Reiterhof Erlengrund 3: Mit Tam ins Turnier - Dagmar Hoßfeld - E-Book

Reiterhof Erlengrund 3: Mit Tam ins Turnier E-Book

Dagmar Hoßfeld

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Beschreibung

Jetzt, da der Grauschimmel Tam endlich wieder auf dem Reiterhof Erlengrund lebt, könnte Mia nicht glücklicher sein. Wäre da nicht dieses große Turnier auf dem Nachbarhof von Erlengrund, das ihr die Knie weich werden lässt. Oder hat ihr Herzklopfen etwa mit dem jungen Pferdewirt Sebastian zu tun, der plötzlich in Erlengrund auftaucht? Mia muss sich ordentlich zusammenreißen, um beim Turnier eine Chance zu haben.

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Außerdem von Dagmar Hoßfeld im Carlsen Verlag lieferbar:Carlotta – Internat auf Probe Carlotta – Internat und plötzlich Freundinnen Carlotta – Film ab im Internat! Conni & Co – Conni und der Neue Conni & Co – Conni und die Austauschschülerin Conni & Co – Conni and the Exchange Student Conni & Co – Conni, Anna und das wilde Schulfest Conni & Co – Conni, Billi und die Mädchenbande Conni & Co – Conni, Mandy und das große Wiedersehen Conni & Co – Conni, Phillip und das Supermädchen Laura will zum Ballett Laura und ihr erster Auftritt Laura und die Primaballerina Laura tanzt mit einem Jungen Laura und der neue Ballettlehrer Laura und das Weihnachtsballett Beste Freundinnen wie wir Reiterhof Erlengrund – Pferdemädchen Mia Reiterhof Erlengrund – Wiedersehen mit Tam Reiterhof Erlengrund – Das Fohlen Filina Carlsen-Newsletter Tolle neue Lesetipps kostenlos per E-Mail!www.carlsen.de Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung, können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden. Veröffentlicht im Carlsen Verlag 2013 Erstmals erschienen im Schneider Buch Verlag, 1999 Copyright © 2013 Carlsen Verlag Umschlagbild: shutterstock.com / © Pontus Edenberg (Pferd); iStockphoto.com / © Ulrike Neumann (Hintergrund Wiese) / © Helga Jaunegg (Ranke) / © Rubberball (Mädchen) Umschlaggestaltung: formlabor Corporate Design Taschenbuch: bell étage Satz und E-Book-Umsetzung: Dörlemann Satz, Lemförde ISBN 978-3-646-92479-4 Alle Bücher im Internet unterwww.carlsen.de

Das Pony

Ein Sonnenstrahl fiel durch die himmelblaue Jalousie direkt auf die Nasenspitze des schlafenden Mädchens. Mia blinzelte und öffnete langsam die Augen. Sie streckte sich in ihrem Bett wie eine Katze.

»Brrr, ist das kalt!« Sie zog sich die Decke bis an die Ohren und blickte auf das gerahmte Foto auf ihrem Nachttisch.

»Guten Morgen, Tam«, sagte sie zu dem silbergrauen Pferd im Bilderrahmen und zwinkerte ihm zu. Dicht neben dem Foto stand Mias kleiner Wecker.

»Halb acht!« Mia wühlte sich umständlich unter ihrer Bettdecke hervor. »Dann wird’s höchste Eisenbahn.«

Neben Mia tauchte ein schwarzes Katzengesicht auf.

»Schneeflöckchen! Hallo!«, sagte Mia und streichelte das schwarze Kätzchen zärtlich. Flöckchen gähnte und ließ ihren rosafarbenen Gaumen sehen. Dann rollte sich die kleine Katze zusammen und schlief weiter. Mia lächelte und deckte Flöckchen mit der noch warmen Decke zu. Auf Zehenspitzen ging Mia zum Fenster und zog die Jalousien hoch. »Schnee!«, sagte sie begeistert und blickte mit großen Augen in den Garten. »Es hat geschneit. Toll!« Dicker weißer Zuckerwatteschnee hatte alles zugedeckt. Die Wintersonne ließ den unberührten Schnee märchenhaft glitzern. Es war Neujahrsmorgen. Die Schule begann erst am vierten Januar wieder. Mia lauschte. Im Haus war alles ruhig. Die Eltern und ihre Schwester Nina schliefen noch.

Mia war hellwach. Sie war früh ins Bett gegangen, um heute fit zu sein. Sie wollte mit Tam einen langen Ausritt machen, um das neue Jahr gebührend zu begrüßen.

