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Römische Geschichte: Mommsens berühmtestes Werk erschien von 1854 bis 1856 in drei Bänden und schilderte die Geschichte Roms bis zum Ende der römischen Republik und der Herrschaft Caesars, den Mommsen als genialen Staatsmann darstellte. Die politischen Auseinandersetzungen vor allem der späten Republik werden auch in der Terminologie mit den politischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts (Nationalstaat, Demokratie) verglichen. Das engagiert geschriebene Werk gilt als Klassiker der Geschichtsschreibung. (aus wikipedia.de) Dies ist Buch 2, bis zur Einigung Italiens. Inhalt: Einleitung Kapitel I - Die Nordgrenze Italiens Kapitel II - Spanien Kapitel III - Die gallischen Provinzen Kapitel IV - Das römische Germanien und die freien Germanen Kapitel V - Britannien Kapitel VI - Die Donauländer und die Kriege an der Donau Kapitel VII- Das griechische Europa Kapitel VIII - Kleinasien Kapitel IX - Die Euphratgrenze und die Parther Kapitel X - Syrien und das Nabatäerland Kapitel XI- Judäa und die Juden Kapitel XII - Ägypten Kapitel XIII - Die afrikanischen Provinzen
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Seitenzahl: 403
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Römische Geschichte
Theodor Mommsen
Inhalt:
Theodor Mommsen – Biografie und Bibliografie
Zweites Buch - Von der Abschaffung des römischen Königtums bis zur Einigung Italiens
Änderung der Verfassung. Beschränkung der Magistratsgewalt
Das Volkstribunat und die Dezemvirn
Die Ausgleichung der Stände und die neue Aristokratie
Sturz der etruskischen Macht. Die Kelten
Die Unterwerfung der Latiner und Kampaner unter Rom
Die Italiker gegen Rom
König Pyrrhos gegen Rom und die Einigung Italiens
Recht, Religion, Kriegswesen, Volkswirtschaft, Nationalität
Kunst und Wissenschaft
Römische Geschichte Buch 2, Theodor Mommsen
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849614928
www.jazzybee-verlag.de
Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com
Altertumsforscher und Geschichtschreiber, geb. 30. Nov. 1817 zu Garding in Schleswig, gest. 1. Nov. 1903 in Charlottenburg, studierte in Kiel Philologie und die Rechte, bereiste 1844–47 mit Unterstützung der Berliner Akademie Frankreich und Italien für archäologische Studien, redigierte 1848 in Rendsburg die »Schleswig-holsteinische Zeitung«, ward im Herbst 1848 Professor der Rechte in Leipzig, aber wegen seiner Teilnahme an der politischen Bewegung 1850 entlassen. Im Frühjahr 1852 wurde er Professor des römischen Rechts in Zürich, ging 1854 in gleicher Eigenschaft nach Breslau und erhielt, nachdem drei Bände seiner »Römischen Geschichte« erschienen waren, 1858 eine Professur der alten Geschichte in Berlin, wo er mit der Leitung des »Corpus inscriptionum latinarum« (s. Inschriften, S. 859) betraut wurde. 1873–95 war M. auch ständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften, übernahm später die Redaktion eines Teiles der »Monumenta Germaniae historica«, der »Auctores antiquissimi« und gab selbst die »Chronica minora saec. IV, V, VI, VII« (1894 ff.) heraus. Seine »Römische Geschichte«, bis 46 v. Chr. (Bd. 1–3, Leipz. 1854–55; 9. Aufl., Berl. 1902–04; Bd. 5, das. 1885; 5. Aufl. 1904; Bd. 4 ist nicht erschienen), sein mehrfach übersetztes Hauptwerk, sprach durch die Lebendigkeit der Darstellung und die Kühnheit seiner Ideen an, fand aber auch mancherlei Widerspruch wegen des oft ungerechten Urteils über hervorragende Personen der römischen Geschichte und wegen des allzu sehr hervortretenden Anklanges an moderne Verhältnisse. Außerdem sind von seinen Arbeiten hervorzuheben: »De collegiis et sodaliciis Romanorum« (Kiel 1843); »Die römischen Tribus in administrativer Beziehung« (Altona 1844); »Oskische Studien« (Berl. 1845; Nachträge, 1846); »Die unteritalischen Dialekte« (Leipz. 1850); »Corpus inscriptionum neapolitanarum« (das. 1851); »Inscriptiones confoederationis helveticae« (Zürich 1854); »Inscriptiones regni neapolitani latinae« (Leipz. 1852); »Über den Chronographen vom Jahre 354« (das. 1850); »Das Edikt Diokletians de pretiis rerum venalium vom Jahre 301« (das. 1851, Nachtrag 1852); »Die römische Chronologie bis auf Cäsar« (Berl. 1858; 2. Aufl., das. 1859); »Die Rechtsfrage zwischen Cäsar und dem Senat« (Bresl. 1857); »Geschichte des römischen Münzwesens« (das. 1860); »Römische Forschungen« (1. Bd., 2. Aufl., Berl. 1865; 2. Bd. 1879); »Die Stadtrechte der latinischen Gemeinden Salpensa und Malaca« (Leipz. 1855, mit Nachtrag); »Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.« (das. 1861); »Über die Zeitfolge der Verordnungen Diokletians und seiner Mitregenten« (Berl. 1861); »Zwei Sepulkralreden aus der Zeit Augusts und Hadrians« (das. 1864); die Ausgabe der sogen. vatikanischen Fragmente vorjustinianischen Rechts (Bonn 1861) sowie der »Res gestae divi Augusti ex monumentis Ancyrano et Apolloniensi« (Berl. 1865, 2. Aufl. 1883) und die der Pandekten (»Digesta Justiniani Augusti«, das. 1866–70, 8. Abdruck 1899); »Die Örtlichkeit der Varusschlacht« (das. 1885) u.a. Von besonderm Wert ist sein »Römisches Staatsrecht« (1. Abteil. des mit Marquardt herausgegebenen »Handbuchs der römischen Altertümer«, Bd. 1 u. 2, Leipz. 1871–76; 3. Aufl. 1887–88; Bd. 3, 1887–88); in Bindings »Systematischem Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft« erschien sein »Abriß des römischen Staatsrechts« (das. 1893) und »Römisches Strafrecht« (das. 1899). Mit Krüger und Studemund gab er heraus: »Collectio librorum juris antejustianini« (Bd. 1–3, Berl. 1877–1890), mit Studemund ferner: »Analecta Liviana« (Leipz. 1873). Endlich begann er noch mit P. Meyer eine neue Ausgabe des »Codex Theodosianus« (Bd. 1, Berl. 1905). Nicht zu vergessen ist seine dichterische Ader, die ihn schon 1843 anläßlich der schleswig-holsteinschen Frage zu patriotischen Gesängen begeisterte; noch 1879 ließ er mit Ulrich v. Wilamowitz-Möllendorf zehn Gedichte Carduccis in deutscher Übertragung drucken. Nach seinem Tod erschienen Mommsens »Reden und Aufsätze« (Berl. 1905) und »Gesammelte Schriften« (das. 1905, Bd. 1 u. 2). Als Mitglied des Abgeordnetenhauses 1873–1882, in dem er zur liberalen Partei gehörte, trat er wie Virchow als Gegner Bismarcks hervor. Beim Brande seiner Villa (12. Juli 1880) gingen kostbare Handschriften auswärtiger Bibliotheken (namentlich die »Getica« des Jordanis) zugrunde. M. war seit 1896 Ehrenbürger der Stadt Rom, seit 1897 auch von Charlottenburg. Im Vorgarten der Berliner Universität soll ihm ein Denkmal errichtet werden. Vgl. Zangemeister, Th. M. als Schriftsteller (ein Verzeichnis seiner Schriften, Heidelb. 1887; fortgesetzt von Jacobs, Berl. 1905); Bardt, Theodor M. (das. 1903); Hirschfeld, Gedächtnisrede auf Theodor M. (das. 1904); Gradenwitz, Th. M. (in der »Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte«; Sonderdruck, Weim. 1904).
– δεί ουκ εκπλήττειν τόν συγγράφεα τερατευόμενον διά τής ιστορίας τούς εντυγχάνοντας.
