Regenlichter - C. Greene - E-Book

Regenlichter E-Book

C. Greene

4,0

Beschreibung

Neun Kurzgeschichten. Für morgens. Für abends. Für zwischendurch. Max, der an ungewöhnlicher Stelle nach seiner Zukunft sucht. Celia, die nicht gefunden werden will. Anne, die nicht weiß, wonach sie suchen soll. Diese und sechs weitere spannende Kurzgeschichten führen den Leser auf eine immer neue Reise. Zwischen all den mysteriösen Kreuzungen und Wirrungen stellt sich immer wieder die entscheidende Frage: Führen die Lichter in der Dunkelheit ans Ziel oder in die Irre?

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Seitenzahl: 129

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Kaddy

Gut verbrachte Zeit

Schöne abwechslungsreiche Geschichten, hat Spaß gemacht dort einzutauchen.
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INHALTSVERZEICHNIS

Weißel

Seine Ruhe

Glitzern im Wasser

Aus den Augen

Reinigung

Pfefferkuchenhaus

Hüter des Amuletts

Zahlbarer Preis

Vollmondmoorschlamm

Mehr Lesen?

Danksagung

Über den Autor

Für Matt,

der mich viel über festhalten und loslassen gelehrt hat.

WEISSEL

✴ ✴ ✴

BEATRICE FEHLTE EINE SOCKE.

Sie war sich nicht sicher, ob es die linke oder die rechte Socke war. Gab es überhaupt einen bestimmten Fuß, auf den so eine Socke musste? Ihre Mutter hatte ihr beigebracht, dass sie immer mit dem linken Fuß anfangen musste. Das hieße ja aber, dass, wann immer eine Socke fehlte, der rechte Fuß unbesockt bleiben musste.

Das war doch unfair.

Ihr rechter Fuß konnte doch nichts dafür, dass er einfach immer als Zweites dran war.

Beatrice blickte auf ihre Füße – einer mit Socke und der andere nackt – und dann nach draußen. Der Himmel war dunkelgrau.

Ob sie wieder zurück ins Bett kriechen durfte, wenn sie ihre Socke nicht fand? Ihr geblümtes Bettzeug sah einladend aus, auch wenn sie heute Morgen sehr lange damit verbracht hatte, das Bett ordentlich zu machen. Sie hatte auch sehr lange damit verbracht, jeden Knopf ihres Kleides noch einmal auf und zuzuknöpfen. Wenn sie nur lange genug braucht, musste sie vielleicht nicht mit in die Kirche, weil sie nicht fertig war, wenn es losging.

Und jetzt, da ihr eine Socke fehlte, konnte sie sowieso nicht in die Kirche gehen. Dort musste man ordentlich aussehen. Auch das hatte ihre Mutter ihr beigebracht.

»Bee, Liebchen, was machst du da?« Beatrices Oma stand in der Tür, die Hände in den Hüften. Sie war natürlich schon angezogen und – Beatrice blickte prüfend auf die Füße – hatte an beiden Beinen lange Seidenstrümpfe. Beatrice reckte ihr die Füße entgegen und Oma seufzte.

Kurz nachdem die Polizisten vor der Tür gestanden hatten, war Beatrices Mutter im Schlafzimmer verschwunden und seitdem nicht wieder herausgekommen. Oma kam noch an dem Abend – sie kochte Beatrice Essen, zwang sie sich anzuziehen und schickte sie zum Spielen nach draußen in den Garten.

Beatrice musste jetzt nicht mehr in die Schule, deshalb hatte sie viel Zeit, um draußen im Garten zu spielen. Doch so ganz ohne Freunde machte das Spielen keinen Spaß.

Beatrices Mutter musste auch nicht zur Arbeit. Das hieß aber anscheinend nicht, dass Oma sie auch nach draußen in den Garten schickte.

Beatrice schaute an Oma vorbei auf die Zimmertür auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges. Sie war verschlossen und egal, wie oft Beatrice davorgestanden und geklopft hatte, sie hatte sich nicht geöffnet. Aber heute würde Mutter herauskommen, hatte Oma gesagt.

