begrüßen uns herzlich und ich nehme auch den Fotografen von der Hildener Wochenpost wahr. Herr Kämmerer, der Chefredakteur, hatte mich am Telefon zu meinem Vorhaben schon zwei Wochen vorher interviewt und wir sind so verblieben, dass ich ihm wöchentlich ein paar Fotos und Tour Berichte zukommen lasse. Wie ich später zu berichten habe, war dieses einige Mal leichter gesagt als getan. Ich habe da so einige Stunden mit verbracht und wunderte mich, dass bei einem Aufwand von 20 Stunden nur so verschwindend wenig berichtet wurde.

Pfarrer Wolf nimmt uns in Empfang und wir gehen in die Kirche. Nachdem wir noch einigen Leuten ein kurzes Statement geben, geht es zügig zum Altar. Also den Wortlaut des Reisesegens kann ich beim besten Willen nicht mehr wiedergeben. Ich erinnere mich aber noch sehr genau, dass Herr Pfarrer Wolf für mich eine Kerze entzündete und diese Kerze sollte nun jede Woche zur Sonntagsmesse für mich leuchten. Wenn ich wiederkäme, so möchte ich bitte am darauffolgenden Sonntag zur Messe kommen, dann würde die Kerze entfernt werden. Ich habe mir das fest vorgenommen, denn ich war echt gerührt.

Es ist ca. 9:15 Uhr und vor der Friedenskirche muss ich für den Fotografen posieren. Einige Male an ihm vorbeifahren, damit er mich richtig trifft.

>>Aufregend, ich bin der Protagonist und voll wichtig. < <

Ich fühle mich zeitversetzt und an meine frühere Mikro Boxerkarriere beim Boxring Hilden erinnert. Wenn die Tagespresse uns ablichtete und wir uns später in der selbigen wiederfanden. Es ist sehr schön, dass sich Menschen für einen interessieren. Immer dienstags sollte dann ein Artikel in der Wochenpost erscheinen. Ich fand es bewegend, dass es dem Chefredakteur so viel wert war, dass ich in der Ausgabe vom 23.07.2013 auf der Titelseite erschien.

Folgende Überschrift trägt die Story:

Gerd Lange ist >>dann mal weg<< Hildener begibt sich per Fahrrad auf den Jakobsweg

Hilden (ak). sagt der Hildener. »Im vergangenen Jahr habe ich am Nordkap viele Menschen auf dem Fahrrad gesehen. Das hat mich zu dieser Herausforderung inspiriert. «Normalerweise betreibt Gerd Lange einen Kiosk in seiner Heimatstadt. Der wird während seines Ausflugs geschlossen bleiben. »Das ist schon ein Luxus, den sich nicht jeder leisten kann«, ist sich der unternehmungslustige bewusst. »Ich will meinem Körper zurückgeben, was er mir gegeben hat – durch eine Fastentour«, sagt Gerd Lange. Zehn Jahre langmusste er sich darauf vorbereiten, denn sein Vorhaben ist äußerst ehrgeizig: Mit dem Fahrrad will der 53-Jährige von Hilden aus auf dem berühmten Jakobsweg bis nach Santiago de Compostela gelangen. Am vergangenen Mittwoch fiel der Startschuss an der Friedenskirche – standesgemäß mit dem Segen des PfarrersYorck-Peter Wolf. Etwa 3.000 Kilometer ist die Route lang. Sechs Wochen Fahrzeit hat er dafür eingeplant. Ein Buch wie von Hape Kerkeling soll am Ende zwar nicht dabei herauskommen. Mit der WOCHENPOST aber hat er vereinbart, regelmäßig per moderne Kommunikationsmittel einige Eindrücke von seiner Pilgertour zu übermitteln. Wir sind gespannt auf seine Berichte. Ihm geht es weniger um religiöse Beweggründe. »Vielmehr möchte ich meine Grenzen kennen lernen«

Es ist fast 10:00 Uhr. Jetzt wird sich noch herzlich von Ehefrau Grit und Sohn Vincent, sowie dem kleinen Kreis der genannten Anwesenden verabschiedet. Jetzt, wo die Kür absolviert wurde, erfolgt die Pflicht.

>> Auf geht’s Vivi<<.