Ein Ausritt im Neuschnee würde etwas ganz Besonderes sein! Rasch zog Mia die warme Skiunterwäsche an, die sie zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Dann zog sie ihre bequeme Reithose an, dicke Wollsocken und den dicken Norwegerpullover mit dem Rollkragen. Ihre langen dunkelblonden Haare band sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz. Sie gab dem schlafenden Kätzchen noch einen kleinen Kuss aufs Köpfchen und bedauerte, dass Schneeflöckchen schlief. Sie hätte ihrer Katze so gern den ersten Schnee gezeigt.

Leise schlich sie auf den dicken Socken die Treppe hinunter, um die anderen nicht zu wecken. In der Küche machte sie sich einen heißen Kakao und verschlang eine große Schale Müsli. Auf den Küchentisch legte sie einen Zettel:

BIN REITEN! FROHES NEUES JAHR,KUSS, MIA

Im Flur schlüpfte sie in ihre Lederreitstiefel und zog noch eine dicke rote Steppweste über den Pullover. Die mit Lammfell gefütterten Fingerhandschuhe und ein weiches Stirnband machten ihre Winterausrüstung komplett.    

Mia trat hinaus in die klare, kalte Winterluft. Leise zog sie die Haustür hinter sich ins Schloss. Der pulverige Neuschnee knirschte unter ihren Stiefeln, als sie über die Einfahrt zur Garage stapfte.

Hoffentlich sind die Straßen schon geräumt und gestreut, dachte sie, als sie ihr Fahrrad aus der Garage holte. Sonst wird’s ’ne ziemliche Rutschpartie. Dann machte sie sich auf den Weg zum Reiterhof Erlengrund.

Die Landstraßen waren an diesem frühen Neujahrstag natürlich noch nicht geräumt. Einige Male wäre Mia auf der rutschigen Fahrbahn fast gestürzt, aber sie fing sich wieder und lachte nur darüber. Der Himmel war strahlend blau, ab und zu rieselten ein paar kleine weiße Flocken herab. Mia war froh – das würde bestimmt ein guter Start in das neue Jahr werden! Als sie Erlengrund erreichte, hatte sie eine rote Nase und sah aus wie ein kleiner Schneemann. Sie stellte das Fahrrad an der Stallwand ab und klopfte sich den Schnee von den Schultern. Als sie den Stall betrat, umfing sie sofort die Wärme und der Geruch der Pferde. Mia holte tief Luft. Es roch so gut!

»Guten Morgen und ein frohes neues Jahr!«, rief sie in den Stall hinein. Ein paar Pferdeköpfe drehten sich nach ihr um und Tam, der geliebte Schimmel, wieherte ihr entgegen.

»Guten Morgen, Mia. Danke, gleichfalls.« Aus Sempers Box tauchte Rolf Lehmanns Kopf auf, Mias Reitlehrer. Erfreut lächelte er das junge Mädchen an. »Na, schon so früh auf den Beinen?«

Mia nickte: »Ja, es ist so schön draußen. Ich möchte gern einen Neujahrsritt mit Tam machen«, sagte sie.

»Gute Idee. Wenn nicht so viel zu tun wäre, würde ich dich begleiten«, erklärte der Reitlehrer. »Lass dir von Helmut auf jeden Fall ein paar Stollen geben. Unter der Schneedecke kann es ganz schön glatt sein!«

»Alles klar, das hab ich schon auf dem Weg hierher gemerkt!« Mia trat an Tams Box. »Hallo, mein Hübscher. Ein besonders gutes neues Jahr wünsche ich dir«, sagte Mia leise zu dem Pferd und streichelte die weiche Nase des Wallachs.

Im Stroh hinter Tam war eine Bewegung.

»Findus, kleiner Freund!« Mia öffnete die Boxentür. »Das wünsch ich dir natürlich auch!« Sie lachte. Ein kleiner brauner Mischlingshund sprang an ihren Beinen hoch und wedelte freudig mit dem Schwanz. Es war Findus, Tams Freund und Stallgefährte.

Tam hatte ein Jahr lang auf Gut Wildbach, einem Gestüt bei Köln, gelebt, da sein früherer Besitzer aus beruflichen Gründen dort hingezogen war. Und auf Gut Wildbach hatte der schöne Schimmel den kleinen Findelhund kennengelernt. Die beiden Tiere waren seitdem unzertrennlich. Und als Tam vor einem halben Jahr zu Mias größtem Glück wieder nach Erlengrund zurückgekehrt war, hatte Findus, der Fundhund, seinen besten Freund hierher begleitet. Auf Wildbach hatte man eingesehen, dass die beiden nicht getrennt werden sollten.