Heute war ein wichtiger Tag.

Aus dem Nichts zauberte Oma plötzlich ein neues Paar Socken hervor und Beatrices rechter Fuß war im Nu ebenfalls besockt. So viel zu der Hoffnung, zurück ins Bett zu dürfen.

Oma reichte ihr eine Bürste.

»Kämm dir bitte die Haare, Liebchen«, sagte sie und verschwand wieder aus dem Zimmer.

Beatrice starrte auf die Bürste und dann auf die dicken Regenwolken vor ihrem Fenster. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf die gelben Bienenkästen bei den Bäumen im Garten.

Die Bienen mussten heute nicht nach draußen. Das hatte ihr Vater ihr beigebracht: Bienen flogen nie bei Regen, denn das machte ihre Flügel schwer. Und wenn Gewitter im Anmarsch war, dann sollte man sich auch von den Bienen fernhalten. Da waren sie nämlich besonders stechfreudig, das hatte Beatrice auf die harte Art lernen müssen.

Wenn sie Flügel hätte, dann wären sie auch schwer heute, dachte Beatrice. Und wenn sie einen Stachel hätte … ja dann. Aber sie hatte nichts davon.

Nur eine kleine Stoffbiene in ihrem Bett.

Sie war in den letzten Tagen oft dort bei den Kästen gewesen. Das Summen hatte sie beruhigt, hatte ihr Geschichten erzählt von all den Blumen, die von den Bienen besucht wurden. Oma mochte es nicht, wenn Beatrice sich zu nah bei den Kästen ins Gras legte. Doch nur so konnte Beatrice die Bienen summen hören, hatte sie gesagt.

Sie hatte nicht gesagt, dass sie manchmal – wenn sie die Augen zumachte und der Wind durch das Gras rauschte – so tun konnte, als ob ihr Vater neben ihr stand und in den Waben hantierte. Als ob nichts anders war als sonst. Obwohl es in letzter Zeit natürlich andersherum gewesen war.

Ihr Vater hatte hustend im Gras gesessen und ihr gesagt, was sie tun musste. Irgendwie hatte sie die ruhigere Hand gehabt, das Rauchkännchen im richtigen Winkel gehalten. Bei ihr waren die Bienen genügsamer gewesen, als bei ihrem Vater. Er wollte ihr die Bienen ohnehin irgendwann einmal vererben, hatte er dann gesagt, und auf Beatrices entsetztes Gesicht hatte er nur gelacht. »Noch nicht so bald«, hatte er gesagt und dann wieder gehustet. Überhaupt hatte er viel gehustet.

Doch so wie sie dort lag, bei den Bienen, konnte sie immerhin so tun, als ob. Aber irgendwann rief Oma immer zum Essen und dann war die Fantasie vorbei.

Beatrice zuckte zusammen, als sich die Schlafzimmertür gegenüber plötzlich öffnete. Ihre Mutter stand im Türrahmen und ihre Augen wurden groß, als sie Beatrice sah. Genau wie Beatrice trug sie ein schwarzes Kleid.

Aber keine Socken. Oder Seidenstrümpfe.

Vielleicht hatte sie auch versucht, wieder zurück ins Bett zu kriechen.

»Hallo Schatz«, sagte ihre Mutter leise und setzte sich neben Beatrice aufs Bett. »Hier, ich mache das.«

Beatrice konnte nur nicken als Mutter ihr die Bürste aus der Hand nahm und ihre Haare kämmte. Sie gab sich sicher die größte Mühe, vorsichtig zu sein, doch es ziepte trotzdem. Beatrice schluckte die Tränen herunter.

Wie oft hatte sie in den letzten Tagen an die Tür geklopft, geweint und gebettelt. Was hätte sie nicht alles dafür gegeben, dass ihre Mutter sich zu ihr gesetzt und ihre Haare gekämmt hätte.

Aber ausgerechnet heute wollte Beatrice nichts davon.

Heute, an diesem so wichtigen Tag, wie Oma sagte.