– der Historiker soll seine Leser nicht durch Schauergeschichten in Erschütterung versetzen.
(Polybios)
1. Kapitel
Der strenge Begriff der Einheit und Allgewalt der Gemeinde in allen Gemeindeangelegenheiten, dieser Schwerpunkt der italischen Verfassungen, legte in die Hände des einzigen, auf Lebenszeit ernannten Vorstehers eine furchtbare Gewalt, die wohl der Landesfeind empfand, aber nicht minder schwer der Bürger. Mißbrauch und Druck konnte nicht ausbleiben, und hiervon die notwendige Folge waren Bestrebungen, jene Gewalt zu mindern. Aber das ist das Großartige in diesen römischen Reformversuchen und Revolutionen, daß man nie unternimmt, weder die Gemeinde als solche zu beschränken noch auch nur sie entsprechender Organe zu berauben, daß nie die sogenannten natürlichen Rechte des einzelnen gegen die Gemeinde geltend gemacht werden, sondern daß der ganze Sturm sich richtet gegen die Form der Gemeindevertretung. Nicht Begrenzung der Staats-, sondern Begrenzung der Beamtenmacht ist der Ruf der römischen Fortschrittspartei von den Zeiten der Tarquinier bis auf die der Gracchen; und auch dabei vergißt man nie, daß das Volk nicht regieren, sondern regiert werden soll.
Dieser Kampf bewegt sich innerhalb der Bürgerschaft. Ihm zur Seite entwickelt sich eine andere Bewegung: der Ruf der Nichtbürger um politische Gleichberechtigung. Dahin gehören die Agitationen der Plebejer, der Latiner, der Italiker, der Freigelassenen, welche alle, mochten sie Bürger genannt werden, wie die Plebejer und die Freigelassenen, oder nicht, wie die Latiner und die Italiker, politische Gleichheit entbehrten und begehrten.
Ein dritter Gegensatz ist noch allgemeinerer Art: der der Vermögenden und der Armen, insbesondere der aus dem Besitz gedrängten oder in demselben gefährdeten Besitzer. Die rechtlichen und politischen Verhältnisse Roms veranlaßten die Entstehung zahlreicher Bauernwirtschaften teils kleiner Eigentümer, die von der Gnade des Kapital-, teils kleiner Zeitpächter, die von der Gnade des Grundherrn abhingen, und beraubten vielfach einzelne wie ganze Gemeinden des Grundbesitzes, ohne die persönliche Freiheit anzugreifen. Dadurch ward das ackerbauende Proletariat schon so früh mächtig, daß es wesentlich in die Schicksale der Gemeinde eingreifen konnte. Das städtische Proletariat gewann erst in weit späterer Zeit politische Bedeutung.
In diesen Gegensätzen bewegte sich die innere Geschichte Roms und vermutlich nicht minder die uns gänzlich verlorene der übrigen italischen Gemeinden. Die politische Bewegung innerhalb der vollberechtigten Bürgerschaft, der Krieg der Ausgeschlossenen und der Ausschließenden, die sozialen Konflikte der Besitzenden und der Besitzlosen, so mannigfaltig sie sich durchkreuzen und ineinanderschlingen und oft seltsame Allianzen herbeiführen, sind dennoch wesentlich und von Grund aus verschieden.
Da die Servianische Reform, welche den Insassen in militärischer Hinsicht dem Bürger gleichstellte, mehr aus administrativen Rücksichten als aus einer politischen Parteitendenz hervorgegangen zu sein scheint, so darf als der erste dieser Gegensätze, der zu inneren Krisen und Verfassungsänderungen führte, derjenige betrachtet werden, der auf die Beschränkung der Magistratur hinarbeitet. Der früheste Erfolg dieser ältesten römischen Opposition besteht in der Abschaffung der Lebenslänglichkeit der Gemeindevorsteherschaft, das heißt in der Abschaffung des Königtums. Wie notwendig diese in der natürlichen Entwicklung der Dinge lag, dafür ist der schlagendste Beweis, daß dieselbe Verfassungsänderung in dem ganzen Kreise der italisch-griechischen Welt in analoger Weise vor sich gegangen ist. Nicht bloß in Rom, sondern gerade ebenso bei den übrigen Latinern sowie bei den Sabellern, Etruskern und Apulern, überhaupt in sämtlichen italischen Gemeinden finden wir, wie in den griechischen, in späterer Zeit die alten lebenslänglichen durch Jahresherrscher ersetzt. Für den lucanischen Gau ist es bezeugt, daß er im Frieden sich demokratisch regierte und nur für den Krieg die Magistrate einen König, das heißt einen dem römischen Diktator ähnlichen Beamten bestellten; die sabellischen Stadtgemeinden, zum Beispiel die von Capua und Pompeii, gehorchten gleichfalls späterhin einem jährlich wechselnden "Gemeindebesorger" (medix tuticus), und ähnliche Institutionen mögen wir auch bei den übrigen Volks- und Stadtgemeinden Italiens voraussetzen. Es bedarf hiernach keiner Erklärung, aus welchen Gründen in Rom die Konsuln an die Stelle der Könige getreten sind; der Organismus der alten griechischen und italischen Politie entwickelt vielmehr die Beschränkung der lebenslänglichen Gemeindevorstandschaft auf eine kürzere, meistenteils jährige Frist mit einer gewissen Naturnotwendigkeit aus sich selber. So einfach indes die Ursache dieser Veränderung ist, so mannigfaltig konnten die Anlässe sein; man mochte nach dem Tode des lebenslänglichen Herrn beschließen keinen solchen wieder zu erwählen, wie nach Romulus' Tode der römische Senat versucht haben soll; oder der Herr mochte freiwillig abdanken, was angeblich König Servius Tullius beabsichtigt hat; oder das Volk mochte gegen einen tyrannischen Regenten aufstehen und ihn vertreiben, wie dies das Ende des römischen Königtums war. Denn mag die Geschichte der Vertreibung des letzten Tarquinius, "des Übermütigen", auch noch so sehr in Anekdoten ein- und zur Novelle ausgesponnen sein, so ist doch an den Grundzügen nicht zu zweifeln. Daß der König es unterließ den Senat zu befragen und zu ergänzen, daß er Todesurteile und Konfiskationen ohne Zuziehung von Ratmännern aussprach, daß er in seinen Speichern ungeheure Kornvorräte aufhäufte und den Bürgern Kriegsarbeit und Handdienste über die Gebühr ansann, bezeichnet die Überlieferung in glaublicher Weise als die Ursachen der Empörung; von der Erbitterung des Volkes zeugt das förmliche Gelöbnis, das dasselbe Mann für Mann für sich und seine Nachkommen ablegte, fortan keinen König mehr zu dulden, und der blinde Haß, der seitdem an den Namen des Königs sich anknüpfte, vor allem aber die Verfügung, daß der "Opferkönig", den man kreieren zu müssen glaubte, damit nicht die Götter den gewohnten Vermittler vermißten, kein weiteres Amt solle bekleiden können und also dieser zwar der erste, aber auch der ohnmächtigste Mann im römischen Gemeindewesen ward. Mit dem letzten König wurde sein ganzes Geschlecht verbannt – ein Beweis, welche Geschlossenheit damals noch die gentilizischen Verbindungen hatten. Die Tarquinier siedelten darauf über nach Caere, vielleicht ihrer alten Heimat, wo ihr Geschlechtsgrab kürzlich aufgedeckt worden ist. An die Stelle aber des einen lebenslänglichen traten zwei jährige Herrscher an die Spitze der römischen Gemeinde.
Dies ist alles, was historisch über dies wichtige Ereignis als sicher angesehen werden kann. Daß in einer großen weitherrschenden Gemeinde, wie die römische war, die königliche Gewalt, namentlich wenn sie durch mehrere Generationen bei demselben Geschlechte gewesen, widerstandsfähiger und der Kampf also lebhafter war als in den kleineren Staaten, ist begreiflich; aber auf eine Einmischung auswärtiger Staaten in denselben deutet keine sichere Spur. Der große Krieg mit Etrurien, der übrigens wohl nur durch chronologische Verwirrung in den römischen Jahrbüchern so nahe an die Vertreibung der Tarquinier gerückt ist, kann nicht als eine Intervention Etruriens zu Gunsten eines in Rom beeinträchtigten Landsmannes angesehen werden, aus dem sehr zureichenden Grunde, daß die Etrusker trotz des vollständigen Sieges doch weder das römische Königtum wiederhergestellt noch auch nur die Tarquinier zurückgeführt haben.
