Regenlichter - C. Greene - E-Book
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Regenlichter E-Book

C. Greene

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Beschreibung

Max, der an ungewöhnlicher Stelle nach seiner Zukunft sucht. Celia, die nicht gefunden werden will. Anne, die nicht weiß, wonach sie suchen soll. Diese und sechs weitere spannende Kurzgeschichten führen den Leser auf eine immer neue Reise. Zwischen all den mysteriösen Kreuzungen und Wirrungen stellt jede Geschichte die entscheidende Frage: FÜHREN DIE LICHTER, DENEN WIR FOLGEN, ANS ZIEL ODER IN DIE IRRE?

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Seitenzahl: 139

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Regenlichter

NEUN KURZGESCHICHTEN

C. GREENE

»Regenlichter - Neun Kurzgeschichten«

2. überarbeitete Auflage, Januar 2023

© Alle Rechte vorbehalten

C. Greene, c/o autorenglück.de, Franz-Mehring-Str. 15, 01237 Dresden

www.wordsiweave.com

Umschlag und Zierden: Sarah Scheumer, www.sarahscheumer.de

ISBN: 978-3-98756-854-1

ISBN Taschenbuch: 978-3-98595-527-5

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Eine Liste mit möglichen Auslösereizen (Triggern) befindet sich auf der letzten Seite oder auf www.wordsiweave.com/rl-trigger.

Für Matt,

der mich viel über festhalten und loslassen gelehrt hat.

Inhalt

Ein paar Worte der Autorin

Weisel

Seine Ruhe

Glitzern im Wasser

Aus den Augen

Reinigung

Pfefferkuchenhaus

Hüter des Amuletts

Zahlbarer Preis

Vollmondmoorschlamm

Danksagung

Über die Autorin

Ein paar Worte der Autorin

»Lichter, die Kilometer voneinander entfernt sind, vereinen sich in einem Regentropfen. Es ist, als könnte der Regen die Distanz verwischen und uns zeigen: Wir sind allein und doch zusammen. Nachts sind alle Katzen grau? Im Regen sind alle Lichter eins.«

* * *

Manchmal bemerkt man erst im Nachhinein Zusammenhänge, die man vorher nicht wahrgenommen hat.

Als ich die Geschichten für diese Anthologie schrieb, wollte ich viel Neues ausprobieren und dachte erst, dass sie dadurch unterschiedlicher nicht sein könnten. Ich habe Märchen und Legenden neu interpretiert, die Genregrenzen und Textformen ausgereizt. Erst später, mit einigem Abstand nach der Erstauflage, habe ich erkannt, bei welchen Fragen sich die Geschichten trotz all ihrer Unterschiede ähneln:

Was bedeutet es, allein zu sein? Welche Wünsche sprechen wir aus, welche behalten wir für uns – und wie stehen sich diese gegenseitig im Weg? Wie finden wir unser Ziel, wenn wir es nicht kennen?

Führen die Lichter, an denen wir uns orientieren, ans Ziel oder in die Irre?

* * *

Auch in dieser Anthologie habe ich nach jeder Geschichte einige meiner Notizen zusammengefasst, um einen kleinen Einblick in die Ideen, Inspirationen und Gedanken dahinter zu geben.

Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Notizen Details der Geschichten beinhalten – und so spoilern können. Lies die Story Notes also am besten wirklich erst, wenn du die jeweilige Geschichte schon gelesen hast.

Viel Spaß!

Beatrice fehlte eine Socke.

Sie war sich nicht sicher, ob es die linke oder die rechte Socke war. Gab es überhaupt einen bestimmten Fuß, zu dem eine Socke gehörte? Ihre Mutter hatte Beatrice beigebracht, dass sie beim Sockenanziehen immer mit dem linken Fuß anfangen sollte. Das hieße ja aber, dass, wann immer eine Socke fehlte, der rechte Fuß unbesockt bleiben musste.

Wie unfair.

Der rechte Fuß konnte doch nichts dafür, dass er immer als Zweites dran war. Und noch weniger konnte er dafür, dass eine Socke verloren ging.

Beatrice blickte auf ihre Füße – einer mit Socke und der andere nackt – und dann nach draußen. Der Himmel war dunkelgrau.