Mia gab Findus ein paar Hundekuchen und streichelte abwechselnd ihn und dann wieder Tam. Der Schimmel hatte sein dickes weiches Winterfell und einen lustigen weißen Bart am Kinn. Er sieht aus wie ein Eisbär, dachte Mia und ließ die Finger über das dichte grauweiße Fell gleiten.

»Es hat geschneit, Freunde!«, sagte sie fröhlich zu den Tieren. »Draußen ist alles weiß eingepackt – ihr werdet Augen machen! Was haltet ihr von einem kleinen Spazierritt?« Tam prustete und stieß Mia mit seiner weichen Nase an. Findus setzte sich einfach neben ihn und hob erwartungsvoll ein Pfötchen. Schnell holte Mia ihr Putzzeug aus der Sattelkammer und striegelte Tams Fell; sie bürstete die lange Mähne und zupfte ein paar Strohhalme aus seinem dichten Schweif. Sie zog ihren eigenen Hufkratzer aus der Steppweste und kratzte Tams Hufe sorgsam aus. Mit einem weichen Lappen wischte sie dem Wallach vorsichtig über das edle Gesicht; schließlich war sie fertig und betrachtete zufrieden ihr Werk.

Die Boxentür öffnete sich und Helmut, der Stallmeister des Reiterhofs, trat an Mias Seite.

»Morgen«, meinte der kleine Mann etwas verlegen.

»Morgen«, erwiderte Mia und lächelte Helmut an. Der Stallmeister, ein einfacher älterer Mann aus dem Dorf, war bei allen sehr beliebt. Er machte zwar nicht viele Worte, besaß aber viel Pferdeverstand und »seinen« Stall und alle dazugehörigen Anlagen von Erlengrund hielt er gewissenhaft in Ordnung.

Jetzt zog Helmut, wortkarg wie immer, ein paar Stollen aus seiner ausgebeulten Cordhose und schraubte sie nacheinander an Tams Hufeisen.

Mia sah aufmerksam zu und tätschelte dabei Tams Hals. Der geduldige Wallach blieb von der Prozedur ziemlich unbeeindruckt. Die Stollen waren ja nur große Schrauben, die an seinen Eisen befestigt wurden, um ihm im Schnee und auf vereistem Boden mehr Trittsicherheit und Halt zu geben.

Helmut war schnell fertig. Er nickte Mia kurz zu und war schon wieder verschwunden. Mia lachte und klopfte Tams Schulter. Aus der Sattelkammer holte sie Sattel und Zaumzeug. Behutsam legte sie Tam die Zügel um den Hals und hielt ihm mit einer Hand das dicke Trensengebiss unter das weiche Maul. Bereitwillig ließ Tam sich die Trense zwischen die Zähne schieben und Mia konnte ihm mit der anderen Hand sanft das Genickstück über die gespitzten Ohren ziehen. Tam begann sofort am Gebiss zu kauen. Mia schloss den dünnen Kehlriemen und achtete darauf, dass vier Finger Luft blieben. Dann zog sie den Kinnriemen zu und ließ auch hier zwei Finger Luft. Sorgsam ordnete sie Tams lange Mähne und hob den Sattel vom Stallboden auf. Langsam legte sie dem Grauschimmel den Vielseitigkeitssattel auf und vergewisserte sich, dass die Satteldecke keine Falten warf und nicht am Widerrist auflag und scheuern konnte.

Dann ließ sie vorsichtig den Sattelgurt herunter und zog ihn unter Tams rundem Bauch hindurch nur ganz leicht an.

»So, Jungs, von mir aus kann’s losgehen!«, rief sie endlich übermütig und öffnete die Boxentür weit.

Sie fasste Tams Zügel dicht unter dem Kinn und führte den Apfelschimmel ruhig aus seiner Box. Findus wuselte zwischen Tams Beinen umher, dass einem unbeteiligten Zuschauer angst und bange werden konnte, aber das Pferd setzte seine großen Hufe so vorsichtig und gleichmäßig auf, dass für den kleinen Hund keine Gefahr bestand, getreten zu werden. Gelassen führte Mia ihren Schimmel an die Stalltür heran und schob die schwere grün gestrichene Tür mit Schwung auf.

Tam blieb mit großen Augen stehen und weitete die Nüstern. Der kleine Findus erstarrte und blickte ebenfalls hinaus. Draußen bot sich ihnen ein wunderschönes Bild. Der strahlend weiße Schnee hatte alles in eine richtige Märchenlandschaft verwandelt. Die hohen Tannen des nahe gelegenen Waldes trugen spitze weiße Zipfelmützen, Felder und Wiesen lagen verborgen unter der glitzernden Decke.