Sind wir über den historischen Zusammenhang dieses wichtigen Ereignisses im Dunkeln, so liegt dagegen zum Glück klar vor, worin die Verfassungsänderung bestand. Die Königsgewalt ward keineswegs abgeschafft, wie schon das beweist, daß in der Vakanz nach wie vor der "Zwischenkönig" eintrat; es traten nur an die Stelle des einen lebenslänglichen zwei Jahreskönige, die sich Feldherren (praetores) oder Richter (iudices) oder auch bloß Kollegen (consules) nannten. Es sind die Prinzipien der Kollegialität und der Annuität, die die Republik und das Königtum unterscheiden und die hier zuerst uns entgegentreten.
Dasjenige der Kollegialität, dem der dritte späterhin gangbarste Name der Jahreskönige entlehnt war, erscheint hier in einer ganz eigentümlichen Gestalt. Nicht den beiden Beamten zusammen ward die höchste Macht übertragen, sondern es hatte und übte sie jeder Konsul für sich so voll und ganz, wie der König sie gehabt und geübt hatte. Es geht dies so weit, daß von den beiden Kollegen nicht etwa der eine die Rechtspflege, der andere den Heerbefehl übernahm, sondern sie ebenso gleichzeitig in der Stadt Recht sprachen wie zusammen zum Heere abgingen; im Falle der Kollision entschied ein nach Monaten oder Tagen bemessener Turnus. Allerdings konnte daneben, wenigstens im militärischen Oberbefehl, eine gewisse Kompetenzteilung wohl von Anfang an stattfinden, beispielsweise der eine Konsul gegen die Aequer, der andere gegen die Volsker ausrücken; aber sie hatte in keiner Weise bindende Kraft und jedem der Kollegen stand es rechtlich frei, in den Amtskreis des andern zu jeder Zeit überzugreifen. Wo also die höchste Gewalt der höchsten Gewalt entgegentrat und der eine Kollege das verbot, was der andere befahl, hoben die konsularischen Machtworte einander auf. Diese eigentümlich wenn nicht römische, so doch latinische Institution konkurrierender höchster Gewalt, die im römischen Gemeinwesen sich im ganzen genommen praktisch bewährt hat, zu der es aber schwer sein wird, in einem andern größeren Staat eine Parallele zu finden, ist offenbar hervorgegangen aus dem Bestreben, die königliche Macht in rechtlich ungeschmälerter Fülle festzuhalten und darum das Königsamt nicht etwa zu teilen oder von einem Individuum auf ein Kollegium zu übertragen, sondern lediglich es zu verdoppeln und damit, wo es nötig war, es durch sich selber zu vernichten.
Für die Befristung gab das ältere fünftägige Zwischenkönigtum einen rechtlichen Anhalt. Die ordentlichen Gemeindevorsteher wurden verpflichtet, nicht länger als ein Jahr, von dem Tage ihres Amtsantritts an gerechnet, im Amte zu bleiben und hörten, wie der Interrex mit Ablauf der fünf Tage, so mit Ablauf des Jahres vor. Rechts wegen auf, Beamte zu sein. Durch diese Befristung des höchsten Amtes ging die tatsächliche Unverantwortlichkeit des Königs für den Konsul verloren. Zwar hatte auch der König von jeher in dem römischen Gemeinwesen unter, nicht über dem Gesetz gestanden; allein da nach römischer Auffassung der höchste Richter nicht bei sich selbst belangt werden durfte, hatte er wohl ein Verbrechen begehen können, aber ein Gericht und eine Strafe gab es für ihn nicht. Den Konsul dagegen schützte, wenn er Mord oder Landesverrat beging, sein Amt auch, aber nur, solange es währte; nach seinem Rücktritt unterlag er dem gewöhnlichen Strafgericht wie jeder andere Bürger.
Zu diesen hauptsächlichen und prinzipiellen Änderungen kamen andere untergeordnete und mehr äußerliche, aber doch auch teilweise tief eingreifende Beschränkungen hinzu. Das Recht des Königs, seine Äcker durch Bürgerfronden zu bestellen, und das besondere Schutzverhältnis, in welchem die Insassenschaft zu dem König gestanden haben muß, fielen mit der Lebenslänglichkeit des Amtes von selber.
Hatte ferner im Kriminalprozeß sowie bei Bußen und Leibesstrafen bisher dem König nicht bloß Untersuchung und Entscheidung der Sache zugestanden, sondern auch die Entscheidung darüber, ob der Verurteilte den Gnadenweg betreten dürfe oder nicht, so bestimmte jetzt das Valerische Gesetz (Jahr 245 Roms 500), daß der Konsul der Provokation des Verurteilten stattgeben müsse, wenn auf Todes- oder Leibesstrafe nicht nach Kriegsrecht erkannt war; was durch ein späteres Gesetz (unbestimmter Zeit, aber vor dem Jahre 303 451 erlassen) auf schwere Vermögensbußen ausgedehnt ward. Zum Zeichen dessen legten die konsularischen Liktoren, wo der Konsul als Richter, nicht als Feldherr auftrat, die Beile ab, die sie bisher kraft des ihrem Herrn zustehenden Blutbannes geführt hatten. Indes drohte dem Beamten, der der Provokation nicht ihren Lauf ließ, das Gesetz nichts anderes als die Infamie, die nach damaligen Verhältnissen im wesentlichen nichts war als ein sittlicher Makel und höchstens zur Folge hatte, daß das Zeugnis des Ehrlosen nicht mehr galt. Auch hier liegt dieselbe Anschauung zu Grunde, daß es rechtlich unmöglich ist, die alte Königsgewalt zu schmälern und die infolge der Revolution dem Inhaber der höchsten Gemeindegewalt gesetzten Schranken streng genommen nur einen tatsächlichen und sittlichen Wert haben. Wenn also der Konsul innerhalb der alten königlichen Kompetenz handelt, so kann er damit wohl ein Unrecht, aber kein Verbrechen begehen und unterliegt also deswegen dem Strafrichter nicht.
Eine in der Tendenz ähnliche Beschränkung fand statt in der Zivilgerichtsbarkeit; denn wahrscheinlich wurde den Konsuln gleich mit ihrem Eintritt das Recht genommen, einen Rechtshandel unter Privaten nach ihrem Ermessen zu entscheiden.
