Römische Geschichte, Band 4 - Theodor Mommsen - E-Book

Römische Geschichte, Band 4 E-Book

Theodor Mommsen

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Beschreibung

Römische Geschichte: Mommsens berühmtestes Werk erschien von 1854 bis 1856 in drei Bänden und schilderte die Geschichte Roms bis zum Ende der römischen Republik und der Herrschaft Caesars, den Mommsen als genialen Staatsmann darstellte. Die politischen Auseinandersetzungen vor allem der späten Republik werden auch in der Terminologie mit den politischen Entwicklungen des 19. Jahrhunderts (Nationalstaat, Demokratie) verglichen. Das engagiert geschriebene Werk gilt als Klassiker der Geschichtsschreibung. (aus wikipedia.de) Dies ist Buch 4, Die Revolution. Inhalt: Die untertänigen Landschaften bis zu der Gracchenzeit Die Reformbewegung und Tiberius Gracchus Die Revolution und Gaius Gracchus Die Restaurationsherrschaft Die Völker des Nordens Revolutionsversuch des Marius und Reformversuch des Drusus Die Empörung der italischen Untertanen und die Sulpicische Revolution Der Osten und König Mithradates Cinna und Sulla Die Sullanische Verfassung Das Gemeinwesen und seine Ökonomie Nationalität, Religion, Erziehung Literatur und Kunst

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Römische Geschichte

Theodor Mommsen

Inhalt:

Theodor Mommsen – Biografie und Bibliografie

Viertes Buch - Die Revolution

Die untertänigen Landschaften bis zu der Gracchenzeit

Die Reformbewegung und Tiberius Gracchus

Die Revolution und Gaius Gracchus

Die Restaurationsherrschaft

Die Völker des Nordens

Revolutionsversuch des Marius und Reformversuch des Drusus

Die Empörung der italischen Untertanen und die Sulpicische Revolution

Der Osten und König Mithradates

Cinna und Sulla

Die Sullanische Verfassung

Das Gemeinwesen und seine Ökonomie

Nationalität, Religion, Erziehung

Literatur und Kunst

Römische Geschichte Buch 4, Theodor Mommsen

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849614942

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Theodor Mommsen – Biografie und Bibliografie

Altertumsforscher und Geschichtschreiber, geb. 30. Nov. 1817 zu Garding in Schleswig, gest. 1. Nov. 1903 in Charlottenburg, studierte in Kiel Philologie und die Rechte, bereiste 1844–47 mit Unterstützung der Berliner Akademie Frankreich und Italien für archäologische Studien, redigierte 1848 in Rendsburg die »Schleswig-holsteinische Zeitung«, ward im Herbst 1848 Professor der Rechte in Leipzig, aber wegen seiner Teilnahme an der politischen Bewegung 1850 entlassen. Im Frühjahr 1852 wurde er Professor des römischen Rechts in Zürich, ging 1854 in gleicher Eigenschaft nach Breslau und erhielt, nachdem drei Bände seiner »Römischen Geschichte« erschienen waren, 1858 eine Professur der alten Geschichte in Berlin, wo er mit der Leitung des »Corpus inscriptionum latinarum« (s. Inschriften, S. 859) betraut wurde. 1873–95 war M. auch ständiger Sekretär der Akademie der Wissenschaften, übernahm später die Redaktion eines Teiles der »Monumenta Germaniae historica«, der »Auctores antiquissimi« und gab selbst die »Chronica minora saec. IV, V, VI, VII« (1894 ff.) heraus. Seine »Römische Geschichte«, bis 46 v. Chr. (Bd. 1–3, Leipz. 1854–55; 9. Aufl., Berl. 1902–04; Bd. 5, das. 1885; 5. Aufl. 1904; Bd. 4 ist nicht erschienen), sein mehrfach übersetztes Hauptwerk, sprach durch die Lebendigkeit der Darstellung und die Kühnheit seiner Ideen an, fand aber auch mancherlei Widerspruch wegen des oft ungerechten Urteils über hervorragende Personen der römischen Geschichte und wegen des allzu sehr hervortretenden Anklanges an moderne Verhältnisse. Außerdem sind von seinen Arbeiten hervorzuheben: »De collegiis et sodaliciis Romanorum« (Kiel 1843); »Die römischen Tribus in administrativer Beziehung« (Altona 1844); »Oskische Studien« (Berl. 1845; Nachträge, 1846); »Die unteritalischen Dialekte« (Leipz. 1850); »Corpus inscriptionum neapolitanarum« (das. 1851); »Inscriptiones confoederationis helveticae« (Zürich 1854); »Inscriptiones regni neapolitani latinae« (Leipz. 1852); »Über den Chronographen vom Jahre 354« (das. 1850); »Das Edikt Diokletians de pretiis rerum venalium vom Jahre 301« (das. 1851, Nachtrag 1852); »Die römische Chronologie bis auf Cäsar« (Berl. 1858; 2. Aufl., das. 1859); »Die Rechtsfrage zwischen Cäsar und dem Senat« (Bresl. 1857); »Geschichte des römischen Münzwesens« (das. 1860); »Römische Forschungen« (1. Bd., 2. Aufl., Berl. 1865; 2. Bd. 1879); »Die Stadtrechte der latinischen Gemeinden Salpensa und Malaca« (Leipz. 1855, mit Nachtrag); »Die Chronik des Cassiodorus Senator vom J. 519 n. Chr.« (das. 1861); »Über die Zeitfolge der Verordnungen Diokletians und seiner Mitregenten« (Berl. 1861); »Zwei Sepulkralreden aus der Zeit Augusts und Hadrians« (das. 1864); die Ausgabe der sogen. vatikanischen Fragmente vorjustinianischen Rechts (Bonn 1861) sowie der »Res gestae divi Augusti ex monumentis Ancyrano et Apolloniensi« (Berl. 1865, 2. Aufl. 1883) und die der Pandekten (»Digesta Justiniani Augusti«, das. 1866–70, 8. Abdruck 1899); »Die Örtlichkeit der Varusschlacht« (das. 1885) u.a. Von besonderm Wert ist sein »Römisches Staatsrecht« (1. Abteil. des mit Marquardt herausgegebenen »Handbuchs der römischen Altertümer«, Bd. 1 u. 2, Leipz. 1871–76; 3. Aufl. 1887–88; Bd. 3, 1887–88); in Bindings »Systematischem Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft« erschien sein »Abriß des römischen Staatsrechts« (das. 1893) und »Römisches Strafrecht« (das. 1899). Mit Krüger und Studemund gab er heraus: »Collectio librorum juris antejustianini« (Bd. 1–3, Berl. 1877–1890), mit Studemund ferner: »Analecta Liviana« (Leipz. 1873). Endlich begann er noch mit P. Meyer eine neue Ausgabe des »Codex Theodosianus« (Bd. 1, Berl. 1905). Nicht zu vergessen ist seine dichterische Ader, die ihn schon 1843 anläßlich der schleswig-holsteinschen Frage zu patriotischen Gesängen begeisterte; noch 1879 ließ er mit Ulrich v. Wilamowitz-Möllendorf zehn Gedichte Carduccis in deutscher Übertragung drucken. Nach seinem Tod erschienen Mommsens »Reden und Aufsätze« (Berl. 1905) und »Gesammelte Schriften« (das. 1905, Bd. 1 u. 2). Als Mitglied des Abgeordnetenhauses 1873–1882, in dem er zur liberalen Partei gehörte, trat er wie Virchow als Gegner Bismarcks hervor. Beim Brande seiner Villa (12. Juli 1880) gingen kostbare Handschriften auswärtiger Bibliotheken (namentlich die »Getica« des Jordanis) zugrunde. M. war seit 1896 Ehrenbürger der Stadt Rom, seit 1897 auch von Charlottenburg. Im Vorgarten der Berliner Universität soll ihm ein Denkmal errichtet werden. Vgl. Zangemeister, Th. M. als Schriftsteller (ein Verzeichnis seiner Schriften, Heidelb. 1887; fortgesetzt von Jacobs, Berl. 1905); Bardt, Theodor M. (das. 1903); Hirschfeld, Gedächtnisrede auf Theodor M. (das. 1904); Gradenwitz, Th. M. (in der »Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte«; Sonderdruck, Weim. 1904).

Viertes Buch -Die Revolution

"Aber sie treiben's toll; Ich fürcht', es breche". Nicht jeden Wochenschluß Macht Gott die Zeche.                           Goethe

1. Kapitel

Die untertänigen Landschaften bis zu der Gracchenzeit

Mit der Vernichtung des Makedonischen Reichs ward die Oberherrlichkeit Roms eine Tatsache, die von den Säulen des Hercules bis zu den Mündungen des Nil und des Orontes nicht bloß feststand, sondern gleichsam als das letzte Wort des Verhängnisses auf den Völkern lastete mit dem ganzen Druck der Unabwendbarkeit und ihnen nur die Wahl zu lassen schien, sich in hoffnungslosem Widerstreben oder in hoffnungslosem Dulden zu verzehren. Wenn nicht die Geschichte von dem ernsten Leser es als ihr Recht fordern dürfte, sie durch gute und böse Tage, durch Frühlings- und Winterlandschaft zu begleiten, so möchte der Geschichtschreiber versucht sein, sich der trostlosen Aufgabe zu entziehen, diesem Kampf der Übermacht mit der Ohnmacht sowohl in den schon zum Römischen Reich gezogenen spanischen Landschaften wie in den noch nach Klientelrecht beherrschten afrikanischen, hellenischen, asiatischen Gebieten in seinen mannigfaltigen und doch eintönigen Wendungen zu folgen. Aber wie unbedeutend und untergeordnet auch die einzelnen Kämpfe erscheinen mögen, eine tiefe geschichtliche Bedeutung kommt ihnen in ihrer Gesamtheit dennoch zu; und vor allem die italischen Verhältnisse dieser Zeit werden erst verständlich durch die Einsicht in den Rückschlag, der von den Provinzen aus auf die Heimat traf.