Kirsten ruft mir noch einige Male nach,

>>Gerd, du musst Dich unbedingt umdrehen<<, was ich natürlich sehr gerne machte.

Denn ich will ja auf jeden Fall wiederkommen. Eigentlich habe ich noch eine „Ich-könnte-ja-Option“ mit Miki und Kirsten vereinbart. Sollte ich zeitig am Ziel sein, so nähme ich eventuell einen Flug zu Ihnen nach Ibiza, um noch ein paar Tage auszuspannen. Mal schauen.

Den Weg nach Köln findet mein Fahrrad fast alleine, denn diese Tour sind wir schon, gefühlte 1000-Mal gefahren.

Knapp einen Kilometer von der Friedenskirche entfernt gelangen wir in den Hildener Stadtwald. Von hier aus geht es kurz vor dem Waldbad über die Elberfelderstraße. An der Waldkaserne und am Licht- Luft und Sonnenbad vorbei, überqueren wir die Walderstraße und fahren weiter in Richtung Engelsberger Hof. Vorbei an Pferdehöfen, Gärtnereien und der Wichermühle in Langenfeld. Jedes Mal, wenn ich an der Wichermühle vorbeifahre, fällt mir ein Gelage ein. Die Mühle war in den 1986 achtziger Jahren berühmt berüchtigt für seinen Beerenwein. Was haben wir uns hier einmal abgeschossen. Nichts ist drinnen geblieben, >> Nee, Nee das schöne Geld<<, alles im Wald gelassen.

In Langenfeld, am Segelflugplatz führt ein kleiner Weg weiter durch den Wald, grob entlang an der A 3, die für die nächsten Kilometer als Orientierung dient. Wir verlassen den Wald und fahren neben der Schnellstraße und der dahinterliegenden A3 Richtung Opladen.

Hier in Opladen gibt es ein formidables Restaurant, das „Stippenhüschen“. Der Inhaber Achim kredenzt einen geilen „Pferdehals“, genannt auch:

>>Rinderfilet Master Exquisit<<.

Wenn man möchte und genügend Kleingeld hat, auch in der XXXL- Ausführung mit mindestens 400 Gramm. Dann dazu gedünstete sekundäre Pflanzenstoffe der Saison. Was für ein Trennkostgedicht und -gericht. Wir haben hier schon einige Nächte mit unserem Tupperclub verbracht! Aber auch der Würger hat hier zugeschlagen, von dieser Aktion werde ich noch zu berichten haben.

Aber keine Zeit jetzt, ich muss Strecke machen. Ich will, wie gesagt, noch heute in Koblenz ankommen. Hier hinter Opladen führt der weitere Verlauf hinter einem bekannten Schnellrestaurant, rechts vorbei wieder in ein Waldstück und nach kurzer Wegstrecke erreichen wir Leverkusen. Der Rhein, der bis nach Koblenz mein Wegweiser sein wird, zeigt sich jetzt schon hin und wieder mal.

Nicht unbemerkt nehme ich zur Kenntnis, dass es Vivi kaum noch auf dem Sattel hält.

>>So ein Sattel kann schon drücken<<, merke ich an.

>> Never<<, antwortet Vivi auf meinen Vorschlag, dass ich noch gepolsterte Radhosen habe, die ich ihr vor der Abreise auch schon wärmstens aufdrängen wollte. Aber bis Köln sind es ja nur noch knapp 20 Kilometer.

In Leverkusen gibt es seit einigen Jahren nach der Landesgartenschau einen wunderbaren Park, den Neuland Park. Hier legen wir Rast ein, um zu verschnaufen. Wir halten vor einem exotischen chinesischen Drachenpavillon und schwelgen in Erinnerung an unsere früheren Urlaubsreisen nach Thailand. Das Wasserfest „Songkran“, das wir einmal in Pattaya erlebt haben.

Hierzu sei zum besseren Verständnis folgendes angemerkt: Songkran ist das traditionelle Neujahrsfest nach dem thailändischen Mondkalender. Das Wort „Songkran“ stammt aus dem Sanskrit und bezeichnet den Übergang der Sonne von einem Tierkreiszeichen zum nächsten. Die Hände der Mönche und auch älterer Menschen werden mit Wasser benetzt. Es gibt aber auch die Hart Core Variante und hier fühlten wir uns angesprochen.

