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Über Jahrhunderte auf sich allein gestellt, lebten und überlebten die Isländer im rauen Klima am Rande des Nördlichen Polarkreises. Die Insel aus Eis und Feuer hat es den Menschen nicht immer leicht gemacht. Doch die Bewohner dieses faszinierenden Landes haben ihre eigene Art gefunden, mit den schwierigen natürlichen Bedingungen zurechtzukommen. Mit Toleranz, der Unterstützung durch die Familie, der Fähigkeit, Rückschläge auszuhalten und optimistisch zu bleiben, und dem Talent, unkonventionelle und kreative Lösungen zu finden, haben sie einen modernen Staat aufgebaut, in dem Gleichberechtigung, ein friedvolles Zusammenleben und Kultur eine wichtige Rolle spielen. Die abgeschiedene Lage führt allerdings auch dazu, dass Touristen oft nur eine vage Vorstellung von der Insel und dem Leben auf Island mitbringen. Mit ihrer langjährigen Island-Erfahrung helfen die Autoren den Lesern, das Land, seine Bewohner und deren Eigenarten näher kennenzulernen. So umgehen die Besucher kulturelle Fettnäpfchen und lernen, die zuweilen mysteriös erscheinende Insel in all ihren Facetten besser zu verstehen. Dazu: 14 Seiten Verhaltenstipps von A bis Z mit vielen Hinweisen für angemessenes Verhalten, Verweise auf ergänzende und unterhaltsame Multimedia-Quellen im Internet, Literaturempfehlungen zur Vertiefung … Aus dem Inhalt: - Tanz auf dem Vulkan: Naturphänomene, die das Leben bestimmen - Die Nachfahren der wilden Wikingerhorden: ein friedfertiges Volk - Von A bis Ö: Sprache als Kulturgut - Vatertöchter und Vatersöhne: Namensgebung in Island - Stinkende, brodelnde Heißwasserquellen und saubere Energie - "Þetta reddast": vom Umgang mit Krisensituationen - Familienbande: das wichtigste Sicherheitsnetz - Versengter Schafskopf und verrotteter Hai: kulinarische Besonderheiten - Gleichberechtigung: was die starken Isländerinnen bereits erreicht haben - Der gläserne Bürger - Schwimmbäder als sozialer Treffpunkt KulturSchock - die besonderen und mehrfach ausgezeichneten Kultur-Reiseführer von REISE KNOW-HOW. Fundiert, unterhaltsam und hilfreich im fremden Alltag unter dem Motto: Je mehr wir voneinander wissen, desto besser werden wir einander verstehen. REISE KNOW-HOW - Reiseführer für individuelle Reisen
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Seitenzahl: 430
Dass auch eher weniger positive Schlagzeilen von Nutzen sein und ein Land auf die mediale Landkarte setzen können, haben 2008 die Finanzkrise in Island und der Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 zur Genüge bewiesen. Denn während ein Flug in den Süden Europas fast genauso lange dauert wie der Flug nach Island, haben viele Europäer doch das Gefühl, Island wäre deutlich weiter entfernt. Im Denken vieler liegt die Insel ganz weit weg, quasi fast am Nordpol. Es ist zwar korrekt, dass Reykjavík offiziell die nördlichste Hauptstadt der Welt ist, doch liegt tatsächlich nur ein klitzekleiner Teil des Landes über dem nördlichen Polarkreis. Das Land ist Kontinentaleuropa also in Wahrheit viel näher, als mancher vermutet, zumindest seit man einfach ins Flugzeug steigen kann, um dorthin zu kommen.
Und doch wissen viele nur wenig über das Leben und die Bewohner auf der Vulkaninsel im Norden, auch wenn es für sie gleichzeitig ein Sehnsuchtsort ist, vor allem weil es in den letzten Jahren bereits unzählige spannende Berichte über die raue und teilweise noch unberührte Natur Islands gab. Letztendlich entscheiden sich doch mehr Reisende für die wärmeren Ziele im Rest der Welt und nur die wirklich Interessierten packen für den Sommerurlaub Anorak, Mütze, Schal und Handschuhe ein – da man tatsächlich damit rechnen muss, dass die Temperaturen auch im Sommer unter zehn Grad Celsius fallen – und machen sich auf den Weg zu einem Abenteuer im Norden Europas.
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Warten auf die Rückkehr der isländischen Fußballnationalmannschaft nach ihrer erfolgreichen Teilnahme an der EM 2016. Im Zentrum Reykjavíks hat sich ein durchaus beachtlicher Prozentsatz der isländischen Gesamtbevölkerung versammelt.
Island ist geologisch gesehen ein sehr junges Land, das sich gerade erst entwickelt, weshalb hier heiße Quellen, Erdbeben oder sogar Vulkanausbrüche vorkommen und man nicht von einer üppigen, grünen Natur, sondern einer kargen, schroffen Lavalandschaft begrüßt wird, sobald man isländischen Boden betritt. Es sind der offene Horizont, der einen weiten Ausblick bietet, die schroffen Felsen, kahle Lavafelder, schwarze Sandstrände und Sandwüsten, welche die Landschaft bestimmen. Und natürlich prägt diese Landschaft auch die Menschen, die in ihr leben. Es handelt sich bei den Isländern schon um ein ganz besonderes Volk. Auch wenn sie, zumindest was ihre Anzahl betrifft, eher bescheiden daherkommen. Denn mit 353.070 Einwohnern (Stand 1. Januar 2018) leben hier etwa so viele Menschen wie in Bielefeld oder Wuppertal, oder in Genf und Lausanne beziehungsweise Linz und Salzburg zusammengenommen. Erst wenn man sich dies vor Augen hält, kann man verstehen, was die Menschen hier geleistet haben und noch immer leisten. Wie es ein Land mit so wenigen Einwohnern schafft, ein Gesundheits- und Sozialwesen zu organisieren und auch in Krisenzeiten irgendwie aufrechtzuerhalten, und wie direkt abhängig die Gesellschaft dabei von wirtschaftlichen Entwicklungen ist, wird in diesem Buch thematisiert.
Wenn die Inselbewohner auf den ersten Blick auch etwas verschlossen oder eigenartig erscheinen mögen, wird man auf seiner Reise doch auf viele liebenswürdige, gastfreundliche und hilfsbereite Menschen treffen, vorausgesetzt, man nimmt sich die Zeit für einen Plausch. Praktische Verhaltenstipps sollen verhindern, dass man als Besucher in Fettnäpfchen tritt, die einem das Leben schwer machen können.
Und letztendlich verwundern die Eigenarten der Isländer, die den Lesern in diesem Buch nähergebracht und erklärt werden sollen, nicht so stark, wenn man bedenkt, wie ein Leben beeinflusst wird, das man jahrhundertelang abgeschieden und weit weg vom Rest der Welt auf einer Insel mit besonderen klimatischen Bedingungen geführt hat. Die Geschichte der Isländer war oft genug vom Kampf ums bloße Überleben geprägt. Im Geschichtskapitel wird deutlich, welchen Einfluss diese Erfahrungen darauf haben, wie sich die Isländer in einer modernen Weltordnung sehen. Und auch im modernen Island bleibt das Leben von den Extremen des Wetters sowie den langen Tagen im Sommer und langen Nächten im Winter geprägt und spielen Feste und Bräuche, die auf den alten germanisch-heidnischen Glauben zurückzuführen sind, noch eine wichtige Rolle im Jahresrhythmus.
Sehr viel Freude wird den Besuchern die scheinbar unerschöpfliche Kreativität der Inselbewohner bereiten. Wohl nirgendwo sonst gibt es gemessen an der Einwohnerzahl so viele Musiker, Künstler und Schriftsteller wie in Island, weshalb das Angebot an Festivals, Aufführungen, Lesungen und Ausstellungen auf hohem Niveau erstaunlich vielfältig ist und man manchmal im hintersten Winkel des Landes die interessantesten Überraschungen erleben kann.
Wir hoffen, dass wir Ihnen diese uns lieb gewordenen Menschen auf dieser von den Launen der Natur so geprägten Insel im Nordatlantik mit unserem Buch etwas näher bringen können und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen.
Sabine Burger und Alexander Schwarz
Vorwort
Verhaltenstipps von A bis Z
Die geschichtlichen Wurzeln
Vogelfreie norwegische Männer und geraubte schottische Frauen – die Landnahme
Thing – erste demokratische Wurzeln
Eine christlich-heidnische Sonderlösung
Island im Mittelalter
Der Kampf um Unabhängigkeit
Der Zweite Weltkrieg
Island nach dem Zweiten Weltkrieg
Geschichtstabelle
Der kulturelle Rahmen
Religion und Kirche
Huldufólk – die verborgenen Völker Islands
Feste, Bräuche, Traditionen
Denkweisen und Verhaltensformen
Nationale Identität, Patriotismus und Nationalismus
Sprache als Heimat – Willkommen zu Hause!
