Romanzero - Heinrich Heine - E-Book

Romanzero E-Book

Heinrich Heine

0,0
3,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Romanzero ist der Titel von Heinrich Heines dritter und zu Lebzeiten letzter Gedichtsammlung. Als Buch erschien sie 1851 beim Verlag Hoffmann und Campe in Hamburg. Den größten Teil der Gedichte des Romanzero schrieb Heine zwischen 1848 und 1851. Zu dieser Zeit war Heine bereits sehr krank; seine letzten Lebensjahre verbrachte er in seiner „Matratzengruft“ in Paris, bevor er 1856 seiner langen und beschwerlichen Krankheit erlag. Eines der Hauptanliegen des „Romanzero“ betrifft das Aufdecken von Missständen, welche dem Volk deutlich gemacht werden sollen. Heine bedient sich dabei ironischer Stilmittel, welche er im kritischen Maße pointiert einsetzt. In seinen oft mehrgliedrigen Gedichten setzt er sich kritisch mit Themen um Gesellschaft, Politik, Religion und der Literatur bzw. der literarischen Zukunft und in diesem Zusammenhang auch mit seiner eigenen Rolle als Dichter auseinander. In seine mythischen, sagen- und märchenhaften Stoffe, integriert er z. T. aktuelle politische Themen. Darum wurde der Romanzero schon 1851 in Österreich verboten; in Preußen wurde das Buch polizeilich beschlagnahmt. Diese Ausgabe des Romanzero enthält den eigentlichen Gedichtsteil und das von Heine 1851 verfasste Nachwort. Außerdem enthalten ist ein erläuterndes Vorwort und ein Ausführlicher Anhang mit Biografie und ausführlichen Angaben zu Heines Schaffen und Werk von Herausgeber Hermann Schladt.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 187

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Heinrich Heine

Romanzero

Vorwort

 Romanzero ist der Titel von Heinrich Heines dritter und zu Lebzeiten letzter Gedichtsammlung. Als Buch erschien sie 1851 beim Verlag Hoffmann und Campe in Hamburg.

 

Den größten Teil der Gedichte des Romanzero schrieb Heine zwischen 1848 und 1851. Zu dieser Zeit war Heine bereits sehr krank; seine letzten Lebensjahre verbrachte er in seiner „Matratzen-gruft“ in Paris, bevor er 1856 seiner langen und beschwerlichen Krankheit erlag. Er selbst ver-mutete, an Syphilis erkrankt zu sein, Forschungen ergaben jedoch, dass er wahr-scheinlich an einer chronischen Bleivergiftung starb. Durch seine körperliche Beeinträchtigung war er gezwungen, seinem Sekretär viele seiner Schriften zu diktieren, darunter (zumindest) Teile des Romanzero. 11 der 64 Gedichte in dieser Sammlung wurden zwar bereits vorher veröffentlicht; insgesamt präsentier-te Heine jedoch im Gegensatz zu seinen vorher-gehenden Gedicht-bänden Buch der Lieder und Neue Gedichte erstmals fast vollständig neuen Stoff.

 

Der Romanzero gliedert sich in drei Teile:

 

In den Historien behandelt Heine geschichtliche Ereignisse unterschiedlichster Art, angefangen von einer Anekdote über den ägyptischen König Rhampsenit und einen Dieb, über Gestalten wie König Karl I. von England und Marie Antoinette bis hin zum Azteken-Gott Vitzliputzli.

Die Lamentationen thematisieren vorwiegend Krankheit, Tod und schwermütige Erinnerung. Exemplarisch sei das relativ umfangreiche Gedicht Lazarus genannt.

Die Hebräischen Melodien bestehen aus drei Gedichten mit spezifisch jüdischer Thematik: In Prinzessin Sabbath wird bildreich und gleichnishaft die Schönheit und spirituelle Bedeutung des Ruhetags geschildert. Jehuda ben Halevi berichtet vom Leben des gleichnamigen spanischen Dichters und Gelehrten, Disputation schließlich von einem mittelalterlichen Meinungswettstreit zwischen einem Rabbiner und einem Franziskaner.

Alle drei Bücher werden durch je ein zweistrophiges Gedicht im Kreuzreim eingeleitet, das eine allgemeine Lebensweisheit beinhaltet.