Ob sie wieder zurück ins Bett kriechen durfte, wenn sie ihre Socke nicht fand? Das geblümte Bettzeug sah einladend aus, obwohl sie sich heute Morgen viel Mühe gegeben hatte, das Bett ordentlich zu machen. Sie hatte sich auch sehr viel Mühe gegeben, das Kleid richtig zuzunöpfen und – nur um sicherzugehen – jeden Knopf noch einmal auf- und wieder zugeknöpft. Wenn sie lange genug brauchte, musste sie vielleicht nicht mit in die Kirche, weil sie nicht fertig war, wenn es losging.

Und jetzt, da ihr eine Socke fehlte, konnte sie sowieso nicht in die Kirche gehen. Dort musste man ordentlich aussehen. Auch das hatte sie von ihrer Mutter gelernt. Nur eine Socke zu tragen, war bestimmt nicht ordentlich genug.

»Bee, Liebchen, was machst du da?« Beatrices Oma stand in der Tür, die Hände in den Hüften. Sie war natürlich schon angezogen und – Beatrice blickte prüfend auf die Füße – hatte an beiden Beinen lange Seidenstrümpfe. Sie reckte ihr die Füße entgegen und Oma seufzte.

Seit dem Tag, an dem die Polizisten vor der Tür gestanden hatten und Beatrices Mutter daraufhin im Schlafzimmer verschwunden war, war Oma hier. Sie kochte Beatrice Essen, zwang sie, sich anzuziehen und schickte sie zum Spielen nach draußen in den Garten, während ihre Mutter im Schlafzimmer blieb.

Beatrice musste jetzt nicht in die Schule, deshalb hatte sie viel Zeit, um draußen im Garten zu spielen. Doch so ganz ohne Freunde machte das Spielen keinen Spaß.

Ihre Mutter musste auch nicht zur Arbeit – aber Oma schickte sie nicht nach draußen in den Garten.

Beatrice schaute an Oma vorbei auf die Zimmertür auf der gegenüberliegenden Seite des Ganges. Wie an jedem vergangenen Tag war sie geschlossen, egal, wie oft Beatrice davorgestanden und geklopft hatte. Aber heute würde ihre Mutter herauskommen, hatte Oma gesagt.

Heute war ein wichtiger Tag.

Aus dem Nichts zog Oma plötzlich ein neues Paar Socken hervor und Beatrices rechter Fuß war im Nu ebenfalls besockt. So viel zu der Hoffnung, zurück ins Bett zu dürfen.

Stattdessen reichte Oma ihr eine Bürste. »Kämm dir bitte die Haare, Liebchen«, sagte sie und verschwand wieder aus dem Zimmer.

Beatrice starrte auf die Bürste und dann auf die dicken Regenwolken vor ihrem Fenster. Unwillkürlich fiel ihr Blick auf die gelben Bienenkästen bei den Bäumen im Garten. Die Bienen mussten heute nicht nach draußen. Das hatte sie von ihrem Vater gelernt: Bienen flogen nie bei Regen, denn das machte ihre Flügel schwer. Und wenn Gewitter im Anmarsch war, dann sollte man die Bienen in Ruhe lassen. Da waren sie nämlich besonders stechfreudig, das hatte Beatrice auf die harte Art lernen müssen.

Wenn sie Flügel hätte, dann wären sie auch schwer heute, dachte Beatrice. Und wenn sie einen Stachel hätte … ja dann. Aber sie hatte weder das eine noch das andere, nur eine kleine Stoffbiene in ihrem Bett.

Sie war in den letzten Tagen oft dort bei den Kästen gewesen. Das Summen hatte sie beruhigt, hatte ihr Geschichten erzählt von all den Blumen, die von den Bienen besucht wurden. Oma mochte es nicht, wenn Beatrice sich zu nah bei den Kästen ins Gras legte. Doch nur so konnte Beatrice die Bienen summen hören.

Manchmal – wenn sie die Augen zumachte und der Wind durch das Gras rauschte – konnte sie so tun, als ob ihr Vater neben ihr stand und in den Waben hantierte. Als wäre nichts anders als sonst, obwohl es in letzter Zeit andersherum gewesen und Beatrice diejenige gewesen war, die sich um die Bienen kümmerte.