Außer in den naturgemäß als Nebenländer Italiens anzusehenden Gebieten, wo übrigens auch die Eingeborenen noch keineswegs vollständig unterworfen waren und, nicht eben zur Ehre Roms, Ligurer, Sarder und Korsen fortwährend Gelegenheit zu "Dorftriumphen" lieferten, bestand eine förmliche Herrschaft Roms zu Anfang dieser Periode nur in den beiden spanischen Provinzen, die den größeren östlichen und südlichen Teil der Pyrenäischen Halbinsel umfaßten. Es ist schon früher versucht worden, die Zustände der Halbinsel zu schildern: Iberer und Kelten, Phöniker, Hellenen, Römer mischten sich hier bunt durcheinander; gleichzeitig und vielfach sich durchkreuzend bestanden daselbst die verschiedensten Arten und Stufen der Zivilisation, die altiberische Kultur neben vollständiger Barbarei, die Bildungsverhältnisse phönikischer und griechischer Kaufstädte neben der aufkeimenden Latinisierung, die namentlich durch die in den Silberbergwerken zahlreich beschäftigten Italiker und durch die starke stehende Besatzung gefördert ward. In dieser Hinsicht erwähnenswert sind die römische Ortschaft Italica (bei Sevilla) und die latinische Kolonie Carteia (an der Bai von Gibraltar), die letztere die erste überseeische Stadtgemeinde latinischer Zunge und italischer Verfassung. Italica wurde von dem älteren Scipio, noch ehe er Spanien verließ (548 206), für seine zum Verbleiben auf der Halbinsel geneigten Veteranen gegründet, wahrscheinlich indes nicht als Bürgergemeinde, sondern nur als Marktort; Carteias Gründung fällt in das Jahr 583 (171) und ward veranlaßt durch die Menge der von römischen Soldaten mit spanischen Sklavinnen erzeugten Lagerkinder, welche rechtlich als Sklaven, tatsächlich als freie Italiker aufwuchsen und nun von Staats wegen freigesprochen und in Verbindung mit den alten Einwohnern von Carteia als latinische Kolonie konstituiert wurden. Beinahe dreißig Jahre nach der Ordnung der Ebroprovinz durch Tiberius Sempronius Gracchus (575, 576 179, 178) genossen die spanischen Landschaften im ganzen ungestört die Segnungen des Friedens, obwohl ein paarmal von Kriegszügen gegen die Keltiberer und Lusitaner die Rede ist. Aber ernstere Ereignisse traten im Jahre 600 (154) ein. Unter Führung eines Häuptlings Punicus fielen die Lusitaner ein in das römische Gebiet, schlugen die beiden gegen sie vereinigten römischen Statthalter und töteten ihnen eine große Anzahl Leute. Die Vettonen (zwischen dem Tajo und dem oberen Duero) wurden hierdurch bestimmt, mit den Lusitanern gemeinschaftliche Sache zu machen; so verstärkt vermochten diese ihre Streifzüge bis an das Mittelländische Meer auszudehnen und sogar das Gebiet der Bastulophöniker unweit der römischen Hauptstadt Neukarthago (Cartagena) zu brandschatzen. Man nahm in Rom die Sache ernst genug, um die Absendung eines Konsuls nach Spanien zu beschließen, was seit 559 (195) nicht geschehen war, und ließ sogar zur Beschleunigung der Hilfsleistung die neuen Konsuln zwei und einen halben Monat vor der gesetzlichen Zeit ihr Amt antreten – es war dies die Ursache, weshalb der Amtsantritt der Konsuln vom 15. März sich auf den 1. Januar verschob und damit derjenige Jahresanfang sich feststellte, dessen wir noch heute uns bedienen. Allein ehe noch der Konsul Quintus Fulvius Nobilior mit seiner Armee eintraf, kam es zwischen dem Statthalter des Jenseitigen Spaniens, dem Prätor Lucius Mummius, und den jetzt nach Punicus' Fall von seinem Nachfolger Kaesarus geführten Lusitanern am rechten Ufer des Tajo zu einem sehr ernsthaften Treffen (601 158). Das Glück war anfangs den Römern günstig; das lusitanische Heer ward zersprengt, das Lager genommen. Allein, teils bereits vom Marsch ermüdet, teils in der Unordnung des Nachsetzens sich auflösend, wurden sie von den schon besiegten Gegnern schließlich vollständig geschlagen und büßten zu dem feindlichen Lager das eigene sowie an Toten 9000 Mann ein. Weit und breit loderte jetzt die Kriegsflamme auf. Die Lusitaner am linken Ufer des Tajo warfen sich unter Anführung des Kaukaenus auf die den Römern untertänigen Keltiker (in Alentejo) und nahmen ihre Stadt Conistorgis weg. Den Keltiberern sandten die Lusitaner die dem Mummius abgenommenen Feldzeichen zugleich als Siegesbotschaft und als Mahnung zu; und auch hier fehlte es nicht an Gärungsstoff. Zwei kleine, den mächtigen Arevakern (um die Quellen des Duero und Tajo) benachbarte Völkerschaften Keltiberiens, die Beller und Titther, hatten beschlossen, in eine ihrer Städte, Segeda, sich zusammenzusiedeln. Während sie mit dem Mauerbau beschäftigt waren, ward ihnen dieser römischerseits untersagt, da die Sempronischen Ordnungen den unterworfenen Gemeinden jede eigenmächtige Städtegründung verböten, und zugleich die vertragsmäßig schuldige, aber seit längerer Zeit nicht verlangte Leistung an Geld und Mannschaft eingefordert. Beiden Befehlen weigerten die Spanier den Gehorsam, da es sich nur um Erweiterung, nicht um Gründung einer Stadt handle, die Leistungen aber nicht bloß suspendiert, sondern von den Römern erlassen seien. Darüber erschien Nobilior im Diesseitigen Spanien mit einem fast 30000 Mann starken Heer, unter dem auch numidische Reiter und zehn Elefanten sich befanden. Noch standen die Mauern der neuen Stadt nicht vollständig; die meisten Segedaner unterwarfen sich. Allein die entschlossensten flüchteten mit Weib und Kind zu den mächtigen Arevakern und forderten sie auf, mit ihnen gegen die Römer gemeinschaftliche Sache zu machen. Die Arevaker, ermutigt durch den Sieg der Lusitaner über Mummius, gingen darauf ein und wählten einen der flüchtigen Segedaner, Karus, zu ihrem Feldherrn. Am dritten Tag nach seiner Wahl war der tapfere Führer eine Leiche, aber das römische Heer geschlagen und bei 6000 römische Bürger getötet – der Tag des 23. August, das Fest der Volkanalien, blieb seitdem den Römern in schlimmer Erinnerung. Doch bewog der Fall ihres Feldherrn die Arevaker, sich in ihre festeste Stadt Numantia (Garray, eine Legua nördlich von Soria am Duero) zurückzuziehen, wohin Nobilior ihnen folgte. Unter den Mauern der Stadt kam es zu einem zweiten Treffen, in welchem die Römer anfänglich durch ihre Elefanten die Spanier in die Stadt zurückdrängten, aber dabei infolge der Verwundung eines der Tiere in Verwirrung gerieten und durch die abermals ausrückenden Feinde eine zweite Niederlage erlitten. Dieser und andere Unfälle, wie die Vernichtung eines zur Herbeirufung von Zuzugmannschaft ausgesandten römischen Reiterkorps, gestalteten die Angelegenheiten der Römer in der diesseitigen Provinz so ungünstig, daß die Festung Okilis, wo die Kasse und die Vorräte der Römer sich befanden, zum Feinde übertrat und die Arevaker daran denken konnten, freilich ohne Erfolg, den Römern den Frieden zu diktieren. Einigermaßen wurden indes diese Nachteile aufgewogen durch die Erfolge, die Mummius in der südlichen Provinz erfocht. So geschwächt auch durch die erlittene Niederlage sein Heer war, gelang es ihm dennoch, mit demselben den unvorsichtig sich zerstreuenden Lusitanern am rechten Tajoufer eine Niederlage beizubringen und, übergehend auf das linke, wo die Lusitaner das ganze römische Gebiet überrannt, ja bis nach Afrika gestreift hatten, die südliche Provinz von den Feinden zu säubern. In die nördliche sandte das folgende Jahr (602 152) der Senat außer beträchtlichen Verstärkungen einen andern Oberfeldherrn an der Stelle des unfähigen Nobilior, den Konsul Marcus Claudius Marcellus, der schon als Prätor 586 (168) sich in Spanien ausgezeichnet und seitdem in zwei Konsulaten sein Feldherrntalent bewährt hatte. Seine geschickte Führung und mehr noch seine Milde änderte die Lage der Dinge schnell: Okilis ergab sich ihm sofort, und selbst die Arevaker, von Marcellus in der Hoffnung bestärkt, daß ihnen gegen eine mäßige Buße Friede gewährt werden würde, schlossen Waffenstillstand und schickten Gesandte nach Rom. Marcellus konnte sich nach der südlichen Provinz begeben, wo die Vettonen und Lusitaner sich dem Prätor Marcus Atilius zwar botmäßig erwiesen hatten, solange er in ihrem Gebiet stand, allein nach seiner Entfernung sofort wieder aufgestanden waren und die römischen Verbündeten heimsuchten. Die Ankunft des Konsuls stellte die Ordnung wieder her, und während er in Corduba überwinterte, ruhten auf der ganzen Halbinsel die Waffen. Inzwischen ward in Rom über den Frieden mit den Arevakern verhandelt. Es ist bezeichnend für die inneren Verhältnisse Spaniens, daß vornehmlich die Sendlinge der bei den Arevakern bestehenden römischen Partei die Verwerfung der Friedensvorschläge in Rom durchsetzten, indem sie vorstellten, daß, wenn man die römisch gesinnten Spanier nicht preisgeben wolle, nur die Wahl bleibe, entweder jährlich einen Konsul mit entsprechendem Heer nach der Halbinsel zu senden oder jetzt ein nachdrückliches Exempel zu statuieren. Infolgedessen wurden die Boten der Arevaker ohne entscheidende Antwort verabschiedet und die energische Fortsetzung des Krieges beschlossen. Marcellus sah sich demnach genötigt, im folgenden Frühjahr (603 151) den Krieg gegen die Arevaker wieder zu beginnen. Indes sei es nun, wie behauptet wird, daß er den Ruhm, den Krieg beendigt zu haben, seinem bald zu erwartenden Nachfolger nicht gönnte, sei es, was vielleicht wahrscheinlicher ist, daß er gleich Gracchus in der milden Behandlung der Spanier die erste Bedingung eines dauerhaften Friedens sah – nach einer geheimen Zusammenkunft des römischen Feldherrn mit den einflußreichsten Männern der Arevaker kam unter den Mauern von Numantia ein Traktat zustande, durch den die Arevaker den Römern sich auf Gnade und Ungnade ergaben, aber unter Verpflichtung zu Geldzahlung und Geiselstellung in ihre bisherigen vertragsmäßigen Rechte wiedereingesetzt wurden.

