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Bei dem Titel "Romanzero" handelt es sich um den letzten veröffentlichten Gedichtband des bedeutenden deutschen Dichters, Schriftstellers und Journalisten Heinrich Heine. Er verfasste die darin enthaltenen Gedichte, während er bereits schwer erkrankt war. Dennoch handelt es sich um ein sehr facettenreiches Werk. Neben den für Heinrich Heine typischen Themen Gesellschaft, Politik und Religion, sind auch Reflexionen über sein Leben und literarisches Schaffen, sowie seine Krankheit und den Tod enthalten.-
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Seitenzahl: 129
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Heinrich Heine
Gedichte
Saga
Romanzero
Coverbild/Illustration: Shutterstock
Copyright © 1851, 2021 SAGA Egmont
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 9788726997798
1. E-Book-Ausgabe
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit der Zustimmung vom Verlag gestattet.
Dieses Werk ist als historisches Dokument neu veröffentlicht worden. Die Sprache des Werkes entspricht der Zeit seiner Entstehung.
Saga Egmont - ein Teil von Egmont, www.egmont.com
Wenn man an dir Verrat geübt,
Sei du um so treuer;
Und ist deine Seele zu Tode betrübt,
So greife zur Leier.
Die Saiten klingen! Ein Heldenlied,
Voll Flammen und Gluten!
Da schmilzt der Zorn, und dein Gemüt
Wird süß verbluten.
Als der König Rhampsenit
Eintrat in die goldne Halle
Seiner Tochter, lachte diese,
Lachten ihre Zofen alle.
Auch die Schwarzen, die Eunuchen,
Stimmten lachend ein, es lachten
Selbst die Mumien, selbst die Sphinxe,
Daß sie schier zu bersten dachten.
Die Prinzessin sprach: Ich glaubte
Schon den Schatzdieb zu erfassen,
Der hat aber einen toten
Arm in meiner Hand gelassen.
Jetzt begreif ich, wie der Schatzdieb
Dringt in deine Schatzhauskammern
Und die Schätze dir entwendet,
Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern.
Einen Zauberschlüssel hat er,
Der erschließet allerorten
Jede Türe, widerstehen
Können nicht die stärksten Pforten.
Ich bin keine starke Pforte
Und ich hab nicht widerstanden,
Schätzehütend diese Nacht
Kam ein Schätzlein mir abhanden.
So sprach lachend die Prinzessin
Und sie tänzelt im Gemache,
Und die Zofen und Eunuchen
Hoben wieder ihre Lache.
An demselben Tag ganz Memphis
Lachte, selbst die Krokodile
Reckten lachend ihre Häupter
Aus dem schlammig gelben Nile,
Als sie Trommelschlag vernahmen
Und sie hörten an dem Ufer
Folgendes Reskript verlesen
Von dem Kanzelei-Ausrufer:
Rhampsenit von Gottes Gnaden
König zu und in Ägypten,
Wir entbieten Gruß und Freundschaft
Unsern Vielgetreun und Liebden.
In der Nacht vom dritten zu dem
Vierten Junius des Jahres
Dreizehnhundertvierundzwanzig
Vor Christi Geburt, da war es,
Daß ein Dieb aus unserm Schatzhaus
Eine Menge von Juwelen
Uns entwendet; es gelang ihm
Uns auch später zu bestehlen.
Zur Ermittelung des Täters
Ließen schlafen wir die Tochter
Bei den Schätzen – doch auch jene
Zu bestehlen schlau vermocht er.
Um zu steuern solchem Diebstahl
Und zu gleicher Zeit dem Diebe
Unsre Sympathie zu zeigen,
Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe,
Wollen wir ihm zur Gemahlin
Unsre einzge Tochter geben
Und ihn auch als Thronnachfolger
In den Fürstenstand erheben.
Sintemal uns die Adresse
Unsres Eidams noch zur Stunde
Unbekannt, soll dies Reskript ihm
Bringen Unsrer Gnade Kunde.
