rechtes denken/europa verteidigen/sterben helfen - Konstantin Küspert - E-Book

rechtes denken/europa verteidigen/sterben helfen E-Book

Konstantin Küspert

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Beschreibung

In den Theaterstücken von Konstantin Küspert geht es um Fremdenfeindlichkeit (rechtes denken), um die Wertegemeinschaft Europa vor dem Hintergrund seiner kriegerischen Auseinandersetzungen (europa verteidigen) oder um den Wert menschlichen Lebens (sterben helfen). Küspert lässt sich leiten von gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Diskursen und weitläufigen Recherchen und entwickelt daraus mit feinem Humor und schöner Erzählkraft eigenwillige, jeweils unterschiedliche Formensprachen für die zeitgenössische Bühne. sterben helfen ist ein klassisches well-made-play, das die Debatte um Sterbehilfe in eine nahe Zukunft verlegt, in der ein Selbstmord Pflicht ist, sobald eine Erkrankung oder das Alter das Leben als unästhetisch oder zu teuer erscheinen lässt. europa verteidigen ist eine rasante Collage, die historisches Material, Mythologie und Fiktion vereint. rechtes denken schließlich ist die Montage dreier Handlungsstränge – der Gestalt gewordene Hobbes'sche Leviathan, eine deutsche Familie am Mittagstisch, die Liebesgeschichte eines Burschenschafters mit einer Schauspielerin –, die mit viel Irritationspotenzial zu den Ursprüngen von gesellschaftlicher Ausgrenzung und Nationalismus führt. Das politische Theater hat in Konstantin Küspert einen produktiven, unterhaltsamen und provozierenden Vertreter der jungen deutschsprachigen Dramatik. »Küsperts Texte heben sich in der Theaterlandschaft ab, weil sie, bei aller stilistischen Komplexität, auffallend aufrichtig wirken. Es sind Angebote, einen Schritt zurückzutreten, heraus aus dem ewigen Wiederkäuen von Meinungen, die gerade dabei sind, Wissen und Erkenntnis den Rang abzulaufen.« Süddeutsche Zeitung

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Seitenzahl: 171

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Konstantin Küspert

rechtes denken / europa verteidigen / sterben helfen

Suhrkamp

Inhaltsverzeichnis

rechtes denken

europa verteidigen

sterben helfen

Auf der Suche nach Relevanz

Moralische Anstalt, reloaded

Uraufführungen der Theaterstücke von Konstantin Küspert (Auswahl)

rechtes denken

figuren

jasmin

püppi

casper

bertram

vati

mutti

peter

bürger

leviathan

anderer leviathan

behemoth

mensch auf der flucht/flüchtling

mensch der anders ist

johanna

asasel

I. AKT

love 1

BERTRAM irgendwo da rennt die temporalis-ader, wenn die getroffen wird, das ist auch ein klassischer abfuhrgrund. hier, das ist die schutzausrüstung: paukhandschuh, halsschutz, blutleder, kettenhemd gegen schnitte —

wenn jemand schüchtern ist, den bringt sowas enorm voran. und es ist letztlich auch ein selektionskriterium, wenn ich mir das reinmachen lasse, das habe ich mein leben lang, das ist dann schon ein bekenntnis zu uns, zur sache.

familie 1

vati und peter sitzen am tisch. mutti bringt eine große schüssel mit äpfeln. sie essen und singen im wechsel »kein schöner land«. diejenigen, die nicht singen, summen mit.

PETER du, mutti, wie funktioniert gesellschaft?