Als der neue Oberfeldherr, der Konsul Lucius Lucullus, bei dem Heere eintraf, fand er den Krieg, den zu führen er gekommen war, bereits durch förmlichen Friedensschluß beendigt, und seine Hoffnung, Ehre und vor allem Geld aus Spanien heimzubringen, schien vereitelt. Indes dafür gab es Rat. Auf eigene Hand griff Lucullus die westlichen Nachbarn der Arevaker, die Vaccäer, an, eine noch unabhängige keltiberische Nation, die mit den Römern im besten Einvernehmen lebte. Auf die Frage der Spanier, was sie denn gefehlt hätten, war die Antwort: der Überfall der Stadt Cauca (Coca, acht Leguas westlich von Segovia); und als die erschreckte Stadt mit schweren Geldopfern die Kapitulation erkauft zu haben meinte, rückten römische Truppen in sie ein und knechteten oder mordeten die Einwohnerschaft ohne jeglichen Vorwand. Nach dieser Heldentat, die etwa 20000 wehrlosen Menschen das Leben gekostet haben soll, ging der Marsch weiter. Weit und breit standen die Dörfer und Ortschaften leer oder schlossen, wie das feste Intercatia und die Hauptstadt der Vaccäer, Pallantia (Palencia), dem römischen Heere ihre Tore. Die Habsucht hatte in ihren eigenen Netzen sich gefangen; keine Gemeinde fand sich, die mit dem treubrüchigen Feldherrn eine Kapitulation hätte abschließen mögen, und die allgemeine Flucht der Bewohner machte nicht bloß die Beute karg, sondern auch das längere Verweilen in diesen unwirtlichen Gegenden fast unmöglich. Vor Intercatia gelang es einem angesehenen Kriegstribun, dem Scipio Aemilianus, leiblichem Sohn des Siegers von Pydna und Adoptivenkel des Siegers von Zama, durch sein Ehrenwort, da das des Feldherrn nichts mehr galt, die Bewohner zum Abschluß eines Vertrages zu bestimmen, infolgedessen das römische Heer gegen Lieferung von Vieh und Kleidungsstücken abzog. Aber die Belagerung von Pallantia mußte wegen Mangels an Lebensmitteln aufgehoben werden, und das römische Heer ward auf dem Rückmarsch von den Vaccäern bis zum Duero verfolgt. Lucullus begab sich darauf nach der südlichen Provinz, wo der Prätor Servius Sulpicius Galba in demselben Jahr von den Lusitanern sich hatte schlagen lassen; beide überwinterten nicht fern voneinander, Lucullus im turdetanischen Gebiet, Galba bei Conistorgis, und griffen im folgenden Jahr (604 150) gemeinschaftlich die Lusitaner an. Lucullus errang an der Gaditanischen Meerenge einige Vorteile über sie. Galba richtete mehr aus, indem er mit drei lusitanischen Stämmen am rechten Ufer des Tajo einen Vertrag abschloß und sie in bessere Wohnsitze überzusiedeln verhieß, worauf die Barbaren, die der gehofften Äcker wegen, 7000 an der Zahl, sich bei ihm einfanden, in drei Abteilungen geteilt, entwaffnet und teils als Sklaven weggeführt, teils niedergehauen wurden. Kaum ist je mit gleicher Treulosigkeit, Grausamkeit und Habgier Krieg geführt worden wie von diesen beiden Feldherren, die dennoch durch ihre verbrecherisch erworbenen Schätze der eine der Verurteilung, der andre sogar der Anklage entging. Den Galba versuchte der alte Cato noch in seinem fünfundachtzigsten Jahr, wenige Monate vor seinem Tode, vor der Bürgerschaft zur Verantwortung zu ziehen; aber die jammernden Kinder des Generals und sein heimgebrachtes Gold erwiesen dem römischen Volke seine Unschuld.

