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Sie darf ihn nicht lieben - denn er ist ihr Schüler!
Als Melody Greens größter Traum - eine Karriere als Tänzerin - wegen eines schweren Unfalls platzt, hat sie keine Wahl: Sie muss den Job als Lehrerin an einer Elite-High-School annehmen, auch wenn es das Letzte ist, worauf sie Lust hat. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass sie dort auf einen Mann treffen könnte, der ihr Herz mit einem einzigen Blick erobert. Jaime Followhill ist arrogant und sexy, und die Sehnsucht, die sie in seiner Nähe spürt, raubt ihr jegliche Vernunft. Zu versuchen, ihm zu widerstehen, ist zwecklos. Doch die Sache hat einen Haken: Jaime ist Melodys Schüler. Eine Liebe zwischen ihnen ist verboten und könnte Melody erneut ihre Karriere kosten ...
Novella zur Sinners-of-Saint-Reihe von USA-Today-Bestseller-Autorin L.J. Shen
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Seitenzahl: 168
L. J. SHEN
ROUGH LOVE
Sinners of Saint
Ins Deutsche übertragen von Patricia Woitynek
Als Melody Greens größter Traum – eine Karriere als Tänzerin – wegen eines schweren Unfalls platzt, hat sie keine Wahl: Sie muss den Job als Lehrerin an einer Elite-High-School annehmen, auch wenn es das Letzte ist, worauf sie Lust hat. Niemals hätte sie damit gerechnet, dass sie dort auf einen Mann treffen könnte, der ihr Herz mit einem einzigen Blick erobert. Jaime Followhill ist arrogant und sexy, und die Sehnsucht, die sie in seiner Nähe spürt, raubt ihr jegliche Vernunft. Zu versuchen, ihm zu widerstehen, ist zwecklos. Doch die Sache hat einen Haken: Jaime ist Melodys Schüler. Eine Liebe zwischen ihnen ist verboten und könnte Melody erneut ihre Karriere kosten …
»Ich möchte immer viel lieber glücklich und zufrieden als würdevoll sein.«
Charlotte Brontë – Jane Eyre
Für Jaime Steinman-Jones und Kerissa Blake
»Secretly« – Skunk Anansie
»R U Mine?« – Arctic Monkeys
»Under Your Spell« – Desire
»Colors« – Halsey
»Crazy In Love« – Nightcore
»Whistle for the Choir« – The Fratellis
»Halo« – Texas
»Atomic« – Blondie
Mein Name ist Melody Greene, und ich habe ein Geständnis abzulegen.
Ich hatte Sex mit einem meiner Schüler aus der zwölften Klasse.
Oft.
Inklusive zahlreicher Orgasmen.
In unterschiedlichsten Stellungen.
Ich hatte Sex mit meinem Schüler, und es war wundervoll.
Ich hatte Sex mit meinem Schüler, und ich würde es wieder tun, könnte ich die Zeit zurückdrehen.
Mein Name ist Melody Greene, und ich habe nicht nur meine Stelle als Lehrerin verloren, sondern erduldete auch einen Gang der Schande à la Cersei Lannister durch das Schulgebäude, nachdem die Rektorin mir damit gedroht hatte, die Polizei zu verständigen.
Mein Name ist Melody Greene, und ich tat etwas sehr Schlechtes, weil ich mich gut dabei fühlte.
Hier erzähle ich, warum es die Sache definitiv wert war.
Ich flüchtete aus dem Büro der Rektorin und ins Freie, wo mich ein von winterlichen Wolken verhangener südkalifornischer Himmel erwartete. Zorn, Schmach und Selbstekel drangen bis in den letzten Winkel meiner Seele und erfüllten mich mit einer Verzweiflung, die ich um jeden Preis abschütteln wollte.
Ich war am absoluten Tiefpunkt angelangt.
Man hatte mich soeben darüber informiert, dass die All Saints High meinen Vertrag nächstes Jahr nicht verlängern werde, es sei denn, ich legte mich ins Zeug und bewirkte ein Wunder, indem ich meine Schüler in aufmerksame menschliche Wesen verwandelte. Rektorin Followhill behauptete, dass ich null Autorität besäße und mit den Literaturkursen, die ich gab, im Zeitplan zurückläge. Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte ich letzte Woche erfahren, dass man mich Ende nächsten Monats aus meiner Wohnung werfen würde. Der Eigentümer hatte beschlossen, sie zu renovieren und anschließend wieder selbst zu nutzen.