Mutter nahm Beatrice an die Hand, als sie nach unten gingen. Es fühlte sich leicht an, als würde sie gleich wieder verschwinden. Beatrice traute sich nicht, fester zuzudrücken.

Sie fuhren in Omas Auto zur Kirche. Omas Auto war laut und unbequem, und es roch viel zu sehr nach … na ja, nach Auto eben. Doch Beatrice und ihre Mutter hatten kein Auto mehr. Es war mit Beatrices Vater eines Morgens verschwunden und dann nicht wieder heimgekommen.

Beatrice fuhr eigentlich immer gerne zur Kirche. Nicht heute, aber sonst schon. Sie mochte die großen, schweren Türen und den dunklen Vorraum. Die alten Bänke mochte sie nicht, die alten Fenster aber schon.

Ihr Vater hatte ihr immer die Fenster gezeigt, wenn Beatrice langweilig wurde. Sie hatten ein Spiel daraus gemacht, wann immer der Gottesdienst besonders langweilig war. Er gab ihr ein Fenster vor und Beatrice versuchte, so viel Neues wie möglich zu entdecken, das sie ihm dann hinterher zeigen konnte.

Das war immer so viel spannender als die Stimme des Pastors.

Beatrices Mutter hatte das nicht gut gefunden, aber sie hatte die Lippen meist nur zu einer Linie zusammengepresst und es zugelassen. Beatrice fragte sich jetzt, als sie vor der Kirche standen, ob sie es heute auch zulassen würde.

Aber was war heute der Sinn daran, etwas Neues in den Fenstern zu erkennen? Sie hatte ja doch niemanden, mit dem sie es teilen konnte.

Vielleicht sollte sie heute doch einmal dem Pastor zuhören.

Ihre Hände waren noch immer lose in die ihrer Mutter verschränkt und sie gingen beide ganz nach vorn zu dem gerahmten Foto ihres Vaters. Ihr gerade erst gefasster guter Vorsatz verlosch sofort, als sie das lachende Gesicht sah, und sie wandte den Blick zu ihrem Lieblingsfenster.

Vielleicht fand sie heute doch noch etwas, das ihr bisher entgangen war. Vielleicht gab es in den Fenstern eine Antwort auf Beatrices Frage.

Den Bienenkorb in der unteren Ecke hatte sie als Erste entdeckt. Normalerweise konnte sie ihrem Vater kaum etwas Neues zeigen – er hatte ihr mal verraten, dass er als kleiner Junge das Spiel immer mit sich selbst gespielt hatte – aber der Bienenkorb war Beatrices Entdeckung. Ihr Blick blieb jetzt an dem gelben Stück Glas hängen und sie musste an die ähnlich gelben Kästen in ihrem Garten denken.

Ob die Bienen wussten, dass ihr Vater nicht zurückkehren würde? Ob sie traurig waren? Würden sie ihn vermissen? Ihn, und seinen Rauch, seine beruhigende Stimme und das Zuckerwasser im Herbst?

Mutters Griff wurde stärker und die Stimme des Pastors setzte an. Beatrices Gedanken verschwammen.

Die dunklen Wolken hatten sich im Laufe des Gottesdienstes noch mehr zugezogen. Beatrice konnte den Regen schon spüren, als sie durch das Gras streifte.

Der erste Tropfen traf sie auf die Nase, als sie vor dem Loch standen. Das war es nun, wo ihr Vater von jetzt an wohnen würde? In einem dunklen Loch in der Erde? Es sah für Beatrice wenig einladend aus.

Der Pastor setzte wieder an, doch Beatrice wurde von einem leisen Brummen abgelenkt. Eine Biene flog schwerfällig zwischen den Tropfen hindurch und landete auf dem Rock ihrer Mutter.

Die Ärmste, dachte Beatrice. Ob sie es noch rechtzeitig zurück zu ihrem Volk schaffen würde? Langsam streckte sie die Hand nach der Biene aus und ließ sie darauf krabbeln.

Die Biene wog schwer, so viel schwerer als Beatrice es in Erinnerung hatte. Sie rettete sich in Beatrices Ärmel.