Nicht so sehr die ehrlosen Erfolge, die Lucullus und Galba in Spanien erreicht hatten, als der Ausbruch des Vierten Makedonischen und des Dritten Karthagischen Krieges im Jahre 605 (149) bewirkte, daß man die spanischen Angelegenheiten zunächst wieder den gewöhnlichen Statthaltern überließ. So verwüsteten denn die Lusitaner, durch Galbas Treulosigkeit mehr erbittert als gedemütigt, unaufhörlich das reiche turdetanische Gebiet. Gegen sie zog der römische Statthalter Gaius Vetilius (607/08 147/48) und schlug sie nicht bloß, sondern drängte auch den ganzen Haufen auf einen Hügel zusammen, wo derselbe rettungslos verloren schien. Schon war die Kapitulation so gut wie abgeschlossen, als Viriathus, ein Mann geringer Herkunft, aber wie einst als Bube ein tapferer Verteidiger seiner Herde gegen die wilden Tiere und Räuber, so jetzt in ernsteren Kämpfen ein gefürchteter Guerillachef und einer der wenigen, die dem treulosen Überfall Galbas zufällig entronnen waren, seine Landsleute warnte, auf römisches Ehrenwort zu bauen und ihnen Rettung verhieß, wenn sie ihm folgen wollten. Sein Wort und sein Beispiel wirkten; das Heer übertrug ihm den Oberbefehl. Viriathus gab der Masse seiner Leute den Befehl, sich in einzelnen Trupps auf verschiedenen Wegen nach dem bestimmten Sammelplatz zu begeben; er selber bildete aus den bestberittenen und zuverlässigsten Leuten ein Korps von 1000 Pferden, womit er den Abzug der Seinigen deckte. Die Römer, denen es an leichter Kavallerie fehlte, wagten nicht, unter den Augen der feindlichen Reiter sich zur Verfolgung zu zerstreuen. Nachdem Viriathus zwei volle Tage hindurch mit seinem Haufen das ganze römische Heer aufgehalten hatte, verschwand auch er plötzlich in der Nacht und eilte dem allgemeinen Sammelplatz zu. Der römische Feldherr folgte ihm, fiel aber in einen geschickt gelegten Hinterhalt, in dem er die Hälfte seines Heeres verlor und selber gefangen und getötet ward; kaum rettete der Rest der Truppen sich an die Meerenge nach der Kolonie Carteia. Schleunigst wurden vom Ebro her 5000 Mann spanischer Landsturm zur Verstärkung der geschlagenen Römer gesandt; aber Viriathus vernichtete das Korps noch auf dem Marsch und gebot in dem ganzen karpetanischen Binnenland so unumschränkt, daß die Römer nicht einmal wagten, ihn dort aufzusuchen. Viriathus, jetzt als Herr und König der sämtlichen Lusitaner anerkannt, verstand es, das volle Gewicht seiner fürstlichen Stellung mit dem schlichten Wesen des Hirten zu vereinigen. Kein Abzeichen unterschied ihn von dem gemeinen Soldaten; von der reichgeschmückten Hochzeitstafel seines Schwiegervaters, des Fürsten Astolpa im römischen Spanien, stand er auf, ohne das goldene Geschirr und die kostbaren Speisen berührt zu haben, hob seine Braut auf das Roß und ritt mit ihr zurück in seine Berge. Nie nahm er von der Beute mehr als denselben Teil, den er auch jedem seiner Kameraden zuschied. Nur an der hohen Gestalt und an dem treffenden Witzwort erkannte der Soldat den Feldherrn, vor allem aber daran, daß er es in Mäßigkeit und in Mühsal jedem der Seinigen zuvortat, nie anders als in voller Rüstung schlief und in der Schlacht allen voran focht. Es schien, als sei in dieser gründlich prosaischen Zeit einer der Homerischen Helden wiedergekehrt; weit und breit erscholl in Spanien der Name des Viriathus, und die tapfere Nation meinte endlich in ihm den Mann gefunden zu haben, der die Ketten der Fremdherrschaft zu brechen bestimmt sei. Ungemeine Erfolge im nördlichen wie im südlichen Spanien bezeichneten die nächsten Jahre seiner Feldherrnschaft. Den Prätor Gaius Plautius (608/09 146) wußte er, nachdem er dessen Vorhut vernichtet hatte, hinüber auf das rechte Tajoufer zu locken und ihn dort so nachdrücklich zu schlagen, daß der römische Feldherr mitten im Sommer in die Winterquartiere ging – später ward dafür gegen ihn die Anklage wegen Entehrung der römischen Gemeinde vor dem Volk erhoben und er genötigt, die Heimat zu meiden. Desgleichen wurde das Heer des Statthalters – es scheint, der diesseitigen Provinz – Claudius Unimanus vernichtet, das des Gaius Negidius überwunden und weithin das platte Land gebrandschatzt. Auf den spanischen Bergen erhoben sich Siegeszeichen, die mit den Insignien der römischen Statthalter und mit den Waffen der Legionen geschmückt waren; bestürzt und beschämt vernahm man in Rom von den Siegen des Barbarenkönigs. Zwar übernahm jetzt ein zuverlässiger Offizier die Führung des Spanischen Krieges, der zweite Sohn des Siegers von Pydna, der Konsul Quintus Fabius Maximus Aemilianus (609 145). Allein die krieggewohnten, eben von Makedonien und Afrika heimgekehrten Veteranen aufs neue in den verhaßten Spanischen Krieg zu senden, wagte man schon nicht mehr; die beiden Legionen, die Maximus mitbrachte, waren neu geworben und nicht viel minder unzuverlässig als das alte, gänzlich demoralisierte spanische Heer. Nachdem die ersten Gefechte wieder für die Lusitaner günstig ausgefallen waren, hielt der einsichtige Feldherr den Rest des Jahres seine Truppen in dem Lager bei Urso (Osuna südöstlich von Sevilla) zusammen, ohne die angebotene Feldschlacht zu liefern, und nahm erst im folgenden (610 144), nachdem im kleinen Krieg seine Truppen kampffähig geworden waren, wieder das Feld, wo er dann die Überlegenheit zu behaupten vermochte und nach glücklichen Waffentaten nach Corduba ins Winterlager ging. Als aber an Maximus' Stelle der feige und ungeschickte Prätor Quinctius den Befehl übernahm, erlitten die Römer wiederum eine Niederlage über die andere und schloß ihr Feldherr sich wieder mitten im Sommer in Corduba ein, während Viriathus' Scharen die südliche Provinz überschwemmten (611 143). Sein Nachfolger, des Maximus Aemilianus Adoptivbruder Quintus Fabius Maximus Servilianus, mit zwei frischen Legionen und zehn Elefanten nach der Halbinsel gesendet, versuchte, in das lusitanische Gebiet einzudringen, allein nach einer Reihe nichts entscheidender Gefechte und einem mühsam abgeschlagenen Sturm auf das römische Lager sah er sich genötigt, auf das römische Gebiet zurückzuweichen. Viriathus folgte ihm in die Provinz; da aber seine Truppen nach dem Brauch spanischer Insurgentenheere plötzlich sich verliefen, mußte auch er nach Lusitanien zurückkehren (612 142). Im nächsten Jahre (613 141) ergriff Servilianus wieder die Offensive, durchzog die Gegenden am Baetis und Anas und besetzte sodann, in Lusitanien einrückend, eine Menge Ortschaften. Eine große Zahl der Insurgenten fiel in seine Hand; die Führer – es waren deren gegen 500 – wurden hingerichtet, den aus römischem Gebiet zum Feinde Übergegangenen die Hände abgehauen, die übrige Masse in die Sklaverei verkauft. Aber der Spanische Krieg bewährte auch hier seine tückische Unbeständigkeit. Das römische Heer ward nach all diesen Erfolgen bei der Belagerung von Erisane von Viriathus angegriffen, geworfen und auf einen Felsen gedrängt, wo es gänzlich in der Gewalt der Feinde war. Viriathus indes begnügte sich, wie einst der Samnitenfeldherr in den Caudinischen Pässen, mit Servilianus einen Frieden abzuschließen, worin die Gemeinde der Lusitaner als souverän und Viriathus als König derselben anerkannt ward. Die Macht der Römer war nicht mehr gestiegen als das nationale Ehrgefühl gesunken; man war in der Hauptstadt froh, des lästigen Krieges entledigt zu sein, und Senat und Volk gaben dem Vertrage die Ratifikation. Allein des Servilianus leiblicher Bruder und Amtsnachfolger Quintus Servilius Caepio war mit dieser Nachgiebigkeit wenig zufrieden und der Senat schwach genug, anfangs den Konsul zu heimlichen Machinationen gegen den Viriathus zu bevollmächtigen und bald ihm den offenen, unbeschönigten Bruch des gegebenen Treuworts wenigstens nachzusehen. So drang Caepio in Lusitanien ein und durchzog das Land bis zu dem Gebiet der Vettonen und Callaeker; Viriathus vermied den Kampf mit der Übermacht und entzog sich durch geschickte Bewegungen dem Gegner (614 140). Als aber im folgenden Jahre (615 139) nicht bloß Caepio den Angriff erneuerte, sondern auch das in der nördlichen Provinz inzwischen verfügbar gewordene Heer unter Marcus Popillius in Lusitanien erschien, bat Viriathus um Frieden unter jeder Bedingung. Er ward geheißen, alle aus dem römischen Gebiet zu ihm übergetretenen Leute, darunter seinen eigenen Schwiegervater, an die Römer auszuliefern; es geschah, und die Römer ließen dieselben hinrichten oder ihnen die Hände abhauen. Allein es war damit nicht genug; nicht auf einmal pflegten die Römer den Unterworfenen anzukündigen, was über sie verhängt war. Ein Befehl nach dem andern, und immer der folgende unerträglicher als die vorhergehenden, erging an die Lusitaner, und schließlich ward sogar die Auslieferung der Waffen von ihnen gefordert. Da gedachte Viriathus abermals des Schicksals seiner Landsleute, die Galba hatte entwaffnen lassen, und griff aufs neue zum Schwert, aber zu spät. Sein Schwanken hatte in seiner nächsten Umgebung die Keime des Verrats gesät; drei seiner Vertrauten, Audas, Ditalko und Minucius aus Urso, verzweifelnd an der Möglichkeit, jetzt noch zu siegen, erwirkten von dem König die Erlaubnis, noch einmal mit Caepio Friedensunterhandlungen anzuknüpfen, und benutzten sie, um gegen Zusicherung persönlicher Amnestie und weiterer Belohnungen das Leben des lusitanischen Helden den Fremden zu verkaufen. Zurückgekehrt in das Lager, versicherten sie den König des günstigsten Erfolgs ihrer Verhandlungen und erdolchten die Nacht darauf den Schlafenden in seinem Zelte. Die Lusitaner ehrten den herrlichen Mann durch eine Totenfeier ohnegleichen, bei der zweihundert Fechterpaare die Leichenspiele fochten; höher noch dadurch, daß sie den Kampf nicht aufgaben, sondern an die Stelle des gefallenen Helden den Tautamus zu ihrem Oberfeldherrn ernannten. Kühn genug war auch der Plan, den dieser entwarf, den Römern Sagunt zu entreißen; allein der neue Feldherr besaß weder seines Vorgängers weise Mäßigung noch dessen Kriegsgeschick. Die Expedition scheiterte völlig, und auf der Rückkehr ward das Heer bei dem Übergang über den Baetis angegriffen und genötigt, sich unbedingt zu ergeben. Also, weit mehr durch Verrat und Mord von Fremden wie von Eingeborenen als durch ehrlichen Krieg, ward Lusitanien bezwungen.