Zu allem Übel hatte auch noch der Sexting-Partner, den ich über eine fragwürdige Dating-Website aufgegabelt hatte, mich gerade benachrichtigt, dass er es nicht zu unserer ersten persönlichen Verabredung heute Abend schaffen werde, weil seine Mutter sich weigere, ihm ihr Auto zu leihen.
Er war sechsundzwanzig.
Genau wie ich.
Wählerisch zu sein, war ein Luxus, den sich eine Frau, die seit vier Jahren keinen Sex gehabt hatte, einfach nicht leisten konnte.
Tatsächlich hatte ich, von ein paar kurzen Affären einmal abgesehen, nie eine echte Beziehung gehabt. Überhaupt keine. Mit niemandem. Ballett stand immer an erster Stelle. Vor den Männern und vor mir. Eine Weile dachte ich wirklich, das sei genug. Bis es irgendwann nicht mehr reichte.
Wann war alles den Bach runtergegangen?
Das kann ich euch sagen: Direkt, nachdem ich mit dem College angefangen hatte. Vor acht Jahren war ich an der Juilliard angenommen worden und mein Traum, eine professionelle Balletttänzerin zu werden, somit in greifbare Nähe gerückt. Dafür hatte ich mein Leben lang gearbeitet. Meine Eltern hatten Darlehen aufgenommen, um meine Teilnahme an Tanzwettbewerben zu finanzieren. Jungs hätten für mich nur eine unwillkommene Ablenkung bedeutet. Ich konzentrierte mich ausschließlich darauf, von einem renommierten Ballettensemble in New York oder Europa angenommen und eine Primaballerina zu werden.
Tanzen war mein Ein und Alles gewesen.
Als ich mich von meiner Familie verabschiedete und ihnen von der Sicherheitskontrolle am Flughafen aus zuwinkte, wünschten sie mir Hals- und Beinbruch. Drei Wochen nach Beginn meines ersten Semesters an der Juilliard hatte sich dieser Segenswunsch wortwörtlich erfüllt. Auf dem Weg hinunter zur U-Bahn brach ich mir bei einem grotesken Unfall auf der Rolltreppe das Bein.
Damit musste ich meine Karrierepläne, meinen Lebenstraum an den Nagel hängen und gezwungenermaßen nach Südkalifornien zurückkehren. Nachdem ich mich ein Jahr lang in Selbstmitleid gesuhlt und eine feste Beziehung zu meinem ersten (und letzten) Freund – einem Typen namens Jack Daniels – entwickelt hatte, überredeten meine Eltern mich, eine Laufbahn als Lehrerin anzustreben. Meine Mutter arbeitete in diesem Beruf. Ebenso mein Vater. Und mein älterer Bruder. Sie liebten es zu unterrichten.
Ich hasste es.
Dies war mein drittes Jahr an einer Schule und mein erstes – sowie, in Anbetracht meines Misserfolgs, wohl zugleich letztes – an der All Saints High in Todos Santos, Kalifornien. Rektorin Followhill zählte zu den einflussreichsten Frauen der Stadt. Ihre kultivierte Stutenbissigkeit war Respekt einflößend. Und sie verabscheute mich von Beginn an. Meine Tage unter ihrer Herrschaft waren gezählt.
Als ich auf meinen zwölf Jahre alten Ford Focus zusteuerte, der in der Reihe gegenüber ihrem Lexus und dem monströsen Range Rover ihres Sohns parkte (jawohl, sie hatte ihrem Sohn, einem Zwölftklässler, einen verdammten Luxusgeländewagen gekauft. Wozu brauchte ein Achtzehnjähriger ein dermaßen großes Auto? Damit sein Super-Ego bequem darin Platz fand?), gelangte ich zu dem Schluss, dass meine Situation wohl nicht schlimmer werden könnte.
Aber ich irrte mich.
