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Sein Raumgleiter war aus der Mode gekommen. Nicht zu vergleichen mit diesen neuen, glatten und silbrigen Dingern, die eigentlich alle irgendwie gleich aussahen. Die alte Schüssel war formschön und schnittig. Ihre historische Keilform, die kantigen Stummelflügel und die dicken Strahlrohre waren klassisch und den Antrieb hatte der alte Schrauber auf Planet X im Doppelsonnensystem Helios 7 so weit getunt, wie es die Vorschriften des galaktischen Überwachungsvereins gerade so zuließen. So beginnt der Roman um Spaceman X, dem sich bald die Reptiloide Susi und der Roboter Fritz anschließen.
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Seitenzahl: 160
Andreas Fillibeck
Rosinante – New Science Fiction
Die Abenteuer des Spaceman X
Saphir im Stahl
e-book 227
Andreas Fillibeck - Rosinante - New Science Fiction
Die Abenteuer des Spaceman X
Erscheinungstermin: 01.04.2024
© Verlag Saphir im Stahl
Herausgeber Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Michael Reutlinger
Illustrationen: Michael Reutlinger
Lektorat: Peter Heller
Vertrieb: neobooks
Inhaltsverzeichnis
Der Start
Asteroid
Pimperia
Susi
Zwischenstopp
Der friedliche König Schnuckeschnack
Konsumia
Strahlungsalarm
Metal Heart
Chillen
Begegnung
Schnäppchenjagd
Eiswelt
Okrack
Verruanerüberfall
Anomalie
Bördelpack
Carla
Befreiungsaktion
Mocktack
Auf Erkundungsflug
Brusalla
Nachwort
Fast wie im richtigen Leben Von Klaus Wiegerling
Biographie
Der Start
Sein Raumgleiter war aus der Mode gekommen. Nicht zu vergleichen mit diesen neuen, glatten und silbrigen Dingern, die eigentlich alle irgendwie gleich aussahen. Die alte Schüssel war formschön und schnittig. Ihre historische Keilform, die kantigen Stummelflügel und die dicken Strahlrohre waren klassisch und den Antrieb hatte der alte Schrauber auf Planet X im Doppelsonnensystem Helios 7 so weit getunt, wie es die Vorschriften des galaktischen Überwachungsvereins gerade so zuließen. Der betagte Tokamak-Kernfusionsantrieb arbeitete zuverlässig und der Hyperantrieb war brandneu. Was man leider nicht unbedingt von allen Systemen der guten, alten Rosinante behaupten konnte. Als er einstieg, fielen ihm ein paar Flickstellen an der Außenhaut ins Auge. Hier fehlte eine Niete und dort war der Lack abgeplatzt. Und beim roten Schriftzug „Rosinante“ auf der sonnengelben Außenhülle konnte man das R kaum noch erkennen. „Macht nichts,“ dachte er, „Osinante ist auch o.k.“ Da wo er hinflog, war das eh egal. Nachdem ihm die Betreiber des Spaceports zweihundertsiebzig StarCoins abgebucht hatten, kam die Startfreigabe. „Halsabschneider“ murrte er und riss den Beschleunigungshebel nach hinten. Gerade noch fing er den strafenden Blick des Technikers hinter dessen nahe gelegenem Terminal auf, da haute es ihn in den Sitz, dass ihm das Wasser nur so aus den Augen schoss. Die Trägheitsdämpfer des Cockpits waren nicht mehr die neuesten und Rosinante mit ihrem optimierten Tokamak ging ab wie ein rotes Moped. Kaum war er gestartet und hatte die triste, graue Wolkendecke und letztlich die oberste Atmosphärenschicht durchstoßen, stoppte er die Maschine und entspannte sich. Endlich weg von diesem öden und langweiligen Planeten, auf dem es mittlerweile für jeden Furz dreieinhalb Vorschriften gab. Die Weltgemeinschaft hatte es nach dem ständigen Temperaturanstieg vor zweihundert Jahren gerade noch geschafft, mit einer rigiden Ein-Kind-Politik, einer zehnprozentigen Atmosphärenverdunkelung und Abschaffung aller Verbrennungstechniken die Erde einigermaßen bewohnbar zu halten. Der Golfstrom war versiegt, im europäischen Weltstaat fror man sich den Hintern ab und in der Arktis gabs Strandbars und rosarote Flamingos. Die Ernährung der Weltbevölkerung bestand größtenteils nur noch aus synthetischen Lebensmitteln. Die Koteletts und Hähnchenschenkel aus den illegalen Schweine- und Hühnerfarmen waren sprichwörtlich sauteuer. Aber: In der Kältekammer im Heck