So geschehn den dritten Jenner
Dreizehnhundert zwanzig sechs
Vor Christi Geburt. – Signieret
Von Uns: Rhampsenitus Rex.
Rhampsenit hat Wort gehalten,
Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,
Und nach seinem Tode erbte
Auch der Dieb Ägyptens Krone.
Er regierte wie die Andern,
Schützte Handel und Talente;
Wenig, heißt es, ward gestohlen
Unter seinem Regimente.
Der König von Siam, Mahawasant,
Beherrscht das halbe Indienland,
Zwölf Könge, der große Mogul sogar,
Sind seinem Szepter tributar.
Alljährlich mit Trommeln,"Posauneo und Falnen
Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;
Viel tausend Kamele, hochberuckte,
Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.
Sieht er die schwerbepackten Kamele,
So schmunzelt heimlich des Königs Seele;
Öffentlich freilich pflegt er zu jammern,
Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.
Doch diese Schatzkammern sind so weit,
So groß und voller Herrlichkeit;
Hier überflügelt der Wirklichkeit Pracht
Die Märchen von Tausend und Eine Nacht.
»Die Burg des Indra« heißt die Halle,
Wo aufgestellt die Götter alle,
Bildsäulen von Gold, fein ziselieret,
Mit Edelsteinen inkrustieret.
Sind an der Zahl wohl dreißig Tausend,
Figuren abenteuerlich grausend,
Mischlinge von Menschen- und Tiergeschöpfen,
Mit vielen Händen und vielen Köpfen.
Im »Purpursaale« sieht man verwundert
Korallenbäume dreizehnhundert,
Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,
Geschnörkelt die Äste, ein roter Wald.
Das Estrich ist vom reinsten Kristalle
Und widerspiegelt die Bäume alle.
Fasanen vom buntesten Glanzgefieder
Gehn gravitätisch dort auf und nieder.
Der Lieblingsaffe des Mahawasant
Trägt an dem Hals ein seidenes Band,
Dran hängt der Schlüssel, welcher erschleußt
Die Halle, die man den Schlafsaal heißt.
Die Edelsteine vom höchsten Wert
Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd
Hochaufgeschüttet; man findet dabei
Diamanten so groß wie ein Hühnerei.
Auf grauen, mit Perlen gefüllten Säcken
Pflegt hier der König sich hinzustrecken;
Der Affe legt sich zum Monarchen,
Und beide schlafen ein und schnarchen.
Das Kostbarste aber von allen Schätzen
Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,
Die Lust und der Stolz von Mahawasant,
Das ist sein weißer Elefant.
Als Wohnung für diesen erhabenen Gast
Ließ bauen der König den schönsten Palast;
Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,
Von lotosknäufigen Säulen getragen.
Am Tore stehen dreihundert Trabanten
Als Ehrenwache des Elefanten,
Und knieend, mit gekrümmtem Rucken,
Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.
Man bringt auf einer güldnen Schüssel
Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;
Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,
Gewürzt mit den süßesten Spezerein.
Man salbt ihn mit Ambra und Rosenessenzen,
Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;
Als Fußdecke dienen dem edlen Tier
Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.
Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,
Doch Niemand auf Erden ist zufrieden.
Das edle Tier, man weiß nicht wie,
Versinkt in tiefe Melancholie.
Der weiße Melancholikus
Steht traurig mitten im Überfluß.
Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,
Jedoch die klügsten Versuche scheitern.
Vergebens kommen mit Springen und Singen
Die Bajaderen; vergebens erklingen
Die Zinken und Pauken der Musikanten,
Doch nichts erlustigt den Elefanten.
Da täglich sich der Zustand verschlimmert,
Wird Mahawasantes Herz bekümmert;
Er läßt vor seines Thrones Stufen
Den klügsten Astrologen rufen.