Während die südliche Provinz durch Viriathus und die Lusitaner heimgesucht ward, war nicht ohne deren Zutun in der nördlichen bei den keltiberischen Nationen ein zweiter, nicht minder ernster Krieg ausgebrochen. Viriathus' glänzende Erfolge bewogen im Jahre 610 (144) die Arevaker, gleichfalls gegen die Römer sich zu erheben, und es war dies die Ursache, weshalb der zur Ablösung des Maximus Aemilianus nach Spanien gesandte Konsul Quintus Caecilius Metellus nicht nach der südlichen Provinz ging, sondern gegen die Keltiberer sich wandte. Auch gegen sie bewährte er, namentlich während der Belagerung der für unbezwinglich gehaltenen Stadt Contrebia, dieselbe Tüchtigkeit, die er bei der Überwindung des makedonischen Pseudophilipp bewiesen hatte; nach zweijähriger Verwaltung (611, 612 143, 142) war die nördliche Provinz zum Gehorsam zurückgebracht. Nur die beiden Städte Termantia und Numantia hatten noch den Römern die Tore nicht geöffnet; auch mit diesen aber war die Kapitulation fast schon abgeschlossen und der größte Teil der Bedingungen von den Spaniern erfüllt. Als es jedoch zur Ablieferung der Waffen kam, ergriff auch sie eben wie den Viriathus jener echt spanische Stolz auf den Besitz des wohlgeführten Schwertes, und es ward beschlossen, unter dem kühnen Megaravicus den Krieg fortzusetzen. Es schien eine Torheit; das konsularische Heer, dessen Befehl 613 (141) der Konsul Quintus Pompeius übernahm, war viermal so stark als die gesamte waffenfähige Bevölkerung von Numantia. Allein der völlig kriegsunkundige Feldherr erlitt unter den Mauern beider Städte so harte Niederlagen (613, 614 141, 140), daß er endlich es vorzog, den Frieden, den er nicht erzwingen konnte, durch Unterhandlungen zu erwirken. Mit Termantia muß ein definitives Abkommen getroffen sein; auch den Numantinern sandte der römische Feldherr ihre Gefangenen zurück und forderte die Gemeinde unter dem geheimen Versprechen günstiger Behandlung auf, sich ihm auf Gnade und Ungnade zu ergeben. Die Numantiner, des Krieges müde, gingen darauf ein, und der Feldherr beschränkte in der Tat seine Forderungen auf das möglichst geringe Maß. Gefangene, Überläufer, Geiseln waren abgeliefert und die bedungene Geldsumme größtenteils gezahlt, als im Jahre 615 (139) der neue Feldherr Marcus Popillius Laenas im Lager eintraf. Sowie Pompeius die Last des Oberbefehls auf fremde Schultern gewälzt sah, ergriff er, um sich der in Rom seiner wartenden Verantwortung für den nach römischen Begriffen ehrlosen Frieden zu entziehen, den Ausweg, sein Wort nicht etwa bloß zu brechen, sondern zu verleugnen und, als die Numantiner kamen, um die letzte Zahlung zu machen, ihren und seinen Offizieren ins Gesicht den Abschluß des Vertrages einfach in Abrede zu stellen. Die Sache ging zur rechtlichen Entscheidung an den Senat nach Rom; während dort darüber verhandelt ward, ruhte vor Numantia der Krieg und beschäftigte sich Laenas mit einem Zug nach Lusitanien, wo er die Katastrophe des Viriathus beschleunigen half, und mit einem Streifzug gegen die den Numantinern benachbarten Lusonen. Als endlich vom Senat die Entscheidung kam, lautete sie auf Fortsetzung des Krieges – man beteiligte sich also von Staats wegen an dem Bubenstreich des Pompeius. Mit ungeschwächtem Mut und erhöhter Erbitterung nahmen die Numantiner den Kampf wieder auf; Laenas focht unglücklich gegen sie und nicht minder sein Nachfolger Gaius Hostilius Mancinus (617 137). Aber die Katastrophe führten weit weniger die Waffen der Numantiner herbei als die schlaffe und elende Kriegszucht der römischen Feldherrn und die Folge derselben, die von Jahr zu Jahr üppiger wuchernde Liederlichkeit, Zuchtlosigkeit und Feigheit der römischen Soldaten. Das bloße, überdies falsche Gerücht, daß die Kantabrer und Vaccäer zum Entsatz von Numantia heranrückten, bewog das römische Heer, ungeheißen in der Nacht das Lager zu räumen, um sich in den sechzehn Jahre zuvor von Nobilior angelegten Verschanzungen zu bergen. Die Numantiner, von dem Aufbruch in Kenntnis gesetzt, drängten der fliehenden Armee nach und umzingelten sie; es blieb nur die Wahl, mit dem Schwert in der Hand sich durchzuschlagen oder auf die von den Numantinern gestellten Bedingungen Frieden zu schließen. Mehr als der Konsul, der persönlich ein Ehrenmann, aber schwach und wenig bekannt war, bewirkte Tiberius Gracchus, der als Quästor im Heere diente, durch sein von dem Vater, dem weisen Ordner der Ebroprovinz, auf ihn vererbtes Ansehen bei den Keltiberern, daß die Numantiner sich mit einem billigen, von allen Stabsoffizieren beschworenen Friedensvertrag genügen ließen. Allein der Senat rief nicht bloß den Feldherrn sofort zurück, sondern ließ auch nach langer Beratung bei der Bürgerschaft darauf antragen, den Vertrag zu behandeln wie einst den caudinischen, das heißt, ihm die Ratifikation zu verweigern und die Verantwortlichkeit dafür auf diejenigen abzuwälzen, die ihn geschlossen hatten. Von Rechts wegen hätten dies sämtliche Offiziere sein müssen, die den Vertrag beschworen hatten; allein Gracchus und die übrigen wurden durch ihre Verbindungen gerettet; Mancinus allein, der nicht den Kreisen der höchsten Aristokratie angehörte, ward bestimmt, für eigene und fremde Schuld zu büßen. Seiner Insignien entkleidet, ward der römische Konsular zu den feindlichen Vorposten geführt, und da die Numantiner ihn anzunehmen verweigerten, um nicht auch ihrerseits den Vertrag als nichtig anzuerkennen, stand der ehemalige Oberfeldherr, im Hemd und die Hände auf den Rücken gebunden, einen Tag lang vor den Toren von Numantia, Freunden und Feinden ein klägliches Schauspiel. Jedoch für Mancinus' Nachfolger, seinen Kollegen im Konsulat, Marcus Aemilius Lepidus, schien die bittere Lehre völlig verloren. Während die Verhandlungen über den Vertrag mit Mancinus in Rom schwebten, griff er unter nichtigen Vorwänden, eben wie sechzehn Jahre zuvor Lucullus, das freie Volk der Vaccäer an und begann in Gemeinschaft mit dem Feldherrn der jenseitigen Provinz Pallantia zu belagern (618 136). Ein Senatsbeschluß befahl ihm, von dem Krieg abzustehen; nichtsdestoweniger setzte er, unter dem Vorwand, daß die Umstände inzwischen sich geändert hätten, die Belagerung fort. Dabei war er als Soldat gerade so schlecht wie als Bürger; nachdem er so lange vor der großen und festen Stadt gelegen hatte, bis ihm in dem rauhen feindlichen Land die Zufuhr ausgegangen war, mußte er mit Zurücklassung aller Verwundeten und Kranken den Rückzug beginnen, auf dem die verfolgenden Pallantiner die Hälfte seiner Soldaten aufrieben und, wenn sie die Verfolgung nicht zu früh abgebrochen hätten, das schon in voller Auflösung begriffene römische Heer wahrscheinlich ganz vernichtet haben würden. Dafür ward denn dem hochgeborenen General bei seiner Heimkehr eine Geldbuße auferlegt. Seine Nachfolger Lucius Furius Philus (618 136) und Quintus Calpurnius Piso (619 135) hatten wieder gegen die Numantiner Krieg zu führen, und da sie eben gar nichts taten, kamen sie glücklich ohne Niederlage heim. Selbst die römische Regierung fing endlich an einzusehen, daß man so nicht länger fortfahren könne; man entschloß sich, die Bezwingung der kleinen spanischen Landstadt außerordentlicherweise dem ersten Feldherrn Roms, Scipio Aemilianus, zu übertragen. Die Geldmittel zur Kriegführung wurden ihm freilich dabei mit verkehrter Kargheit zugemessen und die verlangte Erlaubnis, Soldaten auszuheben, sogar geradezu verweigert, wobei Koterieintrigen und die Furcht, der souveränen Bürgerschaft lästig zu werden, zusammengewirkt haben mögen. Indes begleitete ihn freiwillig eine große Anzahl von Freunden und Klienten, unter ihnen sein Bruder Maximus Aemilianus, der vor einigen Jahren mit Auszeichnung gegen Viriathus kommandiert hatte. Gestützt auf diese zuverlässige Schar, die als Feldherrnwache konstituiert ward, begann Scipio das tief zerrüttete Heer zu reorganisieren (620 134). Vor allen Dingen mußte der Troß das Lager räumen – es fanden sich bis 2000 Dirnen und eine Unzahl Wahrsager und Pfaffen von allen Sorten –, und da der Soldat zum Fechten unbrauchbar war, mußte er wenigstens schanzen und marschieren. Den ersten Sommer vermied der Feldherr jeden Kampf mit den Numantinern; er begnügte sich, die Vorräte in der Umgegend zu vernichten und die Vaccäer, die den Numantinern Korn verkauften, zu züchtigen und zur Anerkennung der Oberhoheit Roms zu zwingen. Erst gegen den Winter zog Scipio sein Heer um Numantia zusammen; außer dem numidischen Kontingent von Reitern, Fußsoldaten und zwölf Elefanten unter Anführung des Prinzen Jugurtha und den zahlreichen spanischen Zuzügen waren es vier Legionen, überhaupt eine Heermasse von 60000 Mann, die eine Stadt mit einer waffenfähigen Bürgerschaft von höchstens 8000 Köpfen einschloß. Dennoch boten die Belagerten oftmals den Kampf an; allein Scipio, wohl erkennend, daß die vieljährige Zuchtlosigkeit nicht mit einem Schlag sich ausrotten lasse, verweigerte jedes Gefecht, und wo es dennoch bei den Ausfällen der Belagerten dazu kam, rechtfertigte die feige, kaum durch das persönliche Erscheinen des Feldherrn gehemmte Flucht der Legionäre diese Taktik nur zu sehr. Nie hat ein Feldherr seine Soldaten verächtlicher behandelt als Scipio die numantinische Armee; und nicht bloß mit bitteren Reden, sondern vor allem durch die Tat bewies er ihr, was er von ihr halte. Zum erstenmal führten die Römer, wo es nur auf sie ankam, das Schwert zu brauchen, den Kampf mit Hacke und Spaten. Rings um die ganze Stadtmauer von reichlich einer halben deutschen Meile im Umfang ward eine doppelt so ausgedehnte, mit Mauern, Türmen und Gräben versehene zwiefache Umwallungslinie aufgeführt und auch der Duerofluß, auf dem den Belagerten anfangs noch durch kühne Schiffer und Taucher einige Vorräte zugekommen waren, endlich abgesperrt. So mußte die Stadt, die zu stürmen man nicht wagte, wohl durch Hunger erdrückt werden, um so mehr, als es der Bürgerschaft nicht möglich gewesen war, sich während des letzten Sommers zu verproviantieren. Bald litten die Numantiner Mangel an allem. Einer ihrer kühnsten Männer, Retogenes, schlug sich mit wenigen Begleitern durch die feindlichen Linien durch, und seine rührende Bitte, die Stammesgenossen nicht hilflos untergehen zu lassen, war wenigstens in einer der Arevakerstädte, in Lutia, von großer Wirkung. Bevor aber die Bürger von Lutia sich entschieden hatten, erschien Scipio, benachrichtigt von den römisch Gesinnten in der Stadt, mit Übermacht vor ihren Mauern und zwang die Behörden, ihm die Führer der Bewegung, vierhundert der trefflichsten Jünglinge, auszuliefern, denen sämtlich auf Befehl des römischen Feldherrn die Hände abgehauen wurden. Die Numantiner, also der letzten Hoffnung beraubt, sandten an Scipio, um über die Unterwerfung zu verhandeln, und riefen den tapferen Mann an, der Tapferen zu schonen; allein als die rückkehrenden Boten meldeten, daß Scipio unbedingte Ergebung verlange, wurden sie von der wütenden Menge zerrissen, und eine neue Frist verfloß, bis Hunger und Seuchen ihr Werk vollendet hatten. Endlich kam in das römische Hauptquartier eine zweite Botschaft, daß die Stadt jetzt bereit sei, auf Gnade und Ungnade sich zu unterwerfen. Als demnach die Bürgerschaft angewiesen wurde, am folgenden Tag vor den Toren zu erscheinen, bat sie um einige Tage Frist, um denjenigen Bürgern, die den Untergang der Freiheit nicht zu überleben beschlossen hätten, Zeit zum Sterben zu gestatten. Sie ward ihnen gewährt, und nicht wenige benutzten sie. Endlich erschien der elende Rest vor den Toren. Scipio las fünfzig der Ansehnlichsten aus, um sie in seinem Triumphe aufzuführen; die übrigen wurden in die Sklaverei verkauft, die Stadt dem Boden gleichgemacht, ihr Gebiet unter die Nachbarstädte verteilt. Das geschah im Herbst 621 (133), fünfzehn Monate nachdem Scipio den Oberbefehl übernommen hatte.