Die Umgestaltung des Kriminal- wie des Zivilprozesses stand in Verbindung mit einer allgemeinen Anordnung hinsichtlich der Übertragung der Amtsgewalt auf Stellvertreter oder Nachfolger. Hatte dem König die Ernennung von Stellvertretern unbeschränkt frei, aber nie für ihn ein Zwang dazu bestanden, so haben die Konsuln das Recht der Gewaltübertragung in wesentlich anderer Weise geübt. Zwar die Regel, daß wenn der höchste Beamte die Stadt verließ, er für die Rechtspflege daselbst einen Vogt zu bestellen habe, blieb auch für die Konsuln in Kraft, und nicht einmal die Kollegialität ward auf die Stellvertretung erstreckt, vielmehr diese Bestellung demjenigen Konsul auferlegt, welcher zuletzt die Stadt verließ. Aber das Mandierungsrecht für die Zeit, wo die Konsuln in der Stadt verweilten, wurde wahrscheinlich gleich bei der Einführung dieses Amtes dadurch beschränkt, daß dem Konsul das Mandieren für bestimmte Fälle vorgeschrieben, für alle Fälle dagegen, wo dies nicht geschehen war, untersagt ward. Nach diesem Grundsatz ward, wie gesagt, das gesamte Gerichtswesen geordnet. Der Konsul konnte allerdings die Kriminalgerichtsbarkeit auch im Kapitalprozeß in der Weise ausüben, daß er seinen Spruch der Gemeinde vorlegte und diese ihn dann bestätigte oder verwarf; aber er hat dies Recht, soviel wir sehen, nie geübt, vielleicht bald nicht mehr üben dürfen und vielleicht nur da ein Kriminalurteil gefällt, wo aus irgendeinem Grunde die Berufung an die Gemeinde ausgeschlossen war. Man vermied den unmittelbaren Konflikt zwischen dem höchsten Gemeindebeamten und der Gemeinde selbst und ordnete den Kriminalprozeß vielmehr in der Weise, daß das höchste Gemeindeamt nur der Idee nach kompetent blieb, aber immer handelte durch notwendige, wenn auch von ihm bestellte Vertreter. Es sind dies die beiden nicht ständigen Urteilsprecher für Empörung und Hochverrat (duoviri perduellionis) und die zwei ständigen Mordspürer, die quaestores parricidii. Ähnliches mag vielleicht in der Königszeit da vorgekommen sein, wo der König sich in solchen Prozessen vertreten ließ; aber die Ständigkeit der letzteren Institution und das in beiden durchgeführte Kollegialitätsprinzip gehören auf jeden Fall der Republik an. Die letztere Einrichtung ist auch insofern von großer Wichtigkeit geworden, als damit zum erstenmal neben die zwei ständigen Oberbeamten zwei Gehilfen traten, die jeder Oberbeamte bei seinem Amtsantritt ernannte und die folgerecht auch bei seinem Rücktritt mit ihm abtraten, deren Stellung also wie das Oberamt selbst nach den Prinzipien der Ständigkeit, der Kollegialität und der Annuität geordnet war. Es ist das zwar noch nicht die niedere Magistratur selbst, wenigstens nicht in dem Sinne, den die Republik mit der magistratischen Stellung verbindet, insofern die Kommissarien nicht aus der Wahl der Gemeinde hervorgehen; wohl aber ist dies der Ausgangspunkt der später so mannigfaltig entwickelten Institution der Unterbeamten geworden.
In ähnlichem Sinne wurde die Entscheidung im Zivilprozeß dem Oberamt entzogen, indem das Recht des Königs, einen einzelnen Prozeß zur Entscheidung einem Stellvertreter zu übertragen, umgewandelt ward in die Pflicht des Konsuls, nach Feststellung der Parteilegitimation und des Gegenstandes der Klage dieselbe zur Erledigung an einen von ihm auszuwählenden und von ihm zu instruierenden Privatmann zu verweisen.
In gleicher Weise wurde den Konsuln die wichtige Verwaltung des Staatsschatzes und des Staatsarchivs zwar gelassen, aber doch wahrscheinlich sofort, mindestens sehr früh, ihnen dabei ständige Gehilfen und zwar eben jene Quästoren zugeordnet, welche ihnen freilich in dieser Tätigkeit unbedingt zu gehorchen hatten, ohne deren Vorwissen und Mitwirkung aber doch die Konsuln nicht handeln konnten. Wo dagegen solche Vorschriften nicht bestanden, mußte der Gemeindevorstand in der Hauptstadt persönlich eingreifen; wie denn zum Beispiel bei der Einleitung des Prozesses er sich unter keinen Umständen vertreten lassen kann.
Diese zwiefache Fesselung des konsularischen Mandierungsrechts bestand für das städtische Regiment, zunächst für die Rechtspflege und die Kassenverwaltung. Als Oberfeldherr behielt der Konsul dagegen das Übertragungsrecht aller oder einzelner ihm obliegender Geschäfte. Diese verschiedene Behandlung der bürgerlichen und der militärischen Gewaltübertragung ist die Ursache geworden, weshalb innerhalb des eigentlichen römischen Gemeinderegiments durchaus keine stellvertretende Amtsgewalt (pro magistratu) möglich ist und rein städtische Beamte nie durch Nichtbeamte ersetzt, die militärischen Stellvertreter aber (pro consule, pro praetore, pro quaestore) von aller Tätigkeit innerhalb der eigentlichen Gemeinde ausgeschlossen werden.
Das Recht, den Nachfolger zu ernennen, hatte der König nicht gehabt, sondern nur der Zwischenkönig. Der Konsul wurde in dieser Hinsicht dem letzten gleichgestellt; für den Fall jedoch, daß er es nicht ausgeübt hatte, trat nach wie vor der Zwischenkönig ein, und die notwendige Kontinuität des Amtes bestand auch in dem republikanischen Regiment ungeschmälert fort. Indes wurde das Ernennungsrecht wesentlich eingeschränkt zu Gunsten der Bürgerschaft, indem der Konsul verpflichtet ward, für die von ihm bezeichneten Nachfolger die Zustimmung der Gemeinde zu erwirken, weiterhin nur diejenigen zu ernennen, die die Gemeinde ihm bezeichnete. Durch dieses bindende Vorschlagsrecht ging wohl in gewissem Sinne die Ernennung der ordentlichen höchsten Beamten materiell auf die Gemeinde über; doch bestand auch praktisch noch ein sehr bedeutender Unterschied zwischen jenem Vorschlags- und dem förmlichen Ernennungsrecht. Der wahlleitende Konsul war durchaus nicht bloßer Wahlvorstand, sondern konnte immer noch, kraft seines alten königlichen Rechts, zum Beispiel einzelne Kandidaten zurückweisen und die auf sie fallenden Stimmen unbeachtet lassen, anfangs auch noch die Wahl auf eine von ihm entworfene Kandidatenliste beschränken; und was noch wichtiger war, wenn das Konsulkollegium durch den gleich zu erwähnenden Diktator zu ergänzen war, wurde bei dieser Ergänzung die Gemeinde nicht befragt, sondern der Konsul bestellte in dem Fall mit derselben Freiheit den Kollegen, wie einst der Zwischenkönig den König bestellt hatte.
Die Priesterernennung, die den Königen zugestanden hatte, ging nicht über auf die Konsuln, sondern es trat dafür bei den Männerkollegien die Selbstergänzung, bei den Vestalinnen und den Einzelpriestern die Ernennung durch das Pontifikalkollegium ein, an welches auch die Ausübung der gleichsam hausherrlichen Gerichtsbarkeit der Gemeinde über die Priesterinnen der Vesta kam. Um diese füglich nicht anders als von einem einzelnen vorzunehmenden Handlungen vollziehen zu können, setzte das Kollegium sich, vermutlich erst um diese Zeit, einen Vorstand, den Pontifex maximus. Diese Abtrennung der sakralen Obergewalt von der bürgerlichen, während auf den schon erwähnten "Opferkönig" weder die bürgerliche noch die sakrale Macht des Königtums, sondern lediglich der Titel überging, sowie die aus dem sonstigen Charakter des römischen Priestertums entschieden heraustretende, halb magistratische Stellung des neuen Oberpriesters ist eine der bezeichnendsten und folgenreichsten Eigentümlichkeiten dieser auf Beschränkung der Beamtengewalt hauptsächlich im aristokratischen Interesse hinzielenden Staatsumwälzung.
Daß auch im äußeren Auftreten der Konsul weit zurückstand hinter dem mit Ehrfurcht und Schrecken umgebenen königlichen Amte, daß der Königsname und die priesterliche Weihe ihm entzogen, seinen Dienern das Beil genommen wurde, ist schon gesagt worden; es kommt hinzu, daß der Konsul statt des königlichen Purpurkleides nur durch den Purpursaum seines Obergewandes von dem gewöhnlichen Bürger sich unterschied, und daß, während der König öffentlich vielleicht regelmäßig im Wagen erschien, der Konsul der allgemeinen Ordnung sich zu fügen und gleich jedem anderen Bürger innerhalb der Stadt zu Fuß zu gehen gehalten war.