Ich kaufte Vivi auf dieser Reise eine übergroße Wasserpistole oder besser gesagt einen mobilen Mini- Wasserwerfer und sie hatte einen riesigen Spaß damit, die Passanten aus unserem fahrenden Wrangler Jeep mit einem gezielten Schuss zu treffen.

Die Menschen beschmieren sich zu „Songkran“ mit in Wasser aufgelöster Kreide oder bewerfen sich mit Eimern, die voll sind mit einem Wasser- Kreidegemisch. Nachdem dann das Wasser verdunstet ist, sieht man aus wie ein Zombie oder man denkt, man sei in Amerika auf einer Halloween Party.

>> Was hattest du einen Mords Spaß<<

Mir war auf einmal sehr komisch, als ich in einer „Rechtskurve“ (Man achte auf die Details), in Thailand herrscht Linksverkehr und in dem Jeep, den ich eigens für unseren Urlaub zwei Wochen gemietet habe, plötzlich der Beifahrersitz leer war.

>> Vivi …um Himmel Willen, wo bist du!?<<, rief und dachte ich.

Die ganze Beifahrervermissten- Aktion dauerte keine 20 Sekunden. Aber mir kam es wie eine kleine Ewigkeit vor.

Ich stellte mir schon die Horrorszene vor:

> >Sirenen der Rettungsfahrzeuge und Not- Ambulanz. Der Hubschrauber findet keinen Landeplatz, da die Straßen voll sind mit Songkranverrückten. Sanitäter rufen nach Blutspender „A Rhesus negativ“. Ich komme nach Kambodscha zu den roten Khmer ins Gefängnis. Muss in den Tagebau und in der sengenden Hitze nach Rubinen zu suchen. <<

Aber, keine Schreie, keine quietschenden Reifen und auch keine rotierenden Geräusche von Hubschraubern, denn eine mir vertraute kindliche Stimme rief:

>> Hier, hier, hier! <<

Ihr kleines braungebranntes Gesicht sah mich leicht erschrocken an und ihre von der Sonne ausgeblichenen blonden Haare wehten leicht im Wind, wobei blonde Strähnen ihr Grinsen bedeckten. Dann rief sie:

>>Hier bin ich Papa, es ist nichts passiert, bitte lass uns weitermachen, es ist sooooo lustig! <<

Im Fahrzeug waren zwar Sicherheitsgurte, diese hatten wir in unserem fahrenden Panzer leider nicht angelegt, denn was sollte schon passieren in der Stadt. Und Türen, na ja Fehlanzeige? Der kleine Kacker war einfach der Fliehkraft ausgesetzt und hielt sich nicht fest, da sie ja in erster Linie damit beschäftigt war, Menschen mit dem Inhalt ihres Mini-Wasserwerfers zu überraschen.

Meine Aufsichtspflicht und das Bewusstsein waren bis zu diesem Tag noch nicht ausgereift genug, um das Risiko zu umreißen.

Gott sei Dank, bog ich nicht schnell ab! Passiert ist außer kleineren Schürfwunden nichts. Seit diesem Erlebnis wird immer der Sicherheitsgurt angelegt.

Nach dieser Rast geht es dann weiter über die Leverkusener Rheinbrücke. Flussaufwärts werde ich auf dieser Seite bis nach Koblenz bleiben können. Wir fahren noch einige Kilometer und ich bemerke, wie es immer stiller hinter mir wird.

Vivien hält es kaum noch im Sattel, sie steht nur noch in den Pedalen.

>>Papa, wie weit ist es noch? <<

>>Bis zum Kölner Dom sind es noch circa 10 Kilometer Vivi...gleich sind wir da, halte durch! <<, spreche ich.

Bis auf die „Ford Werke“ in Köln können wir schön am Rhein entlangfahren und nach weiteren fünf Kilometern erreichen wir die Rheinuferstraße, die direkt bis zum Kölner Dom führt.

Trotz massiver Kampfansage zwischen Sattel und Vivi`s Hintern, beißt sich die Kleine durch und so erreichen wir den Kölner Hauptbahnhof.