»Sterngucker, ich laß dir das Haupt abschlagen«,
Herrscht er ihn an, »kannst du mir nicht sagen,
Was meinem Elefanten fehle,
Warum so verdüstert seine Seele?«
Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,
Und endlich spricht er mit ernster Gebärde:
»O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,
Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.
»Es lebt im Norden ein schönes Weib
Von hohem Wuchs und weißem Leib,
Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,
Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.
»Mit ihr verglichen, erscheint er nur
Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur
An Bimha, die Riesin, im Ramajana,
Und an der Epheser große Diana.
»Wie sich die Gliedermassen wölben
Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben
Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster
Von blendend weißem Alabaster.
»Das ist Gott Amors kolossale
Domkirche, der Liebe Kathedrale;
Als Lampe brennt im Tabernakel
Ein Herz, das ohne Falsch und Makel.
»Die Dichter jagen vergebens nach Bildern,
Um ihre weiße Haut zu schildern;
Selbst Gautier ist dessen nicht kapabel, –
O diese Weiße ist implacable!
»Des Himalaya Gipfelschnee
Erscheint aschgrau in ihrer Näh;
Die Lilje, die ihre Hand erfaßt,
Vergilbt durch Eifersucht oder Kontrast.
»Gräfin Bianka ist der Name
Von dieser großen weißen Dame;
Sie wohnt zu Paris im Frankenland,
Und diese liebt der Elefant.
»Durch wunderbare Wahlverwandtschaft,
Im Traume machte er ihre Bekanntschaft,
Und träumend in sein Herze stahl
Sich dieses hohe Ideal.
»Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund,
Und er, der vormals so froh und gesund,
Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,
Und träumt von einer Lotte im Norden.
»Geheimnisvolle Sympathie!
Er sah sie nie und denkt an sie.
Er trampelt oft im Mondschein umher
Und seufzet: wenn ich ein Vöglein wär!
»In Siam ist nur der Leib, die Gedanken
Sind bei Bianka im Lande der Franken;
Doch diese Trennung von Leib und Seele
Schwächt sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.
»Die leckersten Braten widern ihn an,
Er liebt nur Dampfnudeln und Ossian,
Er hüstelt schon, er magert ab,
Die Sehnsucht schaufelt sein frühes Grab.
»Willst du ihn retten, erhalten sein Leben,
Der Säugetierwelt ihn wiedergeben,
O König, so schicke den hohen Kranken
Direkt nach Paris, der Hauptstadt der Franken.
»Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit
Der Anblick der schönen Frau erfreut,
Die seiner Träume Urbild gewesen,
Dann wird er von seinem Trübsinn genesen.
»Wo seiner Schönen Augen strahlen,
Da schwinden seiner Seele Qualen;
Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,
Die hier sich eingenistet hatten;
»Und ihre Stimme, wie'n Zauberlied,
Löst sie den Zwiespalt in seinem Gemüt;
Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,
Er fühlt sich verjüngt, wie neugeboren.
»Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß
Am Seinestrand, in der Stadt Paris!
Wie wird sich dorten zivilisieren
Dein Elefant und amüsieren!
»Vor allem aber, o König, lasse
Ihm reichlich füllen die Reisekasse,
Und gib ihm einen Kreditbrief mit
Auf Rothschild frères in der rue Lafitte.
»Ja, einen Kreditbrief von einer Million
Dukaten etwa; – der Herr Baron
Von Rothschild sagt von ihm alsdann:
Der Elefant ist ein braver Mann!«
So sprach der Astrolog, und wieder
Warf er sich dreimal zur Erde nieder.
Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,
Und streckte sich aus, um nachzudenken.
Er dachte hin, er dachte her;
Das Denken wird den Königen schwer.
Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,
Und beide schlafen ein zuletzt.
Was er beschlossen, das kann ich erzählen
Erst später; die indischen Mall'posten fehlen.
Die letzte, welche uns zugekommen,
Die hat den Weg über Suez genommen.
Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein
wird Mummenschanz gehalten;
Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,
Da tanzen die bunten Gestalten.
