Romanze unter südlichem Himmel - Patricia Vandenberg - E-Book

Romanze unter südlichem Himmel E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Es war dunkel, als Bettina Meh­ring vom Friedhof nach Hause kam. Ihre Stimmung hatte wieder einmal den Tiefpunkt erreicht, denn es war der erste Todestag ihrer geliebten Mutter. Quälend war der Schmerz noch immer, sosehr sie auch ver­suchte, ihn zu verdrängen. Warum nur, fragte sie sich immer wieder, sie war doch erst fünfundvierzig Jahre. Aber danach hatte das Schicksal nicht gefragt, das ihrer Mutter dieses schwere, schmerzhafte Leiden auf­gebürdet hatte, das sie dann mit so unendlicher Geduld und Gotterge­benheit ertragen hatte. Plasmozy­tom nannte man diese schwere Knochenmarkerkrankung. Bettina hatte sich darunter nichts vorstellen kön­nen, als man ihr die Diagnose nann­te, aber sie hatte sie in aller Grau­samkeit kennengelernt, und wenn Dr. Norden nicht gewesen wäre, hät­te sie nicht die Kraft aufgebracht, diese Schreckenszeit zu überstehen. Sie war jung und voller Lebens­freude gewesen. Sie hatte sich mit ihrer Mutter so gut verstanden, und sie hatten viel unternommen. Lore Mehring hatte sich nie beklagt, dass ihr Mann sie aus Abenteuerlust ver­lassen hatte und dann irgendwo in Afrika verschollen war. Finanziell ging es ihnen gut. Ein gut florieren­des kleines Modegeschäft gestattete ihnen manche Annehmlichkeiten. Lore Mehring wusste auf ihre Stammkundinnen einzugehen und erfreute sich außerordentlicher Be­liebtheit. Sorgen hatte es ihnen nur bereitet, dass das Haus einem Neu­bau weichen sollte, und zuerst hatte Bettina gemeint, dass diese Sorgen die Gesundheit ihrer Mutter angrif­fen. Aber es war die Krankheit ge­wesen, und Lore Mehring hätte das Geschäft ohnehin nicht mehr behal­ten können. Bettina pflegte ihre Mutter. Sie verdiente mit hübschen, geschmack­vollen Strick- und Häkelarbeiten, die sie zu Hause ausführen

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Dr. Norden Bestseller – 218 –

Romanze unter südlichem Himmel

Patricia Vandenberg

Es war dunkel, als Bettina Meh­ring vom Friedhof nach Hause kam. Ihre Stimmung hatte wieder einmal den Tiefpunkt erreicht, denn es war der erste Todestag ihrer geliebten Mutter. Quälend war der Schmerz noch immer, sosehr sie auch ver­suchte, ihn zu verdrängen. Warum nur, fragte sie sich immer wieder, sie war doch erst fünfundvierzig Jahre.

Aber danach hatte das Schicksal nicht gefragt, das ihrer Mutter dieses schwere, schmerzhafte Leiden auf­gebürdet hatte, das sie dann mit so unendlicher Geduld und Gotterge­benheit ertragen hatte. Plasmozy­tom nannte man diese schwere Knochenmarkerkrankung. Bettina hatte sich darunter nichts vorstellen kön­nen, als man ihr die Diagnose nann­te, aber sie hatte sie in aller Grau­samkeit kennengelernt, und wenn Dr. Norden nicht gewesen wäre, hät­te sie nicht die Kraft aufgebracht, diese Schreckenszeit zu überstehen.

Sie war jung und voller Lebens­freude gewesen. Sie hatte sich mit ihrer Mutter so gut verstanden, und sie hatten viel unternommen. Lore Mehring hatte sich nie beklagt, dass ihr Mann sie aus Abenteuerlust ver­lassen hatte und dann irgendwo in Afrika verschollen war. Finanziell ging es ihnen gut. Ein gut florieren­des kleines Modegeschäft gestattete ihnen manche Annehmlichkeiten. Lore Mehring wusste auf ihre Stammkundinnen einzugehen und erfreute sich außerordentlicher Be­liebtheit. Sorgen hatte es ihnen nur bereitet, dass das Haus einem Neu­bau weichen sollte, und zuerst hatte Bettina gemeint, dass diese Sorgen die Gesundheit ihrer Mutter angrif­fen. Aber es war die Krankheit ge­wesen, und Lore Mehring hätte das Geschäft ohnehin nicht mehr behal­ten können.