Umwelt und Natur
Die isländische Tierwelt
Umweltschutz? Fehlanzeige!
Energieversorgung
Im Rhythmus der Natur
Die Gesellschaft heute – Staat, Politik und Wirtschaft
Politische Landschaft und Kultur
Die isländische Wirtschaft: vom Tauschgeschäft zum Crash – und einer neuen Finanzblase
Stadt und Land
Neue Mitbürger – Wie geht Multikulti?
Geschlechter und Familie
Das beste Land der Welt für Frauen
Familie und Lebensplanung
Der Alltag von A bis Z
Alkohol, Rauchen, Drogen
Arbeitsleben – fleißig und flexibel
Ess- und Trinkkultur – von Schafshoden bis zum Schwarzen Tod
Gesundheit
Hygiene
Medien
Sicherheit und Kriminalität
Sport, Freizeit, Urlaub
Wohnen
Kunst und Kultur
Literatur
Musik
Filme
Als Fremder auf Island
Isländer und Deutsche
Wo Einheimische und Touristen sich in die Quere kommen
Unterwegs auf Island
Anhang
Literaturtipps
Informatives aus dem Internet
Register
Übersichtskarte Island
Die Autoren
Bewaffnete Polizei – nein danke!
Die dreizehn isländischen Weihnachtsmänner
Eine kleine Nation, die Großes leistet
Platz da für mein Auto!
Ein Lobgesang auf 1000 Jahre Island
Vatersöhne und Vatertöchter
Umweltschutz und Recycling – zwei Neuankömmlinge im Sprachgebrauch
„Lokað vegna veðurs“ – Aufgrund des Wetters geschlossen
Farben, die das Land repräsentieren
Treffpunkt Tankstelle
Frischluft für Wikingerkinder
Íslendingabók („Das Buch der Isländer“) oder warum alle Isländer von Bischof Jón Arason abstammen
Feiern mit Alkohol
Touristenmutprobe: Hákarl (fermentierter Hai)
Rúgbrauð – Backen im Vulkan
Tíú dropar – zehn Tropfen Kaffee
Quellwasser und Stinkbomben frei Haus
Doppeltoiletten
Nationalgefühl
Der Freundschaftswald
Das älteste Steinhaus auf Viðey
Extrainfos im Buch
ergänzen den Text um anschauliche Zusatzmaterialien, die von den Autoren aus der Fülle der Internet-Quellen ausgewählt wurden. Sie können bequem über unsere spezielle Internetseite www.reise-know-how.de/kulturschock/island19 durch Eingabe der jeweiligen Extrainfo-Nummer (z. B. „#1“) aufgerufen werden.
Autofahren ist eine meist asphaltlose Herausforderung. In Ortschaften darf man maximal 50 km/h, außerhalb maximal 90 km/h auf Asphalt und auf unbefestigten Straßen (Sand, Geröll, Steine) maximal 80 km/h fahren. Steht ein Schild mit der Aufschrift „4x4“ am Straßenrand, darf man ab hier nur noch mit Vierradantrieb fahren. Mehr zum Thema Autofahren findet sich ab Seite 271.
Begrüßung: Mit „Góðan daginn“ oder „Góðan dag“ wünscht man einen guten Tag, „Sæll“ gegenüber Männern und „Sæl“ gegenüber Frauen tut es auch. Nur „Hallo“ oder gar „Hi“ hört man eher selten (außer vielleicht im Kontakt mit Touristen). Bei Begrüßungen verbindet man mit der Frage „Hvað segir þú gott?“ – „Wie geht es dir?“ (wörtlich: „Was sagst du Gutes“), dass das Gegenüber grundsätzlich positiv antwortet (z. B. „Bara fint!“) und die gleiche Frage stellt.
Bei einem ersten Treffen kann man dem Gegenüber die Hand geben, das würde man bei weiteren Zusammenkünften (auch im Geschäftsleben) eher nicht mehr machen, außer es gibt einen besonderen Anlass. Gute Bekannte oder Freunde kann man auch herzlich umarmen. Ansonsten grüßt man einfach mit Worten.
Zum Abschied sagt man „Bless“ oder auch „Bless bless“, womit man jemanden wörtlich segnet (wie im englischen to bless), oder man weist schon auf das Wiedersehen hin: „Sjáumst!“ („Wir sehen uns!“).
Besucheransturm: Das Land wurde von dem Besucheransturm nach der Finanzkrise einigermaßen überrumpelt. Es fehlt noch immer an angemessener Infrastruktur, und an so einfachen wie wichtigen Dingen wie Abfallbehältern und Toiletten mangelt es oft. Da Isländer lieber verdienen als investieren, finden diese Anpassungen mit einer gewissen Verzögerung statt. Bis dahin muss man eben improvisieren. Und darin wiederum sind die Isländer Meister. Irgendwas geht immer, und wenn man die Sporthallen als Unterkünfte öffnet, weil es keine freien Zimmer mehr in der Gegend gibt.
Baden: Isländer baden gerne draußen – auch im Schneegestöber. Die isländischen Schwimmbäder sind mehr als nur gefüllte Wasserbecken. Sie nehmen oft einen wichtigen Platz im sozialen Leben ein. Hier trifft man sich, jung und alt tauschen Neuigkeiten und Gerüchte aus, plaudern miteinander über Gott, Island und die Welt. Selbst kleinste Dörfer nennen oft ein Schwimmbad ihr Eigen. Für die Isländerinnen und Isländer ist es sehr wichtig, dass man sich vor Betreten des Schwimmbades oder der heißen Becken gründlichst und ohne Badekleidung abseift und duscht. Obwohl das Nacktduschen selbstverständlich ist und man mehr auffällt, wenn man sich damit schwertut, ist man in Island ansonsten mit Nacktheit eher zurückhaltend. In einer Sauna oder ei nem Dampfbad ist es ganz normal, dass man den Badeanzug anbehält, auch wenn es nach Geschlechtern getrennte Abteilungen oder Tage gibt.
Extrainfo 1(s.S. 9): Isländischer Comedy-Beitrag über das Duschen vor dem Schwimmen, u. a. mit dem Komiker und späteren Bürgermeister Jón Gnarr (mit englischen Untertiteln)
Nacktbaden im Meer erübrigt sich wegen der Wasser- und Lufttemperatur von selbst. Zudem herrscht rund um Island fast überall eine sehr gefährliche Strömung. In Reykjavík gibt es jedoch ein Strandbad, das in den Fjord hinausragt. Dort trauen sich die ganz Tapferen das ganze Jahr über hinaus ins äußerst frische bis eisige Salzwasser und genießen hinterher ein Bad im Heißwasserbecken. Hier wird die normale Badebekleidung von den treuen Besuchern durch Wollmütze und Neopren-Handschuhe und -Socken ergänzt.
Bekleidung: Die hier üblichen Temperaturen und vor allem der Wind zwingen oftmals zu eher funktionaler als zu schicker Kleidung. Das bringt einen eher informellen Kleidungsstil mit sich, der nicht selten von praktischer (Outdoor-)Kleidung bestimmt wird. Allerdings legen Isländer bei wichtigen Terminen, besonderen Anlässen, im Theater oder beim Ausgehen Wert auf ein gepflegtes Äußeres. Schwarz ist die dominierende Farbe und ein typischer Islandpullover geht je nachdem, wie man ihn kombiniert, als Reisekleidung oder schickes Accessoire durch. Als Tourist sollte man zumindest ein ausgehtaugliches Outfit dabeihaben. Und dann gibt es da noch die coolen Jungs, die auch am kältesten Wintertag nur im T-Shirt bekleidet durch die Stadt gehen, auch wenn es einen schon beim Hinsehen friert und man sich fragt, wie diese Wikinger die Kälte aushalten. Diese T-Shirt-Träger bleiben meist nur kurz im Freien und verschwinden bald wieder in recht gut beheizten Häusern. Das sei allerdings eher nicht zur Nachahmung empfohlen.
Beleidigungen: Hiermit sollte man sehr vorsichtig sein. Man wird sehr selten hören, dass ein Isländer jemanden beschimpft oder hinter dessen Rücken schlecht über ihn redet. Die Chancen, dass der Gesprächspartner mit dem Gegenüber in irgendeiner Form verwandt ist, sind schlicht und ergreifend zu hoch, auf jeden Fall ist es aber absolut sicher, dass die Person über drei Ecken etwas von den Beleidigungen erfährt.
