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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Ist die Aussicht nicht wundervoll? Die berühmten Zwillingsgipfel Himmelsspitz und Wintermaid vor stahlblauem Himmel … Es ist einfach überwältigend, findest du nicht?« Jochen Sahlinger strahlte übers ganze Gesicht, als er sich seiner Freundin Tessa zuwandte. »Ich bin so froh, dass du mitgekommen bist, Tessi. Ohne dich wäre die ganze Tour nicht halb so schön.« Er legte seinen Arm um Tessas zarte Schultern und drückte die junge Frau liebevoll an sich. Tessa nickte und lächelte Jochen zu. Dass ihr Lächeln etwas gequält ausfiel, merkte er in seiner Begeisterung nicht. Die anderen Mitglieder der siebenköpfigen Gruppe junger Fahrradtouristen übersahen es ebenfalls. Sie schenkten Tessa und Jochen kaum Aufmerksamkeit. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, den Blick auf die herrliche Berglandschaft zu genießen, den sie sich durch einen schweißtreibenden Anstieg erobert hatten. Nur ihre Anführerin Saskia bemerkte es, sie bedachte Tessa mit einem spöttischen Seitenblick und hätte sich am liebsten vor Genugtuung die Hände gerieben. Von Anfang an hatte sie darauf gebaut, dass die Radtour von München nach Verona, zu der sie vor einer knappen Woche aufgebrochen waren, für Tessa bald zu anstrengend werden würde. In ihren Augen war Tessa ein unsportliches Weichei. Sie konnte sie auch nicht begreifen, wie der gut aussehende sportliche Jochen, mit seinen breiten Schultern und seinen schmalen Hüften, sich in dieses lächerliche Püppchen hatte verlieben können. Tessa und Jochen passten ihrer Meinung nach überhaupt nicht zusammen. Wenn schon, so fand Saskia, wären eher Jochen und sie selbst das ideale Paar. Aber Männer konnten manchmal schrecklich dumm und begriffsstutzig sein! Saskia schnaubte verächtlich, schob die unliebsamen Gedanken aber rasch beiseite. Entschlossen drängte sie sich durch die Gruppe und stellte sich mit ihrem Mountainbike neben Jochen und Tessa, die immer noch eng umschlungen ganz vorne am Aussichtspunkt standen.
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Seitenzahl: 119
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»Ist die Aussicht nicht wundervoll? Die berühmten Zwillingsgipfel Himmelsspitz und Wintermaid vor stahlblauem Himmel … Es ist einfach überwältigend, findest du nicht?« Jochen Sahlinger strahlte übers ganze Gesicht, als er sich seiner Freundin Tessa zuwandte. »Ich bin so froh, dass du mitgekommen bist, Tessi. Ohne dich wäre die ganze Tour nicht halb so schön.«
Er legte seinen Arm um Tessas zarte Schultern und drückte die junge Frau liebevoll an sich.
Tessa nickte und lächelte Jochen zu.
Dass ihr Lächeln etwas gequält ausfiel, merkte er in seiner Begeisterung nicht.
Die anderen Mitglieder der siebenköpfigen Gruppe junger Fahrradtouristen übersahen es ebenfalls. Sie schenkten Tessa und Jochen kaum Aufmerksamkeit. Zu sehr waren sie damit beschäftigt, den Blick auf die herrliche Berglandschaft zu genießen, den sie sich durch einen schweißtreibenden Anstieg erobert hatten.
Nur ihre Anführerin Saskia bemerkte es, sie bedachte Tessa mit einem spöttischen Seitenblick und hätte sich am liebsten vor Genugtuung die Hände gerieben.
Von Anfang an hatte sie darauf gebaut, dass die Radtour von München nach Verona, zu der sie vor einer knappen Woche aufgebrochen waren, für Tessa bald zu anstrengend werden würde.
In ihren Augen war Tessa ein unsportliches Weichei.
Sie konnte sie auch nicht begreifen, wie der gut aussehende sportliche Jochen, mit seinen breiten Schultern und seinen schmalen Hüften, sich in dieses lächerliche Püppchen hatte verlieben können.
Tessa und Jochen passten ihrer Meinung nach überhaupt nicht zusammen. Wenn schon, so fand Saskia, wären eher Jochen und sie selbst das ideale Paar.