Da tanzt die schöne Herzogin,
Sie lacht laut auf beständig;
Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,
Gar höfisch und behendig.
Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,
Daraus gar freudig blicket
Ein Auge, wie ein blanker Dolch,
Halb aus der Scheide gezücket.
Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,
Wenn jene vorüberwalzen.
Der Drickes und die Marizzebill
Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.
Und die Trompeten schmettern drein,
Der närrische Brummbaß brummet,
Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt
Und die Musik verstummet.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Ich muß nach Hause gehen –«
Die Herzogin lacht: Ich laß dich nicht fort,
Bevor ich dein Antlitz gesehen.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen –«
Die Herzogin lacht: Ich fürchte mich nicht,
Ich will dein Antlitz schauen.
»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,
Der Nacht und dem Tode gehör ich –«
Die Herzogin lacht: Ich lasse dich nicht,
Dein Antlitz zu schauen begehr ich.
Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,
Das Weib nicht zähmen kunnt er;
Sie riß zuletzt ihm mit Gewalt
Die Maske vom Antlitz herunter.
Das ist der Scharfrichter von Bergen! so schreit
Entsetzt die Menge im Saale
Und weichet scheusam – die Herzogin
Stürzt fort zu ihrem Gemahle.
Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach
Der Gattin auf der Stelle.
Er zog sein blankes Schwert und sprach:
Knie vor mir nieder, Geselle!
Mit diesem Schwertschlag mach ich dich
Jetzt ehrlich und ritterzünftig,
Und weil du ein Schelm, so nenne dich
Herr Schelm von Bergen künftig.
So ward der Henker ein Edelmann
Und Ahnherr der Schelme von Bergen.
Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.
Jetzt schläft es in steinernen Särgen.
Unten Schlacht. Doch oben schossen
Durch die Luft auf Wolkenrossen
Drei Valkyren, und es klang
Schilderklirrend ihr Gesang:
Fürsten hadern, Völker streiten,
Jeder will die Macht erbeuten;
Herrschaft ist das höchste Gut,
Höchste Tugend ist der Mut.
Heisa! vor dem Tod beschützen
Keine stolzen Eisenmützen,
Und das Heldenblut zerrinnt
Und der schlechtre Mann gewinnt.
Lorbeerkränze, Siegesbogen!
Morgen kommt er eingezogen,
Der den Bessern überwand
Und gewonnen Leut und Land.
Bürgermeister und Senator
Holen ein den Triumphator,
Tragen ihm die Schlüssel vor,
Und der Zug geht durch das Tor.
Hei! da böllerts von den Wällen,
Zinken und Trompeten gellen,
Glockenklang erfüllt die Luft,
Und der Pöbel Vivat! ruft.
Lächelnd stehen auf Balkonen
Schöne Fraun, und Blumenkronen
Werfen sie dem Sieger zu.
Dieser grüßt mit stolzer Ruh.
Der Abt von Waltham seufzte tief,
Als er die Kunde vernommen,
Daß König Harold elendiglich
Bei Hastings umgekommen.
Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,
Die schickt' er aus als Boten,
Sie sollten suchen die Leiche Harolds
Bei Hastings unter den Toten.
Die Mönche gingen traurig fort
Und kehrten traurig zurücke:
»Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,
Wir sind verlassen vom Glücke.
»Gefallen ist der beßre Mann,
Es siegte der Bankert, der schlechte,
Gewappnete Diebe verteilen das Land
Und machen den Freiling zum Knechte.
»Der lausigste Lump aus der Normandie
Wird Lord auf der Insel der Britten;
Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam
Mit goldnen Sporen geritten.
»Weh dem, der jetzt ein Sachse ist!
Ihr Sachsenheilige droben
Im Himmelreich, nehmt euch in Acht,
Ihr seid der Schmach nicht enthoben.
»Jetzt wissen wir, was bedeutet hat
Der große Komet, der heuer
Blutrot am nächtlichen Himmel ritt
Auf einem Besen von Feuer.