lagen jeweils ein rundes Dutzend davon. Dazu fünf Rinderlenden, für die er mehr bezahlt hatte, als der kauzige Techniker auf Planet X für die Überholung seines Fusionsantriebs wollte. Und jetzt: Ruhe. Tiefe Schwärze. Das gewaltige Nichts. Der Gleiter bestrahlt vom gleißenden Licht der Sonne. Rundum die leuchtenden Punkte der Sterne. In der betäubenden Weite des Raums. Er atmete tief durch. Das Navigationsfeld begann auffordernd zu blinken. Aber er wartete noch. Blickte gedankenverloren in die große Dunkelheit. Nach einiger Zeit schälten sich schimmernd violette, gelbe und rote Gasnebel heraus. Dazu das leise Tropfen einer undichten Leitung aus dem Hintergrund. Das Tropfen der Zeit. Konnte Zeit tropfen? Nun, vielleicht gab es ja auch im Raum-Zeit-Kontinuum undichte Stellen. Aus denen Zeit zuerst quoll und dann tropfte. Kontinuumsklempner wäre dann ja der entsprechende Zukunftsberuf. Aber wozu war das alles eigentlich da? Dieser gigantische leere, schwarze und kalte Raum? Milliarden von Galaxien und Abermilliarden von Sonnensystemen? Doppelsonnen-Systeme meist. Wie das Terra-System ja auch. Den heißen, aber dunklen braunen Zwerg, der die Hauptsonne in einer ewig weiten und elliptischen Umlaufbahn umkreiste, hatte man erst vor rund hundert Jahren entdeckt. Er war es ja auch, der mit seiner Schwerkraft in gewissem Abstand immer wieder Gruppen von Asteroiden aus dem Asteroidengürtel ins innere Sonnensystem schubste. Die guten, alten Dinosaurier könnten ein Lied davon singen. Geschützt von Sonnenwinden und umhüllt von Magnetblasen jagen die Sonnensysteme durch das sich immer weiter ausdehnende All und keiner weiß warum und wofür. Er griff nach dem CD-Spieler – einer technischen und durchaus gefühlsbeladenen Reminiszenz an seinen Ururgroßvater und legte - genauso historisch - die Scheibe eines längst vergessenen Musikers ein: C. C. Cale. Tulsa-Sound. Melancholisch und schwingend. Mit einer verhaltenen aber steten Kraft von ganz unten. „Call Me The Breeze! I Keep Blowin‘ Down The Road!“. Zu diesem Sound könnte man in die Ewigkeit eingehen. Als reiner Energieknödel dahin driften. Unsichtbar, lautlos. Nicht messbar. Achterbahnfahrten zwischen Raum und Zeit. Steilkurven in die Unendlichkeit. Langsam fing der Gleiter an, sich um sich selbst zu drehen. Er berührte kurz das Steuerungsfeld in der Armlehne und die alte Mühle drehte sich schneller. Er kam sich vor wie im Robotron-Vergnügungspark und schloss die Augen. Auf die nasale weibliche Stimme, die jetzt durchs Cockpit hallte hatte er schon gewartet: „Raumgleiter Rosinante. Bitte geben sie die Zielkoordinaten für ihren Flug ein. Sie behindern andere Raumverkehrsteilnehmer ...“
„Ja, die in den silbergrauen Nobelmodellen durchs All gurken“, dachte er. „Die Nervenflattern und Durchfall kriegen, wenn sie mal in die Flugautomatik eingreifen müssen. Aber na ja, ich flieg ja schon.“ Und so gab er Gas. „Gas geben,“ der Ausdruck hatte komischerweise die Jahrhunderte überdauert. Er stammte aus Zeiten, als primitive Raffinerieprodukte noch durch Vergaser gejagt und dann zur Explosion gebracht wurden. Viele, kleine Explosionen trieben Karossen aus Stahlblech an. Auf Gummirädern. Unglaublich. Und die entsprechenden Verbrennungsabgase atmete die Bevölkerung von Terra dann zunehmend ein, bis sie fast daran krepierte und das Klima anfing, komplett verrückt zu spielen. Aber wen sollte das wundern. Schließlich hauten die sich damals ja auch noch vergorenen Traubensaft und sogar hochprozentigen Alkohol in die Birne. Heftiges Zeug, das man heute nur noch auf wenigen Planeten bekam … nur Bier. Das hatte irgendwie überdauert. Mittlerweile gebraut aus den unmöglichsten Pflanzen und Wurzeln und fast überall zu haben. Hell, Dunkel, Groß, Klein, Kalt oder Warm. Grün, Gelb, Rot, Blau. Oder Schwarz. Süffig, Schleimig und zum Löffeln. Er selbst bevorzugte rendrianisches Rotbier. Ein Wurzelbier mit starkem Eigengeschmack und leicht psychedelischer Wirkung.