Aber Männer konnten manchmal schrecklich dumm und begriffsstutzig sein! Saskia schnaubte verächtlich, schob die unliebsamen Gedanken aber rasch beiseite.
Entschlossen drängte sie sich durch die Gruppe und stellte sich mit ihrem Mountainbike neben Jochen und Tessa, die immer noch eng umschlungen ganz vorne am Aussichtspunkt standen.
Saskias Blick ruhte noch einen Moment lang auf ihnen, dann legte sie ihren Kopf in den Nacken und betrachtete die weißen Wolkentürme, die sich hinter den Bergen heraufschoben.
»Es hat sich nach dem gestrigen Unwetter schnell wieder aufgeklart«, stellte sie fest. »Damit hätte ich nie und nimmer gerechnet. Trotzdem bin ich mir recht sicher, dass es heute Abend ein neues Gewitter geben wird. Vielleicht bricht es sogar schon am frühen Nachmittag los.«
Tessas ängstlichen Blick genießend, wandte Saskia sich an Jochen: »Ich für meinen Teil liebe Gewitter. Sie sind die Würze eines Sommertags, weil sie ihm einen Hauch von Abenteuer und Gefahr verleihen. Es geht doch nichts über ein wenig Nervenkitzel, der einem die Langeweile vertreibt.«
Jochen zuckte wortlos die Schultern. Er wollte Saskia im Beisein der ganzen Gruppe nicht offen widersprechen, zustimmen mochte er ihr allerdings noch weniger.
Wenn er an die vergangene Nacht dachte, die sie zu siebt, dicht aneinandergedrängt, in einem alten ausgedienten Heuschober verbracht hatten, während draußen ein Blitz nach dem anderen vom Himmel gezuckt war, wurde ihm noch im Nachhinein mulmig zumute.
Gottlob hatte keiner der Blitze eingeschlagen und gezündet.
Es hatte nur durch das kaputte Dach geregnet, und sie waren pitschnass geworden. Es war unangenehm genug gewesen, aber wenn man bedachte, was mit ein wenig Pech Schlimmeres hätte passieren können …
Jochen wich dem intensiven Blick der dunkelhaarigen Saskia aus und studierte stattdessen die an seinem Lenkrad befestigte Landkarte.
Saskia war zwei Jahre jünger als er. Sie studierte Pädagogik wie er selbst und wie alle aus der Gruppe. Als zukünftige Grundschullehrerin konnte Jochen sich Saskia allerdings beim besten Willen nicht vorstellen. Schon jetzt arbeitete sie neben dem Studium als Trainerin, die Wildwasserfahrten, Extremklettertouren und Camps für Überlebenstraining organisierte. Bei diesen Unternehmungen war sie ganz in ihrem Element. Und damit würde sie wohl auch nach ihrem Lehrerexamen weitermachen. Falls sie überhaupt vorhatte, ihr Studium abzuschließen.
Unwillkürlich schüttelte Jochen den Kopf.
Noch nie war er einer Frau begegnet, die so viel Mut besaß wie Saskia. Ihr Schneid war bewundernswert, wenn sie in seinen Augen auch oft entschieden zu weit ging in ihrem Bedürfnis, dem Rest der Welt ihre Tapferkeit und Überlegenheit zu zeigen.
Jochen griff nach seiner Wasserflasche und nahm einen großen Schluck.
Natürlich war ihm nicht entgangen, dass Saskia ihn gut leiden mochte. Vielleicht sogar noch mehr. Aber daraus konnte nichts werden. Eine nähere Beziehung zu Saskia kam für ihn nicht in Frage.
Er wusste es im Gegenteil zu schätzen, dass Tessa ganz anders als Saskia war. Eben keine draufgängerische Sportskanone, sondern – wie ihr engelhaftes Aussehen es auch schon versprach – sanft und ausgeglichen und unglaublich vielseitig interessiert.
»In St. Johann brauchen wir übrigens nicht in einem Heuschober zu übernachten«, riss Saskias Stimme Jochen aus seinen Gedanken.
Die junge Frau hatte sich umgedreht und sprach nun, den Kopf hochgereckt, zur ganzen Gruppe.