An den Pfosten der Weidezäune konnte Mia erkennen, wie hoch der Schnee lag. Die blasse Wintersonne schien hell vom klaren Himmel. Mia seufzte und holte tief Luft.

Findus war nicht mehr zu halten. Begeistert lief er über den Hof und war schon kopfüber in einer Schneewehe verschwunden. Quietschend vor Freude tauchte der kleine Hund wieder auf und nahm eine Schnauze voll Schnee. Wie wild rannte er umher und jagte hechelnd und schnappend durch die weiße Pracht.

Mia schaute ihm ein Weilchen zu, dann nahm sie Tams Zügel ein wenig fester.

Ganz vorsichtig setzte der Schimmel einen Huf nach dem anderen ins Freie. Als er im knirschenden Schnee stand, schloss Mia rasch die Stalltür, damit es drinnen nicht zu kalt wurde.

Mit den Zähnen zog sich das Mädchen die Handschuhe über die Finger und klopfte Tams kräftigen Hals.

»Na, was ist los, mein Dicker? Hast du denn noch nie Schnee gesehen?« Sanft zog sie den Sattelgurt fest. Geschickt ließ sie die schweren Steigbügel hinuntergleiten und schwang sich locker in den knarrenden Sattel. Tam scharrte mit einem Vorderhuf im Schnee, er senkte den Kopf und blies kräftig hinein. Aus seinen Nüstern drangen weiße Dampfwölkchen; fast sah es so aus, als spielte der Wallach Wattepusten mit den kalten weißen Flocken. Mia lächelte über ihr verspieltes Pferd, vorsichtig nahm sie die Zügel auf.

Tam tat so, als hätte er noch niemals zuvor Schnee gesehen. Dabei hatte er ihn schon mehrere Winter erlebt. Er hob die Hufe ganz hoch und setzte sich tänzelnd in Bewegung. Aufgeregt schnaubte er durch die geblähten Nüstern und schien sich über seine eigenen Atemwölkchen zu wundern. Mia streichelte ihn und legte leicht die Schenkel an. Von Findus war inzwischen nur noch der hellbraune Rücken zu sehen. Wie ein Minischneepflug schob der kleine Hund sich unermüdlich voran und hinterließ dabei Zickzackspuren im unberührten Schnee.

Vorsichtig ritt Mia mit Tam ein Stück über die glatte Straße und bog dann in einen schmalen Feldweg ein. Sie wusste, dass hier unter der Schneeschicht Sand lag. Das würde die Rutschgefahr für Tam verringern.

Der Wallach schnaubte und trabte leicht an. Der weiche Schnee dämpfte das Auftreten seiner beschlagenen Hufe. Leise klirrte die Trense und das Leder des Sattels knarrte unter Mias leichten Bewegungen.

Findus pflügte neben dem Weg durch die Schneewehen und freute sich mit glänzenden Augen seines Hundelebens.

Ganz von selbst galoppierte Tam an. Mia war atemlos vor Glück, sie machte sich ganz leicht. Sie ließ Tam einfach laufen und passte sich den rhythmischen, weichen Bewegungen des großrahmigen Pferdes an. Eine ganze Weile ritten sie so durch die Winterlandschaft und genossen die Ruhe und die klare frische Luft.

Nur das zufriedene Prusten des Pferdes und sein gleichmäßiger gedämpfter Hufschlag waren zu hören.

Am Ende des Weges lag ein kleiner Buchenwald. Mia verringerte das Tempo und Tam stapfte am langen Zügel zwischen den dicht stehenden Bäumen hindurch. Findus verfolgte eifrig eine frische Hasenfährte.

Im Wäldchen war es fast noch ruhiger als auf den freien Feldern. Die verschneiten Bäume schluckten jedes Geräusch. Nur ab und zu knackte ein Ast unter der Schneelast, dann rieselte frischer Neuschnee auf das Pferd und seine Reiterin. Über eine kleine Holzbrücke, die über einen zugeschneiten Graben führte, verließen die drei den Wald und ritten querfeldein.

Plötzlich unterbrach Findus seine Spurensuche und blieb aufgeregt witternd stehen. Er hob eine Pfote und verharrte zitternd mitten in der Bewegung, dann jaulte er leise auf und sah zu Mia und Tam hinüber.