Zwangsweise befördern wir unsere Räder in schiebender Weise durch die Menschenmassen des Bahnhofes, bis wir den Haupteingang passieren und vor uns der Kölner Dom im vollen Glanz eines wirklich wunderbaren Sommertags erscheint. Da Vivien den „Ich fahre auf keinen Fall mehr Rad“ Blick aufgelegt hat, benutzen wir den durch Zufall gefundenen Fahrstuhl, um damit auf die Domplattform zu gelangen. Und so bleibt uns noch einige hundert Meter Schieben erspart.

Da ich mich schon fernmündlich für den Eintrag des Pilgerstempels angemeldet hatte, weiß ich, wo ich mir diesen abholen kann. Vivien nutzt die Gelegenheit, um ihren Nikotinhaushalt wieder aufzufrischen und schmeißt sich ein paar Glimmstängel rein. Auf dem Weg zum Glockenmeister erinnere ich mich noch an „Hoppi“ einen früheren Stammtischler. Ein 1,90 Meter großer, dunkler Typ und Brillenträger, sehr sympathischer Mensch oder jetzt auch Geistlicher. Zuerst hatte er Lehramt studiert und dann zur Theologie übergewechselt. Jetzt residiert er als Domvikar im Kölner Dom.

>>Wenn der Mal sein Auto abstößt, werde ich es kaufen und sollte er Papst werden, so ist die Karre ein Vermögen wert. <<

Spaß beiseite. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass der Domvikar Tobias Hopmann, genannt „Hoppi“ mir noch in diesem Jahr im Oktober begegnen wird und zwar anlässlich der Taufe von Tom Simon. Nach der Taufe gibt es noch eine Miniführung durch den Hochaltar- Bereich und wir dürfen untern den „Dreikönigenschrein“ schreiten. Der Kölner Dom ist das meist besuchte Bauwerk Deutschlands so berichtet „Hoppi“.

Nachdem ich meinen ersten großen Stempel, denn den habe ich mir auch nach gefahrenen 35 km verdient, im Pilgerausweiß erhalte, gehe ich zurück zur Tochter und präsentiere ihr stolz diesen Stempel.

>> So, wo gehen wir denn Frühstücken? <<, frage ich.

>> Also von mir aus müssen wir nichts mehr suchen und wenn Du möchtest, kannst Du gerne weiter Richtung Koblenz fahren Papa! <<

Gesagt und getan, ich hatte auch das Gefühl, jetzt mal endlich Gas geben zu wollen. Wir verabschieden uns herzlich voneinander, drücken uns kräftig und versprechen, dank moderner Kommunikationsmittel im ständigen Kontakt zu bleiben. Dass meine geliebte Tochter, sich nahe dem Kölner Hauptbahnhof befindend, mit dem Fahrrad wieder nach Hause fährt, bedarf keiner weiteren Ausführungen.

Es ist, wie bei diesem schönen Tag anzunehmen, auch richtig brutal voll und ich muss mein Rad teilweise noch bis zum Rhein schieben. Nach dem Passieren des Schokoladenmuseums lichtet sich das Menschenaufkommen und ein Fahren im aeroben Zustand wird möglich.

Gleich hinter Köln der erste Wegweiser.

>> Wie geil ist das denn, Hammer, ein blauer Aufkleber mit gelber Pilgermuschel auf einemStraßenschild! <<, merke ich lautstark an. Es war ja keiner da den ich störte, aber selbst wenn, egal! Ich bin also auf dem richtigen Weg.

>>Was für ein schönes Gefühl, jetzt bin ich ein Peregrino! <<, dachte ich mir.

Den Rhein bei diesem Kaiserwetter entlang zu fahren oder wie ich jetzt empfinde, zu gleiten, ist ein sehr schönes Gefühl. Der ständige Wechsel von Schatten in der jetzt fast prallen Sonne ist sehr schön. Zwischendurch immer das Trinkwasser nachgefüllt, denn jetzt wird der Wasserbedarf mit den steigenden Temperaturen doch deutlich höher.

Die Erfahrung, nicht genug Trinkwasser zu haben, habe ich einige Wochen später gemacht. Ich bin kollabiert:

>>Quatsch kollabiert, – verreckt wäre ich bald<<, weil ich die Hälfte meiner 40 Grad warmen Wasserplörre einer erschöpften Frau gab, die wie ich meinte, der „Camino Natural“ ist der einzig wahre Pilgerweg. Aber auch dazu später mehr.