Ihr Vater hingegen hatte hustend im Gras gesessen und ihr gesagt, was sie tun musste. Irgendwie hatte sie die ruhigere Hand gehabt, das Rauchkännchen im richtigen Winkel gehalten. Bei ihr waren die Bienen genügsamer gewesen, als bei ihrem Vater. Er wollte ihr die Bienen ohnehin irgendwann einmal vererben, hatte er dann gesagt, und auf Beatrices entsetztes Gesicht hatte er nur gelacht. »Noch nicht so bald«, hatte er versprochen und dann wieder gehustet. Überhaupt hatte er viel gehustet.

Doch so wie sie dort lag, bei den Bienen, konnte sie immerhin so tun, als ob. Aber irgendwann rief Oma immer zum Essen und dann war die Fantasie vorbei.

Beatrice zuckte zusammen, als sich die Schlafzimmertür gegenüber plötzlich öffnete. Ihre Mutter stand im Türrahmen und ihre Augen wurden groß, als sie Beatrice sah. Genau wie Beatrice trug sie ein schwarzes Kleid.

Aber keine Socken. Oder Seidenstrümpfe.

Vielleicht hatte sie auch versucht, wieder zurück ins Bett zu kriechen.

»Hallo Schatz«, sagte ihre Mutter leise und setzte sich neben Beatrice aufs Bett. »Hier, ich mache das.«

Beatrice nickte als ihre Mutter ihr die Bürste aus der Hand nahm und ihre Haare kämmte. Sie gab sich sicher die größte Mühe, vorsichtig zu sein, doch es ziepte trotzdem. Beatrice schluckte die Tränen herunter.

Wie oft hatte sie in den letzten Tagen an die Tür geklopft, geweint und gebettelt. Was hätte sie nicht alles dafür gegeben, dass ihre Mutter sich zu ihr gesetzt und ihre Haare gekämmt hätte.

Aber ausgerechnet heute wollte Beatrice nichts davon.

Heute, an diesem so wichtigen Tag, wie Oma sagte.

Ihre Mutter nahm Beatrice an die Hand, als sie nach unten gingen. Die Berührung fühlte sich leicht an, als würde sie gleich wieder verschwinden. Beatrice traute sich nicht, fester zuzudrücken.

* * *

Sie fuhren in Omas Auto zur Kirche. Omas Auto war laut und unbequem, und es roch viel zu sehr nach … na ja, nach Auto eben. Doch Beatrice und ihre Mutter hatten kein Auto mehr. Es war mit Beatrices Vater eines Morgens verschwunden und dann nicht wieder heimgekommen.

Beatrice fuhr eigentlich immer gern zur Kirche. Nicht heute, aber sonst schon. Sie mochte die großen, schweren Türen und den dunklen Vorraum. Die knarrenden Bänke mochte sie nicht, die alten Fenster aber umso mehr.

Ihr Vater hatte ihr immer die bunten Muster im Glas gezeigt. Sie hatten ein Spiel daraus gemacht, wann immer der Gottesdienst besonders langweilig war: Er gab ihr ein Fenster vor und Beatrice versuchte, so viel Neues wie möglich zu entdecken, das sie ihm dann hinterher zeigen konnte.

Das war immer so viel spannender als die Stimme des Pastors.

Beatrices Mutter hatte das nicht gut gefunden, aber sie hatte die Lippen meist nur zu einer Linie zusammengepresst und es zugelassen. Beatrice fragte sich jetzt, als sie vor der Kirche standen, ob sie es heute auch zulassen würde.

Aber was war heute der Sinn daran, etwas Neues in den Fenstern zu erkennen? Sie hatte niemanden, mit dem sie es teilen konnte. Oma wäre sicher auch nicht erfreut, wenn Beatrice nicht aufmerksam war und vielleicht war heute, an diesem so wichtigen Tag, eine gute Gelegenheit, dem Pastor zuzuhören.

Ihre Hände waren noch immer lose in die ihrer Mutter verschränkt und sie gingen beide ganz nach vorn zu dem gerahmten Foto ihres Vaters. Ihr gerade erst gefasster guter Vorsatz erlosch sofort, als sie das lachende Gesicht sah, und sie wandte den Blick zu ihrem Lieblingsfenster.