Bettina pflegte ihre Mutter. Sie verdiente mit hübschen, geschmack­vollen Strick- und Häkelarbeiten, die sie zu Hause ausführen konnte, recht gut. Sie hätte noch mehr ferti­gen können, wenn sich dann der Zu­stand ihrer Mutter nicht rapide ver­schlechtert hätte. Und die letzten Wochen musste die dann doch noch in die Klinik gebracht werden, obwohl sie sich dagegen so gesträubt hatte. Und dann war Bettina allein, ganz allein in dieser hübschenWohnung. Sie hatte sich ganz zurückgezogen von dem früheren Freundeskreis. Post bekam sie auch selten, doch an diesem Tag lag ein Brief mit einer fremdländischen Marke im Briefkasten.

Sie drehte ihn immer wieder um, aber es stand tatsächlich ihr Name darauf. Und als sie dann in derWohnung den Stempel betrachtete und Nairobi, Kenia, las, schüttelte sie den Kopf, denn das Schreiben sah amtlich aus.

Sie schlitzte den Umschlag sorgfältig auf und entfaltete dann die beiden Briefbögen. Sie konnte diesem Schreiben entnehmen, dass lange und korrekte Nachforschungen ergeben hätten, dass sie möglicherweise die Tochter des vor zwei Jahren verstorbenen Mr Fernando Mehring sei. Zur ganz genauen Prüfung wären jedoch einige Urkunden vorzulegen.

Diese waren genauestens angeführt, und weiter las Bettina, dass ihr persönliches Erscheinen von größtem Nutzen für sie sein könne. Sie brauche nur ihre Bereitwilligkeit zu erklären, dann würden ihr alle Unkosten erstattet werden.

So weit beherrschte sie die englische Sprache, dass sie dies übersetzen konnte. Völlig benommen versank sie in Nachdenken. Wenn das stimmte, hatte ihr Vater gelebt, aber er hatte nie ein Lebenszeichen von sich gegeben.Warum nicht?

Warum erfuhr sie erst jetzt, dass er vor zwei Jahren verstorben war.

Und warum hatte er damals Frau und Kind im Stich gelassen?

Sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, aber zum ersten Mal seit langer Zeit dachte sie nicht ausschließlich mehr an ihre Mutter.

Aber wer konnte ihr raten, was sie nun tun solle? Sie wusste nur einen Menschen, zu dem sie so viel Vertrauen hatte: Dr. Daniel Norden.

Alles, was sie an Urkunden besaß, war geordnet, so, wie es Lore Mehring ihrer Tochter hinterlassen hatte. Sie brauchte nicht lange zu suchen. Da war auch die Geburtsurkunde ihres Vaters Ferdinand Mehring vorhanden, die Heiratsurkunde, ihre eigene Geburtsurkunde. Sogar die Heiratsurkunden beider Eltern, ihrer Großeltern, die sie nicht kennengelernt hatte. Und da war auch die Sterbeurkunde ihrer Mutter. Heiß stiegen Bettina wieder Tränen in die Augen. Warum hatte man nicht ihrer Mutter geschrieben, warum ihr?

Aber da war plötzlich etwas, was ihre Lebensgeister weckte, was sie dieser trostlosen Einsamkeit entriss, in die sie sich geflüchtet hatte.

Die Nacht war unruhig und von wirren Träumen bewegt, aber schon am frühen Morgen machte sie sich auf den Weg zu Dr. Nordens Praxis. Das Schreiben aus Kenia hatte sie bei sich.