 

Eines der Hauptanliegen des „Romanzero“ betrifft das Aufdecken von Missständen, welche dem Volk deutlich gemacht werden sollen. Heine bedient sich dabei ironischer Stilmittel, welche er im kritischen Maße pointiert einsetzt. In seinen oft mehrgliedrigen Gedichten setzt er sich kritisch mit Themen um Gesellschaft, Politik, Religion und der Literatur bzw. der literarischen Zukunft und in diesem Zusammenhang auch mit seiner eigenen Rolle als Dichter auseinander. In seine mythischen, sagen- und märchenhaften Stoffe, integriert er z. T. aktuelle politische Themen. Darum wurde der Romanzero schon 1851 in Österreich verboten; in Preußen wurde das Buch polizeilich beschlagnahmt.

 

 

Erstes Buch: Historien

 

 

Rhampsenit

 

Als der König Rhampsenit

Eintrat in die goldne Halle

Seiner Tochter, lachte diese,

Lachten ihre Zofen alle.

 

Auch die Schwarzen, die Eunuchen,

Stimmten lachend ein, es lachten

Selbst die Mumien, selbst die Sphinxe,

Dass sie schier zu bersten dachten.

 

Die Prinzessin sprach: Ich glaubte

Schon den Schatzdieb zu erfassen,

Der hat aber einen toten

Arm in meiner Hand gelassen.

 

Jetzt begreif ich, wie der Schatzdieb

Dringt in deine Schatzhauskammern

Und die Schätze dir entwendet,

Trotz den Schlössern, Riegeln, Klammern.

 

Einen Zauberschlüssel hat er,

Der erschließet allerorten

Jede Türe, widerstehen

Können nicht die stärksten Pforten.

 

Ich bin keine starke Pforte

Und ich hab nicht widerstanden,

Schätzehütend diese Nacht

Kam ein Schätzlein mir abhanden.

So sprach lachend die Prinzessin

Und sie tänzelt im Gemache,

Und die Zofen und Eunuchen

Hoben wieder ihre Lache.

 

An demselben Tag ganz Memphis

Lachte, selbst die Krokodile

Reckten lachend ihre Häupter

Aus dem schlammig gelben Nile,

 

Wenn man an dir Verrat geübt,

sei du um so treuer;

Und ist deine Seele zu Tode betrübt,

So greife zur Leier.

 

Die Saiten klingen! Ein Heldenlied,

Voll Flammen und Gluten!

Da schmilzt der Zorn, und dein Gemüt

Wird süß verbluten.

 

Als sie Trommelschlag vernahmen

Und sie hörten an dem Ufer

Folgendes Reskript verlesen

Von dem Kanzelei-Ausrufer:

 

Rhampsenit von Gottes Gnaden

König zu und in Ägypten,

Wir entbieten Gruß und Freundschaft

Unsern Vielgetreun und Liebden.

 

In der Nacht vom dritten zu dem

Vierten Junius des Jahres

Dreizehnhundertvierundzwanzig

Vor Christi Geburt, da war es,

 

Daß ein Dieb aus unserm Schatzhaus

Eine Menge von Juwelen

Uns entwendet; es gelang ihm

Uns auch später zu bestehlen.

 

Zur Ermittelung des Täters

Ließen schlafen wir die Tochter

Bei den Schätzen - doch auch jene

Zu bestehlen schlau vermocht er.

 

Um zu steuern solchem Diebstahl

Und zu gleicher Zeit dem Diebe

Unsre Sympathie zu zeigen,

Unsre Ehrfurcht, unsre Liebe,

 

Wollen wir ihm zur Gemahlin

Unsre einzge Tochter geben

Und ihn auch als Thronnachfolger

In den Fürstenstand erheben.

 

Sintemal uns die Adresse

Unsres Eidams noch zur Stunde

Unbekannt, soll dies Reskript ihm

Bringen Unsrer Gnade Kunde.

 

So geschehn den dritten Jenner

Dreizehnhundert zwanzig sechs

Vor Christi Geburt. - Signieret

Von Uns: Rhampsenitus Rex.