»Ich habe nämlich Betten für uns reserviert. In einem Jagdschloss namens Hubertusbrunn, dort ist eine Jugendbegegnungsstätte untergebracht. Wir werden es heute Nacht also richtig komfortabel und gemütlich haben. Ich hoffe, ihr wisst meine gute Planung gebührend zu schätzen.«
Es erhob sich allgemeines Gemurmel, aus dem nur allzu deutlich Erleichterung herauszuhören waren. Applaus folgte.
Saskia lächelte und schob ihr Mountainbike in Position.
»Dann wollen wir jetzt aber wieder los«, sagte sie forsch, »ehe wir hier noch Wurzeln schlagen. Wir fahren schnurstracks nach Hubertusbrunn, das übrigens irgendwo dort drüben in dem Wald liegen muss. Ainringer Forst heißt er, wenn ich mich nicht täusche.« Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm auf ein ausgedehntes Waldstück, das sich hinter St. Johann einen Hügel hinaufzog.
»Als Erstes richten wir uns in der Jugendbegegnungsstätte häuslich ein. Anschließend kann, wer Lust hat, St. Johann unsicher machen. Vielleicht gibt es in dem Dorf ja sogar eine Disco. Oder einen Biergarten. Oder wenigstens eine urige Kneipe, in der man absacken kann.«
Saskia verstummte, um für ihren Vorschlag die lautstarke Zustimmung der Gruppe einzuheimsen.
Allerdings stellte sie zu ihrem Ärger fest, dass Jochen und Tessa sich nicht an dem begeisterten Gejohle der anderen beteiligten.
»Tessa geht natürlich in die Kirche«, setzte Saskia deshalb spöttisch hinzu und bedachte die blonde Studienkollegin mit einem herablassenden Blick. »Sie berauscht sich, wie wir wissen, nicht am bayerischen Bier, sondern an Orgelmusik. Und klimpert deshalb, anstatt mit uns zu feiern, lieber eine Fuge von irgendeinem verstaubten Komponisten herunter. Wobei Jochen ihr ergriffen zuhört.«
Ein paar aus der Gruppe lachten lauthals auf, doch Jochen überhörte ihr Gelächter ebenso wie Saskias Spott. Stattdessen schenkte er Tessa einen verliebten Blick und gab ihr einen Kuss auf die Nasenspitze.
Saskia konnte ihre Verärgerung kaum verbergen.
»Wenn wir morgen früh weiterfahren in Richtung Verona, möchte ich dich im Übrigen bitten, einen Zahn zuzulegen, Tessa«, setzte sie bissig noch eins drauf. »Bei dem Zuckeltrab, den du vorlegst, werden wir nämlich frühestens Heiligabend zurück in München sein. Dann erwarten uns am Schluss unserer Tour zwar keine Sommergewitter mehr, stattdessen müssen wir aber Schneegestöber einplanen.«
Wieder prusteten alle los. Alle, bis auf Tessa und Jochen, dessen verärgerte Worte im Gelächter fast untergingen.
Mit einem leisen Seufzer fragte Tessa sich, zum wievielten Mal Saskia sich seit Beginn der Tour schon über sie lustig machte. Sie konnte tun, was sie wollte. Saskia ließ einfach keine Gelegenheit aus, um auf ihr herumzuhacken.
Und Jochen … Jochen verteidigte sie nur so halbherzig, dass Saskia jedes Mal ungerührt darüber hinweggehen konnte. Um ein paar Minuten später weiterzumachen, als wäre nichts geschehen.
Dabei hatte sie sich nur Jochen zuliebe zum Mitfahren entschlossen! Sie hatte ihm eine Freude machen und ihm zeigen wollen, wie viel er ihr bedeutete. Und natürlich hatte sie auch verhindern wollen, dass er und Saskia …
Tessa entfuhr ein weiterer Seufzer.
Was hatte sie nun eigentlich erreicht?
Nichts. Gar nichts. Sie hatte sich auf ein Gebiet begeben, auf dem sie mit ihrer Konkurrentin nicht mithalten konnte.
Sie war nicht halb so sportlich wie Jochen und Saskia, und Saskias Mut und ihre draufgängerische Ader fehlten ihr vollkommen.
Ob Saskia den Kampf um Jochen früher oder später doch für sich entscheiden würde? Tessa war sich so gut wie sicher, mit der Teilnahme an der Fahrradtour ein Eigentor geschossen zu haben. Aber daran mochte sie lieber gar nicht denken.