Loni freute sich, sie zu sehen, aber gleichzeitig war sie auch bekümmert. Sie hat sich immer noch nicht gefangen, dachte die gute Loni.

»Ob Dr. Norden ein paar Minuten Zeit für mich hat?«, fragte Bettina zögernd.

»Ganz bestimmt, Frau Mehring«, erwiderte Loni, »und Sie haben sogar Glück, denn gerade hat ein Patient abgesagt, der eigentlich bestellt war. Da ist nachher ein Hausbesuch fällig. Warten Sie ein paar Minuten, es dauert bestimmt nicht lange.«

»Ich habe Zeit«, sagte Bettina.

So ein hübsches Mädchen, dachte Loni, warum geht sie denn nur nicht mal unter Leute.

Dr. Norden dachte etwas anderes, als Bettina dann ihr Anliegen vorgebracht hatte.

»Na, dann auf nach Kenia«, sagte er aufmunternd, »wenn es Sie schon nichts kostet, können Sie sich doch mal ein bisschen in der Welt umschauen.«

»Es ist so beklemmend, Dr. Norden. Warum hat er Mutti nicht wissen lassen, dass er lebt?«

»Sie können es vielleicht herausfinden, Bettina«, sagte Dr. Norden. »Er ist tot, schon zwei Jahre.«

»Er hat für mein Leben nie eine Bedeutung gehabt«, sagte Bettina, »immer nur meine Mutter.«

»Aber nun bewegt Sie manches, und warum sollten Sie sich nicht Klarheit verschaffen. Immerhin war er Ihr Vater. Und was Sie selbst betrifft, Bettina, für Sie kann es nur gut sein, wenn Sie hier mal herauskommen.«

*

Vier Wochen später trat Bettina den Flug nach Kenia an. Es hatte noch einen Briefwechsel gegeben mit dem Konsulat. Dort konnte sie das Ticket abholen, tausend Dollar und alle nötigen Papiere hatte sie bei sich.

Eine sehr hübsche junge Dame im hellen Leinenkostüm, der man die Aufregung deutlich ansehen konnte, bestieg die Linienmaschine nach Nairobi, und Bettina war zuvor schon von einem recht interessanten jungen Mann beobachtet worden, der ihr dann bereitwillig seinen Fensterplatz einräumte.

»Oh, danke«, murmelte sie verlegen, »ich weiß gar nicht, ob ich hinausschauen möchte. Ich fliege zum ersten Mal.«

»Umso eindrucksvoller wird es für Sie sein«, erwiderte er. »Darf ich mich vorstellen, Jobst Ohlsen. Sie sollen doch wissen, wer während des langen Fluges neben Ihnen sitzt.«

»Ich heiße Bettina Mehring«, sagte sie leise.

»Und Sie wollen in Kenia Urlaub machen?«

Sie nickte. Sie wollte ihm nicht erzählen, weswegen sie nach Kenia flog. Er erzählte von diesem Land, seinen Reizen, seinen Menschen und ihrer Unruhe. Reichtum und bittere Armut waren in ständiger Konfrontation.

»Sie leben schon längere Zeit dort?«, fragte Bettina scheu.

»Ich arbeite als Ingenieur. Ein Jahr habe ich hinter mir, zwei liegen noch vor mir. Immer möchte ich nicht dort leben.«

»Aber manchen gefällt das wohl«, sagte sie nachdenklich.

»Manche sind zu Besitz und Reichtum gekommen. Man verdient sehr gut, wenn man es hier ein paar Jahre aushält, und kann sich dann in der Heimat ein gutes Fundament schaffen.« Er sah sie an, und sein Blick traf sie wie ein elektrisierender Schlag und raubte ihr den Atem.

»Werden Sie länger bleiben, Bettina?«, fragte er.

»Ich weiß nicht genau, vielleicht zwei Wochen oder auch drei. Es kommt darauf an, ob es mir gefällt. Ich habe auch noch etwas Geschäftliches zu erledigen.« Ihre Stimme zitterte leicht, da er nun ihre Hand ergriffen hatte.