 

Rhampsenit hat Wort gehalten,

Nahm den Dieb zum Schwiegersohne,

Und nach seinem Tode erbte

Auch der Dieb Ägyptens Krone.

 

Er regierte wie die Andern,

Schützte Handel und Talente;

Wenig, heißt es, ward gestohlen

Unter seinem Regimente.

 

 

 

Der weiße Elefant

 

Der König von Siam, Mahawasant,

Beherrscht das halbe Indienland,

Zwölf Könge, der große Mogul sogar,

Sind seinem Szepter tributar.

 

Alljährlich mit Trommeln,"Posauneo und Falnen

Ziehen nach Siam die Zinskarawanen;

Viel tausend Kamele, hochberuckte,

Schleppen die kostbarsten Landesprodukte.

 

Sieht er die schwerbepackten Kamele,

So schmunzelt heimlich des Königs Seele;

Öffentlich freilich pflegt er zu jammern,

Es fehle an Raum in seinen Schatzkammern.

 

Doch diese Schatzkammern sind so weit,

So groß und voller Herrlichkeit;

Hier überflügelt der Wirklichkeit Pracht

Die Märchen von Tausend und Eine Nacht.

 

»Die Burg des Indra« heißt die Halle,

Wo aufgestellt die Götter alle,

Bildsäulen von Gold, fein ziselieret,

Mit Edelsteinen inkrustieret.

 

Sind an der Zahl wohl dreißig Tausend,

Figuren abenteuerlich grausend,

Mischlinge von Menschen- und Tiergeschöpfen,

Mit vielen Händen und vielen Köpfen.

Im »Purpursaale« sieht man verwundert

Korallenbäume dreizehnhundert,

Wie Palmen groß, seltsamer Gestalt,

Geschnörkelt die Äste, ein roter Wald.

 

Das Estrich ist vom reinsten Kristalle

Und widerspiegelt die Bäume alle.

Fasanen vom buntesten Glanzgefieder

Gehn gravitätisch dort auf und nieder.

 

Der Lieblingsaffe des Mahawasant

Trägt an dem Hals ein seidenes Band,

Dran hängt der Schlüssel, welcher erschleußt

Die Halle, die man den Schlafsaal heißt.

 

Die Edelsteine vom höchsten Wert

Die liegen wie Erbsen hier auf der Erd

Hochaufgeschüttet; man findet dabei

Diamanten so groß wie ein Hühnerei.

 

Auf grauen, mit Perlen gefüllten Säcken

Pflegt hier der König sich hinzustrecken;

Der Affe legt sich zum Monarchen,

Und beide schlafen ein und schnarchen.

 

Das Kostbarste aber von allen Schätzen

Des Königs, sein Glück, sein Seelenergötzen,

Die Lust und der Stolz von Mahawasant,

Das ist sein weißer Elefant.

 

Als Wohnung für diesen erhabenen Gast

Ließ bauen der König den schönsten Palast;

Es wird das Dach, mit Goldblech beschlagen,

Von lotosknäufigen Säulen getragen.

 

Am Tore stehen dreihundert Trabanten

Als Ehrenwache des Elefanten,

Und knieend, mit gekrümmtem Rucken,

Bedienen ihn hundert schwarze Eunucken.

 

Man bringt auf einer güldnen Schüssel

Die leckersten Bissen für seinen Rüssel;

Er schlürft aus silbernen Eimern den Wein,

Gewürzt mit den süßesten Spezerein.

 

Man salbt ihn mit Ambra und Rosenessenzen,

Man schmückt sein Haupt mit Blumenkränzen;

Als Fußdecke dienen dem edlen Tier

Die kostbarsten Schals aus Kaschimir.

 

Das glücklichste Leben ist ihm beschieden,

Doch Niemand auf Erden ist zufrieden.

Das edle Tier, man weiß nicht wie,

Versinkt in tiefe Melancholie.

 

Der weiße Melancholikus

Steht traurig mitten im Überfluss.

Man will ihn ermuntern, man will ihn erheitern,

Jedoch die klügsten Versuche scheitern.

 

Vergebens kommen mit Springen und Singen

Die Bajaderen; vergebens erklingen

Die Zinken und Pauken der Musikanten,

Doch nichts erlustigt den Elefanten.