Ich stieg in meinen Ford und setzte auf dem fast leeren Parkplatz zurück, in Richtung der zwei kostspieligen Symbole für einen Minderwertigkeitskomplex, als mir just in diesem Moment Mr Hotel Mama eine weitere Nachricht schickte. HAB DIE KARRE. LUST, IHR MEHR SEX-APPEAL ZU VERPASSEN?, stand in der grünen Sprechblase, gefolgt von gefühlt dreitausend Fragezeichen.
Ich ärgerte mich.
Wurde unaufmerksam.
Und kollidierte geradewegs mit dem Range Rover von Rektorin Followhills Sohn.
Meine Hände verkrampften sich um das Lenkrad, und mir entfuhr ein entsetztes Keuchen, dann schlug ich mit der Hand auf mein Herz, um zu verhindern, dass es mir aus dem Brustkorb sprang. Scheiße. Scheiße. Scheiße! Der Knall, der in meinen Ohren dröhnte und mein Auto erschütterte, ließ keinen Zweifel offen.
Ich hatte diesem SUV dasselbe angetan, was Keanu Reeves mit dem Film Dracula gemacht hatte: Ich hatte ihn ruiniert!
Der Adrenalinstoß löste eine Kampf-oder-Flucht-Reaktion bei mir aus. Kurz zog ich in Erwägung, das Gaspedal durchzutreten, eine neue Identität anzunehmen, außer Landes zu fliehen und mich in einer Höhle irgendwo in den afghanischen Bergen zu verstecken.
Wie sollte ich für den Schaden aufkommen? Meine Selbstbeteiligung wäre hoch, zudem war gerade eine Mahnung meiner Versicherung ins Haus geflattert, weil mein letzter Beitrag ausstand. War ich überhaupt noch versichert? Rektorin Followhill würde mich lynchen.
Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und stieg aus. Genau genommen durfte Jaimes kostbarer schwarzer Geländewagen gar nicht auf dem Lehrerparkplatz abgestellt werden. Andererseits kam Jaime Followhill aufgrund seines guten Aussehens, seines sozialen Status und seiner mächtigen Eltern mit allerlei Verbotenem ungestraft davon.
Ich ging zum Heck meines Wagens, das in das hintere Viertel der Seitenpaneele des Range Rovers gekracht war und darin eine Delle von der Größe Afrikas hinterlassen hatte.
Überflüssig zu erwähnen, dass die Situation jetzt nicht noch schlimmer werden konnte.
Aber ich irrte mich wieder.
Ich bückte mich und inspizierte den Schaden, ohne mich darum zu scheren, dass dabei mein knielanges braunes Kleid hochgewirbelt und mein neuer Spitzenslip enthüllt wurde. Es war niemand auf dem Parkplatz, der ihn sehen konnte, und ich würde ihn ganz sicher auch nicht heute Abend Mr Hotel Mama präsentieren.
»Oh nein, nein, nein …«, skandierte ich atemlos.
Ich vernahm ein gutturales Knurren. »Wenn Sie sich das nächste Mal so aufreizend vornüberbeugen, Ms G, vergewissern Sie sich, dass ich nicht hinter Ihnen stehe, sonst landet die Geschichte am Ende bei National Geographic unter dem Titel: ›Wenn Raubtiere zuschlagen‹.«
Ich richtete mich langsam auf, rückte meine Lesebrille zurecht und musterte Jaime Followhill.
Er sah aus wie das uneheliche Kind von Ryan Gosling und Channing Tatum (Randnotiz: Das wäre eine großartige Idee für einen schwulen Liebesroman. Ich würde ihn auf jeden Fall lesen.) Blonde, im Nacken zu einem nachlässigen Männerdutt gezwirbelte Haare, türkisblaue Augen und der Körper eines Strippers. Im Ernst, der Kerl war derart gestählt, dass seine Arm-Muckis die Größe von Bowlingkugeln aufwiesen. Er war das wandelnde Klischee eines Abschlussballkönigs aus einem Neunziger-Jahre-Film. Ein Footballspieler, auf den jedes Mädchen an der All Saints High scharf war …
Und jetzt ruhte sein Blick auf mir, als er sich seinem demolierten Wagen näherte.