Drogen: Außer Tabak und Alkohol sind alle Drogen verboten, was natürlich nicht heißt, dass sie auf der Insel nicht auf illegalem Wege zu bekommen wären. Doch wer versucht, Drogen ins Land zu schmuggeln, muss mit empfindlichen Strafen rechnen. Auf dem Flughafen laufen die Zöllner regelmäßig mit Spürhunden durch die Menge oder stehen einfach ein paar Meter vor dem Ausgang mit ihnen bereit, sodass alle an ihnen vorbei müssen.
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Fermentierter Hai: Gerade wenn man denkt, es sei ja nicht so schlimm, schlägt das Geschmacksrezeptorengrauen zu – garantiert
Einkaufen/Märkte: Ein großer Teil der Frischwaren muss importiert werden und die Qualität ist oftmals eher gewöhnungsbedürftig. Isländisches Gemüse aus Gewächshäusern ist da schon viel wohlschmeckender. Eine Auswahl verschiedener Lebensmittelläden gibt es nur in den größeren Orten (ab ein paar Hundert Einwohnern), ansonsten dient die örtliche Tankstelle als Treffpunkt und Versorgungsstelle. Möchte man Bio- oder Diätlebensmittel kaufen oder benötigt man als Allergiker bestimmte Artikel, deckt man sich am besten in Reykjavík ein.
Märkte gibt es auf Island fast nicht. Zwischen Juni und August finden aber ein paar Sommermärkte statt, auf denen Bauern samstags für ein paar Stunden ihre Lebensmittel feilbieten. Eine Ausnahme bildet Kólaportið in Reykjavík. Dies ist vor allem ein Secondhandmarkt, der nur samstags und sonntags geöffnet ist. Dort gibt es in einer Ecke aber auch eine Lebensmittelabteilung mit Fisch, Fleisch, wenigen Gemüsesorten, Backwaren und Süßigkeiten.
Für den Einkauf sollte man sich auch im Sommer etwas wärmer anziehen: Die isländischen Supermärkte bevorzugen es, viele ihrer Waren in einem oder zwei begehbaren Riesenkühlschränken feilzubieten.
Was nicht in Island hergestellt wird, wird importiert, weshalb es tatsächlich vorkommt, dass es etwas nicht gibt. Wenn also etwa ein Händler ein bestimmtes Fahrradersatzteil nicht vorrätig hat, kann es durchaus sein, dass es in diesem Jahr nicht mehr möglich ist, es zu bekommen, denn der nächste Container mit Fahrrädern kommt womöglich erst im Frühjahr wieder auf die Insel.
Einladungen: Isländerinnen und Isländer laden gerne Gäste zu sich nach Hause ein. Falls es um eine Verabredung in ein Restaurant geht, kommt es darauf an, was genau abgesprochen ist. Wird man ausdrücklich zum Essen eingeladen, dann bezahlt der Gastgeber. Bei einem „Lass uns zusammen was essen gehen!“ oder „Kommst du mit ins Café?“ bezahlt jeder selbst oder man teilt die Gesamtrechnung am Schluss in gleiche Beträge, ohne auf Heller und Pfennig genau auszurechnen, wer was konsumiert hat.
E-Mail: E-Mails zu schreiben, ist in Island vollkommen zwecklos. Auf sie antwortet fast niemand freiwillig. Selbst bei Pensionen und Hotels funktioniert der E-Mail-Verkehr oft nur sehr schwerfällig. Die einzige Möglichkeit, in Island schnell jemanden zu erreichen, ist per Telefon oder über Facebook. Da kann man dann schon mal darauf aufmerksam machen, dass man eine E-Mail mit einem wichtigen Inhalt geschickt hat. Auf Facebook sind praktisch alle Inselbewohner zu finden, denn dies ist das Medium, über das man erfährt, was im Lande gerade wichtig ist, wo es etwas Besonderes zu erleben gibt oder wer was getan hat.
Fotografieren: Isländer sind im Grunde nicht scheu im Angesicht der Kamera und lassen sich eigentlich gerne fotografieren. Trotzdem sollte man den Respekt aufbringen, immer erst zu fragen, ob es okay ist, dass man ein Foto von jemandem macht. Meist ist das auch kein Problem. Sobald Isländer aber den Eindruck bekommen, dass sie wie Zootiere abgelichtet werden, schlägt die Stimmung um.
Frauen: Island ist ein gutes Ziel für allein reisende Frauen, denn hier besteht eine gute Infrastruktur, die Leute sind hilfsbereit und versuchen nicht, einen übers Ohr zu hauen, außerdem gibt es nur wenig Kriminalität. Aufpassen sollte man bei Veranstaltungen, bei denen viel Alkohol konsumiert wird. Tätliche Übergriffe, sexuelle Belästigung und Schlägereien auf großen Festivals oder wenn man am Wochenende ausgeht sind fast immer eine Folge des zu hohen Alkoholkonsums.
Fremdenfeindlichkeit: Besucher werden freundlich begrüßt und man ist ihnen gegenüber hilfsbereit. Ausländer, die hier wohnen, klagen vereinzelt darüber, dass es schwer ist, gute Arbeitsstellen und eine Wohnung zu finden. Tatsächlich vermieten viele Isländer lieber an Einheimische oder jemanden, der zumindest die Sprache fließend spricht. Und natürlich spielt hier auch eine Rolle, dass man als Ausländer nicht auf die selbstverständliche Unterstützung durch eine große Familie zurückgreifen kann. Insgesamt unterscheidet sich die ethnische Struktur der Bewohner Islands signifikant von der kontinentaleuropäischen, das Land ist weit von einer multikulturellen Gesellschaft entfernt. Selbst die hier nach dem Zweiten Weltkrieg stationierten US-amerikanischen Truppen bestanden anfangs, entsprechend einem mit der isländischen Regierung unterzeichneten Vertrag, nur aus hellhäutigen Soldatinnen und Soldaten.
Freundschaften: Isländerinnen und Isländer sind anfangs eher reserviert und oft wortkarg, wenn es um die eigenen Gefühle geht. Dagegen kann man sich prima über Island oder ähnlich Unverfängliches unterhalten. Spüren sie echtes Interesse, können sich aber doch recht schnell wirkliche Freundschaften entwickeln.
Gast (zu ~ sein): Wird man von jemandem nach Hause eingeladen, kann man diese Einladung guten Gewissens annehmen. Vor der Wohnungstür werden die Schuhe ausgezogen, in der Wohnung geht man auf Socken. Eine Flasche Wein, Blumen, Pralinen, Servietten und Kerzen oder etwas anderes in der gleichen Preisklasse sind als Mitbringsel immer gern gesehen. Wer zum Essen eingeladen ist, sollte pünktlich erscheinen. Ansonsten nimmt man es mit der Zeit nicht so genau. Nach dem Essen darf man auf keinen Fall vergessen, sich mit einem „Takk fyrir mig!“ („Danke für mich“) oder „Takk fyrir matinn!“ („Danke für das Essen“) zu bedanken, worauf die Antwort „Verði þér að góðu!“ („Wohl bekomm’s“) folgt. Es kommt vor, dass auch bei einer Einladung über den Durst getrunken wird und es dann recht laut und forsch zugeht. Wem das zu viel wird, der kann sich unter einem Vorwand freundlich verabschieden. Wenn man die Gastgeber oder andere Gäste das nächste Mal trifft oder am Telefon spricht, bedankt man sich mit „Takk fyrir síðast!“ („Danke für neulich!“) für das schöne Beisammensein.
Gesprächsthemen: Eine der ersten Fragen, die man als Tourist oder Gast zu hören bekommt, ist das obligatorische „Wie gefällt dir Island?“. Bei der Antwort geht es keineswegs darum, im Detail darzulegen, was man über die Politik oder vielleicht den Umweltschutz denkt. Man spricht hier am besten ganz diplomatisch über die einzigartigen Naturphänomene, das köstliche Wasser oder die lebendige Kulturszene. Absolut tabu, außer wenn man sich um Kopf und Kragen reden möchte, ist das Thema Walfang (s. S. 116). Die Touristen sind größtenteils der Meinung, der Walfang gehöre abgeschafft, was eine Mehrheit der Besucher allerdings nicht davon abhält, im Restaurant Walfleisch zu konsumieren. Doch bei diesem Thema sind auch die aufgeschlossensten Isländer zu keinem Kompromiss bereit, denn ein Verzicht auf den Walfang käme dem Eingeständnis gleich, man lasse andere Länder über interne Politik mitbestimmen. Besser ist es da, über das Wetter zu reden. Denn das Wetter, beziehungsweise die ständigen Wetterwechsel, sind immer ein dankbares Thema und in manchen Fällen auch nicht unwichtig („Hast du gehört? Ab heute Mittag gibt es einen Schneesturm!“).