 

Da täglich sich der Zustand verschlimmert,

Wird Mahawasantes Herz bekümmert;

Er lässt vor seines Thrones Stufen

Den klügsten Astrologen rufen.

 

»Sterngucker, ich lass dir das Haupt abschlagen«,

Herrscht er ihn an, »kannst du mir nicht sagen,

Was meinem Elefanten fehle,

Warum so verdüstert seine Seele?«

 

Doch jener wirft sich dreimal zur Erde,

Und endlich spricht er mit ernster Gebärde:

»O König, ich will dir die Wahrheit verkünden,

Du kannst dann handeln nach Gutbefinden.

 

»Es lebt im Norden ein schönes Weib

Von hohem Wuchs und weißem Leib,

Dein Elefant ist herrlich, unleugbar,

Doch ist er nicht mit ihr vergleichbar.

 

»Mit ihr verglichen, erscheint er nur

Ein weißes Mäuschen. Es mahnt die Statur

An Bimha, die Riesin, im Ramajana,

Und an der Epheser große Diana.

 

»Wie sich die Gliedermaßen wölben

Zum schönsten Bau! Es tragen dieselben

Anmutig und stolz zwei hohe Pilaster

Von blendend weißem Alabaster.

 

»Das ist Gott Amors kolossale

Domkirche, der Liebe Kathedrale;

Als Lampe brennt im Tabernakel

Ein Herz, das ohne Falsch und Makel.

 

»Die Dichter jagen vergebens nach Bildern,

Um ihre weiße Haut zu schildern;

Selbst Gautier ist dessen nicht kapabel, -

O diese Weiße ist implacable!

 

»Des Himalaya Gipfelschnee

Erscheint aschgrau in ihrer Näh;

Die Lilje, die ihre Hand erfasst,

Vergilbt durch Eifersucht oder Kontrast.

 

»Gräfin Bianka ist der Name

Von dieser großen weißen Dame;

Sie wohnt zu Paris im Frankenland,

Und diese liebt der Elefant.

 

»Durch wunderbare Wahlverwandtschaft,

Im Traume machte er ihre Bekanntschaft,

Und träumend in sein Herze stahl

Sich dieses hohe Ideal.

 

»Sehnsucht verzehrt ihn seit jener Stund,

Und er, der vormals so froh und gesund,

Er ist ein vierfüßiger Werther geworden,

Und träumt von einer Lotte im Norden.

 

»Geheimnisvolle Sympathie!

Er sah sie nie und denkt an sie.

Er trampelt oft im Mondschein umher

Und seufzet: wenn ich ein Vöglein wär!

 

»In Siam ist nur der Leib, die Gedanken

Sind bei Bianka im Lande der Franken;

Doch diese Trennung von Leib und Seele

Schwächt sehr den Magen, vertrocknet die Kehle.

 

»Die leckersten Braten widern ihn an,

Er liebt nur Dampfnudeln und Ossian,

Er hüstelt schon, er magert ab,

Die Sehnsucht schaufelt sein frühes Grab.

 

»Willst du ihn retten, erhalten sein Leben,

Der Säugetierwelt ihn wiedergeben,

O König, so schicke den hohen Kranken

Direkt nach Paris, der Hauptstadt der Franken.

 

»Wenn ihn alldort in der Wirklichkeit

Der Anblick der schönen Frau erfreut,

Die seiner Träume Urbild gewesen,

Dann wird er von seinem Trübsinn genesen.

 

»Wo seiner Schönen Augen strahlen,

Da schwinden seiner Seele Qualen;

Ihr Lächeln verscheucht die letzten Schatten,

Die hier sich eingenistet hatten;

 

»Und ihre Stimme, wie'n Zauberlied,

Löst sie den Zwiespalt in seinem Gemüt;

Froh hebt er wieder die Lappen der Ohren,

Er fühlt sich verjüngt, wie neugeboren.

 

»Es lebt sich so lieblich, es lebt sich so süß

Am Seinestrand, in der Stadt Paris!

Wie wird sich dorten zivilisieren

Dein Elefant und amüsieren!