MUTTI na —

VATI eine gute frage, mein junge! das ist nämlich so:

love 2

JASMIN ja, genau, im zeltlager, am zweiten tag. freie bühne. freie bühne! ja, bühne frei, von mir aus. auf jeden fall hab ich mir gedacht, wir machen da ein theaterstück über nazis. beziehungsweise über die strukturen und gefahren von rechtem denken. hast du bock? cool, das freut mich. wird bestimmt mega.

philosophie 1

ursprünglich sind wir alle einzelkämpfer. im naturzustand, dem von hobbes, sind wir alle gegen alle. jede und jeder für sich. wir müssen unser eigenes leben schützen und dürfen dazu alle mittel einsetzen. einfach weil wir erkennen, dass all unsere anstrengungen mit unserem vorzeitigen, gewalttätigen tod entwertet werden. es regiert ein mythologisches monster permanenter gewalt oder gewaltandrohung in diesem naturzustand, der behemoth. jede gesellschaft, die diesen behemoth besiegen will, muss sich dem grundbedürfnis des menschen nach selbstschutz unterordnen, weil wir uns nicht der gesellschaft unterordnen können, unserer natur nach. also erschaffen wir regeln und strukturen in unserem gemeinwesen, geben in gegenseitiger übereinkunft unser natürliches bedürfnis nach egoistischer, gewalttätiger selbstsicherung zugunsten einer höheren macht auf, das gemeinwesen bekommt das gewaltmonopol, nur noch der avatar der gemeinschaft darf gewalt ausüben. dieses letzte gewalttätige, aber beschützende wesen nennt hobbes den leviathan. die erschaffung eines leviathan bedeutet die geburt des staates aus dem chaos. es entsteht aus einer klaren übereinkunft eine sich selbst sichernde gemeinschaft, in der alle menschen, die die regeln der individuellen gewaltlosigkeit akzeptieren, in frieden und freiheit leben können.

love 3

BERTRAM ja, hier in dem raum werden auch kneipen abgehalten. das ist alles schön hergerichtet.

CASPER und da auf dem tisch, die degen?

BERTRAM das sind keine degen.

CASPER säbel?

BERTRAM die heißen schläger.

CASPER ist das jetzt aber nur deko oder kämpft ihr auch damit?

BERTRAM das ist deko, natürlich, aber die sind trotzdem echt. mit denen wird auch gepaukt, klar. aber hier, wie gesagt, finden kneipen statt. wir müssen wirklich nochmal die begriffe durchgehen.

II. AKT

philosophie 2

jetzt ist natürlich der leviathan ein fragiles wesen, im gegensatz zum robusten und immerzu auf seine chance lauernden behemoth. um den leviathan möglichst stark zu machen, verwenden die menschen homogenität.

BÜRGER du bist mit mir verwandt, ich kenne dich, wir haben die gleichen interessen, was hältst du davon, wenn wir zusammen einen leviathan bauen? gute idee, das machen wir.

LEVIATHAN sieh, alles hoffen wird enttäuscht; mein bloßer anblick bringt zu fall.

BÜRGER äh … hallo. können wir die hier noch dazunehmen? das ist meine schwägerin, die kenne ich gut, die ist okay. super, ja gern.

LEVIATHAN so kühn ist keiner, mich zu reizen; wer könnte mir wohl trotzen? wer begegnete mir und bliebe heil? unter dem ganzen himmel gibt es so einen nicht.

BÜRGER okay … hey, das sind freunde von mir, ich weiß jetzt grad gar nicht, ob die mit mir verwandt sind, aber die wohnen auch schon immer hier, sind gute jungs.

LEVIATHAN wer öffnet die hülle meines kleides, wer dringt in meinen doppelpanzer ein? wer öffnet die tore meines mauls? rings um meine zähne lagert schrecken.

BÜRGER sag mal, was redet der komische vogel? das ist einfach seine sprache, so redet der halt. und was macht ihr? wir geben alle unser recht auf gewalttätige selbstsicherung auf und bauen gemeinsam einen leviathan. einen was? ein seeungeheuer, welches nur kommt, wenn wir es brauchen? hä? herrgott, einen staat. habt ihr auch lust drauf? na klar, warum nicht! prima!

LEVIATHAN reihen von schilden sind mein rücken, verschlossen mit siegel aus kieselstein. einer reiht sich an den andern, kein lufthauch dringt zwischen ihnen durch. fest haftet jeder an dem andern, sie sind verklammert, lösen sich nicht.