Isländer reden zunächst nicht so gerne über sich und geben nicht gleich ihre Gefühle preis. Das braucht meist etwas. Manchmal sind sie auch genervt, wenn sie schon wieder zu Naturwesen (Elfen, Trollen usw.) befragt werden. Merken sie aber, dass man ein tatsächliches Interesse hat, werden sie gesprächiger. Sagt ein Isländer während eines Gesprächs nicht viel, bedeutet das nicht, dass er sich nicht wohlfühlt. Sprechen Isländer miteinander, kommt es durchaus vor, dass einige Minuten hintereinander nur ein „so, so“ und „ja, ja“ ausgetauscht werden. Daher heißt es auch: „Warum ähnelt das heutige Isländisch noch immer dem Altnorwegisch der Wikinger?“ „Weil es nicht durch viel Reden abgenutzt wurde.“
Geld: Über Geld wird nur allgemein gesprochen, höchstens in Bezug darauf, was eine sinnvolle Geldanlage sein könnte, aber man wird nie von anderen hören, was sie verdienen oder wie viel Geld sie auf ihren Konten liegen haben. Andererseits wiederum wird einmal pro Jahr eine Liste veröffentlicht, in der angegeben wird, welchen Betrag jeder Bürger versteuert hat. Sie liegt offen und für alle einsehbar in den Finanzämtern aus. Vor allem Journalisten machen sich die Mühe, sich durch die Liste zu graben, denn das ergibt immer wieder einen Aufhänger für eine Story.
Kreditkartenzahlung ist auch bei Kleinstbeträgen möglich und üblich. Man sollte nicht damit rechnen, mit einer Karte mit V-PAY-Funktion in Geschäften bezahlen oder Geld abheben zu können.
Handeln/Feilschen: Man darf sich nicht wundern, wenn man von einem Verkäufer ungläubig angeschaut wird, wenn man versucht, einen Preis herunterzuhandeln. Das ist eher unüblich, man kann es aber, vor allem bei größeren Beträgen, schon mal versuchen, fragen kostet schließlich nichts. Es gibt bei Touristeninformationsstellen manchmal gratis kleine Bücher mit Gutscheincodes und in den Supermärkten Gutscheinhefte, für die man aber etwas bezahlen muss. Während (ein kurzes) Handeln so eben noch akzeptiert und wie gesagt nur selten zum Erfolg führen wird, gilt Feilschen schlicht als unwürdig.
Hierarchien: Hierarchien sind in Island geradezu verpönt. Man ist stolz darauf, dass man sie kaum kennt. Deutlichstes Beispiel hierfür ist, dass sich alle duzen, ob sie sich kennen oder nicht, welche Stellung der andere auch immer hat – ob Polizist oder Kellner, Ministerpräsident oder Lehrer, Arzt oder Müllmann.
Homosexualität: Island gehört bezüglich der Gesetzgebung zu gleichgeschlechtlichen Paaren zu den fortschrittlichsten Ländern der Welt. Grundsätzlich ist es Isländern egal, mit wem man eine intime Beziehung unterhält. Mit Jóhanna Sigurðardóttir hatte Island von 2009 bis 2013 die erste öffentlich lesbisch lebende Ministerpräsidentin weltweit – und ihre Frau ist hierzulande eine der bekanntesten Kinderbuchautorinnen. Die ausländischen Journalisten stürzten sich wie Geier auf diese Tatsache. Doch die Menschen in Island hat weit mehr beschäftigt, dass das Kabinett damals zum ersten Mal zur Hälfte aus Frauen bestand.
Bei der Reykjavik Pride gibt es jedes Jahr im August einen bunten Umzug durch Reykjavík, der etwas dem Karneval ähnelt und zahllose Besucherinnen und Besucher aller Altersgruppen, darunter viele Familien, in die Stadt zieht. Da wird gefeiert und getanzt, doch es bleibt auch eine politische Veranstaltung mit der Forderung, den Menschen ihr Recht auf freie Sexualität zu garantieren, diese zu verteidigen und zu schützen. Denn auch in einer Gesellschaft, die in ihrer Gesetzgebung in dieser Hinsicht weit fortgeschritten ist, brauchen Menschen Unterstützung und eine Anlaufstelle.
Kritik (im Gespräch): Vornehme Zurückhaltung zahlt sich sicherlich aus. Als Gast sollte man daher erst ausloten, mit wem man gerade spricht. Eigentlich sind Isländer sehr an Meinungen von außerhalb interessiert – diese sollten aber auch nicht allzu sehr von der eigenen abweichen. Isländer sind letztlich doch sehr stolz auf ihr Land und so erwarten sie auf die unvermeidliche Frage „Wie gefällt dir Island?“ auf jeden Fall in erster Linie eine positive bis begeisterte Antwort. Zum heiklen Thema Walfang siehe „Gesprächsthemen“ (S. 16).
Müll: Im (sub-)arktischen Klima wird Abfall weniger schnell zu Humus als in Westeuropa. Deshalb ist es sehr wichtig, nichts im Freien wegzuwerfen. Man sollte also meinen, dass Mülltrennung den Isländern ein besonderes Anliegen ist. Leider ist dies nicht der Fall. Nur Papier, Plastik und Getränkeflaschen werden getrennt gesammelt. In einigen Recyclingstationen, z. B. in Reykjavík, kann man auch noch mehr Dinge sortieren, muss diese aber selbst dort abliefern.
Leider gibt es auch bei gern besuchten Sehenswürdigkeiten bisher oft noch zu wenig bis keine Abfallbehältnisse (und WCs). Es lohnt sich, eine Plastiktüte als Abfallsack im Auto mitzuführen und die bemannten Tankstellen für eine sanitäre Pause anzufahren.
Naturwesen: Wie immer man selbst dazu steht, Naturwesen (Elfen, Trolle usw.) üben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das Denken der Isländer aus. An der Oberfläche wird man davon zunächst nichts merken. Vielleicht wird man sich aber über die ein oder andere Straßenführung wundern oder sehen, dass kleinere Wiesenflächen nicht gemäht wurden. Möchte man im Gespräch mit Isländern darüber mehr erfahren, so braucht dies oft etwas Zeit und Die Gewissheit aufseiten des Gesprächspartners, dass man ein originäres Interesse an diesem Thema hat, sowohl das Thema als auch die Person ernst nimmt und diese nicht nur auslachen möchte. Die meisten öffnen sich diesem Thema Fremden gegenüber erst, wenn sie sich dessen versichert haben. Daher sind Geduld und oft mehrere Gespräche nötig.
Öffentliche Verkehrsmittel: Die einzigen öffentlichen Verkehrsmittel sind Busse, die in der Stadt fahren oder über Verbindungen auf der Ringstraße das gesamte Land verbinden. Die Isländer sind grundsätzlich mit ihrem Auto verwachsen und nutzen nur ungern eine Alternative zu ihrem eigenen Gefährt. Die Stadtbusse fahren in einem guten Takt vor allem zu Stoßzeiten, also morgens zum Arbeitsbeginn und nachmittags oder abends, wenn die Schulen schließen und die Arbeit beendet ist, zu anderen Zeiten kann es schon mal vorkommen, dass ein Ziel nur einmal pro Stunde angefahren wird. Sonntags beginnt der Fahrbetrieb gebietsweise erst um 12 Uhr. Manche Überlandbuslinien sind nur im Sommer in Betrieb, doch sie bringen Fahrgäste und Warenlieferungen sicher ans Ziel, denn wo es erforderlich ist, können diese hochgerüsteten Busse, die mit den ursprünglichen Katalogspezifikationen nur noch wenig zu tun haben, auch Flüsse furten und Ziele in den Nationalparks anfahren. Oftmals fahren auf einer Linie nur ein oder zwei Busse pro Tag. Man sollte also unbedingt pünktlich an der Bushaltestelle stehen.
Patriotismus: Isländer sind stolz auf ihr Land. Die Insel und ihre Geschichte definieren, wer sie sind. Sie fühlen sich gänzlich in der Tradition ihrer Vorfahren verhaftet. Auch wenn sie untereinander große Konflikte austragen, nach außen hin werden sie ihr Land immer verteidigen. Vor allem Deutschen mag der ungebrochene Stolz der Isländer auf ihr Land zunächst eher ungewöhnlich erscheinen. Aber das isländische Nationalgefühl ist ein sehr ungetrübtes und fröhliches (nicht ohne den nötigen Schuss Melancholie). Mit zu viel und zu direkter Kritik an ihrem Land stößt man Isländer daher vor den Kopf. Sie mögen ihre Eigenständigkeit und ihre Eigenarten, die sie gegenüber dem Rest der Welt auch als Isländer definieren. Man sollte dies als Besucher akzeptieren und Isländer nicht mit allzu kritischen Kommentaren in ihrem Nationalstolz verletzen. Die Folge wäre, dass man recht schnell ohne Gesprächspartner dastünde.