Wärme mich.

Beatrice zuckte zusammen. Das war definitiv nicht die Stimme des Pastors. Doch niemand anders schien etwas gehört zu haben. Das Kribbeln der kleinen Bienenbeine auf ihrem Arm beruhigte sie ein wenig.

»Wir gehen dann nach vorn«, sagte Oma, »und du nimmst ein Schäufelchen Erde und wirfst es in das Loch.«

»Ich will nicht nach vorn«, entfuhr es Beatrice. Der Gedanke, dass ihr Vater von nun an für immer dort unten bleiben musste war schon schlimm genug. Da musste sie doch nicht noch etwas draufwerfen.

Alles ein Kreislauf.

Beatrice schaute zu Oma auf, doch deren Blick haftete am Pfarrer. Die Stimme klang auch nicht wie die von Oma. Sie war viel heller, dünner.

Altes muss erneuert werden.

Die Biene in Beatrices Ärmel war langsam an ihrem Arm nach oben gekrabbelt und machte es sich nun unter ihrem Schlüsselbein bequem. Dann begann sie, mit den Flügeln zu schlagen.

Du bist dran.

Beatrice wollte nicht nach vorn, doch die Stimme klang so aufmunternd und ihre Mutter sah so traurig aus, dass sie die Schultern straffte und nach vorn trat.

Tief unten im Loch war gar nicht ihr Vater. Da war nur eine schwarze Kiste. Und darauf ein Schäufelchen Erde.

»Asche zu Asche. Staub zu Staub.« Der Pastor reichte Beatrice die Schaufel und sie tat es ihrer Mutter nach.

Die Flügelschläge der Biene kitzelten auf der Haut. Sie strömten eine Wärme aus, die sich den Regentropfen zum Trotz langsam in Beatrice ausbreitete.

Immer mehr Regentropfen fielen auf Beatrice nieder und sie war froh, dass die Biene es noch rechtzeitig in ihr Kleid geschafft hatte. Konnte eine Biene von einem Regentropfen erschlagen werden?

Sie stand zwischen ihrer Mutter und Oma, als die anderen kamen um ihnen die Hände zu schütteln. Sie reichten auch Beatrice die Hand, doch sie schaute auf die Regentropfen im Gras. Jeder einzelne Tropfen traf sie schwer auf den Kopf. Warum konnten sie nicht reingehen, wenn es nur darum ging, zu flüstern und Hände zu schütteln?

»Oma, was passiert mit den Bienen?«, fragte Beatrice in einem Moment, als niemand vor ihnen stand.

»Mit den Bienen?« Oma schien die Frage zu überraschen. Sie schaute in Richtung des Grabes, wo noch einige Leute standen und Schäufelchen Erde in das Loch warfen. »Ich weiß nicht, Kindchen. Wir werden sie wohl verschenken.«

Die Flügelschläge an Beatrices Brust wurden schneller.

»Nein«, sagte Beatrice sofort. »Ich will sie behalten.«

Ich muss sie behalten. Oma erwiderte nichts.

»Hast du gehört?«, fragte sie. »Ich will die Bienen behalten.«

»Ich habe gehört«, sagte Oma leise, zwischen geflüsterten Dankes und Schön-dass-ihr-gekommen-seid. »Ich denke nicht, dass wir sie behalten. Nicht nach dem, was passiert ist.«

»Oma, die Bienen gehören zu uns«, widersprach Beatrice. Sie gehörten zu ihrem Vater.

»Diese Bienen …«, Oma brach den Satz ab und schüttelte dann den Kopf. »Diese Bienen haben uns kein Glück gebracht.«

Ja, Mutter war nie sonderlich glücklich darüber gewesen. Jedes Mal, wenn Beatrice weinend mit einem Bienenstich ins Haus gerannt war, hatte sie auf die Bienen geschimpft, auch wenn Beatrice genau wusste, dass sie selber hätte vorsichtiger sein müssen. Und als die Polizisten die Bienen in Vaters Auto erwähnten, hatte Mutter noch lauter geschimpft als sonst.