Mit Numantias Fall war die hier und da noch sich regende Opposition gegen Rom in der Wurzel getroffen; militärische Spaziergänge und Geldbußen reichten aus, um die römische Oberherrschaft im ganzen diesseitigen Spanien zur Anerkennung zu bringen.

Auch im jenseitigen ward durch die Überwindung der Lusitaner die römische Herrschaft befestigt und ausgedehnt. Der Konsul Decimus Iunius Brutus, der an Caepios Stelle trat, siedelte die kriegsgefangenen Lusitaner an in der Nähe von Sagunt und gab ihrer neuen Stadt Valentia (Valencia) gleich Carteia latinische Verfassung (616 138); er durchzog ferner (616-618 138-136) in verschiedenen Richtungen die iberische Westküste und gelangte zuerst von den Römern an das Gestade des Atlantischen Meers. Die von ihren Bewohnern, Männern und Frauen, hartnäckig verteidigten Städte der dort wohnenden Lusitaner wurden durch ihn bezwungen, und die bis dahin unabhängigen Callaeker nach einer großen Schlacht, in der ihrer 50000 gefallen sein sollen, mit der römischen Provinz vereinigt. Nach Unterwerfung der Vaccäer, Lusitaner und Callaeker war jetzt mit Ausnahme der Nordküste die ganze Halbinsel wenigstens dem Namen nach den Römern untertan. Eine senatorische Kommission ging nach Spanien, um im Einvernehmen mit Scipio das neugewonnene Provinzialgebiet römisch zu ordnen, und Scipio tat, was er konnte, um die Folgen der ehr- und kopflosen Politik seiner Vorgänger zu beseitigen, wie denn zum Beispiel die Kaukaner, deren schmachvolle Mißhandlung durch Lucullus er neunzehn Jahre zuvor als Kriegstribun mit hatte ansehen müssen, von ihm eingeladen wurden, in ihre Stadt zurückzukehren und sie wiederaufzubauen. Es begann wiederum für Spanien eine leidlichere Zeit. Die Unterdrückung des Seeraubes, der auf den Balearen gefährliche Schlupfwinkel fand, durch Quintus Caecilius Metellus' Besetzung dieser Inseln im Jahre 631 (123) war dem Aufblühen des spanischen Handels ungemein förderlich, und auch sonst waren die fruchtbaren und von einer dichten, in der Schleuderkunst unübertroffenen Bevölkerung bewohnten Inseln ein wertvoller Besitz. Wie zahlreich schon damals die lateinisch redende Bevölkerung auf der Halbinsel war, beweist die Ansiedelung von 3000 spanischen Latinern in den Städten Palma und Pollentia (Pollenza) auf den neugewonnenen Inseln. Trotz mancher schwerer Mißstände bewahrte die römische Verwaltung Spaniens im ganzen den Stempel, den die catonische Zeit und zunächst Tiberius Gracchus ihr aufgeprägt hatten. Das römische Grenzgebiet zwar hatte von den Überfällen der halb oder gar nicht bezwungenen Stämme des Nordens und Westens nicht wenig zu leiden. Bei den Lusitanern namentlich tat die ärmere Jugend regelmäßig sich in Räuberbanden zusammen und brandschatzte in hellen Haufen die Landsleute oder die Nachbarn, weshalb noch in viel späterer Zeit die einzeln gelegenen Bauernhöfe in dieser Gegend festungsartig angelegt und im Notfall verteidigungsfähig waren; und es gelang den Römern nicht, diesem Räuberwesen in den unwirtlichen und schwer zugänglichen lusitanischen Bergen ein Ende zu machen. Aber die bisherigen Kriege nahmen doch mehr und mehr den Charakter des Bandenunfugs an, den jeder leidlich tüchtige Statthalter mit den gewöhnlichen Mitteln niederzuhalten vermochte, und trotz dieser Heimsuchung der Grenzdistrikte war Spanien unter allen römischen Gebieten das blühendste und am besten organisierte Land; das Zehntensystem und die Mittelsmänner waren daselbst unbekannt, die Bevölkerung zahlreich und die Landschaft reich an Korn und Vieh.

In einem weit unleidlicheren Mittelzustand zwischen formeller Souveränität und tatsächlicher Untertänigkeit befanden sich die afrikanischen, griechischen und asiatischen Staaten, welche durch die Kriege der Römer gegen Karthago, Makedonien und Syrien und deren Konsequenzen in den Kreis der römischen Hegemonie gezogen worden waren. Der unabhängige Staat bezahlt den Preis seiner Selbständigkeit nicht zu teuer, indem er die Leiden des Krieges auf sich nimmt, wenn es sein muß; der Staat, der die Selbständigkeit eingebüßt hat, mag wenigstens einen Ersatz darin finden, daß der Schutzherr ihm Ruhe schafft vor seinen Nachbarn. Allein diese Klientelstaaten Roms hatten weder Selbständigkeit noch Frieden. In Afrika bestand zwischen Karthago und Numidien tatsächlich ein ewiger Grenzkrieg. In Ägypten hatte zwar der römische Schiedsspruch den Sukzessionsstreit der beiden Brüder Ptolemaeos Philometor und Ptolemaeos des Dicken geschlichtet; allein die neuen Herren von Ägypten und von Kyrene führten nichtsdestoweniger Krieg um den Besitz von Kypros. In Asien waren nicht bloß die meisten Königreiche, Bithynien, Kappadokien, Syrien, gleichfalls durch Erbfolgestreitigkeiten und dadurch hervorgerufene Interventionen der Nachbarstaaten innerlich zerrissen, sondern es wurden auch vielfache und schwere Kriege geführt zwischen den Attaliden und den Galatern, zwischen den Attaliden und den bithynischen Königen, ja zwischen Rhodos und Kreta. Ebenso glimmten im eigentlichen Hellas die dort landüblichen zwerghaften Fehden, und selbst das sonst so ruhige makedonische Land verzehrte sich in dem inneren Hader seiner neuen demokratischen Verfassungen. Es war die Schuld der Herrscher wie der Beherrschten, daß die letzte Lebenskraft und der letzte Wohlstand der Nationen in diesen ziellosen Fehden vergeudet ward. Die Klientelstaaten hätten einsehen müssen, daß der Staat, der nicht gegen jeden, überhaupt nicht Krieg führen kann und daß, da der Besitzstand und die Machtstellung all dieser Staaten tatsächlich unter römischer Garantie stand, ihnen bei jeder Differenz nur die Wahl blieb, entweder mit den Nachbarn in Güte sich zu vergleichen oder die Römer zum Schiedsspruch aufzufordern. Wenn die achäische Tagsatzung von Rhodiern und Kretern um Bundeshilfe gemahnt ward und ernstlich über deren Absendung beratschlagte (601 153), so war dies einfach eine politische Posse; der Satz, den der Führer der römisch gesinnten Partei damals aufstellte, daß es den Achäern nicht mehr freistehe, ohne Erlaubnis der Römer Krieg zu führen, drückte, freilich mit übelklingender Schärfe, die einfache Wahrheit aus, daß die Souveränität der Dependenzstaaten eben nur eine formelle war und jeder Versuch, dem Schatten Leben zu verleihen, notwendig dahin führen mußte, auch den Schatten zu vernichten. Aber ein Tadel, schwerer als der gegen die Beherrschten, ist gegen die herrschende Gemeinde zu richten. Es ist für den Menschen wie für den Staat keine leichte Aufgabe, in die eigene Bedeutungslosigkeit sich zu finden; des Machthabers Pflicht und Recht ist es, entweder die Herrschaft aufzugeben oder durch Entwicklung einer imponierenden materiellen Überlegenheit die Beherrschten zur Resignation zu nötigen. Der römische Senat tat keines von beidem. Von allen Seiten angerufen und bestürmt, griff der Senat beständig ein in den Gang der afrikanischen, hellenischen, asiatischen, ägyptischen Angelegenheiten, allein in einer so unsteten und schlaffen Weise, daß durch diese Schlichtungsversuche die Verwirrung gewöhnlich nur noch ärger ward. Es war die Zeit der Kommissionen. Beständig gingen Beauftragte des Senats nach Karthago und Alexandreia, an die achäische Tagsatzung und die Höfe der vorderasiatischen Herren; sie untersuchten, inhibierten, berichteten, und dennoch ward in den wichtigsten Dingen nicht selten ohne Wissen und gegen den Willen des Senats verfahren. Es konnte geschehen, daß Kypros, welches der Senat dem Kyrenäischen Reich zugeschieden hatte, nichtsdestoweniger bei Ägypten blieb; daß ein syrischer Prinz den Thron seiner Vorfahren bestieg unter dem Vorgeben, ihn von den Römern zugesprochen erhalten zu haben, während in der Tat ihm derselbe vom Senate ausdrücklich abgeschlagen und er selbst nur durch Bannbruch von Rom entkommen war; ja daß die offenkundige Ermordung eines römischen Kommissars, der im Auftrag des Senats vormundschaftlich das Regiment von Syrien führte, gänzlich ungeahndet hinging. Die Asiaten wußten zwar sehr wohl, daß sie nicht imstande seien, den römischen Legionen zu widerstehen; aber sie wußten nicht minder, wie wenig der Senat geneigt war, den Bürgern Marschbefehl nach dem Euphrat oder dem Nil zu erteilen. So ging es in diesen entlegenen Landschaften zu wie in der Schulstube, wenn der Lehrer fern und schlaff ist; und Roms Regiment brachte die Völker zugleich um die Segnungen der Freiheit und um die der Ordnung. Für die Römer selbst aber war diese Lage der Dinge insofern bedenklich, als sie die Nord- und Ostgrenze gewissermaßen preisgab. Ohne daß Rom unmittelbar und rasch es zu verhindern vermochte, konnten hier, gestützt auf die außerhalb des Bereiches der römischen Hegemonie gelegenen Binnenlandschaften und im Gegensatz gegen die schwachen römischen Klientelstaaten, Reiche sich bilden von einer für Rom gefährlichen und früher oder später mit ihm rivalisierenden Machtentwicklung. Allerdings schirmte hiergegen einigermaßen der überall zerspaltene und nirgends einer großartigen staatlichen Entwicklung günstige Zustand der angrenzenden Nationen; aber dennoch erkennt man namentlich in der Geschichte des Ostens sehr deutlich, daß in dieser Zeit die Phalanx des Seleukos nicht mehr und die Legionen des Augustus noch nicht am Euphrat standen.