Politik: Isländer schimpfen gerne selbst über ihr Land und die Politik. Als Gast sollte man seiner Kritik nicht sofort freien Lauf lassen, sondern erst einmal abwarten. Man wird mehr erfahren, wenn man Fragen stellt, als wenn man gleich eine eigene Meinung zum Besten gibt.
Prostitution: Prostitution ist in Island verboten und daher öffentlich nicht sichtbar. Es gibt sie aber, sie fällt in den üblen Bereich der organisierten Kriminalität.
Pünktlichkeit: Pünktlichkeit wird eher locker genommen. „Kein Stress“, wird man oft hören, wenn man kurz anruft und sagt, dass man ein paar Minuten später kommt. Bei geschäftlichen Absprachen, Einladungen zum Essen, Konzerten und Absprachen mit Outdoor-Anbietern sollte man aber durchaus pünktlich sein.
Rauchen: Restaurants, Bars, Hotels und alle öffentlichen Gebäude sind rauchfrei. Das führt bei dem rauen Klima dazu, dass Raucherinnen und Raucher draußen in Rekordzeit bibbernd ihre Lungen teeren.
Ratschläge: Isländer mögen es nicht, wenn man ihnen vorschreibt, was sie zu tun oder zu lassen haben. Daher würden sie auch nie jemand anderem sagen, dass etwas nicht möglich sei oder es eine bessere Methode gäbe, etwas anzupacken. Deutlich drücken sich noch am ehesten Leute aus, die es gewohnt sind, mit Touristen zu kommunizieren (wie Reiseführer oder Pensionsbesitzer). Wenn man also um Rat fragt, zum Beispiel fragt, ob man eine bestimmte Route fahren kann, dann sollte man im Hinterkopf haben, dass man bei einem „Das könnte etwas schwierig werden“ besser zweimal überlegt, ob man imstande ist, sich bei größeren Problemen selbst zu helfen.
Religion: Anfang 2016 wurde in einer Umfrage festgestellt, dass 0 % (in Worten: Null Prozent) der Isländer unter 25 Jahren daran glaubt, dass Gott die Welt erschaffen habe. Zwar gehört die überwiegende Mehrheit der isländischen Bevölkerung dem evangelisch-lutherischen Glauben an, aber wohl nur, weil sie durch ihre Geburt automatisch der Staatskirche angehört. Wohl auch deshalb sind die Isländer sehr tolerant gegenüber jeder Religion und Nichtgläubigen. Die zentralen Kirchen, vor allem in den größeren Orten, stehen normalerweise offen. Auf dem Land und jenseits der Stadtzentren sind Kirchen außerhalb der Gottesdienste meist geschlossen. Sind die Kirchen offen, darf man sie gerne betreten, solange man sich mit dem nötigen Respekt verhält.
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Der einflussreiche Dichter und Bischof Jón þorkelsson Vídalín starb an dieser Stelle gleich hinter þingvellir auf der Rückreise von einer Beerdigung
Sicherheit: Alles in allem ist Island ein sicheres Reiseland, auch wenn man als Frau alleine unterwegs ist. Touristen geraten meist nur dann in Schwierigkeiten, wenn sie Gefahrenhinweise nicht ernst nehmen, die Wetterbedingungen unterschätzen und/oder zu schnell fahren. Sexualstraftaten und tätliche Übergriffe stehen fast immer in Zusammenhang mit zu hohem Alkoholkonsum. In Kneipen, Bars, Discos und auf Festivals sollte man also so wachsam sein, wie man das auch von zu Hause gewöhnt ist.
Souvenirs: Die isländische Natur ist gesetzlich geschützt. Es ist verboten, durch das Sammeln von Mineralien und Pflanzen natürliche Formationen zu zerstören, beziehungsweise in geschützten Gebieten (z. B. in Vulkankratern, Lavafeldern, Höhlen, Thermalquellen u. a.) Mineralien oder Pflanzen zu sammeln. Dazu gehören, streng genommen, auch Steine. Auf privatem Grund braucht man die Genehmigung des Besitzers. Auf jeden Fall ist die Ausfuhr von Vögeln, Vogeleiern, Eierschalen, Vogelnestern, geschützten Mineralien und Pflanzen sowie Objekten von historischer oder archäologischer Bedeutung verboten.
Es gibt immer mehr Souvenirläden, in der Hauptstadt genauso wie in den kleineren Orten, sogar ganze Regalabschnitte in den Tankstellenläden sind gefüllt mit Plüschtieren, Magneten, Postkarten, Mützen, Schals und Handschuhen. Lundirbúðin, Papageitaucherladen, werden sie von der einheimischen Bevölkerung geschimpft. Der Plüschtier-Papageitaucher zählt mit seinem farbenfrohen Schnabel und seinem etwas unbeholfen wirkenden Gang zu den Verkaufsschlagern bei den Touristen.
Vor allem in Reykjavík mutierten viele Quadratmeter Ladenfläche zu immer gleichen Souvenirläden. Viele andere Geschäfte können die horrend gestiegenen Mietpreise einfach nicht mehr aufbringen.
Sprache: Mit Englisch kommt man sehr weit. Nur selten geschieht es, und dann vor allem auf dem Land, dass jemand kein Englisch spricht. Immer wieder kommt es auch vor, dass der Gesprächspartner über deutsche Sprachkenntnisse verfügt. Kann man selbst Dänisch, hilft das, außer bei Kindern, oft weiter: Die Sprache der ehemaligen Kolonialmacht ist noch immer Pflichtfach in der Schule und wird als zweite Fremdsprache nach Englisch unterrichtet.
Tageslicht: Auf der Insel scherzt man ja gerne, dass es hier mehr Sonnenstunden im Jahr gäbe als in Kalifornien, doch sind diese Sonnenstunden etwas anders verteilt. Von Ende Mai bis Ende Juli wird es nachts nicht mehr dunkel und in den Wochen davor und danach gibt es zwar ein paar Nachtstunden, aber auch dann ist es nicht stockdunkel. Dafür ist es mitten im Winter tagsüber nicht sehr lange hell. Die vier Stunden um die Mittagszeit sind außerdem weniger hell als im Sommer.
Für einen Urlaub bedeutet dies, dass der Körper sich auf einen ungewohnten Rhythmus einstellen muss und man daher seine Ausflüge überlegt planen sollte. Wer im Sommer kommt, braucht vielleicht eine Schlafbrille, da es nicht immer funktionierende Verdunklungsgardinen gibt. Außerdem sollte man sich durch die Helligkeit nicht dazu verleiten lassen, immer noch ein Stück weiter zu wandern oder zu fahren, sondern beachten, dass der Körper Ruhe braucht, auch wenn man durch die ausbleibende Dunkelheit das Gefühl hat, den Ausflug noch ausdehnen zu können. Nicht selten sind Autounfälle eine Folge der Übermüdung. Treibt man es zu weit, droht eine Insomnie, eine Schlafstörung, bei der man vollkommen überdreht und keinen Schlaf mehr finden kann. Umgekehrt sollte man im Winter seine Touren so kurz planen, dass man nicht mittendrin von der Dunkelheit überrascht wird.
Tanken: Hier gibt es ihn noch, den freundlichen Tankwart, der den Tank füllt, während man selbst gemütlich im Auto sitzen bleiben kann. Viele größere Tankstellen bieten diesen Service, der zwar extra kostet, aber bei scheußlichem Schmuddelwetter doch recht gerne in Anspruch genommen wird. Es gibt daneben aber auch immer die günstigeren Selbsttankersäulen.
An manchen Tankstellen (bemannt und unbemannt) muss man vorher eine Guthabenkarte kaufen, mit der man dann die Zapfsäule aktivieren kann. Das Tankstellennetz ist gut ausgebaut, allerdings gibt es ein paar Löcher, innerhalb derer über Strecken von mitunter 300 bis 400 km Länge keine Tankstelle zu finden ist. Man sollte also eine Karte zur Hand haben, auf der alle Tankstellen eingezeichnet sind und vorausschauend tanken. Am besten fährt man nie mit einem weniger als bis zur Hälfte gefüllten Tank. Unvorhergesehene Umstände sollte man in Island immer einkalkulieren. Ein Erdrutsch, eine Flut, die eine Brücke mitreißt, eine Straße, die überflutet oder gar von den Wassermassen zerstört wird, kommen immer mal wieder vor, vor allem im Süden. Wenn man dann eine Nacht im Fahrzeug verbringen muss, ist eine gut funktionierende Heizung in einem ohnehin schon unangenehm engen Raum der allgemeinen Stimmung durchaus zuträglich.