Asteroid
Er erinnerte sich an den Freak-Asteroiden. Zumindest war das der Name, den ihm die Bewohner von Terra gegeben hatten. Ein rundes Dutzend ausgeglühter Jungs hatte ihn gekapert. Vielmehr äußerst waghalsig mit einem Gleiter angesteuert, denn der Asteroid war verdammt schnell. Frustriert vom langweiligen und reglementierten Leben auf der Erde wollten sie mal ein echtes Abenteuer erleben. Sie befestigten eine große, durchsichtige Überlebenskapsel an der Oberfläche des Gesteinsbrockens. Inklusive eines Replikators, einer Hygienezelle und Energie, die mindestens für ein paar Jahre reichen würde. Und dann setzte sich die Gruppe da rein. Und ab ging die Reise. Getragen von Visionen der Ewigkeit. Verharrend in transzendentaler Mitte. Regungslos. Aufgelöst in den Clustern des Selbst und Seins. Gott Baal umfängt sie mit seinen warmen, schwarzen Schwingen. Und stimmt ein in das gläsern klirrende Lied der Vergänglichkeit. Sie baden ihre Seelen in der Unendlichkeit des Alls, Neutronenschauer durchwirken sie, während sie implodierenden Sonnen huldigen. Allmächtig umgibt sie der leere Raum, dessen ungezählte Dimensionen sie nur erahnen können. Eins werden sie mit sich und allem, ihre Körper sind fortan nur leere Hüllen, ihr Geist geht auf in der fühllosen Ewigkeit. Und schwingt in interstellaren Rhythmen. Bis es zischt und einer eine Büchse Bier aufmacht.
Pimperia
Dann schob er die Gedanken an die wilden Aussteiger, von denen man nie wieder etwas gehört hatte, beiseite und flog los. Seine erste Station war ein erst seit kurzem bekanntes System namens „Rote Wurst 2“. Pimperia war ein bewohnter Planet dort und die auf ihm lebenden, intelligenten Echsenwesen wollte er sich mal in aller Ruhe genauer anschauen. Schon vor einer Stunde war er aus dem Hyperraum ausgetreten und flog nun ganz gemütlich mit dem Tokamak weiter. Er fing an zu cruisen, durchquerte einen glitzernden Eisring recht zackig, zischte an einem langsamen Transportraumer vorbei und fing seinen Sturzflug auf einen kupferfarbenen Zwergplaneten gerade noch so ab. Dann schwenkte er wieder auf den Kurs in Richtung Pimperia ein. Plötzlich schnitt ihn ein neongrüner Gleiter und setzte sich direkt neben ihn. Er guckte hinüber und sah direkt ins Gesicht eines Pimperianers. Der Reptiloide trug eine alberne blaue Mütze mit rotem Rand und schüttelte den Kopf. Dann knackte es in der Bordanlage und er hörte die schlecht übersetzten Worte: „Was mache Knallkopf da? Immer fliege wie plemplem mit viele Kurve? Du lande auf Pimperrria fier Kontroll!“ Kurze Zeit später stand er auf dem ihm zugewiesenen Polizeiflugfeld des Echsenplaneten. Die beiden Raumverkehrskontrolleure liefen um seinen Gleiter herum und guckten sich jedes Detail genau an. „Mist“, dachte er. „Das wird teuer.“ Dann kamen die beiden recht grobschlächtigen Echsenjungs auf ihn zu und schnarrten durch den Universalübersetzer: „Woher das Ding ist? So alt! Harr, Harr. Tecknik von frieher. Pima! Pima! Gutt! Rumpele schön wenn start. Mache anständig Krach! Harr Harr“. Einer der grünen Heinis hieb ihm auf die Schulter, dass er einknickte. Dann packten ihn die beiden. Und schleppten ihn durch einen nicht enden wollenden silberglänzenden Gang. „Na, das endet in der Zelle“ schoss es ihm durch den Kopf. Dann erreichten sie eine große, runde und