Diesem Zustand der Halbheit ein Ende zu machen war hohe Zeit. Das einzig mögliche Ende aber war die Verwandlung der Klientelstaaten in römische Ämter, was um so eher geschehen konnte, als ja die römische Provinzialverfassung wesentlich nur die militärische Gewalt in der Hand des römischen Vogts zusammenfaßte und Verwaltung und Gerichte in der Hauptsache den Gemeinden blieben oder doch bleiben sollten, also, was von der alten politischen Selbständigkeit überhaupt noch lebensfähig war, sich in der Form der Gemeindefreiheit bewahren ließ. Zu verkennen war die Notwendigkeit dieser administrativen Reform nicht wohl; es fragte sich nur, ob der Senat dieselbe verzögern und verkümmern, oder ob er den Mut und die Macht haben werde, das Notwendige klar einzusehen und energisch durchzuführen.

Blicken wir zunächst auf Afrika. Die von den Römern in Libyen gegründete Ordnung der Dinge ruhte wesentlich auf dem Gleichgewicht des Nomadenreiches Massinissas und der Stadt Karthago. Während jenes unter Massinissas durchgreifendem und klugem Regiment sich erweiterte, befestigte und zivilisierte, ward auch Karthago durch die bloßen Folgen des Friedensstandes wenigstens an Reichtum und Volkszahl wieder, was es auf der Höhe seiner politischen Macht gewesen war. Die Römer sahen mit übelverhehlter, neidischer Furcht die, wie es schien, unverwüstliche Blüte der alten Nebenbuhlerin; hatten sie bisher den beständig fortgesetzten Übergriffen Massinissas gegenüber derselben jeden ernstlichen Schutz verweigert, so fingen sie jetzt an, offen zu Gunsten des Nachbarn zu intervenieren. Der seit mehr als dreißig Jahren zwischen der Stadt und dem König schwebende Streit über den Besitz der Landschaft Emporia an der Kleinen Syrte, einer der fruchtbarsten des karthagischen Gebiets, ward endlich (um 594 160) von römischen Kommissarien dahin entschieden, daß die Karthager die noch in ihrem Besitz verbliebenen emporitanischen Städte zu räumen und als Entschädigung für die widerrechtliche Nutzung des Gebiets 500 Talente (860000 Taler) an den König zu zahlen hätten. Die Folge war, daß Massinissa sofort sich eines anderen karthagischen Bezirks an der Westgrenze des karthagischen Gebiets, der Stadt Tusca und der großen Felder am Bagradas, bemächtigte; den Karthagern blieb nichts übrig, als abermals in Rom einen hoffnungslosen Prozeß anhängig zu machen. Nach langem und ohne Zweifel absichtlichem Zögern erschien in Afrika eine zweite Kommission (597 157); als aber die Karthager auf einen, ohne genaue vorgängige Untersuchung der Rechtsfrage von derselben zu fällenden Schiedsspruch nicht unbedingt kompromittieren wollten, sondern auf eingehender Erörterung der Rechtsfrage bestanden, kehrten die Kommissare ohne weiteres wieder zurück nach Rom. Die Rechtsfrage zwischen Karthago und Massinissa blieb also unerledigt; aber die Sendung führte eine wichtigere Entscheidung herbei. Das Haupt dieser Kommission war der alte Marcus Cato gewesen, damals vielleicht der einflußreichste Mann im Senat und als Veteran aus dem Hannibalischen Kriege noch von dem vollen Pönerhaß und der vollen Pönerfurcht durchdrungen. Betroffen und mißgünstig hatte dieser mit eigenen Augen den blühenden Zustand der Erbfeinde Roms, die üppige Landschaft und die wogenden Gassen, die gewaltigen Waffenvorräte in den Zeughäusern und das reiche Flottenmaterial geschaut; schon sah er im Geiste einen zweiten Hannibal all diese Hilfsmittel gegen Rom verwenden. In seiner ehrlichen und mannhaften, aber durchaus bornierten Weise kam er zu dem Ergebnis, daß Rom nicht eher sicher sein werde, als bis Karthago vom Erdboden verschwunden sei, und entwickelte nach seiner Heimkehr diese Ansicht sofort im Senat. Dort widersetzten die freier blickenden Männer der Aristokratie, namentlich Scipio Nasica, sich dieser kümmerlichen Politik mit großem Ernst und entwickelten die Blindheit der Besorgnisse vor einer Kaufstadt, deren phönikische Bewohner mehr und mehr der kriegerischen Künste und Gedanken sich entwöhnten, und die vollkommene Verträglichkeit der Existenz dieser reichen Handelsstadt mit der politischen Suprematie Roms. Selbst die Umwandlung Karthagos in eine römische Provinzialstadt wäre ausführbar, ja, verglichen mit dem gegenwärtigen Zustand, den Phönikern selbst vielleicht nicht unwillkommen gewesen. Indes Cato wollte eben nicht die Unterwerfung, sondern den Untergang der verhaßten Stadt. Seine Politik fand, wie es scheint, Bundesgenossen teils an den Staatsmännern, die geneigt waren, die überseeischen Gebiete in unmittelbare Abhängigkeit von Rom zu bringen, teils und vor allem an dem mächtigen Einfluß der römischen Bankiers und Großhändler, denen nach der Vernichtung der reichen Geld- und Handelsstadt die Erbschaft derselben zufallen mußte. Die Majorität beschloß, bei der ersten passenden Gelegenheit – eine solche abzuwarten forderte die Rücksicht auf die öffentliche Meinung – den Krieg mit Karthago oder vielmehr die Zerstörung der Stadt zu bewirken.

Die gewünschte Veranlassung fand sich rasch. Die erbitternden Rechtsverletzungen von Seiten Massinissas und der Römer brachten in Karthago den Hasdrubal und den Karthalo an das Regiment, die Führer der Patriotenpartei, welche, ähnlich der achäischen, zwar nicht daran dachte, gegen die römische Suprematie sich aufzulehnen, aber wenigstens die den Karthagern vertragsmäßig zustehenden Rechte gegen Massinissa, wenn nötig mit den Waffen, zu verteidigen entschlossen war. Die Patrioten ließen vierzig der entschiedensten Anhänger Massinissas aus der Stadt verbannen und das Volk schwören, ihnen unter keiner Bedingung je die Rückkehr zu gestatten; zugleich bildeten sie zur Abwehr gegen die von Massinissa zu erwartenden Angriffe aus den freien Numidiern ein starkes Heer unter Arkobarzanes, dem Enkel des Syphax (um 600 154). Massinissa indes war klug genug, jetzt nicht zu rüsten, sondern sich wegen des streitigen Gebiets am Bagradas unbedingt dem Schiedsspruch der Römer zu unterwerfen; und so konnte man römischerseits mit einigem Schein behaupten, daß die karthagischen Rüstungen gegen die Römer gerichtet sein müßten, und auf sofortige Entlassung des Heeres und Vernichtung der Flottenvorräte dringen. Der karthagische Rat wollte einwilligen, allein die Menge verhinderte die Ausführung des Beschlusses, und die römischen Boten, die diesen Bescheid nach Karthago überbracht hatten, schwebten in Lebensgefahr. Massinissa sandte seinen Sohn Gulussa nach Rom, um über die fortdauernden Vorbereitungen Karthagos für den Land- und den Seekrieg Bericht zu erstatten und die Kriegserklärung zu beschleunigen. Nachdem noch einmal eine Gesandtschaft von zehn Männern es bestätigt hatte, daß in Karthago in der Tat gerüstet werde (602 152), verwarf der Senat zwar die unbedingte Kriegserklärung, die Cato begehrte, beschloß aber in geheimer Sitzung, daß der Krieg erklärt sein solle, wenn die Karthager sich nicht dazu verstehen würden, ihr Heer zu entlassen und ihr Flottenmaterial zu verbrennen. Inzwischen hatte in Afrika der Kampf bereits begonnen. Massinissa hatte die von den Karthagern verbannten Leute unter Geleitschaft seines Sohnes Gulussa nach der Stadt zurückgesandt. Da die Karthager diesen die Tore schlossen, auch von den abziehenden Numidiern einige erschlugen, setzte Massinissa seine Truppen in Bewegung, und auch die karthagische Patriotenpartei machte sich kampffertig. Indes Hasdrubal, der an die Spitze ihrer Armee trat, war einer der gewöhnlichen Heerverderber, wie die Karthager sie zu Feldherren zu nehmen pflegten; im Feldherrnpurpur einherstolzierend wie ein Theaterkönig und seines stattlichen Bauches auch im Lager pflegend, war der eitle und schwerfällige Mann wenig geeignet, den Helfer zu machen in einer Bedrängnis, die vielleicht selbst Hamilkars Geist und Hannibals Arm nicht mehr hätten abwenden können. Vor den Augen des Scipio Aemilianus, der, damals Kriegstribun in der spanischen Armee, an Massinissa gesandt worden war, um seinem Feldherrn afrikanische Elefanten zuzuführen, und der bei dieser Gelegenheit von einem Berge herab "wie Zeus vom Ida" der Schlacht zuschaute, lieferten die Karthager und die Numidier sich ein großes Treffen, in welchem jene, obwohl durch 6000, von unzufriedenen Hauptleuten Massinissas ihnen zugeführte numidische Reiter verstärkt und an Zahl dem Feinde überlegen, dennoch den kürzeren zogen. Nach dieser Niederlage erboten sich die Karthager gegen Massinissa zu Gebietsabtretungen und Geldzahlungen, und Scipio versuchte auf ihr Anhalten, einen Vertrag zustande zu bringen; allein an der Weigerung der karthagischen Patrioten, die Überläufer auszuliefern, scheiterte das Friedensgeschäft. Hasdrubal aber, eng eingeschlossen von den Truppen des Gegners, wurde genötigt, alles zu bewilligen, was dieser forderte: Auslieferung der Überläufer, Rückkehr der Verbannten, Abgabe der Waffen, Abzug unter dem Joch, Zahlung von jährlich 100 Talenten (155000 Talern) für die nächsten fünfzig Jahre; und selbst dieser Vertrag wurde von den Numidiern nicht gehalten, sondern der entwaffnete Rest des karthagischen Heeres auf der Heimkehr von ihnen zusammengehauen.