»Es wäre schön, wenn wir uns nicht gleich wieder aus den Augen verlieren würden«, sagte er. »Mich hat es erwischt. Man könnte es Liebe auf den ersten Blick nennen, obgleich ich an so was nie geglaubt habe.«

Und was war mit ihr? Liebe auf den ersten Blick? Ihr Herz begann zu klopfen. Sie hatte in manchen Romanen von dieser seltsamen, unwiderstehlichen Anziehungskraft zwischen zwei Menschen gelesen, aber so richtig daran geglaubt hatte sie auch nicht.

Es war ihr ja auch nie ein solcher Mann begegnet, mit diesen Augen, dieser Stimme. Es war so unwirklich wie ein Traum, aber als er nun seine Hand unter ihren Nacken schob, war es kein Traum mehr.

»Ich werde im Plaza wohnen«, flüsterte sie.

»Oh, lá lá, ich wohne im Camp, aber ich kann schnell in Nairobi sein. Es ist nicht gut, wenn sich ein so hübsches Mädchen allein umschaut. Ich werde dir die Schönheit des Landes zeigen. Vielleicht findest du dann Gefallen daran, zu bleiben.«

Sie konnte nichts sagen. Sie wollte sich wehren gegen dieses Gefühl, das nun Macht über sie ergriff, aber sie hielt ganz still, als er sie nun küsste.

»Man muss festhalten, was einem vom Himmel geschenkt wird«, sagte er dicht an ihrem Ohr. »Ich möchte dich festhalten, Bettina.«

Der Flug hätte ihretwegen kein Ende mehr nehmen müssen, aber irgendwann landeten sie doch in Nairobi. Ihre Lippen brannten von seinen Küssen, und plötzlich überfiel sie eine beklemmende Angst, dass nun alles wieder zu Ende sein könnte, dass es für ihn nur ein Abenteuer gewesen sei. Auch so was hatte sie schon in Romanen gelesen. Und dann fiel ihr ein, dass sie am Airport erwartet würde.

»Ich werde abgeholt«, meinte sie beklommen.

»Von wem?«, fragte er mit aufflammender Eifersucht.

»Von Dr. Darringer. Ich kenne ihn nicht. Es wurde mir nur mitgeteilt, dass er mich abholen würde.«

Den Namen Darringer hatte Jobst Ohlsen schon gehört, aber er kannte diesen Mann nicht.

»Also zuerst die geschäftliche Angelegenheit«, sagte er lächelnd. »Ich will nicht neugierig sein. Über meine Arbeit könnte ich dir auch nichts erzählen, Bettina. Man pflegt hier Geheimhaltung in jeder Beziehung. Also auch Diskretion, was unsere besondere Beziehung betrifft. Ich werde dich im Plaza aufsuchen, und wenn ich dich nicht antreffe, hinterlasse ich dir eine Nachricht. Die Nummer vom Camp darf ich dir nicht geben. Aber du darfst mir nicht misstrauen, versprich mir das.«

Sie hätte ihm alles versprochen. Ein paar Stunden hatten ihr Leben verändert, hatten Wünsche und Sehnsüchte in ihr geweckt, die von dem Wort Liebe umschlossen wurden.

*

Bettina wurde dann von einer höflichen Stewardess zu einem mittelgroßen, untersetzten Mann geleitet, der in einem Büro auf sie gewartet hatte.

Das konnte Jobst nicht mehr sehen, obgleich sein Blick sie verfolgt hatte, bis sie in dem Gebäude verschwunden war.

Er wurde auch erwartet von einem hochgewachsenen, kräftigen Farbigen, der ihn mit einem breiten Lächeln begrüßte.

»Willkommen daheim«, sagte Jim.

Daheim, dachte Jobst, nein, daheim werde ich nie sein in diesem Land.