Indes, diese Beschränkungen der Amtsgewalt kamen im wesentlichen nur zur Anwendung gegen den ordentlichen Gemeindevorstand. Außerordentlicher Weise trat neben und in gewissem Sinn anstatt der beiden von der Gemeinde gewählten Vorsteher ein einziger ein, der Heermeister (magister populi), gewöhnlich bezeichnet als der dictator. Auf die Wahl zum Diktator übte die Gemeinde keinerlei Einfluß, sondern sie ging lediglich aus dem freien Entschluß eines der zeitigen Konsuln hervor, den weder der Kollege noch eine andere Behörde hieran hindern konnte; gegen ihn galt die Provokation nur wie gegen den König, wenn er freiwillig ihr wich; sowie er ernannt war, waren alle übrigen Beamten von Rechts wegen ihm untertan. Dagegen war der Zeit nach die Amtsdauer des Diktators zwiefach begrenzt: einmal insofern er als Amtsgenosse derjenigen Konsuln, deren einer ihn ernannt hatte, nicht über deren gesetzliche Amtszeit hinaus im Amte bleiben durfte; sodann war als absolutes Maximum der Amtsdauer dem Diktator eine sechsmonatliche Frist gesetzt. Eine der Diktatur eigentümliche Einrichtung war ferner, daß der "Heermeister" gehalten war, sich sofort einen "Reitermeister" (magister equitum) zu ernennen, welcher als abhängiger Gehilfe neben ihm, etwa wie der Quästor neben dem Konsul, fungierte und mit ihm vom Amte abtrat – eine Einrichtung, die ohne Zweifel damit zusammenhängt, daß es dem Heermeister, vermutlich als dem Führer des Fußvolkes, verfassungsmäßig untersagt war, zu Pferde zu steigen. Diesen Bestimmungen zufolge ist die Diktatur wohl aufzufassen als eine mit dem Konsulat zugleich entstandene Einrichtung, die den Zweck hatte, insbesondere für den Kriegsfall die Nachteile der geteilten Gewalt zeitweilig zu beseitigen und die königliche Gewalt vorübergehend wieder ins Leben zu rufen. Denn im Kriege vor allem mußte die Gleichberechtigung der Konsuln bedenklich erscheinen und nicht bloß bestimmte Zeugnisse, sondern vor allem die älteste Benennung des Beamten selbst und seines Gehilfen wie auch die Begrenzung auf die Dauer eines Sommerfeldzugs und der Ausschluß der Provokation sprechen für die überwiegend militärische Bestimmung der ursprünglichen Diktatur.
Im ganzen also blieben auch die Konsuln, was die Könige gewesen waren, oberste Verwalter, Richter und Feldherren, und auch in religiöser Hinsicht war es nicht der Opferkönig, der nur, damit der Name vorhanden sei, ernannt ward, sondern der Konsul, der für die Gemeinde betete und opferte und in ihrem Namen den Willen der Götter mit Hilfe der Sachverständigen erforschte. Für den Notfall hielt man sich überdies die Möglichkeit offen, die volle unumschränkte Königsgewalt ohne vorherige Befragung der Gemeinde jeden Augenblick wieder ins Leben zu rufen mit Beseitigung der durch die Kollegialität und durch die besonderen Kompetenzminderungen gezogenen Schranken. So wurde die Aufgabe, die königliche Autorität rechtlich festzuhalten und tatsächlich zu beschränken, von den namenlosen Staatsmännern, deren Werk diese Revolution war, in echt römischer Weise ebenso scharf wie einfach gelöst.
Die Gemeinde gewann also durch die Änderung der Verfassung die wichtigsten Rechte: das Recht, die Gemeindevorsteher jährlich zu bezeichnen und über Tod und Leben des Bürgers in letzter Instanz zu entscheiden. Aber es konnte das unmöglich die bisherige Gemeinde sein, der tatsächlich zum Adelstande gewordene Patriziat. Die Kraft des Volkes war bei der "Menge", welche namhafte und vermögende Leute bereits in großer Zahl in sich schloß. Daß diese Menge aus der Gemeindeversammlung ausgeschlossen war, obwohl sie die gemeinen Lasten mittrug, mochte ertragen werden, solange die Gemeindeversammlung selbst im wesentlichen nicht eingriff in den Gang der Staatsmaschine und solange die Königsgewalt eben durch ihre hohe und freie Stellung den Bürgern nicht viel weniger fürchterlich blieb als den Insassen und damit in der Nation die Rechtsgleichheit erhielt. Allein als die Gemeinde selbst zu regelmäßigen Wahlen und Entscheidungen berufen, der Vorsteher aber faktisch aus ihrem Herrn zum befristeten Auftragnehmer herabgedrückt ward, konnte dies Verhältnis nicht länger aufrecht erhalten werden; am wenigsten bei der Neugestaltung des Staates an dem Morgen einer Revolution, die nur durch Zusammenwirken der Patrizier und der Insassen hatte durchgesetzt werden können. Eine Erweiterung dieser Gemeinde war unvermeidlich; und sie ist in der umfassendsten Weise erfolgt, indem das gesamte Plebejat, das heißt sämtliche Nichtbürger, die weder Sklaven noch nach Gastrecht lebende Bürger auswärtiger Gemeinden waren, in die Bürgerschaft aufgenommen wurden. Der Kurienversammlung der Altbürger, die bis dahin rechtlich und tatsächlich die erste Autorität im Staate gewesen war, wurden ihre verfassungsmäßigen Befugnisse fast gänzlich entzogen: nur in rein formellen oder in den die Geschlechtsverhältnisse betreffenden Akten, also hinsichtlich des dem Konsul oder dem Diktator nach Antritt ihres Amtes eben wie früher dem König zu leistenden Treugelöbnisses und des für die Arrogation und das Testament erforderlichen gesetzlichen Dispenses, sollte die Kurienversammlung die bisherige Kompetenz behalten, aber in Zukunft keinen eigentlichen politischen Schluß mehr vollziehen dürfen. Bald wurden sogar die Plebejer zum Stimmrecht auch in den Kurien zugelassen, und es verlor damit die Altbürgerschaft das Recht überhaupt, zusammenzutreten und zu beschließen. Die Kurienordnung wurde insofern gleichsam entwurzelt, als sie auf der Geschlechterordnung beruhte, diese aber in ihrer Reinheit ausschließlich bei dem Altbürgertum zu finden war. Indern die Plebejer in die Kurien aufgenommen wurden, gestattete man allerdings auch ihnen rechtlich, was früher nur faktisch bei ihnen vorgekommen sein kann, sich als Familien und Geschlechter zu konstituieren, aber es ist bestimmt überliefert und auch an sich sehr begreiflich, daß nur ein Teil der Plebejer zur gentilizischen Konstituierung vorschritt und also die neue Kurienversammlung im Widerspruch mit ihrem ursprünglichen Wesen zahlreiche Mitglieder zählte, die keinem Geschlecht angehörten.
Alle politischen Befugnisse der Gemeindeversammlung, sowohl die Entscheidung auf Provokation in dem Kriminalverfahren, das ja überwiegend politischer Prozeß war, als die Ernennung der Magistrate und die Annahme oder Verwerfung der Gesetze, wurden auf das versammelte Aufgebot der Waffenpflichtigen übertragen oder ihm neu erworben, so daß die Zenturien zu den gemeinen Lasten jetzt auch die gemeinen Rechte empfingen. Damit gelangten die in der Servianischen Verfassung gegebenen geringen Anfänge, wie namentlich das dem Heer überwiesene Zustimmungsrecht bei der Erklärung eines Angriffskrieges, zu einer solchen Entwicklung, daß die Kurien durch die Zenturienversammlung völlig und auf immer verdunkelt wurden und man sich gewöhnte, das souveräne Volk in der letzteren zu erblicken. Debatte fand auch in dieser bloß dann statt, wenn der vorsitzende Beamte freiwillig selbst sprach oder andere sprechen hieß, nur daß bei der Provokation natürlich beide Teile gehört werden mußten; die einfache Majorität der Zenturien entschied.
Da in der Kurienversammlung die überhaupt Stimmberechtigten sich völlig gleichstanden, also nach Aufnahme der sämtlichen Plebejer in die Kurien man bei der ausgebildeten Demokratie angelangt sein würde, so ist es begreiflich, daß die politischen Abstimmungen den Kurien entzogen blieben; die Zenturienversammlung legte das Schwergewicht zwar nicht in die Hände der Adligen, aber doch in die der Vermögenden, und das wichtige Vorstimmrecht, welches oft tatsächlich entschied, in die der Ritter, das ist der Reichen.