 

»Vor allem aber, o König, lasse

Ihm reichlich füllen die Reisekasse,

Und gib ihm einen Kreditbrief mit

Auf Rothschild frères in der rue Lafitte.

 

»Ja, einen Kreditbrief von einer Million

Dukaten etwa; - der Herr Baron

Von Rothschild sagt von ihm alsdann:

Der Elefant ist ein braver Mann!«

 

So sprach der Astrolog, und wieder

Warf er sich dreimal zur Erde nieder.

Der König entließ ihn mit reichen Geschenken,

Und streckte sich aus, um nachzudenken.

 

Er dachte hin, er dachte her;

Das Denken wird den Königen schwer.

Sein Affe sich zu ihm niedersetzt,

Und beide schlafen ein zuletzt.

 

Was er beschlossen, das kann ich erzählen

Erst später; die indischen Mall'posten fehlen.

Die letzte, welche uns zugekommen,

Die hat den Weg über Suez genommen.

 

 

 

Schelm von Bergen

 

Im Schloß zu Düsseldorf am Rhein

wird Mummenschanz gehalten;

Da flimmern die Kerzen, da rauscht die Musik,

Da tanzen die bunten Gestalten.

 

Da tanzt die schöne Herzogin,

Sie lacht laut auf beständig;

Ihr Tänzer ist ein schlanker Fant,

Gar höfisch und behändig.

 

Er trägt eine Maske von schwarzem Samt,

Daraus gar freudig blicket

Ein Auge, wie ein blanker Dolch,

Halb aus der Scheide gezücket.

 

Es jubelt die Fastnachtsgeckenschar,

Wenn jene vorüberwalzen.

Der Drickes und die Marizzebill

Grüßen mit Schnarren und Schnalzen.

 

Und die Trompeten schmettern drein,

Der närrische Brummbass brummet,

Bis endlich der Tanz ein Ende nimmt

Und die Musik verstummet.

 

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Ich muß nach Hause gehen -«

Die Herzogin lacht: Ich laß dich nicht fort,

Bevor ich dein Antlitz gesehen.

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Mein Anblick bringt Schrecken und Grauen -«

Die Herzogin lacht: Ich fürchte mich nicht,

Ich will dein Antlitz schauen.

 

»Durchlauchtigste Frau, gebt Urlaub mir,

Der Nacht und dem Tode gehör ich -«

Die Herzogin lacht: Ich lasse dich nicht,

Dein Antlitz zu schauen begehr ich.

 

Wohl sträubt sich der Mann mit finsterm Wort,

Das Weib nicht zähmen kunnt er;

Sie riss zuletzt ihm mit Gewalt

Die Maske vom Antlitz herunter.

 

Das ist der Scharfrichter von Bergen! so schreit

Entsetzt die Menge im Saale

Und weichet scheusam - die Herzogin

Stürzt fort zu ihrem Gemahle.

 

Der Herzog ist klug, er tilgte die Schmach

Der Gattin auf der Stelle.

Er zog sein blankes Schwert und sprach:

Knie vor mir nieder, Geselle!

 

Mit diesem Schwertschlag mach ich dich

Jetzt ehrlich und ritterzünftig,

Und weil du ein Schelm, so nenne dich

Herr Schelm von Bergen künftig.

 

So ward der Henker ein Edelmann

Und Ahnherr der Schelme von Bergen.

Ein stolzes Geschlecht! es blühte am Rhein.

Jetzt schläft es in steinernen Särgen.

 

 

Valkyren

 

Unten Schlacht. Doch oben schossen

Durch die Luft auf Wolkenrossen

Drei Valkyren, und es klang

Schilderklirrend ihr Gesang:

 

Fürsten hadern, Völker streiten,

Jeder will die Macht erbeuten;

Herrschaft ist das höchste Gut,

Höchste Tugend ist der Mut.

 

Heisa! vor dem Tod beschützen

Keine stolzen Eisenmützen,

Und das Heldenblut zerrinnt

Und der schlechtre Mann gewinnt.

 

Lorbeerkränze, Siegesbogen!

Morgen kommt er eingezogen,

Der den Bessern überwand

Und gewonnen Leut und Land.