silberglänzende Metalltür. Einer seiner Begleiter streckte den gewaltigen Schädel vor und die Gesichtserkennung ließ das Stahltor zur Seite gleiten. Doch statt in eine kalte Zelle blickte er in eine skurrile Szenerie, die anziehend und schaurig zugleich wirkte. Echsenartige Wesen verschiedenster Größenordnungen plumpsten in leicht affigen, grellbunten Kleidern auf einer Art Tanzfläche herum. Zu einem an- und abschwellenden Crescendo aus Heul- Pfeif- und Brummtönen. Augenscheinlich Echsenpop. Gleich darauf waren sie mitten im Getümmel und strebten der Bar zu, die er im Hintergrund erkennen konnte. Nachdem er sich mehrmals ducken musste, um nicht mit den stattlichen Vorbauten der Pimperianerinnen zu kollidieren – meist genau in seiner Kopfhöhe – standen sie endlich am Tresen. Und auch hier kam er als Terraner schlichtweg zu kurz. Er reichte gerade so an den Rand der Theke heran und brauchte sich gar nicht erst um die Aufmerksamkeit des locker zweizwanzig großen Keepers, zu bemühen. Was auch nicht notwendig war, da ihm einer seiner Begleiter bereits einen vollen Becher in die Hand drückte. Er guckte hinein und sah eine grünlich schimmernde Flüssigkeit darin. Die roch, als sei eine seit längerem tote Wasserschildkröte kurz in Ammoniak getaucht worden. Er guckte nach oben und sah nach seinen beiden neuen Kumpels. Die schnarrten sich irgendwas Unverständliches zu und lachten dabei wie Godzilla im Unterzucker. „O. K.“, dachte er, „Gastfreundschaft muss man annehmen.“
Er schloss die Augen, stellte auf reine Mundatmung um und kippte sich das Zeug hinter die Binde. Dann machte es „Bumm“. Und während ihm ein Odeur von Schlick und Schlamm durch die Nase zog, begann sich um ihn herum alles zu drehen. Er atmete tief durch, hustete kurz und versuchte sowas wie ein dankbares Lächeln nach oben zu schicken. Was einer der beiden Saurierbullen damit beantwortete, ihm Becher Nummer Zwei in die Hand zu drücken. Er lächelte noch ein bisschen weiter und wünschte sich, er hätte einen Nahrungsriegel in der Hosentasche. Auf der Theke gewahrte er zwar irgendetwas scheinbar Essbares unter einer Glasglocke und wollte gerade danach fragen, da wand sich ein schwarzer Tentakel unter der Glocke hervor und sein eben erwachter Appetit verging ihm wieder. Mittlerweile verstärkte Drink Nummer Zwei die Wirkung des ersten und ihm wurde ganz schön schwummrig. Er guckte nochmal nach den beiden pimperianischen Polizisten. Sie beachteten ihn nicht und grölten sich scheinbar die neuesten Echsenwitze zu. Langsam schob er sich an der Theke entlang, bis er aus ihrem Blickfeld war, und machte sich unauffällig auf den Weg in Richtung Ausgang. Dabei musste er höllisch aufpassen niemand in die Quere zu kommen, denn die Tanzenden hüpften mittlerweile wie die Irren durch die Gegend, so dass der gesamte Boden bebte wie die gute, alte Rosinante beim Start.
Susi
Als er glücklich nach draußen gekommen war, eilte er den silbernen Gang zurück zum Flugfeld. Kaum war er dort, staunte er nicht schlecht. Denn da hockte ein Pimperianermädel auf der Schnauze seines Gleiters und baumelte mit den Beinen. Im Vergleich zu den doch eher monströsen Damen in der Disco wirkte dieses Exemplar hier fast zierlich. Er öffnete kurz die Seitentür, hängte sich den Universalübersetzer um den Hals und schaltete ihn ein.