Taschentücher: Was Taschentücher betrifft, scheiden sich in Island die Geister. Die einen finden das Benutzen von Taschentüchern wirklich ekelerregend und würden nie welche verwenden, um sich damit die Nase zu putzen. Deshalb ziehen sie in geschlossenen Räumen ständig die Nase hoch und rotzen im Freien ohne Taschentuch auf den Boden. Die anderen können Taschentücher ertragen und verwenden diese auch, würden dies aber nie vor anderen tun. Am besten zieht man sich diskret ins Badezimmer zurück, wenn man sich die Nase putzen will und erträgt die laut schniefenden Erkältungsgeplagten mit größtmöglicher Gelassenheit.
Termine: Wer seine privaten Treffen möglichst weit im Voraus planen möchte, wird es schwer haben, denn die Isländer planen private Treffen und gesellige Zusammenkünfte höchstens ein paar Stunden zuvor. Ruft man an und fragt: „Gehst du morgen mit mir ins Kino?“, dann ist die Standardantwort, dass man das jetzt noch nicht sagen könne. Umgekehrt ist es aber auch sehr einfach, jemanden zu finden, der innerhalb der nächsten halben Stunde Zeit für ein spontanes Treffen hat und beispielsweise mit in eine Kneipe kommt. Längerfristig planen die Menschen hier nur ihren Urlaub und geschäftliche Termine.
Toiletten: Bisher gibt es noch recht wenige öffentliche Toiletten, was vor allem in Gebieten, die viele Touristen anlocken, ein Problem darstellt. Die Infrastruktur hinkt dem Bedarf etwas hinterher. Bei den allerwichtigsten Sehenswürdigkeiten, z. B. auf der Golden Circle Tour, gibt es Restaurants, Souvenir-Läden und WCs. Genauso kann es aber auch sein, dass keine stillen Örtchen zur Verfügung stehen. Deshalb sollte man so oft wie möglich die Tankstellen auf der Route nutzen.
Trinkgeld: Es ist unüblich, Trinkgeld zu geben, und manche fühlen sich dadurch regelrecht beleidigt. Allerdings findet man seit dem Finanzcrash 2008 manchmal auch Gläser für Trinkgeld an der Kasse. Jede und jeder konnte in der Krise mehr Geld gebrauchen, aber eigentlich sind diese Gläser eher für die Touristen da, die es gewohnt sind, einen Obolus zu hinterlassen.
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Seit der Wirtschaftskrise (2008) sind auch Erwachsene verstärkt auf dem Rad unterwegs – im Winter mit Spikes gegen Eis und Schnee
Vegetarier/Veganer/Allergiker/Bio-Ernährung: Vegetarier, Veganer, Allergiker und Menschen, die sich gerne von Bio-Produkten ernähren, sollten sich unbedingt in der Hauptstadtregion eindecken. Unterwegs bieten oft genug nur größere Tankstellen verschiedene Nahrungsmitteln. Ein großes Angebot und eine große Vielfalt ist aber ohnehin nicht zu erwarten. An warmem Essen hält sich mit Hot Dogs und Lammeintopf/-suppe das Angebot meist in Grenzen und kennt landauf landab wenig Abwechslung.
Vulkanausbrüche: Das vielleicht faszinierendste Naturschauspiel ist gleichzeitig auch eines der gefährlichsten. Wie klein und unbedeutend man als Mensch eigentlich ist, veranschaulicht eine Naturgewalt wie ein Vulkanausbruch recht deutlich. Möchte man in die Region oder gar in die Nähe eines Vulkanausbruchs fahren, sollte man sich vorher sehr gut informieren. Normalerweise werden die Bereiche weiträumig abgesperrt und nur ausgewiesene Tour-Anbieter dürfen Menschen mitnehmen. Diese Touren (Hubschrauber, Jeep, Snowmobil usw.) sind recht schnell ausgebucht und auch nicht wirklich günstig. Man sollte sich beeilen und über das nötige Kleingeld verfügen.
Mit dem Auto in einen Ascheregen zu fahren, kann durchaus gefährlich sein. Zum einen liegt das an der Zusammensetzung der Asche. Je nachdem wie viele und welche Schadstoffe der Ascheregen enthält, kann schon das Einatmen tödliche Folgen haben. Außerdem schlüpft der Ascheregen, der sich wie ein öliger Film anfühlt, in jede noch so kleine Ritze, was einem Motor gar nicht guttut. Auch der Lack kann Schaden nehmen.
Warnschilder: In Island geht man gemeinhin davon aus, dass die Natur immer gefährlich sein kann, weshalb jeder auf sich selbst aufpassen und sich möglicher Gefahren bewusst sein muss. Nur selten stehen Hinweisschilder in der Landschaft, die auf Gefahren bei eventuell bröckelnden Klippen, gefährlichen Untergrund bei geothermalen Feldern, auf Gletscher (nie sollte man allein auch nur ein paar Meter auf einem Gletscher laufen, Gletscherspalten sind an der Oberfläche oft nicht sichtbar) oder an Stränden auf die extrem starke Strömung hinweisen. Das ist schön, denn es verschandelt die Landschaft nicht – appelliert aber an den eigenen gesunden Menschenverstand und das Bewustsein, dass kein noch so tolles Foto ein frühzeitiges und plötzliches Ableben rechtfertigen würde. Unfälle passieren leider immer wieder. Vorsicht ist also geboten und es ist ratsam, sich bei Ortskundigen zu informieren.
Wetter: Das Wetter kann innerhalb weniger Minuten völlig umschlagen. Genoss man gerade noch den Sonnenschein, kann es vorkommen, dass man wenige Minuten später klatschnass wird. Man sollte immer entsprechende Kleidung bei sich haben (gegen Niederschlag und Wind) und sich jederzeit der Gefahr eines Wetterumschwungs bewusst sein. Bei Wanderungen sollte man sich darauf gefasst machen, dass man innerhalb kürzester Zeit die Hand nicht mehr vor Augen sieht – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. So kann der Hausberg von Reykjavík, die immerhin 914 Meter hohe Esja, innerhalb von nur zwei Minuten von dichtem Nebel umhüllt sein, der von oben wie ein Vorhang über den Berg fällt. Danach ist von ihm nichts mehr zu sehen, nur noch eine große Nebelwand über dem Fjord.
Das am meisten mitgeführte Kleidungsstück, das Touristen aber besser zu Hause lassen sollten, sind Jeans. Sie werden, wenn es regnet, schnell nass, schwer und kalt. Da geht dann ganz schnell nichts mehr, vor allem, wenn auch noch ein bisschen Wind weht. Und Regen und Wind gibt es schließlich fast immer. Was oft vergessen wird, ist Kleidung gegen Niederschlag und Wind für den gesamten Körper, also auch unterhalb der Taille.
Es kann auch vorkommen, dass es im Sommer stürmt oder sogar schneit. Und das ganze Jahr über, aber natürlich besonders im Winter, sollte man den Wetterbericht und den Straßenzustandsbericht verfolgen. Wenn Straßen als gesperrt ausgewiesen werden, dann gibt es auch wirklich kein Durchkommen mehr.
Extrainfo 2(s.S. 9): Augen auf im Straßenverkehr – Tipps zum Autofahren auf Island
Die isländische Geschichte ist erst ab dem 9. Jahrhundert dokumentiert und spielt sich nur auf der Insel ab. Island hat in seiner Geschichte nie Kriege mit ausländischen Mächten geführt, es kam nie zu Auseinandersetzungen um fremde Territorien. Zwar gab es lange Zeit Kolonialmächte, die über die Insel herrschten, doch blieben auch dann die Isländerinnen und Isländer meist unter sich.
Aufgrund seiner Abgeschiedenheit war Island höchstens peripher von Konflikten in Europa und der Welt betroffen. Dies sollte sich erst mit der Industriellen Revolution und der Erfindung des Dampfschiffs ändern.
Wohl deshalb sind die Isländer mit sich im Reinen und haben nicht nur ein ungebrochenes Verhältnis zu ihrer Geschichte, sie identifizieren sich zutiefst mit ihren Vorfahren und deren Schriften. Sie sind grundlegender Teil ihrer Persönlichkeit, sozusagen ihrer ureigenen DNS. Das schweißt die Inselbewohner zusammen, unterscheidet sie vom Rest der Welt und macht aus, wer sie sind. Ob jung oder alt, alle singen sie die gleichen wehmütigen traditionellen Lieder mit voller Inbrunst und schwenken ihre Fahnen als selbstverständlichen und unverbrüchlichen Teil ihrer Selbst.
Alle Isländerinnen und Isländer wachsen noch immer mit den Erzählungen, Liedern und Gesetzestexten der Eddas und Sagas (s. S. 240) auf, die ihnen noch immer als Leitschnur gelten.