»Wir reden später darüber«, sagte Oma dann.

Nein.

Die Stimme in Beatrices Kopf war energisch. Leise, aber bestimmt. Beatrice konnte ihr nur zustimmen.

Sie würden nicht später darüber reden. Sie konnten die Bienen nicht weggeben, wo doch alles andere von ihrem Vater in der Erde vergraben war.

Zumindest sagten die Leute das, doch Beatrice wusste, dass es nicht ganz stimmte. Ihr Vater war vielleicht in der Erde und seine Seele vielleicht im Himmel – sie hatte immerhin mit halbem Ohr dem Gottesdienst gelauscht – aber ein Teil, ein nicht unerheblicher Teil, von ihrem Vater war in den gelben Kästen im hinteren Teil ihres Gartens.

Er war in der Biene, die immer noch unterhalb Beatrices Schlüsselbeins saß.

Beatrice schaute an den Himmel, wo die Regenwolken hingen. Manchmal, so wie jetzt, konnte man den Wolken beim Ziehen zusehen. Und manchmal, da sah man, wie sie aufbrachen und sich ein kleiner Sonnenstrahl hindurchwagte.

So wie jetzt.

Das Licht traf vor Beatrices Füße und die Stimme in ihrem Kopf summte glücklich. Sie hatte sich eingefügt, als wäre sie schon immer da gewesen. Jetzt wusste Beatrice auch, woher sie kam.

Und genau deshalb wusste Beatrice, dass sie die Bienen behalten würde. Dass sie, und niemand sonst, sich um die Bienen ihres Vaters kümmern musste.

Alles ist ein Kreislauf.

Aus Alt mach Neu.

Das hatten die Bienen selbst so gewollt.

SEINE RUHE

✴ ✴ ✴

»SIE SIND DER RICHTIGE KANDIDAT FÜR unser Projekt.«

Der junge Mann, der da vor Achim saß, sah aus, als hätte er noch nicht einmal die Schule beendet. Das war so ein arroganter Schnösel, der sich über ihn lustig machen wollte, da war sich Achim sicher. Genauso wie alle anderen.

»Ich bin überhaupt kein Kandidat«, sagte er deshalb. »Ich verbitte mir so etwas.«

Der junge Mann vor ihm lächelte.

»Herr Lambrecht«, sagte er langsam. »Ich bin mir sicher, dass ich Ihre Meinung ändern kann. Geben Sie mir fünf Minuten Ihrer Zeit. Deswegen sind Sie doch gekommen.«

»Ich bin gekommen, weil ihr Arschlöcher mir sonst die Zuschüsse streicht«, schimpfte Achim. »So macht ihr das immer. Entweder man tut, was ihr sagt oder die Zuschüsse sind weg. Halsabschneider.«

Er saß auf der vordersten Stuhlkante, den Gehstock fest in seiner Hand. Jederzeit könnte er aufstehen und gehen, das wusste er. Und das würde er. Wenn dieser junge Mann – dieses Kind – vorlaut wurde, dann würde er auf jeden Fall aufstehen und gehen.

Zuschüsse hin oder her.

Er konnte seine Frau Marlies sowieso nicht so lange alleine lassen.

Aber sein Gegenüber lächelte immer noch. Debil, sowas.

»Herr Lambrecht, wir sind nicht die Regierung. Auf Ihre Zuschüsse haben wir keinen Einfluss. Aber wir hier bei Planetary Enterprises wollen Sie unterstützen. Wir glauben, dass Sie uns ebenso unterstützen können.«

»Woher wollt ihr das wissen?«

»Aus Ihren Briefen.« Der junge Mann holte einen Stapel Zettel aus einer Schublade neben sich und legte sie vorsichtig auf den Tisch. »Das sind doch Ihre Briefe, richtig?«

»Ja. Aber die liest sowieso niemand.«

»Ich habe sie gelesen«, sagte der junge Mann. »Jeden Einzelnen. Aber ich gebe zu, ich verstehe, warum jemand anderes nach einer gewissen Anzahl vielleicht aufgegeben hat.«