»Was ist denn, Findus?«, fragte Mia beunruhigt. »Was witterst du?«

Findus bellte kurz auf, dann rannte er entschlossen los. Mia parierte Tam sanft durch und sah dem kleinen Hund neugierig nach. Angestrengt schaute sie in die Richtung, die Findus eingeschlagen hatte, konnte aber nicht erkennen, was es da so Interessantes gab.

Doch dann sah sie etwas. Irgendein schmutzig brauner Klumpen lag im Schnee und hob sich deutlich von der weißen Fläche ab.

Findus hatte mittlerweile den merkwürdigen braunen Hügel erreicht und jaulte laut auf.

»Komm, Tam, schnell!« Mia legte die Schenkel an. Sie gab dem Schimmel die Zügel frei und Tam galoppierte mit kräftigen, raumgreifenden Schritten quer über das verschneite Feld. Als sie ihr Ziel erreicht hatten, sprang Mia aus dem Sattel und rutschte dabei aus. Schnell rappelte sie sich wieder hoch und stürzte vorwärts. »O mein Gott«, stöhnte sie auf. »Das darf doch nicht wahr sein!«

Im Schnee lag ein Pony. Ein kleines dunkelbraunes Pony. Es rührte sich nicht.

Mia kniete sich neben das Tier. Findus winselte leise, Tam senkte den Kopf und trat langsam näher. Mit großen Augen betrachtete er das Pony und sah dann Mia an.

In diesem Moment hob das Tier ganz leicht den zottigen Kopf und sah Mia aus halb geschlossenen Augen an. Mit einem dunklen Seufzer ließ es den Kopf wieder in den Schnee sinken und schloss die Augen.

Mia streichelte vorsichtig den Hals des kleinen Pferdes. Es fühlte sich sehr kalt an. Sie musste schnell handeln, das war Mia klar. Sanft strich sie dem Pony über die Nase. »Bleib ganz ruhig«, sagte sie mit zitternder Stimme. »Hab keine Angst. Wir holen Hilfe!«

Sie zog ihre Steppweste aus und bettete behutsam den Kopf des Ponys darauf. Sie hatte keine Ahnung, ob ihm das half, aber schaden konnte die weiche Weste nicht und irgendetwas musste sie schließlich tun. Ihr Blick glitt über den Körper des offenbar im Schnee zusammengebrochenen Pferdchens. Es war sehr mager und struppig. Sein zotteliges Fell war ungepflegt und sah aus wie mottenzerfressen. Die Hufe waren nicht beschnitten und total ausgewachsen, und als Mia die Hinterhand betrachtete, zog sich ihre Kehle zusammen.

Um einen Hinterlauf war rostiger Stacheldraht geschlungen. Der feste Draht hatte sich mit seinen spitzen, scharfen Dornen fest ins Fleisch gebohrt. Das Fell drum herum war blutverkrustet. Mia schluchzte. Was war da nur geschehen? Wieso war dieses kleine Pferd so vernachlässigt? Sie traute sich nicht, die verletzte Hinterhand zu berühren. Allein hätte sie den Draht auch nie abbekommen. Sie würde dem Pony nur unnötig wehtun und es dadurch noch zusätzlich in Angst versetzen. Sie musste jetzt sofort Hilfe holen!

»Findus, du wartest hier und passt auf!« Mia richtete sich auf und strich Findus übers Fell. »Tam und ich holen Hilfe. Wir sind ganz schnell wieder zurück. Das verspreche ich dir. Bleib hier sitzen! Sitz, Findus! Das verstehst du doch!«

Findus sah Mia aufmerksam an und setzte sich ganz dicht neben das verletzte Pony. Er hatte verstanden.

Schon war Mia wieder im Sattel und gab Tam die Zügel frei. Sie dankte allen Engeln, dass Tam Stollen an den Eisen hatte. Auf Eisflächen unter dem Schnee konnte sie nun keine Rücksicht mehr nehmen.

Tam war sich des Ernstes der Lage anscheinend ebenso bewusst wie sein Freund Findus. Mit langen Sprüngen preschte er über verschneite Wiesen und Felder, übersprang sicher und geschickt Gräben und Zäune.

Mia wusste, dass sie sich ganz auf ihr Pferd verlassen konnte. In schnellem Tempo flogen sie über den Schnee, aber Mia kam es trotzdem so vor, als dauerte der Ritt eine Ewigkeit.

Endlich erreichten sie die Landstraße und Mia nahm das Tempo des Schimmels zurück. Sie zwang sich, die Straße schnell, aber ruhig entlangzureiten. Einen Unfall durfte sie nicht auch noch riskieren.