Mittlerweile steht der Lorentz hoch am Himmel und es ist fast 32 Grad. Vater Rhein reflektiert die Sonne und es glitzert und funkelt wie Diamanten „River VSS“, wenn tausende kleine Miniaturwellen die Strömung brechen.

Ich erreiche entlang des sehr gut ausgebauten Radwegs Rodenkirchen. Hier auf dem Campingplatz direkt am Rhein war ich vor vielen Monden mit meiner „entschleunigten“ Jugendgruppe angekommen. Wo mir viele Väter folgende Weisheit einredeten:

>>Daran werden sich die Kinder ein Leben lang erinnern! <<.

Das höre ich immer noch wie heute. Aber mal ehrlich, der einzige der sich angenehm erinnert, bin einzig und alleine nur ich.

Wie tapfer mein Sohn Vincent mit seinem Rad, welches gerade mal drei Gängen hatte und die er auffällig ökonomisch einsetzte, doch gewesen ist. Hat der Junge mit fünf Jahren hier schon an einem Tag fast 45 km abgestrampelt. Eine riesige Leistung, finde ich heute. Okay, wir habe viele Pausen eingelegt, aber ohne sich zu beschweren, zu meckern oder der gleichen hatte er mitgemacht. Wie ich es heute einschätze, muss er Spaß gehabt haben, sonst hätte er eine solche Leistung nicht abrufen können.

Wenn ich daran denke, dass ein super gestresster Freizeitradler den Kleinen kurz vor „Rodenkirchen“ zu Fall brachte und trotz Kontakt weiterfuhr! Da er keinerlei Anstalten machte anzuhalten und sich nicht einmal dem Befinden meines Sohnes erkundigte, erinnere ich mich genau an meine Worte, die sehr lautstark gewesen sein müssen, denn er stoppte sofort:

>> Wenn du Geisteskranker nicht sofort zurückkommst, dann hohle ich dich und dann Gnade dir Gott!!<<

Ich hatte seinerzeit einen voll beladenen Fahrradanhänger und hätte es mit diesem Gespann auf keinen Fall geschafft, einen gut trainierten, Mitte 50- jährigen einzuholen. Aber die Macht des sehr lauten Wortes ließen eine sofortige Reaktion folgen.

Vincent hatte eine leicht blutende Schürfwunde am Knie und weinte mittlerweile bitterlich. Ich musste meinen stark angestiegenen Puls unbedingt wieder runterfahren, damit ich den Jungen wieder beruhigen konnte. Es fiel mir schwer, da ich mich noch im Wortschwall mit dem vermeintlichen Herrn, der jetzt auch am Tatort angekommen war, befand. Dieser entschuldigte sich dann mit sehr gut formulierten Sätzen und ich hatte das Gefühl, dass er das ehrlich gemeint hat, denn ich wurde ruhiger. Meine innere Stimme sagte mir, der meint was er sagt. Wir verzichteten auf den Austausch der Adressen und ich verabschiedete ihn, wenn auch sehr reserviert.

Von Rodenkirchen geht es weiter entlang des Rheins vorbei an Godorf, Wesseling bis nach Bonn. Hinter dem alten Kanzleramt schaue ich mir dann eine Parkbank, die etwas abgelegen vom Radfahrweg steht aus, um hier eine Pause einzulegen. Die Bank fußt schön im Kernschatten einer alten Kastanie und nachdem ich meine Vitamine zu mir genommen habe, lege ich ein schönes Nickerchen ein.

>> Ach was geht es mir gut! <<, spreche ich zu mir.

Nach einer guten Stunde geht es aber schon wieder weiter. Ich will es bis zum Abend bis hinter Koblenz schaffen, denn dort hatte ich mir ein Zimmer in einer Pension reserviert.