Er trug ein enges graues Henley-Shirt, das seine Bizepse und Brustmuskeln betonte, schmale dunkle Jeans und High-Top-Sneakers, die so teuer und geschmacklos aussahen, dass kein anderer als P Diddy das Design verbrochen haben konnte. Er hatte mehrere blaue Flecken an den Armen und außerdem ein abklingendes Veilchen. Ich wusste, woher die Blutergüsse stammten. Gerüchten zufolge prügelten er und seine unterbelichteten Kumpels sich an den Wochenenden bei einem Kampfspiel namens Defy gegenseitig windelweich.
Allem Anschein nach war der hübsche Bursche nicht zu reich, um sich herumschubsen zu lassen. Ich fragte mich, ob seine Mutter über Defy Bescheid wusste.
Augenblick mal, hat er mich gerade nach meinem Hamster gefragt? Oder war es etwas über Hamsterbacken?
»Ach du liebes bisschen.« Ein spitzbübisches Grinsen glitt über sein Gesicht, als er wenige Zentimeter vor unseren Autos stehen blieb. Sie sahen aus, als wären sie miteinander verschmolzen. Als würde der Range Rover meinen hässlichen Ford aus seinem Heck hervorpressen und der Lebensgefährte des Geländewagens (sprich Rektorin Followhills Lexus) einen Vaterschaftstest verlangen.
Ich unterrichtete Jaime in englischer Literatur, und er gehörte zu den wenigen Kids, bei denen ich mich darauf verlassen konnte, dass sie ihre Klassenkameraden nicht auslachten, anbrüllten oder mit Zeug bewarfen. Er war beim besten Willen kein guter Schüler, aber er machte mir auch keinen Ärger. Dafür nahm ihn sein Handy viel zu sehr in Anspruch.
»Es tut mir leid.« Ich seufzte gequält und ließ frustriert die Schultern hängen.
Er griff unter den Bund seines Shirts und rieb sich sein perfektes Sixpack. Dabei streckte er sich, während er gleichzeitig gähnte. »Scheint, als hätte ich Ihren Wagen geschrottet, Ms Greene.«
Moment mal … was?
»Du …« Ich räusperte mich, dann schaute ich mich um, um festzustellen, ob man mir gerade einen Streich spielte. »Du hast … meinen Wagen geschrottet?«
»Ja. Ich hab Sie direkt ins Hinterteil gerammt. Wortspiel beabsichtigt.« Er ging in die Hocke und begutachtete stirnrunzelnd die Stelle, wo unsere Autos ineinander verkeilt waren, dann strich er mit seiner gebräunten Hand über den glänzenden Lack seines Range Rovers.
Jaime machte ein Geräusch, als wäre wirklich er derjenige, der mein Fahrzeug beschädigt hatte. Ich hatte keine Ahnung, wieso. Er war noch nicht einmal in seinem Wagen gewesen, sondern gerade erst aufgetaucht. Wollte er mich am Ende erpressen?
Ich hielt mich für eine verantwortungsbewusste Lehrkraft mit moralischen Grundsätzen. Gleichzeitig legte ich keinen gesteigerten Wert darauf, in meinem Auto zu campieren und mich im Meer zu waschen. Aber genau das würde mir angesichts des unausweichlichen finanziellen Desasters blühen, wenn ich mich schuldig bekannte, seine Luxuskarosse beschädigt zu haben.
»James …« Mit einem neuerlichen Seufzen umklammerte ich den goldenen Anker an meiner Halskette.
Er schüttelte den Kopf und hob die Hand. »Tja, ich habe Ihr Auto demoliert. Dumme Sache. Lassen Sie es mich wiedergutmachen.«
Was. Zur. Hölle?
Ich wusste nicht, was für ein Spiel er hier trieb. Sondern nur, dass er es vermutlich besser beherrschte als ich. Darum drehte ich mich um und ging, entsprechend dem Feigling, der ich war, geradewegs zurück zu meinem Wagen, um der Situation in typischer Melody-Greene-Manier zu entrinnen.
»Halt, nicht so schnell.« Er lachte leise, packte mich am Ellbogen und wirbelte mich zu sich herum.
Mein Blick schoss zu seiner Hand, die meinen Arm umfing. Er ließ sie sinken, doch es war zu spät. Schmetterlinge stoben in meinem Bauch auf, meine Haut prickelte vor Begierde. Ich war scharf auf einen meiner Schüler.
Allerdings war Jaime Followhill nicht einfach nur ein Schüler. Er war außerdem ein Sexgott.