»Wir müssen noch Miss Grace abholen«, sagte Jim. »Sie war bei einem Dinner im Plaza.«

Jobst zuckte leicht zusammen. »Ich muss noch etwas besorgen, Jim«, sagte er. »Und ich habe Jerome etwas mitgebracht aus Paris. Dort können Sie mich dann abholen.«

»Okay, Master Job«, sagte Jim, »aber Miss Grace braucht manchmal lange.«

»Macht nichts, Jim.«

Währenddessen konnte sich Bettina nur noch wundern, mit welcher Zuvorkommenheit sie von Dr. Darringer begrüßt wurde. Er sprach sogar gut deutsch, und er schien sehr angetan zu sein, eine so hübsche junge Dame ins Plaza begleiten zu können.

In der Halle herrschte ein ziemlicher Trubel. Eine blonde Frau, umgeben von Indern, beherrschte die Szene. Sie war mit lässiger Eleganz gekleidet und so selbstbewusst, wie Bettina jetzt unsicher war. Solche Frauen hatte sie immer bewundert, aber als dann ein Blick aus stahlblauen Augen sie traf, wurde es ihr eiskalt, obgleich es nur ein flüchtiger, abschätzender Blick gewesen war.

Dr. Darringer hatte nach Bettinas Arm gegriffen und drängte sie zum Lift. »Es ist besser, jetzt nicht mit Miss Matthews Bekanntschaft zu schließen«, sagte er beiläufig.

Wenig später öffnete er die Tür zu einem Luxusapartment. Für Bettina war alles so überraschend, dass sie nichts mehr zu sagen wusste.

»Ich hoffe, Sie werden zufrieden sein, Miss Mehring«, sagte Dr. Darringer.

»Offen gestanden weiß ich noch gar nicht, worum es eigentlich geht«, sagte sie stockend.

»Wohl doch darum, dass Sie mit allergrößter Wahrscheinlichkeit die Alleinerbin von Mr Meringo sind.«

»Meringo?«, wiederholte Bettina konsterniert.

»Unter diesem Namen lebte er hier achtzehn Jahre. Fernando Meringo. Aber bitte, setzen Sie sich erst. Ein erfrischender Drink wird Ihnen guttun.«

Momentan hatte Bettina das Gefühl, alles würde sich um sie drehen. Und immer wieder sah sie Jobst vor sich, seine Augen, und sie hörte seine Stimme. Das war ihr so viel wichtiger, als das, was Dr. Darringer eben gesagt hatte.

»Sie werden sich jetzt ausruhen, Miss Mehring«, sagte Dr. Darringer höflich. »Nach diesem langen Flug müssen Sie sich ein wenig akklimatisieren. Äußern Sie Ihre Wünsche, schlafen Sie ein paar Stunden, wenn Sie ein erfrischendes Bad genommen haben. Rufen Sie mich dann bitte an, wenn Sie bereit sind, mich zu empfangen.«

»Ich möchte gern sofort erfahren, worum es geht«, sagte Bettina mit einer plötzlichen, sie selbst überraschenden Entschlossenheit.

»Ich hatte nur den Auftrag, Sie zu empfangen, Miss Mehring. Der offizielle Teil findet morgen statt. Sie sollten sich wirklich erst etwas ausruhen.«

»Mir ist es unheimlich«, sagte sie leise.

Ein flüchtiges Lächeln legte sich um seine schmalen Lippen.

»So dürfen Sie nicht denken. Es wird alles getan werden, um Ihnen den Aufenthalt so angenehm wie nur möglich zu gestalten.«

Bettina starrte ihn an. »Wenn es sich tatsächlich um meinen Vater handelt, warum nannte er sich dann Meringo?«, fragte sie bebend.

»Das wird sein Geheimnis bleiben, falls sein schriftlicher Nachlass darüber keinen Aufschluss gibt.«

»Sie sind überzeugt, dass ich die Tochter dieses Mannes bin?«

»Jetzt bin ich davon überzeugt, Miss Mehring«, erwiderte er.

»Und wenn ich Ihnen sage, dass ich mit diesem Mann nichts zu schaffen habe, der meine Mutter im Stich ließ?«

»Sie werden sich alles überlegen, wenn Sie die Tatsachen kennen.«

Als er sich verabschiedete, stand ein Boy vor der Tür mit einem großen Rosenstrauß.