„Äh, wärst du so nett und würdest aufstehen? Nur langsam, nur langsam, keine Eile, bis ich starte, dauerts eh noch ein bisschen“ sagte er so freundlich wie möglich. Das Echsenmädel guckte ihn eine Zeitlang an und irgendwie erwartete er, dass sie gleich nach ihm schnappen würde. Dann sagte sie:
„Ich bin Hurrbrokma. Hör mal, unser Planet hier wird mir einfach zu eng. Es geht uns zwar generell gut. Aber von unserer alten Bissigkeit ist nicht mehr viel übrig geblieben. Wir Pimperianer waren früher dafür bekannt, nicht lange zu fackeln, wenn mal was quer lief oder einer frech wurde. Da fehlte schnell mal ein Ohr oder ein Ärmchen und dann wurde weiter diskutiert. Vielleicht. Heutzutage schnappt einer höchstens mal in die Luft oder klappt das Gebiss geräuschvoll zusammen. Und wird dafür gleich scheel angeguckt. Alle sind so furchtbar lieb, brav und angepasst, das langweilt einen schier zu Tode. Wo fliegst du denn eigentlich hin?“
„Tja, weiß ich noch nicht so genau“, sagte er, „ich bin unterwegs und guck einfach mal so, wo es mich hintreibt. Auch bei uns auf Terra ist es ja nicht unbedingt lustiger geworden. Mir gehts eigentlich ganz ähnlich, bei uns scheinen auch alle mittlerweile komplett angepasst und superbrav zu sein. Gesetze und Regeln greifen nahezu in jeden Lebensbereich ein. Sie sagen dir was du essen sollst, sie sagen dir wie du reden sollst. Und sie knöpfen dir auf alle nur vorstellbare Arten deine Spacecoins ab. Da hat sich der alte Freigeist meines Großvaters und meines Vaters in mir gerührt. Ich hab‘ meine gesamten Coins zusammengekratzt, Rosinante überholen lassen und bin einfach abgehauen. Das macht mir zwar durchaus auch ein bisschen Angst, aber so langsam gewöhn‘ ich mich dran.“
„Nimmst du mich mit? Ich versprech‘ dir auch keinen Dreck zu machen“, sagte die Reptiloide schnell. „Ich mach den Replikator immer sauber – kann deiner übrigens auch lebendiges Essen? Oder nur totes? - Na egal, ich sing dir was vor, wenns dir langweilig ist und bin ansonsten so gut wie nicht da. Ignorier‘ mich einfach.“
„Na ja, ignorieren wird schwer“, dachte er. Sie war zehn Zentimeter größer als er und sah doch zumindest leicht zum Gruseln aus. Dann fiel ihm ein, dass er ja eigentlich unterwegs war, um was zu erleben. Und mit so einer Echsenfrau zwischen den Sonnensystemen unterwegs zu sein, konnte ja vielleicht ganz lustig werden. Die würden im „Fly-Inn“ ganz schön dumm gucken, wenn er mit ihr aus der Schleuse käme.
„Ach komm, wir versuchens. Wenns nicht klappt, kann ich dich ja immer noch zurückbringen,“ sagte er und wies auf die offene Tür. Sie schaute ihn an, zeigt ihr gewaltiges Gebiss, was wohl ein Lächeln sein sollte und stieg ein. Vorsichtig ging sie Richtung Cockpit.
„Ah, da ist ja der Replikator“, sagte sie. Und: „Das ist ja eine heiße Mühle hier.“ „Eine LC467 von „Quasar““ sagte er. „Knappe fünfzig Jahre alt. Die hat noch einen echten Steuerknüppel. Kann man ausklappen, wenn man will. Und viel wildere Kurven und Stürze fliegen als mit der normalen, schaumgebremsten Steuerung. Übrigens ist das o.k., wenn ich dich Susi nenne? Hurrbrokma ist für einen Terraner doch schwer auszusprechen. Ich bin übrigens Spaceman. Zumindest ist das mein Spitzname.“
„Gut“, sagte sie. „Kein Problem Spaceman. Ich finds übrigens ziemlich nett, dass du mich einfach mitnimmst. Ich könnte dich ja auch überwältigen, auf irgendeinem Wüstenplaneten aussetzen und mit deiner Rosinante abhauen.“
„Ach, das glaub´ ich nicht,“ entgegnete Spaceman. „Wer solche Ansichten hat wie du und Gesellschaften kritisch betrachtet, neigt ja normalerweise nicht zu Gewalttaten.“
Zwischenstopp
Ohne zu zögern gab er die Koordinaten zu einem nicht all zu weit entfernten Gasplaneten ein, der aussah, als sei er nicht aus diesem Universum. Gelbgrün fluoreszierend und von bernsteinfarbenem Gewölk überzogen. Er ging in einen weiten Orbit und hängte den Gleiter so darin auf, dass die Cockpitscheibe auf den Planeten ausgerichtet war. Dann ging er zum Replikator und wischte auf dem Bedienfeld herum. Kurz darauf entnahm er ihm zwei große Kubbak-Biere aus den süß-säuerlichen Gewächsen auf Knuck. Dazu orderte er kekrianischen Dickfeigenkuchen. Kuchen und Bier vor sich lehnten sie sich zurück.