Praktisch alle Isländer können ihren Stammbaum bis zu den ersten Siedlern zurückverfolgen. Eine stärkere Identifikation kann man sich praktisch nicht vorstellen. Immerhin wendet auch die Bibel mit der Geschichte von Adam und Eva diesen Kniff an, um deutlich zu machen, dass wir alle Gotteskinder, vom Allmächtigen geschaffene Kreaturen sind und von ihm abstammen. In der Bibel ist das eine wohl kaum wörtlich zu nehmende Geschichte, um die Legitimation des christlichen Glaubens zu unterstreichen. In Island ist dies Wirklichkeit.
Und da sich Island erst Mitte des 20. Jh. mehr oder weniger in die Weltgemeinschaft integrierte und einen wirtschaftlichen und technologischen Aufschwung erfuhr, lebt für viele, zumindest in den Erzählungen der Großeltern, die alte Lebensart fort, aus einer Zeit, bevor das Gebiet um die Hauptstadt das heute eindeutige Zentrum der Besiedlung der Insel wurde.
Will man wissen wie die Isländerinnen und Isländer wirklich ticken, muss man ihre Geschichte kennen und die Entbehrungen, die es seit jeher gekostet hat, hier im hohen Norden zu überleben.
Doch davor blieb diese Insel im Nordatlantik für Jahrhunderte ein Mysterium, gab es nur Gerüchte und Vermutungen, war nie wirklich klar, ob es sie überhaupt gibt. Und so beginnt die Geschichte der Isländerinnen und Isländer nicht auf ihrer Insel, sondern Tagesreisen weit entfernt davon in einem politisch unruhigen Norwegen.
Die einsame Insel im Nordatlantik blieb lange unbesiedelt, länger als die meisten Gebiete auf der Erde. Archäologen können den Zeitpunkt der Landnahme, wie die Besiedelung Islands genannt wird, recht genau bestimmen. Bodenfunde bestätigen das Jahr 871 nach Christus mit einem Spielraum von zwei Jahren davor und zwei Jahren danach: Die Funde können so genau datiert werden, da sie dicht auf der sogenannten Besiedlungsschicht liegen, einer Schicht aus Vulkanasche, die fast ganz Island bedeckt.
Allerdings gibt es Berichte, die in der Zwischenzeit auch durch Funde belegt werden konnten, darüber, dass sich einige irische Mönche schon eher hier aufgehalten haben. Da ein Land aber erst als besiedelt gilt, wenn Menschen dort mindestens ein Jahr gewohnt und mindestens ein Kind zur Welt gebracht haben, gilt der Aufenthalt der Gottesdiener noch nicht als Besiedelung.
Vor allem norwegische Wikinger, aber auch andere Siedler aus Skandinavien lebten ab dem 9. Jahrhundert hier. Einige Einwanderer waren wohl auch keltischen Ursprungs.
Die meisten der Wikinger, die mit ihren Schiffen gen Island zogen, hatten ein Problem. Zu jener Zeit regierte Harald I. Schönhaar, der sich in zahlreichen Schlachten die alleinige Herrschaft über Norwegen gesichert hatte. Dabei machte er sich nicht nur Freunde, aber es war der erste Schritt zu einem vereinten Königreich. Die für vogelfrei Erklärten, Schwerverbrecher, Mörder, aber auch jene, die man heute wohl als politisch Verfolgte bezeichnen würde, machten sich möglichst schnell aus dem Staub, indem sie, um der sicheren Lynchjustiz zu entgehen, mit ihren Schiffen in Richtung eines Landes fuhren, von dem sie nicht einmal sicher wussten, dass es existiert. Vom Hörensagen kannten sie eine Insel weit weg im Westen, die Thule genannt wurde. Doch die Fahrt dorthin war eine Fahrt ins Ungewisse und erforderte einigen Mut. Es war ja durchaus möglich, dass man mit Haut, Haar und Schiff einfach so von der Erde fallen konnte!
Unterwegs raubten die Wikinger Frauen von den britischen Inseln. Tatsächlich belegen Studien der mitochondrialen DNS und der Y-Chromosomen der Isländer, dass 80 % der männlichen Siedler nordischer und 62 % der Frauen keltischer Herkunft waren, noch präziser gesagt, stammte ein Großteil der Frauen von den Hebriden (schottische Inselgruppe). Die Wikinger unternahmen Raubzüge, aber man unterhielt damals bereits Handelsbeziehungen mit den britischen Inseln, weshalb man davon ausgehen kann, dass nicht alle Frauen geraubt waren, sondern auch ganze Familien umsiedelten. Übrigens ist das der Grund, warum es in Island auch heute noch, wenn auch nicht ganz so zahlreich wie in Schottland, relativ viele Leute mit roten Haaren gibt.
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Im Mittelalter ging es durchaus ruppig zu. Da waren Kettenhemd und Helm, der übrigens keine Hörner hatte, so manches Mal vonnöten.
Dies alles weiß man recht genau, weil der erste Historiker Islands, Ari þorgilsson („der Gelehrte“), die Besiedelungsgeschichte der Insel von ca. 870 bis 930 in seinem Íslendingabók, dem Buch über die Isländer, recht akribisch beschreibt. Diese Periode wird die Landnahme genannt. Dabei nennt Ari keine genauen Daten. Diese werden aber im Landnámabók, dem Landnahmebuch, genannt und stimmen recht genau mit archäologischen Funden überein.
Nach Ari und dem Landnahmebuch war Ingolfúr Arnarson einer der ersten ständigen Siedler Islands. Er ließ sich an einer Stelle nieder, die die Wikinger Rauchbucht getauft haben. Später entwickelte sich dieser Ort zu einem Handelszentrum und schließlich zur Hauptstadt Islands. Er heißt noch immer so wie damals – Reykjavík.
Wie Ingólfur haben sich die meisten Siedler zunächst an der Westküste Islands niedergelassen. Dies hatte einen einfachen Grund: Die Strömung an der Südküste des Landes ist so stark, dass es kaum möglich ist, dort heil mit einem Schiff anzulegen. Das hat sich in mehr als tausend Jahren nicht geändert, noch heute gibt es fast keine Häfen im Süden. So mag es schon fast poetisch anmuten, dass heute die von Europa kommenden Flugzeuge praktisch die gleiche Route nehmen wie die ersten Siedler: an der südlichen Küste entlang und um die südwestliche Halbinsel Reykjanesbær herum. Erst auf deren Nordseite wird die See ruhiger, konnten Schiffe anlegen und Häfen gebaut werden.
Im Landnahmebuch werden 400 Siedler genannt und die Orte, an denen sie sich niedergelassen haben. Demzufolge waren die meisten Siedler norwegische Adlige. Fundstücke aus dieser Zeit und die Bestattungsgewohnheiten deuten aber eher darauf hin, dass es sich vor allem um gewöhnliche Bauern gehandelt haben dürfte, die Norwegen auf der Suche nach Freiheit und Land verlassen haben.
Gegen Ende der Besiedlungsära, so schrieb Ari, „der Gelehrte“ (s. S. 30), taten die freien Männer auf der Insel das, was in allen nordischen Ansiedlungen um den Nordatlantik damals gang und gäbe war: Sie versammelten sich zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten zu einem Thing, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Sie gründeten außerdem ein das ganze Land betreffende Althing, das Alþingi, und kamen überein, sich künftig an einem bestimmten Ort zu treffen, der þingvellir genannt wurde.
Der Ort bot eine Ebene, in der man zelten konnte, es gab ausreichend Frischwasser und man konnte ihn von allen Landesteilen aus gut erreichen. Außerdem konnte eine Steinwand als Stimmverstärker dienen (in mikrofonlosen Zeiten ein durchaus erwägenswerter Faktor). In einem nahegelegenen tiefen Teich wurden zum Tode verurteilte Frauen ertränkt. Männer wurden bei schweren Vergehen verbannt oder enthauptet.
Die Isländer sind sehr stolz auf die lange Tradition des Alþingi und darauf, dass ihre Demokratie auf das älteste Parlament der Welt zurückgeht.