Schweigend folgte sie Jochen, der sich auf sein Mountainbike schwang und so kräftig in die Pedale trat, als gälte es, das ›Gelbe Trikot‹ zu gewinnen.
*
»Und was machen wir jetzt?«
Fragend richtete Jochen Sahlinger seine Augen auf Saskia.
Sie zuckte schuldbewusst zusammen, was er noch nie bei ihr beobachtet hatte, ging aber eine Sekunde später bereits zum Gegenangriff über.
»Bitte gib nicht mir die Schuld, Jochen«, sagte sie in ziemlich schroffem Ton. »Ich kann nichts dafür, dass wir in Schloss Hubertusbrunn leer ausgegangen sind. Dieser Vikar, der die Jugendbegegnungsstätte leitet, hat mir für die Nacht von heute auf morgen sieben freie Plätze zugesichert. Aber er hat, wie du weißt, nur lächerliche drei davon für uns reserviert und die restlichen vier anderweitig vergeben.« Mit einem geringschätzigen Zischen blies Saskia die Luft durch die Lippen. Jetzt half nur noch die Flucht nach vorn. Keiner aus der Gruppe durfte dahinterkommen, dass sie sich im Datum geirrt hatte. »Der Vikar hat aus purer Schlamperei den Termin verwechselt«, behauptete sie steif und fest. »Aber was sollen wir machen? So ist es nun eben. Fertig.«
Darauf wusste auch Jochen nichts zu sagen.
Ratlos sah er in die Runde, doch die anderen schienen ebenfalls nicht gerade von hilfreichen Einfällen zu sprühen.
»Drei von uns können natürlich trotzdem in Hubertusbrunn unterkommen«, schlug Saskia vor. Ihr Blick fiel auf Tessa. »Zum Beispiel Tessa«, meinte sie mit seltsamem Unterton. »Und natürlich Jochen. Weil er sich mit Sicherheit keine Minute von Tessa trennen will.«
Die eben noch missmutigen Gesichter der anderen verzogen sich zu einem Grinsen.
»Wenn sonst noch jemand nur in einem warmen Bettchen schlafen kann«, redete Saskia ungerührt weiter, »dann rate ich euch, das auszulosen.« Sie schaute in die Runde. »Wer Glück hat und den Hauptgewinn zieht, dem überreiche ich seinen ganz persönlichen Warmduscher-Ausweis …«
Der Rest von Saskias bissiger Bemerkung ging in allgemeinem Gelächter unter.
»Unsinn, wir bleiben natürlich zusammen«, erklärte Jochen mit Entschiedenheit. »Etwas anderes kommt überhaupt nicht infrage.« Er zögerte einen Moment. »Vielleicht können wir hier in St. Johann nach einer Übernachtungsmöglichkeit in einer Fremdenpension oder einem Gasthof suchen«, schlug er mit Rücksicht auf Tessa vor. »Eventuell haben wir jetzt zu Ferienbeginn noch Glück und finden …« Auch er brachte seinen Satz nicht zu Ende.
»Du tickst wohl nicht mehr ganz richtig. Bist du etwa größenwahnsinnig geworden?«, fuhr Saskia ihm in die Parade. »Wovon sollen wir eine so feudale Unterbringung denn bezahlen?«
Jochen senkte betreten den Kopf.
Saskia hatte natürlich Recht. An die beschränkten finanziellen Mittel der Gruppe hatte er gar nicht mehr gedacht. St. Johann war ein bekannter Fremdenverkehrsort. Bestimmt waren Hotel- und Fremdenzimmer nur für einen sehr hohen Preis zu haben.
»Okay, okay. War ja nur eine Idee«, gab er mit beschwichtigend erhobenen Händen zurück.
Jochen sagte nichts mehr. Als aus der Ferne leises Donnergrollen zu vernehmen war, legte er nur sachte seine Hand auf Tessas Arm und nickte ihr beruhigend zu.
Saskia wandte sich ab. Sie überlegte fieberhaft. Wie sollte es jetzt weitergehen, sie hatte schließlich die Verantwortung.