„Willst du mal unseren pimperianischen Schilftabak probieren?“, fragte Susi.
„Klar, her damit“, sagte er. Obwohl er sich keineswegs sicher war, dass er dieses Zeug auch wirklich vertrug. Schließlich wog er keine hundert Kilo und stammte auch nicht von irgendwelchen Sauriern ab. Doch nach ein, zwei Zügen wurde ihm ganz warm. Er entspannte sich und gab sich ganz der Betrachtung des exotischen Gasplaneten hin. Das dampfige grün-gelbe Wabern sah aus, als kochte da unten irgendwer was Schwefliges zusammen. Die zimbriotischen Entspannungsklänge, die dazu durchs Cockpit hallten, verfehlten ihre Wirkung nicht und er döste ein. Aber nur, um kurz darauf durch ein lautes Knirschen und Krachen hochzuschrecken. Er schaute nach Susi und staunte nicht schlecht. Die saß neben ihm und zermalmte gerade eine seiner Rinderlenden aus der Frostkammer. Entschuldigend schaute sie ihn an und sagte:
„Du, sei mir nicht böse, aber nach dem Kuchen hab´ ich dringend was Herzhaftes gebraucht. Schmeckt übrigens gut.“
„Kein Problem Susi, aber auftauen und braten hätte ja jetzt auch nicht so lange gedauert.“
„Ach, das geht auch so“, sagte Susi und biss wieder herzhaft zu, so dass ihm etliche gefrorene Fleischsplitter um die Ohren flogen. Was sich ungefähr so anhörte wie seine letzte Bruchlandung mit ausgefallenem Tokamak. Er stellte die Musik lauter und versetzte Rosinante in eine langsame längsachsige Drehung.
„Cool“, meinte Susi, „geht das auch schneller?“
„Und ob!“, sagte er und beschleunigte die Drehung gefühlvoll aber stetig.
„Uiiiiiiii!“, rief Susi und griff unsicher nach ihrem Bier. Dann leerte sie es auf einen Zug, griff nach ihrer Pfeife, stopfte sie neu, steckte sie an und hielt sie ihm vor die Nase.
„Ah, danke“, sagte er und hob abwehrend die Hand. Die Wirkung von vorhin war kaum schwächer geworden und er wollte sich das bislang angenehme Gefühl nicht durch zu viel des Guten verderben. Nach einiger Zeit ließ er die Rotation langsam auslaufen und startete den Tokamak. Er flog in einem weiten Bogen in die Atmosphäre des Gasriesen, beschleunigte und cruiste mit abgeschalteten Trägheitsdämpfern durch das Gewölk. Viel tiefer zu gehen traute er sich wegen der gewaltigen Stürme unter den Wolken nicht. Nachdem er mit ein paar Loopings und Spins ungefähr den halben Planeten abgeflogen hatte, zog er hoch und tauchte einmal mehr mit vollem Fusionsantrieb in die Schwärze des Alls ein.
„Kein Wunder, dass dich unsere Bullen runtergeholt haben“, lachte Susi und blickte entspannt ins interstellare Nichts. „Und? Wohin gehts jetzt?“
„Ach wart‘ mal“, sagte er. „Ich könnt‘ da noch `ne Story erzählen ...“
„Prima“, gab Susi zurück. „Ich liebe Erzählungen! Eine alte Tradition auf Pimperia. Meine Großeltern haben mir immer von den alten Zeiten erzählt. Als es bei uns noch richtig handfest zuging und Raptorenkämpfe an der Tagesordnung waren und der Stärkere einfach immer recht hatte. Egal, ob er nun zwei und zwei zusammenzählen konnte, oder nicht. Aber außer den Raptoren waren ja noch viele friedliche Pflanzenfresser unterwegs. Und von denen gibts ja auch jede Menge lustige Geschichten.“