Nicht in gleicher Weise wie die Gemeinde wurde der Senat durch die Reform der Verfassung betroffen. Das bisherige Kollegium der Ältesten blieb nicht bloß ausschließlich patrizisch, sondern behauptete auch seine wesentlichen Befugnisse, das Recht, den Zwischenkönig zu stellen und die von der Gemeinde gefaßten Beschlüsse als verfassungsmäßige oder verfassungswidrige zu bestätigen oder zu verwerfen. Ja, diese Befugnisse wurden durch die Reform der Verfassung noch gesteigert, indem fortan auch die Bestellung der Gemeindebeamten wie der Wahl der Gemeinde, so der Bestätigung oder Verwerfung des patrizischen Senats unterlag – nur bei der Provokation ist seine Bestätigung, soviel wir wissen, niemals eingeholt worden, da es sich hier um Begnadigung des Schuldigen handelte, und wenn diese von der souveränen Volksversammlung erteilt war, von einer etwaigen Vernichtung dieses Aktes nicht füglich die Rede sein konnte.
Indes wenngleich durch die Abschaffung des Königtums die verfassungsmäßigen Rechte des patrizischen Senats eher gemehrt als gemindert wurden, so kam doch auch, und zwar der Überlieferung zufolge sogleich mit der Abschaffung des Königtums, für diejenigen Angelegenheiten, die im Senat sonst zur Sprache kamen und die eine freiere Behandlung zuließen, eine Erweiterung des Senats auf, die auch Plebejer in denselben brachte, und die in ihren Folgen eine vollständige Umgestaltung der gesamten Körperschaft herbeigeführt hat. Seit ältester Zeit hat der Senat nicht allein und nicht vorzugsweise, aber doch auch als Staatsrat fungiert; und wenn es wahrscheinlich schon in der Königszeit nicht als verfassungswidrig angesehen ward, daß in diesem Fall auch Nichtsenatoren an der Versammlung teilnahmen, so wurde jetzt die Einrichtung getroffen, daß für dergleichen Verhandlungen dem patrizischen Senat (Patres) eine Anzahl nicht patrizischer "Eingeschriebener" (conscripti) beigegeben wurden. Eine Gleichstellung war dies freilich in keiner Weise: die Plebejer im Senat wurden nicht Senatoren, sondern blieben Mitglieder des Ritterstandes, hießen nicht "Väter", sondern waren nun auch "Eingeschriebenen und hatten kein Recht, auf das Abzeichen der senatorischen Würde, den roten Schuh. Sie blieben ferner nicht bloß unbedingt ausgeschlossen von der Ausübung der dem Senat zustehenden obrigkeitlichen Befugnisse (auctoritas), sondern sie mußten auch da, wo es sich bloß um einen Ratschlag (consilium) handelte, es sich gefallen lassen, der an die Patrizier gerichteten Umfrage schweigend beizuwohnen und nur bei dem Auseinandertreten zur Abmehrung ihre Meinung zu erkennen zu geben, "mit den Füßen zu stimmen" (pedibus in sententiam ire, pedarii), wie der stolze Adel sagte. Aber dennoch fanden die Plebejer durch die neue Verfassung ihren Weg nicht bloß auf den Markt, sondern auch in das Rathaus, und der erste und schwerste Schritt zur Gleichberechtigung war auch hier getan.
Im übrigen änderte sich in den den Senat betreffenden Ordnungen nichts Wesentliches. Unter den patrizischen Mitgliedern machte sich bald, namentlich bei der Umfrage, ein Rangunterschied dahin geltend, daß diejenigen, welche zu dem höchsten Gemeindeamt demnächst bezeichnet waren oder dasselbe bereits verwaltet hatten, vor den übrigen in der Liste verzeichnet und bei der Abstimmung gefragt wurden, und die Stellung des ersten von ihnen, des Vormanns des Rates (princeps senatus), wurde bald ein vielbeneideter Ehrenplatz. Der fungierende Konsul dagegen galt als Mitglied des Senats so wenig wie der König und seine eigene Stimme zählte darum nicht mit. Die Wahlen in den Rat, sowohl in den engeren patrizischen wie unter die bloß Eingeschriebenen, erfolgten durch die Konsuln eben wie früher durch die Könige; nur liegt es in der Sache, daß, wenn der König vielleicht auf die Vertretung der einzelnen Geschlechter im Rat noch einigermaßen Rücksicht genommen hatte, den Plebejern gegenüber, bei denen die Geschlechterordnung nur unvollkommen entwickelt war, diese Erwägung gänzlich wegfiel und somit überhaupt die Beziehung des Senats zu der Geschlechterordnung mehr und mehr in Abnahme kam. Von einer Beschränkung der wählenden Konsuln in der Weise, daß sie nicht über eine bestimmte Zahl von Plebejern in den Senat hätten aufnehmen dürfen, ist nichts bekannt; es bedurfte einer solchen Ordnung auch nicht, da die Konsuln ja selbst dem Adel angehörten. Dagegen ist wahrscheinlich von Haus aus der Konsul seiner ganzen Stellung gemäß bei der Bestellung der Senatoren tatsächlich weit weniger frei und weit mehr durch Standesmeinung und Observanz gebunden gewesen als der König. Namentlich die Regel, daß die Bekleidung des Konsulats notwendig den Eintritt in den Senat auf Lebenszeit herbeiführe, wenn, was in dieser Zeit wohl noch vorkam, der Konsul zur Zeit seiner Erwählung noch nicht Mitglied desselben war, wird sich wohl sehr früh gewohnheitsrechtlich festgestellt haben. Ebenso scheint es früh üblich geworden zu sein, die Senatorenstellen nicht sofort nach der Erledigung wieder zu besetzen, sondern bei Gelegenheit der Schatzung, also regelmäßig jedes vierte Jahr, die Liste des Senats zu revidieren und zu ergänzen; worin doch auch eine nicht unwichtige Beschränkung der mit der Auswahl betrauten Behörde enthalten war. Die Gesamtzahl der Senatoren blieb wie sie war, und zwar wurden auch die Eingeschriebenen in dieselbe eingerechnet; woraus man wohl auch auf das numerische Zusammenschwinden des Patriziats zu schließen berechtigt ist.
Es blieb, wie man sieht, in dem römischen Gemeinwesen selbst bei Umwandlung der Monarchie in die Republik soweit immer möglich beim alten; soweit eine Staatsumwälzung überhaupt konservativ sein kann, ist diese es gewesen und keines der konstitutiven Elemente des Gemeinwesens durch sie eigentlich über den Haufen geworfen worden. Es war das bezeichnend für den Charakter der gesamten Bewegung. Die Vertreibung der Tarquinier war nicht, wie die kläglichen, tief verfälschten Berichte sie darstellen, das Werk eines von Mitleid und Freiheitsenthusiasmus berauschten Volkes, sondern das Werk zweier großer, bereits im Ringen begriffener und der stetigen Fortdauer ihres Kampfes klar sich bewußter politischer Parteien, der Altbürger und der Insassen, welche, wie die englischen Tories und die Whigs im Jahre 1688, durch die gemeinsame Gefahr das Gemeinwesen in die Willkürregierung eines Herrn sich umwandeln zu sehen, auf einen Augenblick vereinigt wurden, um dann sofort wieder sich zu entzweien. Die Altbürgerschaft konnte ohne die Neubürger des Königtums sich nicht entledigen; aber die Neubürger waren bei weitem nicht mächtig genug, um jener mit einem Schlag das Heft aus den Händen zu winden. Solche Transaktionen beschränken sich notwendigerweise auf das geringste Maß gegenseitiger, durch mühsames Abdingen gewonnener Konzessionen und lassen die Zukunft entscheiden, wie das Schwergewicht der konstitutiven Elemente weiter sich stellen, wie sie ineinandergreifen oder einander entgegenwirken werden. Darum verkennt man die Tragweite der ersten römischen Revolution durchaus, wenn man in ihr bloß die unmittelbaren Neuerungen, etwa bloß eine Veränderung in der Dauer der höchsten Magistratur sieht; die mittelbaren Folgen waren auch hier bei weitem die Hauptsache und wohl gewaltiger, als selbst ihre Urheber sie ahnten.