Die Römer, die sich wohl gehütet hatten, den Krieg selbst durch zeitige Dazwischenkunft zu verhindern, hatten jetzt, was sie wünschten: einen brauchbaren Kriegsgrund – denn die Bestimmungen des Vertrags, nicht gegen römische Bundesgenossen noch außerhalb der eigenen Grenzen Krieg zu führen, waren jetzt allerdings von den Karthagern übertreten worden – und einen bereits im voraus geschlagenen Gegner. Schon wurden die italischen Kontingente nach Rom gemahnt und die Schiffe zusammenberufen; jeden Augenblick konnte die Kriegserklärung da sein. Die Karthager boten alles auf, den drohenden Schlag abzuwenden. Die Führer der Patriotenpartei, Hasdrubal und Karthalo, wurden zum Tode verurteilt und eine Gesandtschaft nach Rom geschickt, um auf sie die Verantwortung zu wälzen. Allein, zugleich trafen Boten von Utica, der zweiten Stadt der libyschen Phöniker, dort ein, welche Vollmacht hatten, ihre Gemeinde den Römern völlig zu eigen zu geben – mit dieser zuvorkommenden Unterwürfigkeit verglichen, schien es fast Trotz, daß die Karthager sich begnügt hatten, die Hinrichtung ihrer angesehensten Männer unverlangt anzuordnen. Der Senat erklärte, daß die Entschuldigung der Karthager unzureichend befunden sei; auf die Frage, was denn genügen werde, hieß es, das sei den Karthagern ja bekannt. Freilich konnte man es wissen, was die Römer wollten; allein es schien doch wieder unmöglich zu glauben, daß nun wirklich für die liebe Heimatstadt die letzte Stunde gekommen sei. Noch einmal gingen karthagische Sendboten, diesmal ihrer dreißig und mit unbeschränkter Vollmacht, nach Rom. Als sie ankamen, war bereits der Krieg erklärt (Anfang 605 149) und das doppelte Konsularheer eingeschifft; doch versuchten sie noch jetzt, den Sturm durch vollständige Unterwerfung zu beschwören. Der Senat beschied sie, daß Rom bereit sei, der karthagischen Gemeinde ihr Gebiet, ihre städtische Freiheit und ihr Landrecht, ihr Gemeinde- und Privatvermögen zu garantieren, wofern sie den soeben nach Sizilien abgegangenen Konsuln binnen Monatsfrist in Lilybäon 300 Geiseln aus den Kindern der regierenden Familien stellen und die weiteren Befehle erfüllen würden, die ihnen die Konsuln nach ihrer Instruktion würden zugehen lassen. Man hat den Bescheid zweideutig genannt; sehr verkehrt, wie schon damals klarblickende Männer selbst unter den Karthagern hervorhoben. Daß alles, was man nur begehren konnte, garantiert ward mit einziger Ausnahme der Stadt, und daß keine Rede davon war, die Einschiffung der Truppen nach Afrika zu sistieren, zeigte sehr deutlich, was man beabsichtigte; der Senat verfuhr mit furchtbarer Härte, aber den Anschein der Nachgiebigkeit gab er sich nicht. Indes man wollte in Karthago nicht sehen; es fand sich kein Staatsmann, der die haltlose städtische Menge entweder zum vollen Widerstand oder zur vollen Resignation zu bewegen vermocht hätte. Als man zugleich das entsetzliche Kriegsdekret und die erträgliche Geiselforderung vernahm, fügte man zunächst sich dieser und hoffte weiter, weil man den Mut nicht hatte es auszudenken, was es heiße, sich der Willkür eines Todfeindes im voraus zu unterwerfen. Die Konsuln sandten die Geiseln von Lilybäon zurück nach Rom und beschieden die karthagischen Boten, das weitere in Afrika zu vernehmen. Ohne Widerstand geschah die Landung und wurden die geforderten Lebensmittel verabfolgt. Als im Hauptquartier von Utica die gesamte Gerusia von Karthago erschien, um die weiteren Befehle entgegenzunehmen, begehrten die Konsuln zunächst die Entwaffnung der Stadt. Auf die Frage der Karthager, wer sie sodann auch nur gegen ihre eigenen Ausgewanderten, gegen die auf 20000 Mann angeschwollene Armee des dem Todesurteil durch die Flucht entronnenen Hasdrubal beschützen solle, ward ihnen erwidert, daß dies die Sorge der Römer sein werde. Gehorsam erschien demnach der Rat der Stadt vor den Konsuln mit allem Flottenmaterial, allen Kriegsvorräten der öffentlichen Zeughäuser, allen im Privatbesitz befindlichen Waffen – man zählte 3000 Wurfgeschütze und 200000 volle Rüstungen – und fragte an, ob noch weiteres begehrt werde. Da erhob sich der Konsul Lucius Marcius Censorinus und eröffnete dem Rat, daß in Gemäßheit der vom Senat erlassenen Instruktion die bisherige Stadt zerstört werden müsse, den Bewohnern aber freistehe, sich wo sie sonst wollten auf ihrem Gebiet, jedoch mindestens zwei deutsche Meilen vom Meer entfernt, wiederum anzusiedeln. Dieser fürchterliche Befehl rüttelte in den Phönikern die ganze, soll man sagen hochherzige oder wahnwitzige Begeisterung auf, wie sie einst die Tyrier gegen Alexander und später die Juden gegen Vespasian bewiesen. Beispiellos wie die Geduld war, mit der diese Nation Knechtschaft und Druck zu ertragen vermochte, ebenso beispiellos war jetzt, wo es sich nicht um Staat und Freiheit handelte, sondern um den eigenen, geliebten Boden der Vaterstadt und die altgewohnte teure Meeresheimat, die rasende Empörung der kaufmännischen und seefahrenden Bevölkerung. Von Hoffnung und Rettung konnte nicht die Rede sein; der politische Verstand gebot ohne Frage auch jetzt sich zu fügen – aber die Stimme der wenigen, welche mahnten, das Unvermeidliche auf sich zu nehmen, verscholl wie der Ruf des Fährmanns im Orkan in dem brausenden Wutgeheul der Menge, die in ihrem wahnsinnigen Toben teils an den Beamten der Stadt sich vergriff, welche zur Auslieferung der Geiseln und Waffen geraten hatten, teils die unschuldigen Träger der Botschaft, so viele von ihnen überhaupt heimzukehren gewagt hatten, die Schreckenskunde entgelten ließ, teils die zufällig in der Stadt verweilenden Italiker zerriß, um wenigstens an diesen die Rache vorwegzunehmen für die Vernichtung der Heimat. Man beschloß nicht sich zu wehren; wehrlos wie man war, verstand sich dies von selbst. Die Tore wurden geschlossen, auf die von Wurfgeschossen entblößten Mauerzinnen Steine geschafft, der Oberbefehl an Hasdrubal, den Tochtersohn Massinissas, übertragen, die Sklaven sämtlich frei erklärt. Das Emigrantenheer unter dem flüchtigen Hasdrubal, das mit Ausnahme der von den Römern besetzten Städte an der Ostküste, Hadrumetum, Klein-Leptis, Thapsus und Achulla und der Stadt Utica, das ganze karthagische Gebiet innehatte und für die Verteidigung eine unschätzbare Stütze bot, ward ersucht, der Gemeinde seinen Beistand in dieser höchsten Not nicht zu versagen. Zugleich versuchte man, in echt phönikischer Weise die grenzenloseste Erbitterung unter dem Mantel der Demut versteckend, den Feind zu täuschen. Es ging eine Botschaft an die Konsuln, um dreißigtägigen Waffenstillstand zur Absendung einer Gesandtschaft nach Rom zu erbitten. Die Karthager wußten wohl, daß die Feldherrn diese einmal schon abgeschlagene Bitte weder gewähren wollten noch konnten; allein die Konsuln wurden dadurch bestärkt in der natürlichen Voraussetzung, daß nach dem ersten Ausbruch der Verzweiflung die gänzlich wehrlose Stadt sich fügen werde, und verschoben deshalb den Angriff. Die kostbare Zwischenzeit ward benutzt, um Wurfgeschütze und Rüstungen herzustellen; Tag und Nacht ward ohne Unterschied des Alters und Geschlechts an Maschinen und Waffen gezimmert und gehämmert; um Balken und Metall zu erlangen, wurden die öffentlichen Gebäude niedergerissen; um die für die Wurfgeschütze unentbehrlichen Sehnen herzustellen, schoren die Frauen sich das Haar; in unglaublich kurzer Zeit waren die Mauern und die Männer wieder bewehrt. Daß dies alles geschehen konnte, ohne daß die wenige Meilen entfernten Konsuln etwas davon erfuhren, ist nicht der am wenigsten wunderbare Zug in dieser wunderbaren, von einem wahrhaft genialen, ja dämonischen Volkshaß getragenen Bewegung. Als endlich die Konsuln, des Wartens müde, aus dem Lager bei Utica aufbrachen und bloß mit Leitern die nackten Mauern ersteigen zu können meinten, fanden sie mit Staunen und Schrecken die Zinnen aufs neue mit Katapulten gekrönt und die große volkreiche Stadt, welche man gleich einem offenen Flecken zu besetzen gehofft hatte, fähig und bereit, sich bis auf den letzten Mann zu verteidigen.