Wenn sie sich viel Mühe gab, fand sie vielleicht doch noch etwas, das ihr bisher entgangen war. Vielleicht gab es in den Fenstern eine Antwort auf Beatrices Fragen.

Den Bienenkorb in der unteren Ecke hatte sie als Erste entdeckt. Normalerweise konnte sie ihrem Vater kaum etwas Neues zeigen – er hatte ihr mal verraten, dass er als kleiner Junge das Spiel immer mit sich selbst gespielt hatte – aber der Bienenkorb war Beatrices Entdeckung. Ihr Blick blieb jetzt an dem gelben Stück Glas hängen und sie musste an die ähnlich gelben Kästen in ihrem Garten denken.

Ob die Bienen wussten, dass ihr Vater nicht zurückkehren würde? Ob sie traurig waren? Würden sie ihn vermissen? Ihn, und seinen Rauch, seine beruhigende Stimme und das Zuckerwasser im Herbst?

Beatrice setzte an, die Fragen laut zu stellen, doch der Griff ihrer Mutter wurde stärker und der Pastor begann mit seiner Rede.

* * *

Die dunklen Wolken hatten sich im Laufe des Gottesdienstes noch mehr zugezogen und Beatrice konnte den Regen schon spüren, als sie durch das Gras streifte.

Der erste Tropfen traf sie auf die Nase, als sie vor dem Loch standen. Das war es nun, wo ihr Vater von jetzt an wohnen würde? In einem dunklen Loch in der Erde? Es sah für Beatrice wenig einladend aus.

Der Pastor setzte wieder an, doch Beatrice wurde von einem leisen Brummen abgelenkt. Eine Biene flog schwerfällig zwischen den Tropfen hindurch und landete auf dem Rock ihrer Mutter.

Die Ärmste, dachte Beatrice. Ob sie es noch rechtzeitig zurück zu ihrem Volk schaffen würde? Langsam streckte sie die Hand nach der Biene aus und ließ sie auf ihren Finger krabbeln.

Die Biene wog schwer, so viel schwerer als Beatrice es gewohnt war. Träge rettete sie sich in Beatrices Ärmel.

Wärme mich.

Beatrice zuckte zusammen. Das war definitiv nicht die Stimme des Pastors. Doch niemand anders schien etwas gehört zu haben. Das Kribbeln der kleinen Bienenbeine auf ihrem Arm beruhigte sie ein wenig.

»Wir gehen gleich nach vorn«, sagte Oma im Flüsterton, »und du nimmst ein Schäufelchen Erde und wirfst es in das Loch.«

»Ich will nicht nach vorn«, entfuhr es Beatrice. Der Gedanke, dass ihr Vater von nun an für immer dort unten bleiben musste, war schon schlimm genug. Wozu sollte sie noch etwas auf ihn werfen?

Alles ein Kreislauf.

Beatrice schaute zu ihrer Oma auf, doch deren Blick haftete am Pfarrer. Die Stimme, die die Worte formte, klang auch nicht wie die von Oma. Sie war viel heller, dünner.

Altes wird Neues.

Die Biene in Beatrices Ärmel war langsam an ihrem Arm nach oben gekrabbelt und machte es sich nun unter ihrem Schlüsselbein bequem. Dann begann sie, mit den Flügeln zu schlagen.

Du bist dran.

Beatrice wollte nicht nach vorn, doch die Stimme klang so aufmunternd und ihre Mutter sah so traurig aus, dass sie die Schultern straffte, nach vorn trat und einen Blick in das Loch warf. Doch da war gar nicht ihr Vater, nur eine schwarze Kiste. Und darauf ein Schäufelchen Erde.

»Asche zu Asche. Staub zu Staub.« Der Pastor reichte Beatrice die Schaufel und sie tat es ihrer Mutter nach.

Die Flügelschläge der Biene kitzelten auf der Haut. Sie strömten eine Wärme aus, die sich den Regentropfen zum Trotz langsam in Beatrice ausbreitete.

Immer mehr Tropfen fielen auf sie nieder und sie war froh, dass die Biene es noch rechtzeitig in ihr Kleid geschafft hatte. Konnte eine Biene im Regen ertrinken?