Dies war die Zeit, wo, um es mit einem Worte zu sagen, die römische Bürgerschaft im späteren Sinne des Wortes entstand. Die Plebejer waren bisher Insassen gewesen, welche man wohl zu den Steuern und Lasten mit heranzog, die aber dennoch in den Augen des Gesetzes wesentlich nichts waren als geduldete Fremdlinge und deren Kreis gegen die eigentlichen Ausländer scharf abzustecken kaum nötig scheinen mochte. Jetzt wurden sie als wehrpflichtige Bürger in die Listen eingeschrieben; und wenn sie auch der Rechtsgleichheit noch fern standen, immer noch die Altbürger zu den dem Rat der Alten verfassungsmäßig zustehenden Autoritätshandlungen ausschließlich befugt und zu den bürgerlichen Ämtern und Priestertümern ausschließlich wählbar, ja sogar der bürgerlichen Nutzungen, zum Beispiel des Anteils an der Gemeinweide, vorzugsweise teilhaft blieben, so war doch der erste und schwerste Schritt zur völligen Ausgleichung geschehen, seit die Plebejer nicht bloß im Gemeindeaufgebot dienten, sondern auch in der Gemeindeversammlung und im Gemeinderat bei dessen gutachtlicher Befragung stimmten und Haupt und Rücken auch des ärmsten Insassen so gut wie des vornehmsten Altbürgers geschützt ward durch das Provokationsrecht.
Eine Folge dieser Verschmelzung der Patrizier und Plebejer zu der neuen gemeinen römischen Bürgerschaft war die Umwandlung der Altbürgerschaft in einen Geschlechtsadel, welcher, seit die Adelschaft auch das Recht verlor, in gemeiner Versammlung zu beschließen, da die Aufnahme neuer Familien in den Adel durch Gemeindebeschluß noch weniger zulässig erschien, jeder, sogar der Selbstergänzung unfähig war. Unter den Königen war dergleichen Abgeschlossenheit dem römischen Adel fremd und die Aufnahme neuer Geschlechter nicht allzu selten gewesen; jetzt stellte dieses rechte Kennzeichnen des Junkertums sich ein als der sichere Vorbote des bevorstehenden Verlustes seiner politischen Vorrechte und seiner ausschließlichen Geltung in der Gemeinde. Die Ausschließung der Plebejer von allen Gemeindeämtern und Gemeindepriestertümern, während sie doch zu Offiziers- und Ratsherrenstellen zugelassen wurden, und die mit verkehrter Hartnäckigkeit festgehaltene rechtliche Unmöglichkeit einer Ehe zwischen Altbürgern und Plebejern drückten weiter dem Patriziat von vornherein den Stempel des exklusiven und widersinnig privilegierten Adeltums auf.
Eine zweite Folge der neuen bürgerlichen Einigung muß die festere Regulierung des Niederlassungsrechts sowohl den latinischen Eidgenossen als anderen Staaten gegenüber gewesen sein. Weniger des Stimmrechts in den Zenturien wegen, das ja doch nur dem Ansässigen zukam, als wegen des Provokationsrechts, das dem Plebejer, aber nicht dem eine Zeitlang oder auch dauernd in Rom verweilenden Ausländer gewährt werden sollte, wurde es notwendig, die Bedingungen der Erwerbung des plebejischen Rechts genauer zu formulieren und die erweiterte Bürgerschaft wiederum gegen die jetzigen Nichtbürger abzuschließen. Also geht auf diese Epoche im Sinne und Geiste des Volkes sowohl die Gehässigkeit des Gegensatzes zwischen Patriziern und Plebejern zurück wie die scharfe und stolze Abgrenzung der cives Romani gegen die Fremdlinge. Aber jener städtische Gegensatz war vorübergehender, dieser politische dauernder Art und das Gefühl der staatlichen Einheit und der beginnenden Großmacht, das hiermit in die Herzen der Nation gepflanzt ward, expansiv genug, um jene kleinlichen Unterschiede erst zu untergraben und sodann im allmächtigen Strom mit sich fortzureißen.
Dies war ferner die Zeit, wo Gesetz und Verordnung sich schieden. Begründet zwar ist der Gegensatz in dem innersten Wesen des römischen Staates; denn auch die römische Königsgewalt stand unter, nicht über dem Landrecht. Allein die tiefe und praktische Ehrfurcht, welche die Römer wie jedes andere politisch fähige Volk vor dem Prinzip der Autorität hegten, erzeugte den merkwürdigen Satz des römischen Staats- und Privatrechts, daß jeder nicht auf ein Gesetz gegründete Befehl des Beamten wenigstens während der Dauer seines Amtes gelte, obwohl er mit diesem wegfiel. Es ist einleuchtend, daß hierbei, solange die Vorsteher auf Lebenszeit ernannt wurden, der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung tatsächlich fast verschwinden mußte und die legislative Tätigkeit der Gemeindeversammlung keine Entwicklung gewinnen konnte. Umgekehrt erhielt sie einen weiten Spielraum, seit die Vorsteher jährlich wechselten, und es war jetzt keineswegs ohne praktische Bedeutung, daß, wenn der Konsul bei der Entscheidung eines Prozesses eine rechtliche Nullität beging, sein Nachfolger eine neue Instruktion der Sache anordnen konnte.
Dies war endlich die Zeit, wo die bürgerliche und die militärische Gewalt sich voneinander sonderten. Dort herrscht das Gesetz, hier das Beil; dort waren die konstitutionellen Beschränkungen der Provokation und der regulierten Mandierung maßgebend, hier schaltete der Feldherr unumschränkt wie der König. Es stellte sich fest, daß der Feldherr und das Heer als solche die eigentliche Stadt regelmäßig nicht betreten durften. Daß organische und auf die Dauer wirksame Bestimmungen nur unter der Herrschaft der bürgerlichen Gewalt getroffen werden konnte, lag nicht im Buchstaben, aber im Geiste der Verfassung; es kam freilich vor, daß gelegentlich diesem zuwider der Feldherr seine Mannschaft im Lager zur Bürgerversammlung berief und rechtlich nichtig war ein solcher Beschluß nicht, allein die Sitte mißbilligte dieses Verfahren und es unterblieb bald, als wäre es verboten. Der Gegensatz der Quiriten und der Soldaten wurzelte allmählich fest und fester in den Gemütern der Bürger.