BÜRGER aber wart mal. der da drüben. der ist nicht von uns. oder? kennt den wer?

LEVIATHAN aus meinem munde fahren fackeln, und feurige funken schießen heraus.

BÜRGER hey, wer bist du, kennt man dich? komm mal nicht näher, wir kennen dich nicht.

LEVIATHAN die gliedmaßen meines fleisches hängen aneinander und halten hart an mir, so dass ich nicht zerfallen kann. mein herz ist so hart wie ein stein.

BÜRGER wir haben alle unser recht auf gewalttätige selbstsicherung zugunsten des leviathan aufgegeben, und wenn du näher kommst, dann sichert uns unser leviathan vor dir. und das kann wehtun. hörst du?

LEVIATHAN wenn ich mich erhebe, so entsetzen sich die starken.

BÜRGER also bleib mal weg, ja? du siehst auch anders aus. und sprichst du überhaupt unsere sprache? und du kochst mit richtig viel komischen gewürzen, oder? dachte ich mir doch, ekelhaft. leviathan, verteidige uns gegen den.

LEVIATHAN eingrenzung. wenn man zu mir will mit dem schwert, so rege ich mich nicht. grenzen dicht.

BÜRGER puh, danke, das war knapp. der hat sich schon vermehrt. ganz schön viele. sind das jetzt. aber wir werden auch mehr. wird langsam ein bisschen eng in diesen grenzen. ja, und ich hab hunger.

LEVIATHAN ich mache, dass der tiefe see siedet wie ein topf.

BÜRGER jetzt redet der auch noch vom essen. ich hab richtig hunger. ja, ich auch. da drüben wäre platz. und ein apfelbaum. da drüben? spinnst du? da sind die komischen! die anderen! mit den gewürzen! und der komischen sprache! die anderen!! ja, aber sie haben einen apfelbaum. hm, stimmt. leviathan?

LEVIATHAN auf erden ist meinesgleichen niemand; ich bin gemacht, ohne furcht zu sein. ich verachte alles, was hoch ist.

BÜRGER das ist sehr schön, leviathan. folgendes: wir möchten den apfelbaum da drüben haben.

LEVIATHAN erhebe ich mich, erschrecken selbst die starken; vor schrecken wissen sie nicht aus noch ein. dort sind andere.

BÜRGER ja, keine ahnung, denk dir was aus. okay? danke.

LEVIATHAN verstanden. ich greife an. wie stoppeln dünkt mir die keule, ich lache nur über schwertergerassel.

BÜRGER super. endlich platz und äpfel. total schön hier. hab schon vergessen, dass das nicht immer schon unser zuhause war. jetzt ist unsere kultur schon fest verankert, die kriegt hier keiner mehr raus, die kultur. die der anderen war eh primitiv. war keine gute kultur. hey, was ist das denn da am horizont? was bauen die denn da? ein riesending. fast so groß wie unser leviathan! und dort auch! da drüben auch! überall!! was kann das sein? eigentlich ist der sogar größer als unser leviathan. quatsch, nichts ist größer als unser leviathan. unserer ist der einzig richtige leviathan! und falls es noch andere geben sollte, dann wäre er immer noch der größte leviathan und der beste, und er hat die schönsten und geschmackvollsten farben. hey, der kommt immer näher. was hat der denn in der hand, ist das ein schwert? verdammt, der wird doch nicht —

LEVIATHAN mein niesen lässt licht aufleuchten; meine augen sind wie des frührots wimpern. ich bin angegriffen und verletzt worden.

BÜRGER was ist denn jetzt passiert? der apfelbaum gehörte doch uns! der gehörte schon immer uns! jetzt sitzt da dieser andere leviathan drauf, der mit den anderen farben, ja gehts noch?! auf unserem apfelbaum?? leviathan, hol den baum zurück!!

LEVIATHAN straff liegt meines wanstes fleisch, wie angegossen, unbewegt. ich bin nicht stark genug.