Sie stand zwischen ihrer Mutter und Oma, als die anderen kamen um ihnen die Hände zu schütteln. Sie reichten auch Beatrice die Hand, doch sie schaute auf das Wasser im Gras. Jeder einzelne Tropfen traf sie schwer auf den Kopf. Warum konnten sie nicht reingehen, wenn es nur darum ging, zu flüstern und Hände zu schütteln?

»Oma, was passiert mit den Bienen?«, fragte Beatrice in einem Moment, als niemand vor ihnen stand.

»Mit den Bienen?« Oma schien die Frage zu überraschen. Sie schaute in Richtung des Grabes, wo noch einige Leute standen und Schäufelchen Erde in das Loch warfen. »Ich weiß nicht, Kindchen. Wir werden sie wohl verschenken.«

Die Flügelschläge an Beatrices Brust wurden schneller.

»Nein«, sagte Beatrice sofort. »Ich will sie behalten.«

Ich muss sie behalten. Oma erwiderte nichts.

»Hast du gehört?«, fragte Beatrice. »Ich will die Bienen behalten.«

»Ich habe gehört«, sagte Oma leise, zwischen geflüsterten Dankes und Schön-dass-ihr-gekommen-seid. »Ich denke nicht, dass wir sie behalten. Nicht nach dem, was passiert ist.«

»Oma, die Bienen gehören zu uns«, widersprach Beatrice. Sie gehörten zu ihrem Vater.

»Diese Bienen …«, Oma brach den Satz ab und schüttelte dann den Kopf. »Diese Bienen haben uns kein Glück gebracht.«

Ihre Mutter war nie sonderlich glücklich darüber gewesen. Jedes Mal, wenn Beatrice weinend mit einem Bienenstich ins Haus gerannt war, hatte sie auf die Bienen geschimpft, auch wenn Beatrice genau wusste, dass sie selber hätte vorsichtiger sein müssen. Und als die Polizisten die Bienen in Vaters Auto erwähnten, hatte ihre Mutter noch lauter geschimpft als sonst.

»Wir reden später darüber«, sagte Oma dann.

Nein.

Die Stimme in Beatrices Kopf war energisch. Leise, aber bestimmt. Beatrice konnte ihr nur zustimmen.

Sie würden nicht später darüber reden. Sie konnten die Bienen nicht weggeben, wo doch alles andere von ihrem Vater in der Erde vergraben war.

Zumindest sagten die Leute das, auch wenn Beatrice wusste, dass es nicht ganz stimmte. Ihr Vater war vielleicht in der Erde und seine Seele im Himmel – sie hatte immerhin mit halbem Ohr dem Gottesdienst gelauscht – aber ein Teil, ein nicht unerheblicher Teil, von ihrem Vater war in den gelben Kästen im Garten.

Er war in der Biene, die immer noch unterhalb Beatrices Schlüsselbeins saß.

Beatrice schaute an den Himmel, wo die Regenwolken hingen. Manchmal, so wie jetzt, konnte man den Wolken beim Ziehen zusehen. Und manchmal, da sah man, wie sie aufbrachen und sich ein kleiner Sonnenstrahl hindurchwagte.

So wie jetzt.

Das Licht traf vor Beatrices Füße und die Stimme in ihrem Kopf summte glücklich. Sie hatte sich eingefügt, als wäre sie schon immer da gewesen. Jetzt wusste Beatrice auch, woher sie kam.

Und genau deshalb wusste Beatrice, dass sie die Bienen behalten würde. Dass sie, und niemand sonst, sich um die Bienen ihres Vaters kümmern musste.

Alles ist ein Kreislauf.

Altes wird Neues.

Das hatten die Bienen so gewollt.

Wenn eine Bienenkönigin zu alt wird, bastelt das Volk sich einfach eine neue. Dazu bauen die Bienen eine größere, senkrechte Zelle und geben der darin befindlichen Larve ein besonderes Futter, damit daraus keine Arbeiter- sondern eben eine Königinnenbiene wird. Ist die neue Königin, die Weisel, geschlüpft, verlässt die alte Königin verlässt das Volk meist freiwillig.

Als mein Vater vor einigen Jahren sein erstes Bienenvolk bekam, fand ich dieses Konzept unglaublich spannend. In den meisten Geschichten und Szenarien ist das Königshaus das Zentrum der Macht und kann diese Macht ausnutzen, um sich selbst zu bereichern.