»Bei Hastings in Erfüllung ging
Des Unsterns böses Zeichen,
Wir waren auf dem Schlachtfeld dort
Und suchten unter den Leichen.
»Wir suchten hin, wir suchten her,
Bis alle Hoffnung verschwunden
Den Leichnam des toten Königs Harold,
Wir haben ihn nicht gefunden.«
Asgod und Ailrik sprachen also;
Der Abt rang jammernd die Hände,
Versank in tiefe Nachdenklichkeit
Und sprach mit Seufzen am Ende:
»Zu Grendelfield am Bardenstein,
Just in des Waldes Mitte,
Da wohnet Edith Schwanenhals
In einer dürftgen Hütte.
»Man hieß sie Edith Schwanenhals,
Weil wie der Hals der Schwäne
Ihr Nacken war; der König Harold,
Er liebte die junge Schöne.
»Er hat sie geliebt, geküßt und geherzt,
Und endlich verlassen, vergessen.
Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr
Verflossen unterdessen.
»Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib
Und laßt sie mit euch gehen
Zurück nach Hastings, der Blick des Weibs
Wird dort den König erspähen.
»Nach Waltham-Abtei hierher alsdann
Sollt ihr die Leiche bringen,
Damit wir christlich bestatten den Leib
Und für die Seele singen.«
Um Mitternacht gelangten schon
Die Boten zur Hütte im Walde:
»Erwache, Edith Schwanenhals,
Und folge uns alsbalde.
»Der Herzog der Normannen hat
Den Sieg davongetragen,
Und auf dem Feld bei Hastings liegt
Der König Harold erschlagen.
»Kommt mit nach Hastings, wir suchen dort
Den Leichnam unter den Toten,
Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,
Wie uns der Abt geboten.«
Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,
Sie schürzte sich geschwinde
Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar
Das flatterte wild im Winde.
Es folgte barfuß das arme Weib
Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.
Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon
Zu Hastings die kreidige Klippe.
Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt
Als wie ein weißes Lailich,
Zerfloß allmählig; es flatterten auf
Die Dohlen und krächzten abscheulich.
Viel tausend Leichen lagen dort
Erbärmlich auf blutiger Erde,
Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,
Daneben die Äser der Pferde.
Es wadete Edith Schwanenhals
Im Blute mit nackten Füßen;
Wie Pfeile aus ihrem stieren Aug
Die forschenden Blicke schießen.
Sie suchte hin, sie suchte her,
Oft mußte sie mühsam verscheuchen
Die fraßbegierige Rabenschar;
Die Mönche hinter ihr keuchen.
Sie suchte schon den ganzen Tag,
Es ward schon Abend – plötzlich
Bricht aus der Brust des armen Weibs
Ein geller Schrei, entsetzlich.
Gefunden hat Edith Schwanenhals
Des toten Königs Leiche.
Sie sprach kein Wort, sie weinte nicht,
Sie küßte das Antlitz, das bleiche.
Sie küßte die Stirne, sie küßte den Mund,
Sie hielt ihn fest umschlossen;
Sie küßte auf des Königs Brust
Die Wunde blutumflossen.
Auf seiner Schulter erblickt sie auch –
Und sie bedeckt sie mit Küssen –
Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,
Die sie einst hinein gebissen.
Die Mönche konnten mittlerweil
Baumstämme zusammenfugen;
Das war die Bahre, worauf sie alsdann
Den toten König trugen.
Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,
Daß man ihn dort begrübe;
Es folgte Edith Schwanenhals
Der Leiche ihrer Liebe.
Sie sang die Totenlitanein
In kindisch frommer Weise;
Das klang so schauerlich in der Nacht –
Die Mönche beteten leise. –
Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt
Trübsinnig allein der König;
Er sitzt an der Wiege des Köhlerkinds
Und wiegt und singt eintönig:
Eiapopeia, was raschelt im Stroh?