 

Bürgermeister und Senator

Holen ein den Triumphator,

Tragen ihm die Schlüssel vor,

Und der Zug geht durch das Tor.

 

Hei! da böllerts von den Wällen,

Zinken und Trompeten gellen,

Glockenklang erfüllt die Luft,

Und der Pöbel Vivat! ruft.

Lächelnd stehen auf Balkonen

Schöne Fraun, und Blumenkronen

Werfen sie dem Sieger zu.

Dieser grüßt mit stolzer Ruh.

Schlachtfeld bei Hastings

 

Der Abt von Waltham seufzte tief,

Als er die Kunde vernommen,

Daß König Harold elendiglich

Bei Hastings umgekommen.

 

Zwei Mönche, Asgod und Ailrik genannt,

Die schickt' er aus als Boten,

Sie sollten suchen die Leiche Harolds

Bei Hastings unter den Toten.

 

Die Mönche gingen traurig fort

Und kehrten traurig zurücke:

»Hochwürdiger Vater, die Welt ist uns gram,

Wir sind verlassen vom Glücke.

 

»Gefallen ist der bessre Mann,

Es siegte der Bankert, der schlechte,

Gewappnete Diebe verteilen das Land

Und machen den Freiling zum Knechte.

 

»Der lausigste Lump aus der Normandie

Wird Lord auf der Insel der Britten;

Ich sah einen Schneider aus Bayeux, er kam

Mit goldnen Sporen geritten.

 

»Weh dem, der jetzt ein Sachse ist!

Ihr Sachsenheilige droben

Im Himmelreich, nehmt euch in Acht,

Ihr seid der Schmach nicht enthoben.

»Jetzt wissen wir, was bedeutet hat

Der große Komet, der heuer

Blutrot am nächtlichen Himmel ritt

Auf einem Besen von Feuer.

 

»Bei Hastings in Erfüllung ging

Des Unsterns böses Zeichen,

Wir waren auf dem Schlachtfeld dort

Und suchten unter den Leichen.

 

»Wir suchten hin, wir suchten her,

Bis alle Hoffnung verschwunden

Den Leichnam des toten Königs Harold,

Wir haben ihn nicht gefunden.«

 

Asgod und Ailrik sprachen also;

Der Abt rang jammernd die Hände,

Versank in tiefe Nachdenklichkeit

Und sprach mit Seufzen am Ende:

 

»Zu Grendelfield am Bardenstein,

Just in des Waldes Mitte,

Da wohnet Edith Schwanenhals

In einer dürftgen Hütte.

 

»Man hieß sie Edith Schwanenhals,

Weil wie der Hals der Schwäne

Ihr Nacken war; der König Harold,

Er liebte die junge Schöne.

 

»Er hat sie geliebt, geküsst und geherzt,

Und endlich verlassen, vergessen.

Die Zeit verfließt; wohl sechzehn Jahr

Verflossen unterdessen.

 

»Begebt euch, Brüder, zu diesem Weib

Und lasst sie mit euch gehen

Zurück nach Hastings, der Blick des Weibs

Wird dort den König erspähen.

 

»Nach Waltham-Abtei hierher alsdann

Sollt ihr die Leiche bringen,

Damit wir christlich bestatten den Leib

Und für die Seele singen.«

 

Um Mitternacht gelangten schon

Die Boten zur Hütte im Walde:

»Erwache, Edith Schwanenhals,

Und folge uns alsbalde.

 

»Der Herzog der Normannen hat

Den Sieg davongetragen,

Und auf dem Feld bei Hastings liegt

Der König Harold erschlagen.

 

»Kommt mit nach Hastings, wir suchen dort

Den Leichnam unter den Toten,

Und bringen ihn nach Waltham-Abtei,

Wie uns der Abt geboten.«

 

Kein Wort sprach Edith Schwanenhals,

Sie schürzte sich geschwinde

Und folgte den Mönchen; ihr greisendes Haar

Das flatterte wild im Winde.

 

Es folgte barfuß das arme Weib

Durch Sümpfe und Baumgestrüppe.

Bei Tagesanbruch gewahrten sie schon

Zu Hastings die kreidige Klippe.