Vorbei an Königswinter, welches sich auf der anderen Rheinseite mit den Ausläufern des Siebengebirges befindet. Es ist jetzt schon sehr heiß und ich habe abermals Wasser nachgekauft. Mir läuft der Schweiß den Rücken runter und habe Sorge, dass ich mir schon am ersten Tag einen „Wolf fahre“. Also alles schön mit Spezialcreme vorbehandeln. Meine Unterhose, die ich unter meiner Radlerhose trage, ist klatschnass und scheuert.

Ich erreiche Remagen. In dem alten Brückenbauwerk befindet sich ein Museum, welches die Bedeutung der Brücke von Remagen im 2. Weltkrieg wiedergibt.

>>Was ist das heiß! >>, rede ich mit mir.

Ich fahre jetzt schon einige Stunden in der prallen Sonne und Wasser deckt zwar meinen Mineralbedarf aber die warme Plörre erfrischt nicht wirklich bei der Hitze.

Mein Versuch in einem Gotteshaus einen Pilgerstempel zu bekommen, läuft „gen Null“. Alles ist zur Mittagszeit geschlossen.

>> Hoffentlich bekomme ich in meinen Pilgerausweiß genug Stempel von Deutschland! <<, schießt es mir durch den Kopf.

Jedes Mal vom geplanten Radweg Kirchen anzufahren, um festzustellen, dass diese geschlossen sind, nervte etwas. Dies verschlingt meine Zeit, denn ich hatte eine Pension gebucht. Gegen 16:00 Uhr erreiche ich “ Bad Breisig“ und sehe auch hier auf der anderen Rheinseite „Bad Hönningen“.

Hier hatten wir einst unsere erste Kegeltour. Es müsste 1997 gewesen sein und wir nennen uns: „Up se Kumme“. Zu der Zeit waren wir noch eine große starke Truppe. Geboren auf Mallorca. Aus der Laune heraus haben wir bei einer spontanen Tour festgestellt, dass alle gut zusammenpassen und daraus mehr wachsen kann. Mittlerweile sind die meisten Gründungsmitglieder nicht mehr am Start. Und der Club gönnt sich eine einjährige Pause. Auszeit, um vielleicht wieder zusammenzukommen. Aber mit dem Ausscheiden vom Hoti Hübner, der die Truppe zusammengehalten hatte, glaube ich nicht mehr daran.

Zwischen Brohl und Andernach komme ich an einem rustikalen Amerikanischen Restaurant vorbei. Die Spezialität des Hauses sind „Bohnen“. Hier gibt es eine Menge an Bohnengerichten. Serviert wird in einer rustikalen Stahlpfanne und dies für schmales Geld. Ich habe auch mächtig Hunger und „Duscht“. Also entschließe ich mich nach kurzem Studium der Speisekarte, hier einzukehren.

>> Eine Gerstenkornkaltschale bitte, aber eiskalt, wenn möglich! <<

>> Wie bitte? <<, so der Kellner.

>> Ein großes kaltes Pils, bitte! <<

Ich war von dem Fahren so aufgeheizt, dass der erste Schluck, so glaube ich, nicht zum Magen gelangt, da er schon auf der Zunge verdampft. Ich muss einiges an Geduld aufbringen und noch ein paar cl müssen meinen Gaumen passieren, um eine Abkühlung der inneren Organe zu erwirken.

Aber das tut sehr gut und ich bin wieder tiefenentspannt und leicht beschwipst.

>>Wie war das doch gleich mit meinem Vorhaben „Kein Alkohol“, hat doch lange angehalten!?<<, stelle ich selbstredend fest.

Die anschließend heiße Bohnenpfanne ist wunderbar und ich bedauere, davon nicht mehr essen zu können. Dieses rustikale Essen wird leider in meiner Erinnerung als ein einmaliges Gaumenerlebnis hängen bleiben müssen.

Da mein Wasservorrat fast zu Ende geht, viel zu warm und somit ungenießbar ist, erwerbe ich an der angrenzenden Tankstelle neues Wasser und für den Weg zwei kleine, kalte Döschen Funghi.

>>Mann kann ja nicht wissen, wie heiß es noch wird? <<

Ich muss jetzt aber noch mal „daran ziehen“, denn es sind noch ein paar Kilometer bis Koblenz und in Lahnstein wartet mein Nachtlager.

Hinter dem Atommeiler von Mülheim- Kärlich in Sankt Sebastian kehre ich noch in einer am Rhein gelegenen Gaststätte ein. Ich muss unbedingt wieder die inneren Kernorgane runter kühlen.