»Für Miss Mehring«, sagte er.

Dr. Darringer schob leicht die Augenbrauen zusammen. Aber er ging, ohne etwas zu sagen.

Rosen, dunkelrote Rosen, auch hier gab es sie. Bettina konnte es nicht fassen. Aber sie wusste, wer sie geschickt hatte, bevor sie die beigefügte Karte las. Ich liebe Dich, vergiss mich nicht.

Eine Vase wurde ihr auch gleich gebracht und ein Servierwagen mit den köstlichsten Sachen. Ein Tischleindeckdich, wie im Märchen, und alles kam ihr märchenhaft vor.

*

Am nächsten Tag sollte es so weitergehen. Sie wusste nichts von Grace Matthews, nichts davon, wie kühl Jobst Ohlsen sie begrüßt hatte.

»Nicht sehr nett von dir, mich nicht abgeholt zu haben, Jobst«, hatte Grace gesagt.

»Du warst doch anscheinend vollauf beschäftigt, und ich musste mir noch einiges besorgen«, hatte er erwidert. »Ich habe für Jerome einige Sachen mitgebracht.«

»Und für mich?«

»Das gewünschte Parfüm von Dior.«

»Aber eigene Ideen hast du nicht?«

»Welche denn? Es fehlt wohl an Gemeinsamkeiten«, erwiderte Jobst. »Hier bekommst du doch auch alles.«

»Fast alles« erwiderte sie spitz. »Nun, ich werde auch einen Europatrip machen. Übermorgen fliege ich. Hier geht es augenblicklich nicht weiter. Du hättest noch bleiben können.«

»Wenn ich das gewusst hatte«, sagte er leichthin. »Was ist denn los?«

»Es fehlt an Geld. Vielleicht müssen wir uns bald nach einem anderen Job umsehen.«

»Nichts dagegen«, erwiderte er.

Sie kniff die Augen zusammen. »Es ist doch ein Wahnwitz, dieses Projekt aufzugeben.«

»Ich wäre dafür nicht verantwortlich«, sagte er.

»Was bin ich dir schuldig für das Parfüm?«

»Nichts«, erwiderte er lakonisch.

»Wie großzügig. Ich habe gute Verbindungen in England, Jobst. Wenn du Interesse hast?«

»Nein, danke. Ich brauche keinen Manager.«

»Und wenn wir hier baden gehen?«

Er zuckte die Schultern. »Es wäre schade um das Projekt, aber ich werde schon was anderes finden.«

»Irgendwie bist du verändert«, stellte sie fest, »so, als würdest du neben dir stehen.«

»Tatsächlich?«

Es war ihm gelungen, sich nichts anmerken zu lassen, wie ihm zumute war, aber er wünschte jetzt nur allein zu sein, in Ruhe gelassen zu werden, einen Traum weiterträumen zu können.

*

Bettina hatte gebadet, in weichem, duftendem Wasser, dann hatte sie ein paar Häppchen gegessen und etwas getrunken, was köstlich schmeckte, sie aber noch müder machte, und dann war sie eingeschlafen.

Sie schlief lange, tief und traumlos, oder hatte sie doch geträumt? Sie konnte sich an nichts mehr erinnern, als sie erwachte, und da schien bereits schon die Sonne. Und ihr erschien es nun tatsächlich, als würde sie aus einem langen Traum erwachen. Der Flug, dieser Mann – da sah sie die Rosen auf dem Tisch und begriff, dass es geschehen war, ja, geschehen! Nichts war ihr wichtiger, als Jobst Ohlsen.

Aber seinetwegen war sie doch nicht nach Kenia gekommen. Was hatte dieser Dr. Darringer doch gesagt?

Sie blickte auf die Uhr an der Wand, dann auf ihre Armbanduhr und meinte, dass diese stehen geblieben sei, und gleich darauf läutete das Telefon.