 

Der Nebel, der das Schlachtfeld bedeckt

Als wie ein weißes Lailich,

Zerfloss allmählig; es flatterten auf

Die Dohlen und krächzten abscheulich.

 

Viel tausend Leichen lagen dort

Erbärmlich auf blutiger Erde,

Nackt ausgeplündert, verstümmelt, zerfleischt,

Daneben die Äser der Pferde.

 

Es watete Edith Schwanenhals

Im Blute mit nackten Füßen;

Wie Pfeile aus ihrem stieren Aug

Die forschenden Blicke schießen.

 

Sie suchte hin, sie suchte her,

Oft musste sie mühsam verscheuchen

Die frassbegierige Rabenschar;

Die Mönche hinter ihr keuchen.

 

Sie suchte schon den ganzen Tag,

Es ward schon Abend - plötzlich

Bricht aus der Brust des armen Weibs

Ein gellender Schrei, entsetzlich.

 

Gefunden hat Edith Schwanenhals

Des toten Königs Leiche.

Sie sprach kein Wort, sie weinte nicht,

Sie küsste das Antlitz, das bleiche.

 

Sie küsste die Stirne, sie küsste den Mund,

Sie hielt ihn fest umschlossen;

Sie küste auf des Königs Brust

Die Wunde blutumflossen.

 

Auf seiner Schulter erblickt sie auch -

Und sie bedeckt sie mit Küssen -

Drei kleine Narben, Denkmäler der Lust,

Die sie einst hinein gebissen.

 

Die Mönche konnten mittlerweil

Baumstämme zusammenfugen;

Das war die Bahre, worauf sie alsdann

Den toten König trugen.

 

Sie trugen ihn nach Waltham-Abtei,

Dass man ihn dort begrübe;

Es folgte Edith Schwanenhals

Der Leiche ihrer Liebe.

 

Sie sang die Totenlitanein

In kindisch frommer Weise;

Das klang so schauerlich in der Nacht -

Die Mönche beteten leise. -

 

Karl I.

 

Im Wald, in der Köhlerhütte, sitzt

Trübsinnig allein der König;

Er sitzt an der Wiege des Köhlerkinds

Und wiegt und singt eintönig:

 

Eiapopeia, was raschelt im Stroh?

Es blöken im Stalle die Schafe -

Du trägst das Zeichen an der Stirn

Und lächelst so furchtbar im Schlafe.

 

Eiapopeia, das Kätzchen ist tot -

Du trägst auf der Stirne das Zeichen -

Du wirst ein Mann und schwingst das Beil,

Schon zittern im Walde die Eichen.

 

Der alte Köhlerglaube verschwand,

Es glauben die Köhlerkinder -

Eiapopeia - nicht mehr an Gott,

Und an den König noch minder.

 

Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh -

Wir müssen zu Schanden werden -

Eiapopeia - im Himmel der Gott

Und ich, der König auf Erden.

 

Mein Mut erlischt, mein Herz ist krank,

Und täglich wird es kränker -

Eiapopeia - du Köhlerkind,

Ich weiß es, du bist mein Henker.

Mein Todesgesang ist dein Wiegenlied -

Eiapopeia - die greisen

Haarlocken schneidest du ab zuvor -

Im Nacken klirrt mir das Eisen.

 

Eiapopeia, was raschelt im Stroh?

Du hast das Reich erworben,

Und schlägst mir das Haupt vom Rumpf herab -

Das Kätzchen ist gestorben.

 

Eiapopeia, was raschelt im Stroh?

Es blöken im Stalle die Schafe.

Das Kätzchen ist tot, die Mäuschen sind froh -

Schlafe, mein Henkerchen, schlafe!

 

 

Maria Antoinette

 

Wie heiter im Tuilerienschloß

Blinken die Spiegelfenster,

Und dennoch dort am hellen Tag

Gehn um die alten Gespenster.

 

Es spukt im Pavillon de Flor'

Maria Antoinette;

Sie hält dort Morgens ihr Lever

Mit strenger Etikette.

 

Geputzte Hofdamen. Die meisten stehn,

Auf Tabourets andre sitzen;

Die Kleider von Atlas und Goldbrokat,

Behängt mit Juwelen und Spitzen.