»Das ist die Lösung«, sagte sie plötzlich und warf ihren Kopf zurück. »Wofür haben wir eigentlich unsere Zelte? Im Grunde hätten wir schon die Nacht, in der wir uns im Heuschober verkrochen haben, in den Zelten verbringen können. Nur hatte keiner von euch Lust, sie während des Gewitters aufzubauen. Diesmal allerdings ist noch genügend Zeit.«
Tessa, die nach der feuchtkalten Nacht den Anflug einer Erkältung in den Knochen spürte und nicht noch einmal frieren wollte, warf Jochen einen Hilfe suchenden Blick zu.
»Ich weiß nicht, ob deine Idee so viel besser ist als meine, Saskia«, gab Jochen zu bedenken. »Mag sein, dass das Gewitter noch eine Weile braucht, ehe es zuschlägt. Aber Zelten in Gottes freier Natur ist leider nicht überall erlaubt. Und ob es hier einen Campingplatz gibt … Bis jetzt habe ich weit und breit keinen gesehen.«
Saskia verdrehte die Augen.
»Mein Gott, Jochen. Warum bist du nur so schrecklich spießig?«
»Jochen ist nicht spießig«, gab Tessa an Jochens Stelle zurück. »Aber es gibt nun einmal Gesetze und Regeln. Und wenn man sie missachtet, handelt man sich meist nur Ärger ein. Warum also sollten wir uns unsere Ferientour vermiesen, indem wir eine Anzeige oder gar Bußgeld riskieren?«
»So ein Quatsch«, beschied Saskia energisch. »Wer, glaubst du, sollte uns anzeigen? Der Bürgermeister höchstpersönlich? Oder vielleicht der Dorfpolizist? Kein Mensch kann etwas gegen ein paar Zelte haben, in denen junge Leute eine Nacht im Freien verbringen. Oder hast du vielleicht irgendwo ein Schild ›Campen verboten‹ entdeckt?«
Tessa schüttelte resigniert den Kopf.
»Na also«, triumphierte Saskia. »Dann werden heute Nacht unsere Zelte zum Einsatz kommen. Einverstanden?«
»Einverstanden«, kam es nach kurzer Pause sechsstimmig zurück.
Wenig später begannen die jungen Fahrradtouristen, im Ainringer Forst, auf einer kleinen Lichtung, ihre Zelte aufzubauen.
Zur allgemeinen Erleichterung ließ sich das Gewitter wirklich Zeit. Wechselte es womöglich sogar die Zugrichtung?
Die Abendsonne lugte schräg hinter den Wolken hervor und überzog alles mit ihrem rötlich schimmernden Licht. Die felsigen Gipfel von Himmelsspitz und Wintermaid schienen von innen heraus zu glühen, und auch die Waldwiese, auf der die jungen Leute sich befanden, war von einem warmen Schein überzogen.
Tessa hielt, während sie und Jochen gemeinsam ihre Zelte aufbauten, immer wieder inne, um dem Abendlied der Vögel zu lauschen und den Frieden der Bergnatur in sich aufzusaugen. Auch Jochen genoss die Schönheit und Ruhe der Dämmerstunde in vollen Zügen.
Als dann noch die Kirchenglocken in der Ferne zu läuten begannen, war es den beiden, als würde die verzauberte Stimmung des Abends bis in alle Ewigkeit in ihrer Erinnerung haften bleiben. Als unvergessliches Unterpfand ihres Glücks.
Nicht einmal das Lärmen und Lachen der anderen konnte sie stören. Es schien ihnen so weit weg zu sein, dass es sie nicht berührte.
Gerade wollten Jochen und Tessa sich einen Kuss geben, als von der anderen Seite der Waldlichtung her plötzlich eine fremde Männerstimme zu vernehmen war.
Tessa und Jochen horchten unwillkürlich auf und schauten hinüber.
Saskia und zwei junge Männer aus ihrer Gruppe standen vor ihren schon fast fertig aufgebauten Zelten und redeten mit einem Mann, der durch seine grüne Kleidung, seinen Vorstehhund und sein Gewehr unschwer als Jäger oder Förster zu erkennen war.
Hatte er vor, ihnen irgendwelche Auflagen wegen des Zeltens zu machen, oder …
Zunächst konnten Jochen und Tessa von dem, was gesagt wurde, nicht viel verstehen, doch plötzlich wurde der Wortwechsel heftiger und lauter.