BÜRGER ja, keine ahnung, dein problem, wir wollen das alle.

LEVIATHAN gut. mein unteres sind scherbenspitzen; ein dreschbrett breite ich über den schlamm. anderer leviathan! grüße.

ANDERER LEVIATHAN grüße, leviathan. ich hinterlasse eine leuchtende spur; man meint, die flut sei greisenhaar.

LEVIATHAN ich frage eine gemeinsamkeit an. stärke wohnt in meinem nacken, vor mir her hüpft bange furcht. zusammen sind wir stark. zusammen können wir den apfelbaum erobern, den ich als meinen apfelbaum betrachte.

ANDERER LEVIATHAN ich bin nicht abgeneigt. kein bogenpfeil wird mich verjagen, in stoppeln verwandeln sich die steine der schleuder. frage nach möglicher kompensation.

LEVIATHAN mögliche kompensation: ein apfel. auf erden gibt es meinesgleichen nicht, dazu geschaffen, sich nie zu fürchten.

ANDERER LEVIATHAN kompensation akzeptiert. alles hohe blicke ich an; könig bin ich über alle stolzen tiere. gemeinsamkeit akzeptiert.

LEVIATHAN gut. wir beginnen. rauch dampft aus meinen nüstern

ANDERER LEVIATHAN wie aus kochendem,

LEVIATHAN heißem topf.

BEIDE mein atem entflammt glühende kohlen, eine flamme schlägt aus meinem maul hervor.

LEVIATHAN sieg. wer begegnete mir und bliebe heil? der apfelgarten steht wieder unter meiner kontrolle.

BÜRGER juhu! vielen dank!! ich wusste, unserer ist der beste. oh, jetzt kommt der andere wieder. hey, jetzt hilft uns der da drüben! prima. wenn wir den da auf unseren leviathan draufsetzen, dann wird der noch größer. mist, die anderen haben jetzt auch einen größeren. ah, vertrieben. yay, zurückerobert! mist, vertrieben! huch, hier waren wir ja noch nie! hallo, hallo, hört mal alle zu, ich habe jetzt langsam keine lust mehr auf kriege, das ist mir auch zu unübersichtlich, wäre das okay, wenn wir uns einfach mal alle hinsetzen, wo wir gerade sind, und ein bisschen durchatmen?

LEVIATHAN verstanden. trifft man mich, kein schwert hält stand, nicht lanze noch geschoss und pfeil. frieden.

BÜRGER okay, jetzt sind offenbar alle leviathane friedlich. nein, nicht alle, da ganz hinten am horizont hauen sich noch zwei. naja egal, das hat mit uns nichts zu tun. und dort drüben auch. ja, egal. und dort a–. völlig egal. schau mal, da ist ein leviathan getötet worden! sagt man getötet? oder kaputtgegangen? jedenfalls ist behemoth wieder aufgetaucht. mensch, den hab ich ja lange nicht gesehen, den behemoth. hey, behemoth, was ist bei dir so los?

BEHEMOTH siehe, ich bin behemoth, ich fresse gras wie ein ochse. meine kraft ist in meinen lenden und mein vermögen in den sehnen meines bauches. mein schwanz streckt sich wie eine zeder, die sehnen meiner schenkel sind dicht geflochten. meine knochen sind wie eherne röhren; meine gebeine sind wie eiserne stäbe.

BÜRGER äh, prima! ich wollte dir nur sagen: unser leviathan ist so stark und fortschrittlich, du kommst hier sicher nicht mehr rein.

BEHEMOTH ich liege im schatten, im rohr und im schlamm verborgen. das gebüsch bedeckt mich mit seinem schatten, und die bachweiden umgeben mich. sieh, ich schlucke in mich den strom und achte es nicht groß, als wollte ich den jordan mit meinem munde ausschöpfen.