Indes, um diese Folgesätze des neuen Republikanismus zu entwickeln, bedurfte es der Zeit; wie lebendig die Nachwelt sie empfand, der Mitwelt mochte die Revolution zunächst in einem andern Lichte erscheinen. Wohl gewannen die Nichtbürger dadurch das Bürgerrecht und gewann die neue Bürgerschaft in der Gemeindeversammlung weitgreifende Befugnisse; aber das Verwerfungsrecht des patrizischen Senats, der gleichsam wie ein Oberhaus jenen Komitien in fester Geschlossenheit gegenüberstand, hob rechtlich die freie Bewegung derselben gerade in den entscheidendsten Dingen auf und war tatsächlich zwar nicht imstande, den ernstlichen Willen der Gesamtheit zu brechen, aber doch, ihn zu verzögern und zu verkümmern. Schien die Adelschaft, indem sie es aufgab, allein die Gemeinde zu sein, nicht allzuviel verloren zu haben, so hatte sie in anderen Beziehungen entschieden gewonnen. Der König war freilich Patrizier wie der Konsul, und das Recht der Senatorenernennung steht diesem wie jenem zu; aber wenn jenen seine Ausnahmestellung über Patrizier nicht minder wie über Plebejer hinausrückte und wenn er leicht in den Fall kommen konnte, eben gegen den Adel sich auf die Menge stützen zu müssen, so stand der Konsul, Herrscher auf kurze Frist, vorher und nachher aber nichts als einer aus dem Adel, und dem adligen Mitbürger, welchem er heute befahl, morgen gehorchend, keineswegs außerhalb seines Standes und mußte der Adlige in ihm weit mächtiger sein als der Beamte. Wenn ja dennoch einmal ausnahmsweise ein der Adelsherrschaft abgeneigter Patrizier ans Regiment gerufen ward, so ward seine Amtsgewalt teils durch die vom schroffen Adelsgeiste durchdrungenen Priesterschaften, teils durch den Kollegen gelähmt und leicht durch die Diktatur suspendiert; und was noch wichtiger war, es fehlte ihm das erste Element der politischen Macht, die Zeit. Der Vorsteher eines Gemeinwesens, welche Machtfülle immer ihm eingeräumt werden möge, wird die politische Gewalt nie in die Hände bekommen, wenn er nicht auf längere Zeit an der Spitze der Geschäfte bleibt; denn die notwendige Bedingung jeder Herrschaft ist ihre Dauer. Folgeweise gewann der lebenslängliche Gemeinderat, und zwar hauptsächlich durch seine Befugnis, den Beamten in allen Stücken zu beraten, also nicht der engere patrizische, sondern der weitere patrizisch-plebejische, den Jahresherrschern gegenüber unvermeidlich einen solchen Einfluß, daß die rechtlichen Verhältnisse sich geradezu umkehrten, der Gemeinderat wesentlich die Regierungsgewalt an sich nahm und der bisherige Regent herabsank zu dessen vorsitzendem und ausführendem Präsidenten. Für den der Gemeinde zur Annahme oder Verwerfung vorzulegenden Antrag erschien die Vorberatung im Gesamtsenat und dessen Billigung zwar nicht als konstitutionell notwendig, aber als gewohnheitsmäßig geheiligt, und nicht leicht und nicht gern ging man darüber hinweg. Für wichtige Staatsverträge, für die Verwaltung und Austeilung des Gemeindelandes, überhaupt für jeden Akt, dessen Folgen sich über das Amtsjahr erstreckten, galt dasselbe, und dem Konsul blieb nichts als die Erledigung der laufenden Geschäfte, die Einleitung der Zivilprozesse und das Kommando im Kriege. Vor allem folgenreich war die Neuerung, daß es weder dem Konsul noch selbst dem sonst unbeschränkten Diktator gestattet war, den gemeinen Schatz anders als mit und durch den Willen des Rates anzugreifen. Indem der Senat es den Konsuln zur Pflicht machte, die Verwaltung der Gemeindekasse, die der König selbst geführt hatte oder doch hatte führen können, an zwei ständige Unterbeamte abzugeben, welche zwar von den Konsuln ernannt wurden und ihnen zu gehorchen hatten, aber begreiflicherweise noch weit mehr als die Konsuln selbst vom Senat abhingen, zog er die Leitung des Kassenwesens an sich, und es kann dieses Geldbewilligungsrecht des römischen Senats wohl in seinen Wirkungen mit dem Steuerbewilligungsrecht in den heutigen konstitutionellen Monarchien zusammengestellt werden.
Die Folgen ergeben sich von selbst. Die erste und wesentlichste Bedingung jeder Adelsherrschaft ist, daß die Machtfülle im Staat nicht einem Individuum, sondern einer Korporation zusteht; jetzt hatte eine überwiegend adlige Korporation, der Gemeinderat, das Regiment an sich gebracht und war dabei die exekutive Gewalt nicht bloß dem Adel geblieben, sondern auch der regierenden Korporation völlig unterworfen worden. Zwar saßen im Rat eine beträchtliche Anzahl nichtadliger Männer; aber da sie der Bekleidung von Ämtern, ja sogar der Teilnahme an der Debatte unfähig, also von jedem praktischen Anteil am Regiment ausgeschlossen waren, spielten sie notwendigerweise auch im Senat eine untergeordnete Rolle und wurden überdies durch das ökonomisch wichtige Nutzungsrecht der Gemeinweide in pekuniärer Abhängigkeit von der Korporation gehalten. Das allmählich sich bildende Recht der patrizischen Konsuln, wenigstens jedes vierte Jahr die Ratsherrenliste zu revidieren und zu modifizieren, so nichtig es vermutlich der Adelschaft gegenüber war, konnte doch sehr wohl in ihrem Interesse gebraucht und der mißliebige Plebejer mittels desselben aus dem Senat ferngehalten und sogar wieder ausgeschieden werden.
Es ist darum durchaus wahr, daß die unmittelbare Folge der Revolution die Feststellung der Adelsherrschaft gewesen ist; nur ist es nicht die ganze Wahrheit. Wenn die Mehrzahl der Mitlebenden meinen mochte, daß die Revolution den Plebejern nur eine starrere Despotie gebracht habe, so sehen wir Späteren in dieser selbst schon die Knospen der jungen Freiheit. Was die Patrizier gewannen, ging nicht der Gemeinde verloren, sondern der Beamtengewalt; die Gemeinde gewann zwar nur wenige engbeschränkte Rechte, welche weit minder praktisch und handgreiflich waren als die Errungenschaften des Adels, und welche nicht einer von Tausend zu schätzen wissen mochte, aber in ihnen lag die Bürgschaft der Zukunft. Bisher war politisch die Insassenschaft nichts, die Altbürgerschaft alles gewesen; indem jetzt jene zur Gemeinde ward, war die Altbürgerschaft überwunden; denn wieviel auch noch zu der vollen bürgerlichen Gleichheit mangeln mochte, es ist die erste Bresche, nicht die Besetzung des letzten Postens, die den Fall der Festung entscheidet. Darum datierte die römische Gemeinde mit Recht ihre politische Existenz von dem Beginn des Konsulats.
Indes, wenn die republikanische Revolution trotz der durch sie zunächst begründeten Junkerherrschaft mit Recht ein Sieg der bisherigen Insassenschaft oder der Plebs genannt werden kann, so trug doch auch in der letzteren Beziehung die Revolution keineswegs den Charakter, den wir heutzutage als den demokratischen zu bezeichnen gewohnt sind. Das rein persönliche Verdienst ohne Unterstützung der Geburt und des Reichtums mochte wohl unter der Königsherrschaft leichter als unter derjenigen des Patriziats zu Einfluß und Ansehen gelangen. Damals war der Eintritt in das Patriziat rechtlich keinem verschlossen; jetzt war das höchste Ziel des plebejischen Ehrgeizes die Aufnahme in den mundtoten Anhang des Senats. Es lag dabei in der Natur der Sache, daß der regierende Herrenstand, soweit er überhaupt die Plebejer zuließ, nicht unbedingt den tüchtigsten Männern, sondern vorzugsweise den Häuptern der reichen und angesehenen Plebejerfamilien im Senat neben sich zu sitzen gestattete und die also zugelassenen Familien eifersüchtig über den Besitz der Ratsherrenstellen wachten. Während also innerhalb der alten Bürgerschaft vollständige Rechtsgleichheit bestanden hatte, begann die Neubürger- oder die ehemalige Insassenschaft von Haus aus damit, sich in eine Anzahl bevorrechteter Familien. und eine zurückgesetzte Menge zu scheiden. Die Gemeindemacht aber kam in Gemäßheit der Zenturienordnung jetzt an diejenige Klasse, welche seit der Servianischen Reform des Heer- und Steuerwesens vorzugsweise die bürgerlichen Lasten trug, an die Ansässigen, und zwar vorzugsweise weder an die großen Gutsbesitzer noch an die Instenleute, sondern an den mittleren Bauernstand, wobei die Älteren noch insofern bevorzugt waren, als sie, obgleich minder zahlreich, doch ebensoviel Stimmabteilungen innehatten wie die Jugend. Indem also der Altbürgerschaft und ihrem Geschlechteradel die Axt an die Wurzel und zu einer neuen Bürgerschaft der Grund gelegt ward, fiel in dieser das Gewicht auf Grundbesitz und Alter und zeigten sich schon die ersten Ansätze zu einem neuen, zunächst auf dem faktischen Ansehen der Familien beruhenden Adel, der künftigen Nobilität. Der konservative Grundcharakter des römischen Gemeinwesens konnte sich nicht deutlicher bezeichnen als dadurch, daß die republikanische Staatsumwälzung zugleich zu der neuen, ebenfalls konservativen und ebenfalls aristokratischen Staatsordnung die ersten Linien zog.
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