 

Die Taille ist schmal, der Reifrock bauscht,

Darunter lauschen die netten

Hochhackigen Füßchen so klug hervor -

Ach, wenn sie nur Köpfe hätten!

 

Sie haben alle keinen Kopf,

Der Königin selbst manquieret

Der Kopf, und Ihro Majestät

Ist deshalb nicht frisieret.

 

Ja, Sie, die mit turmhohem Toupet

So stolz sich konnte gebaren,

Die Tochter Maria Theresias,

Die Enkelin deutscher Cäsaren,

Sie muß jetzt spuken ohne Frisur

Und ohne Kopf, im Kreise

Von unfrisierten Edelfraun,

Die kopflos gleicherweise.

 

Das sind die Folgen der Revolution

Und ihrer fatalen Doktrine;

An Allem ist Schuld Jean Jacques Rousseau,

Voltaire und die Guillotine.

 

Doch sonderbar! es dünkt mich schier,

Als hätten die armen Geschöpfe

Gar nicht bemerkt, wie tot sie sind

Und dass sie verloren die Köpfe.

 

Ein leeres Gespreize, ganz wie sonst,

Ein abgeschmacktes Scherwenzen -

Possierlich sind und schauderhaft

Die kopflosen Reverenzen.

 

Es knixt die erste Dame d'atour

Und bringt ein Hemd von Linnen;

Die zweite reicht es der Königin,

Und beide knixen von hinnen.

 

Die dritte Dam und die vierte Dam

Knixen und niederknieen

Vor Ihrer Majestät, um Ihr

Die Strümpfe anzuziehen.

 

Ein Ehrenfräulein kommt und knixt

Und bringt das Morgenjäckchen;

Ein andres Fräulein knixt und bringt

Der Königin Unterröckchen.

 

Die Oberhofmeisterin steht dabei,

Sie fächert die Brust, die weiße,

Und in Ermanglung eines Kopfs

Lächelt sie mit dem Steiße.

 

Wohl durch die verhängten Fenster wirft

Die Sonne neugierige Blicke,

Doch wie sie gewahrt den alten Spuk,

Prallt sie erschrocken zurücke.

 

 

 

Pomare

 

I

 

Alle Liebesgötter jauchzen

Mir im Herzen, und Fanfare

Blasen sie und rufen: Heil!

Heil der Königin Pomare!

 

Jene nicht von Otahaiti -

Missionärisiert ist jene -

Die ich meine, die ist wild,

Eine ungezähmte Schöne.

 

Zweimal in der Woche zeigt sie

Öffentlich sich ihrem Volke

In dem Garten Mabill, tanzt

Dort den Cancan, auch die Polke.

 

Majestät in jedem Schritte,

Jede Beugung Huld und Gnade,

Eine Fürstin jeder Zoll

Von der Hüfte bis zur Wade -

 

Also tanzt sie - und es blasen

Liebesgötter die Fanfare

Mir im Herzen, rufen: Heil!

Heil der Königin Pomare!

 

 

II

 

Sie tanzt. Wie sie das Leibchen wiegt!

Wie jedes Glied sich zierlich biegt!

Das ist ein Flattern und ein Schwingen,

Um wahrlich aus der Haut zu springen.

 

Sie tanzt. Wenn sie sich wirbelnd dreht

Auf einem Fuß, und stille steht

Am End mit ausgestreckten Armen,

Mag Gott sich meiner Vernunft erbarmen!

 

Sie tanzt. Derselbe Tanz ist das,

Den einst die Tochter Herodias'

Getanzt vor dem Judenkönig Herodes.

Ihr Auge sprüht wie Blitze des Todes.

 

Sie tanzt mich rasend - ich werde toll -

Sprich, Weib, was ich dir schenken soll?

Du lächelst? Heda! Trabanten! Läufer!

Man schlage ab das Haupt dem Täufer!

 

II

 

Gestern noch fürs liebe Brot

Wälzte sie sich tief im Kot,

Aber heute schon mit Vieren

Fährt das stolze Weib spazieren.

 

 

In die seidnen Kissen drückt

Sie das Lockenhaupt, und blickt

Vornehm auf den großen Haufen

Derer, die zu Fuße laufen.

 

Wenn ich dich so fahren seh,