BÜRGER ja bis dann, dicker. fettes schwein. der ist so blöd. gottseidank sind wir den los. der kommt hier nie wieder rein. hey, mo– moment. da kommen lauter leute gelaufen. da von dem toten leviathan laufen die los, die laufen vor behemoth weg. was ist da los? ey. hey. die wollen hierher. hier her? aber die haben doch unseren leviathan gar nicht mit aufgebaut! können die nicht ihren leviathan wieder aufbauen? den mit den komischen farben? und der komischen sprache? und den komischen gewürzen? nein, kommt schon, wir müssen die reinlassen, sonst erwischt sie behemoth. ja und, was geht uns das an? die sind doch selber schuld. quatsch, kommt schon, los. wer sagt denn, dass die alle wirklich vor behemoth davonlaufen? vielleicht wollen sie einfach nur zu unserem leviathan, weil er so stark und schön ist.

LEVIATHAN eisen achte ich wie stroh, bronze wie morsch gewordenes holz.

BÜRGER wir sind alle sehr stolz auf dich, leviathan.

LEVIATHAN danke.

BÜRGER wir haben uns entschieden, wir lassen die jetzt mal rein, weil die sonst sterben, und das können wir als humanisten nicht tatenlos mitansehen. okay. willkommen. ihr seid in sicherheit. aber nichts anfassen. nichts. anfassen. da bleiben. nichts bewegen. nichts kochen. nichts arbeit. okay? nichts auffallen. schnauze halten. okay? gut. willkommen.

MENSCH AUF DER FLUCHT danke, mensch, das war knapp.

BÜRGER halthalthalt. nicht anfassen bitte. so. erstmal. und einen anderen namen braucht ihr auch. wir hängen ein -ling dran, damit seid ihr in unserer sprache durch eure eigenschaft definiert. auch wenn das leicht pejorativ, also abwertend, ist. aber damit kommt ihr schon zurecht, oder? hm? flüchtling? okay?

FLÜCHTLING äh …

BÜRGER gut. so. also. hier hinsetzen. und auf abschiebung warten. okay? bis krieg vorbei, von mir aus. behemoth, hast du eine ungefähre zeitvorstellung?

BEHEMOTH ich bin der naturzustand, ich überziehe das land mit anomie und chaos, ich bin der krieg alle gegen alle.

BÜRGER hm. wenn es nur irgendeine möglichkeit gäbe, das zu beschleunigen …

FLÜCHTLING was — was macht der da? hallo? warum wirft euer leviathan da dauernd waffen hin? so kann das ja nie aufhören!

BÜRGER das sind innenpolitisch-wirtschaftliche vorgänge, die — nein, nichts reden. nichts fragen. schnauze halten. so. hey, du kannst doch nicht so mit denen reden. warum denn nicht? das sind doch auch menschen. was soll n das jetzt. du kannst die nicht so behandeln. wie behandle ich sie denn? im moment drückt unser leviathan die auf den boden!

LEVIATHAN leg nur einmal deine hand daran! denk an den kampf! du tust es nie mehr.

love 4

JASMIN lieber ein ekzem am after als ein deutscher burschenschafter! lieber ein ekzem am after als ein deutscher burschenschafter! lieber ein ekzem am after —

CASPER bist du bald fertig?

JASMIN nein. lieber ein ekzem am after als ein deutscher burschenschafter! lieber —

CASPER ich fahr bis hauptbahnhof. willst du das jetzt die restlichen fünf stationen durch in mein ohr flüstern?

JASMIN ja. du kannst gern vorher aussteigen und laufen. lieber ein ekzem am after als —

CASPER was hast du denn gegen mich?

JASMIN du bist doch ein burschi, oder?

CASPER fux.

JASMIN witzbold, was?

CASPER nein, so heißen die neuen. ich bin neu in der stadt.

JASMIN mir kommen die tränen.

CASPER ich hab dir doch nichts getan.

JASMIN burschis sind einfach scheiße.

CASPER hast du auch argumente?

JASMIN hast du welche?

CASPER wofür muss ich argumente haben?

JASMIN lieber ein ekzem am after als ein —

CASPER das ist echt anstrengend.