Ich fahre weiter. Es ist jetzt schon weit nach 20:00 Uhr und da passiert das, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe.

>> So ein Pech. Ein Platten und wo, ausgerechnet vorne und dann noch genau mittig und das jetzt …noch! <<

Ok, erst mal ruhig bleiben, es ist ja nicht wirklich etwas passiert. Ich halte an einer Parkbank, hole mir eine Dose Bier hervor, öffne diese und lehne mich entspannt zurück. Der Rhein hier vor den Toren von Koblenz hat immer noch nicht seinen Glanz und sein wirres Glitzern in der tief stehenden Sonne verloren.

Da ich befürchte, meine Unterkunft nicht mehr rechtzeitig zu erreichen, „exe“ ich den Inhalt der Dose und fange an mich zu produzieren.

Da der Plattfuß zum Glück in der Mitte der Lauffläche des Vorderreifens ist, geht die Reparatur, dank der Schnellspanner an Rad und Bremsen, sehr zügig. Genug Schläuche habe ich ja. Den Flicken nur für den „Super- GAU“. Das Abtasten der Mantelinnenseite muss dann ohne Handschuhe, allein der Haptik wegen, erfolgen. Die schmutzigen Hände bekomme ich, dank meiner lieben Grit, mit Seifenstrips, welche sie mir für die Tour besorgte und etwas Trinkwasser wieder sauber. Ich bin gerade dabei den Reifen mit meiner Teleskop Miniluftpumpe, die seitlich am Trinkwasserbehälter befestigt ist, wieder aufzupumpen, als mich ein älterer Herr, ich schätze so 70 plus, schlank, ca. 80 kg schwer, fragt:

>>Jung, Weiß du eigentlich, wann es linksrheinisch oder rechtsrheinisch heißt? <<

>>Wie bitte? <<, überlege ich … aber nur eine Mikro Sekunde …und antworte:

>>Nein, keine Ahnung<<, und pumpe weiter.

Diese Minipumpe benötigt, gefühlte 1000 Hübe, um 3,0 bar an Druck auf die Reifen zu bekommen, aber mir ist ja gerade sowieso kalt.

>>Verdammt! <<, denke ich, bald ist es dunkel und ich habe noch gut 16 km vor mir.

>>So, dann pass mal auf, das ist so, also ……………<<und er fängt an zu berichten.

Ich lege mein Vorderrad beiseite und als ob ich es geahnt hätte, wird dies eine sehr einseitige Unterhaltung. Ich öffne meine letzte Dose Bier und lehne mich auf meiner Parkbank zurück. Flüchten kann ich nicht, denn ich befinde mich ja noch im „Reparaturmodus“.

>> Die Strömungsrichtung, merke dir immer die Strömungsrichtung, Junge. <<, so der Herr.

Will ich das eigentlich alles und unbedingt heute noch wissen?

>>Ja Gerd, du musst! <<, denke ich.

>>Bitte können sie das genauer erklären, es ist spät und ich bin schon sehr lange auf den Beinen oder besser gesagt auf den Reifen unterwegs und es dürstet mich nach Wissen? <<

>> Wenn sich eine Stadt in Stromrichtung auf der rechten Seite befindet, so bezeichnet man das als rechtsrheinisch. Wenn du also bald in Koblenz ankommst und Koblenz befindet sich hier auf dieser Seite, dann reparierst du dein Fahrrad gerade auf welcher Seite? <<

Schnell noch ein Schluck und, >>komm überlege und konzentriere dich von Latten, sonst wird das hier eine lange Erklärbär-Nummer. <<

>>Linksrheinisch! <<,

schoss es von meinem Gehirn ins Sprachzentrum und dabei denke ich noch:

>>Warum muss ich so viel wissen, von dem ich nichts wissen muss? <<

>>Jawohl! <<

>>Da bin ich ja heute nicht umsonst aufgestanden! <<, merke ich an und pumpe dann weiter.

Wir tauschen uns noch etwas aus, ich baue dabei mein Vorderrad wieder ein, verstaue meine Sachen wieder und setze nach der Verabschiedung meine Pilgerreise fort.