Island war in vier Landesteile geteilt, die alle ihr eigenes Parlament hatten. Diese Parlamente hielten ihre Sitzungen im Frühjahr ab. Das Alþingi war das Parlament für das ganze Land und tagte im Herbst. Die Parlamentssitzungen wurden vom lögsögumaður, dem Gesetzessprecher, geleitet. In Zeiten vor der Entwicklung der Schrift kam ihm die wichtige Aufgabe zu, die Gesetze auswendig zu lernen und vortragen zu können. Er wurde für eine Periode von drei Jahren gewählt. Die Parlamentsmitglieder waren die goðar,Goden, die über eine Gruppe von Bauern die Amtsgewalt innehatten. Die Anzahl der Goden war gesetzlich auf 36, 39 oder 48 festgelegt. Kraft ihres Amtes durften sie jeden neunten Bauern innerhalb ihres Einflussbereichs für die Sitzungen rekrutieren. Im lögrétta, dem gesetzgebenden Rat (Legislative) saßen die Goden, begleitet von jeweils zwei Ratgebern. Die Gerichte wurden von Bauern besetzt, die durch die Goden benannt wurden (Judikative).
Man geht davon aus, dass es zu jener Zeit etwa 4500 sich selbst versorgende Bauern auf Island gab. Wenn ein Gode also jeden neunten von ihnen zum Alþingi mitnehmen durfte, bedeutet dies, dass ungefähr 500 Männer den Sitzungen beiwohnten. Praktisch bedeutete dies, dass Sitzungen zu den größten Menschenansammlungen Island führten. Nirgendwo im Land wohnten so viele Leute, wie während der Parlamentssitzungen in þingvellir zusammenkamen. Die Parlamentarier und ihre Gefährten mussten etwas zu Essen und Trinken haben, eine ganze Infrastruktur um die Parlamentssitzungen musste geschaffen werden. In den Tagen, an denen das Alþingi tagte, war also richtig was los in þingvellir. Gerichtsverhandlungen wurden dort abgehalten und Urteile wurden vollstreckt, Ehebündnisse besiegelt, Handel getrieben und Bußgelder bezahlt. Die Sagas berichten nicht selten darüber, dass dort so manche Liebschaft angebahnt, Streitigkeiten geschlichtet, Kopfgeld bezahlt (das Töten von Sklaven war halb so teuer wie das Töten freier Männer) wurde. Während des Alþingi herrschte in þingvellir Friedenspflicht.
Auf ihrer Rückreise beriefen die Goden leiðarþing (Straßenparlamente) ein, um neue Gesetze zu verkünden und Neuigkeiten in ihren Amtsbereichen zu verbreiten. Die Goden achteten sehr darauf, dass Gesetz und Ordnung herrschten: In Island gab es keinen König, keine Zentralmacht, keine Polizei und keine Armee.
Als die ersten Wikinger nach Island kamen, waren sie noch Heiden. In den skandinavischen Ländern spielte das Christentum im 9. Jahrhundert noch keine große Rolle. Im Jahr 995 allerdings riss der getaufte Ólafur Tryggvason in Norwegen die Macht an sich. Seitdem wurde in Skandinavien die Christianisierung durchgeführt. Und so kamen gegen Ende des 10. Jahrhunderts auch die ersten christlichen Missionare nach Island. Ihre frohe Botschaft fiel zunächst bei einigen und dann bei immer mehr Menschen auf fruchtbaren Boden. Manche Isländer ließen sich taufen, darunter auch Goden. Daher saßen sich im Alþingi jetzt zwei Fraktionen gegenüber: Heiden und Christen. Dies konnte auf Dauer nicht gutgehen, aber man wollte eine Spaltung des Landes in zwei unterschiedliche Rechtssysteme auf jeden Fall vermeiden. Nach langen Diskussionen während eines Alþingi um das Jahr 1000, so erzählt es die Heimskringla-Saga, erhob der heidnische Gesetzessprecher þorgéir, Gode von Ljósavatn, die Stimme und sagte, dass er sich zurückziehen und einen für alle vertretbaren Kompromiss finden würde. Sie müssten ihm aber versichern, dass sie seine Entscheidung auf jeden Fall akzeptieren würden. Die Goden stimmten zu und so ging er in sein Zelt, zog sich eine Decke über den Kopf und kam erst am folgenden Tag wieder heraus. Dann verkündete er, dass fortan alle die christliche Religion annehmen sollten. Es sei aber weiterhin erlaubt, die nordischen Götter anzubeten (wenn man dies diskret tue), Pferdefleisch zu essen – und Neugeborene auszusetzen. Vor allem Letzteres mag vom heutigen Gesichtspunkt aus überraschen. In Zeiten großer Armut schien es den Menschen jedoch humaner, ein Baby verhungern oder je nach Wetterlage erfrieren zu lassen, als dessen Qualen länger hinauszuschieben, wenn schlicht und ergreifend nicht genügend Essen verfügbar war. Eines der bekanntesten herzzerreißenden Lieder „Sofðu unga ástin mín“ („Schlafe mein junger Liebling“) wird noch immer als Wiegenlied gesungen (meist jedoch nur die erste, harmlose Strophe) und erzählt von einer Mutter, der nichts anderes übrig bleibt, als diese harte Entscheidung zu treffen.
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Während zum Tode verurteilte Männer enthauptet wurden, schmiss man Frauen zwischen dem 16. und 18. Jh. an dieser Stelle ins eiskalte Wasser
Vielleicht ist die Geschichte mit dem Gesetzessprecher und der Decke nur eine schöne Ausschmückung, die die Saga ziert. Fakt ist aber, dass es die Isländer geschafft haben, ohne Unterwerfung durch einen König und ohne Bürgerkrieg eine andere Religion einzuführen. Ein Umstand, der die Toleranz und Verträglichkeit der Isländer untereinander, die sie auch heute noch an den Tag legen, aufzeigt.
In den folgenden Jahren wurde die isländische Kirche gegründet. Ísleifur, der in Herford (Ostwestfalen) zum Priester ausgebildet worden war, wurde im Jahr 1056 auf seinem Familienanwesen in Skálholt im Süden Islands zum ersten isländischen Bischof geweiht. 1106 wurde in Hólar im Norden eine zweite Diözese geschaffen. In dieser Zeit wurde auch der Zehnte eingeführt, der größtenteils an die Kirchen übergeben wurde. Ein Viertel davon aber ging an die Armenfürsorge.
Ein System privat geführter Kirchen entstand. Einzelne Goden und Bauern bauten Kirchen auf ihrem Grund und Boden und stifteten den Grundbesitz an die Kirchen. Sie behandelten ihn aber weiterhin als wäre er ihr eigener und vermachten ihn auch von Generation zu Generation ihren Söhnen. Deshalb sieht man im ganzen Land auch so viele kleine Holzkirchen auf Bauernhöfen stehen. Es kommt immer noch vor, dass nicht ganz eindeutig geklärt werden kann, ob ein bestimmtes Stück Land dem Bauern oder der Kirche gehört.
Um das Jahr 1100 lebten 4560 freie Bauern in Island, die Gesamteinwohnerzahl wird auf 40–50.000 geschätzt. Neben Bauern und Arbeitern lebten auch Sklaven in Island. Eine Stadtentwicklung gab es im Mittelalter in Island nicht. Alle wohnten auf Bauernhöfen und lebten von der Landwirtschaft und dem Fischen, das wichtigste Exportprodukt war Schafswolle. Die Fischerei wurde vor allem von an der Küste gelegenen Bauernhöfen betrieben, darüber hinaus wurden aber auch Unterkünfte gebaut, die nur während der Fangsaison betrieben wurden.
Im Lauf des 11. Jahrhunderts wurde die Regel, dass man Pferdefleisch essen durfte, wieder abgeschafft. Seitdem wurden die Tiere nur noch für den Transport verwendet. Fuhrwerke gab es keine – es gab ja auch keine Straßen, sondern eher Trampelpfade – und regelmäßiges Hochwasser der Gletscherflüsse im Sommer verhinderte vor allem im Süden ohnehin, dass man reisen konnte. Dies war nur im Winter möglich, wenn die Flüsse zugefroren waren und man sicher über das Eis gehen konnte.
Gewohnt wurde in recht großen Langhäusern, die im Haus untergestellten Kühe gaben die so dringend benötigte Wärme ab und dienten so als natürliche Heizung.
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Modell eines typischen Langhauses: Das Erddach sorgt für Windschutz und Wärme.
Das Gemeinwesen, bestehend aus Goden, Parlamenten und dem Alþingi geriet mit der Zeit unter Druck. Es war den Goden möglich, mehr als einem goðorð, einer Provinz, vorzustehen. Dazu kam es zum einen, weil manche ihr Erbe als Gode nicht antreten wollten und es lieber jemand anderem überließen, und zum anderen, da es einige einfach nicht schafften, ihre Leute ausreichend zu schützen. Konflikte wurden immer häufiger mit Waffen ausgetragen. Schließlich konzentrierte sich die Macht im ganzen Land auf nur acht Familien, wobei einige auch noch eng miteinander verwandt waren, sodass man eigentlich sagen kann, dass das Land von fünf Familienclans kontrolliert wurde.
Die Ausbreitung bewaffneter Konflikte