JASMIN gut. ich bin so lange anstrengend, bis ihr euch alle auflöst.

CASPER auflösen? wie soll ich mich denn auflösen?

JASMIN ha. joker. lieber ein —

CASPER okay, okay. es tut mir leid, wenn ich dich irgendwie provoziert habe durch die mütze. ich nehme sie ab, okay?

JASMIN aber du bist doch immer noch ein burschenschafter. ob mit oder ohne hut, scheiße bleibt scheiße.

CASPER was also müsste ich machen, damit du aufhörst, mich zu hassen?

JASMIN nichts. du kannst nichts tun. du bist scheiße. glücklicherweise bist du mir außerdem egal, also mach, was du willst. so. hier steig ich aus. stirb an der scheiße in deinem kopf.

CASPER dir auch einen schönen tag!!

familie 2

vati und mutti sitzen am esstisch. freundliche stimmung. musikvorschlag für diesen part »kein schöner land« bzw. »sieg heil viktoria«. peter kommt dazu.

VATI das sieht wieder ausgezeichnet aus.

MUTTI danke.

VATI und wie das riecht!

MUTTI ich weiß eben, was meinen männern schmeckt.

VATI und wie! oder, junge?

PETER da bleibt aber die frage, und das ist ein gedanke, den ich durchaus formulieren will, auch wenn dies möglicherweise unreflektiert ist: bin ich verantwortlich für den hunger in der welt? für die ungerechtigkeit, den krieg, das leid? ich bin ein kind, bin nicht fähig, für mich selbst zu sorgen, lebe noch im geschützten verbund der kernfamilie, die mich ernährt, behütet und erzieht, mir das wertesystem und die wirklichkeitswahrnehmung mitgibt, die die folgenden jahrzehnte meines erwachsenenlebens zumindest prägen, wenngleich vielleicht nicht bestimmen werden, und muss nun das gefühl haben, durch die gnade der späten, nordwestlichen geburt gewissermaßen, noch vor abschluss der schule, verantwortung für die wirtschaftlichen, militärischen oder juristischen verbrechen meiner eltern, großeltern, urgroßeltern und aller elternseltern vor ihnen übernehmen zu müssen? nein, ich kann beim besten willen keine gerechtigkeit in einer solchen erwartungshaltung erkennen, die möglicherweise nur in meinem kopf besteht, aber doch möglicherweise auch in den köpfen der vermeintlich unterprivilegierten, ja ohne negative konnotation eigentlich subalternen, denen ich selbstverständlich keine faulheit oder einen fatalismus oder dergleichen untätig machende geisteshaltung unterstellen möchte. ich bin eben nur ein kind und kaum zu den nötigen reflexionen fähig. ich werde mich auf die suche begeben nach strukturen, die mir die sicherheit und das wertesystem geben können, welches ich in dieser hyperkomplexen gesellschaft, deren zusammenhänge ich nicht verstehe, wiewohl ich ihre ungerechtigkeit entsetzlich stark spüre, so dringend benötige.

VATI ihm schmeckts, offenbar!

alle lachen. der inbegriff einer glücklichen familie.

love 5

PÜPPI der kern politischer beschäftigung mit der materie muss doch darin liegen, einen derart komplexen sachverhalt wie rechtes denken in einer einfachen, nachvollziehbaren weise erlebbar zu machen. deshalb halte ich psychologische figuren nicht nur für sinnvoll, sondern geradezu für geboten.

ja, natürlich ist das ein problem. aber ich glaube, dass man gerade den familienvater vielleicht auch behaupten kann, und mit einer frau als hosenrolle —

ja, klar wäre das besser.

haha, nein.

okay, ich frage.

bertram, würdest du bei unserer performance zum thema rechtes denken mitmachen?

BERTRAM hahaha. nein.

PÜPPI hast dus gehört? er hat nein gesagt. und gelacht.

ja.

nein, ach quatsch, er ist kein — hallo — ey hör mal, mein bruder ist kein nazi, okay?

er ist halt, was er ist.

BERTRAM ich bin halt, was ich bin.

philosophie 3

LEVIATHAN du darfst herein. du darfst herein. wer öffnet die hülle meines kleides, wer dringt in meinen doppelpanzer ein? du darfst nicht herein. du darfst herein. du darfst nicht herein. du darfst nicht herein. du darfst herein.

MENSCH AUF DER FLUCHT ich bin gern dort, von wo ich herkomme. dort kenne ich alle, ich verstehe sie. meine vergangenheit ist dort, alle erinnerungen. aber nicht meine zukunft.

BÜRGER schön zu sehen, wie unser leviathan so hart arbeitet, nicht? toll. macht der das. sehr schön. ja. ich finde nicht, dass der das besonders gut macht. es gibt hier immer noch zu viele. andere. mit essen. eine frechheit. zu viele. hier. bei uns. die sollen doch dahin zurück, wo sie hergekommen sind. aber nicht hier bei uns. natürlich, flüchtlinge, um die muss man sich kümmern. theoretisch. aber es gibt zu viele, die nur hier sind wegen unseres apfelbaumes. und den apfelbaumflüchtlingen muss man nicht helfen. im gegenteil. leviathan! den hier raus.

MENSCH AUF DER FLUCHT ich werde niemanden kennen, wo ich hingehe. nichts verbindet mich mit jenem ort. wir haben nichts gemein, brauche keine vergangenheit zu suchen, dort. aber meine zukunft, die werde ich dort finden.

LEVIATHAN dieser ist wahrlich verfolgt. stärke wohnt in meinem nacken.

BÜRGER hmmnagut, dann den hier?

LEVIATHAN dieser hier ist einer von uns. mein herz ist fest wie stein. er arbeitet für die gemeinschaft.

BÜRGER leviathan! guck doch mal. der sieht ganz anders aus als wir. du, hau ab, du. leviathan, schmeiß ihn raus!

MENSCH AUF DER FLUCHT ich hoffe nur, dass ich meine gegenwart überstehe. auf der flucht.

LEVIATHAN nein. er schadet nicht. rings um meine zähne lagert schrecken. benehmt euch.

BÜRGER hey du penner, hau ab. auch wenn der leviathan sagt, dass du bleiben kannst, bist du noch lange keiner von uns. du musst gehen. du musst raus. du kriegst zu viele kinder. du bist zu faul. du bist kriminell. du bist einfach anders. also hau ab. los. los!

MENSCH DER ANDERS IST was willst du denn von mir? ich bin hier geboren!

BÜRGER nichts da. abhauen. zurück nach hause. los.

MENSCH DER ANDERS IST was hey hallo was wollt ihr denn alle? hey vorsicht —

BÜRGER hau ab! los! deutschland den deutschen, ausländer raus! deutschland den deutschen, ausländer raus!! ali mehmet mustafa, geht zurück nach ankara! hier! marschiert! der nationale widerstand! neger neger feiges schwein, komm heraus und kämpf allein! das kannst du doch nicht sagen. klar kann ich. okay, na gut.

MENSCH DER ANDERS IST hey wow wow wow das geht jetzt schon ein bisschen zu weit hier hallo vorsicht das brennt hey du kannst doch nicht hallo hilfe leviathan hilfe hilfe!

BÜRGER der leviathan kann dir nicht helfen, wir sind zu viele. außerdem ist der auch verlogen und unterwandert.

LEVIATHAN ich erkläre diese versammlung für beendet! straff liegt meines wanstes fleisch. hiermit erteile ich allen anwesenden einen platzverweis. gehen sie nach hause.

BÜRGER haha. was willste machen, leviathan? wir fackeln den jetzt ab und du kannst nur zuschauen. brenne, du schwein, brenne!

LEVIATHAN jetzt schluss! mein atem ist pfefferspray, zwanzig bar wasser schießt aus meinen nüstern hervor.

love 6

BERTRAM