Den Beweis dafür lieferten die Geschichten, die in den Fluren der All Saints High kursierten und die es in ihrer Größenordnung mit Shakespeares Gesamtwerk aufnehmen konnten. Und falls die Gerüchte stimmten, war das nicht das Einzige an ihm, das voluminös und eindrucksvoll war.
Er verunsicherte mich fast so sehr wie seine Mutter. Der einzige Unterschied war, dass sie mir Furcht einflößte, während er mich an meiner empfindlichsten Stelle traf. Jaime machte mich verlegen.
Was daran liegen mochte, dass ich im Literaturunterricht immer wieder zu ihm hinsehen musste. Mein Blick wurde von ihm angezogen wie eine Motte vom Licht, selbst wenn ich es nicht wollte. Ich befürchtete, dass er sich dessen ebenfalls bewusst war. Der Tatsache, dass ich ihn auf unziemliche Weise beobachtete, während er Quatsch machte und mit seinem Handy herumspielte.
Nicht wie eine Lehrerin.
Sondern wie eine Frau.
»Ich sagte, ich habe Ihren Wagen demoliert.« Seine blauen Augen schimmerten vor Intensität.
Weshalb tat er das? Und warum zum Kuckuck zerbrach ich mir überhaupt darüber den Kopf? Dieser Teenager bekam mehr Taschengeld, als ich Guthaben auf meinen sämtlichen Konten hatte. Wenn er das hier auf seine Kappe nehmen wollte, sollte ich es einfach akzeptieren.
War er darauf aus, eine bessere Note zu bekommen? Das bezweifelte ich. Jaime stand kurz vor dem Highschool-Abschluss. Ich hatte gehört, dass der Goldjunge an einer herausragenden Universität angenommen worden war (seiner Mutter sei Dank), wo er Football spielen und wahrscheinlich einen neuen Rekord in Sachen Frauenverschleiß aufstellen würde.
»Ja, das hast du«, bestätigte ich und schluckte. »Und ich bin dabei, mich zu verspäten. Darum lass mich bitte durch.«
Wir sahen uns fest in die Augen und besiegelten unsere Abmachung mit einem mentalen Handschlag. Ich hatte das Gefühl, mir mein eigenes Grab zu schaufeln, indem ich mich auf etwas einließ, das mir mächtig Ärger einbringen könnte. Ich schloss einen Handel mit der Ausgeburt des Teufels. Obwohl ich gute acht Jahre älter war als er, wusste ich genau, wer Jaime war.
Er war einer der Vier HotHoles.
Ein ichbezogenes, privilegiertes reiches Söhnchen mit großem Einfluss in dieser Stadt.
Er kam noch ein Stück näher, sodass unsere Körper sich fast berührten. Sein Atem strich über meine Wange. Pfefferminzkaugummi, Aftershave und der Moschusduft von männlichem Schweiß, der mich seltsam benommen machte. Ich war auf diese Situation derart unvorbereitet, dass ein Muskel in meinem Gesicht zuckte.
Ich trat einen Schritt zurück.
Jaime machte einen auf mich zu.
Er beugte den Kopf und näherte sich meinen Lippen mit seinen. Entsetzt merkte ich, dass ich weiche Knie bekam. Den Grund kannte ich genau.
»Ich stehe in deiner Schuld«, murmelte er mit dunkler Stimme. »Und ich werde diese Schuld begleichen. Bald. Sehr bald.«
»Ich brauche dein Geld nicht«, platzte ich hervor, während sich ein warmes Kribbeln in meinem Unterleib ausbreitete.
Seine faszinierenden Augen weiteten sich, dann setzte er ein Grinsen auf, bei dem sich seine Grübchen zeigten. »Ich spreche nicht von Geld.«
Wie konnte ein so junger Mensch derart arrogant und selbstsicher sein? Ich fühlte, wie sein Daumen sacht und neckend über meinen Bauch strich und mir durch den dünnen Stoff meines Kleids einen Schauer verursachte. Es war, als würde er die Arme um mich schlingen und den Mund auf meinen pressen.
Ich blinzelte verwirrt und leckte mir über die Lippen.
Oh mein Gott.
Oh. Mein. Gott!
Jaime Followhill baggerte mich an. Völlig unverfroren. Mitten auf dem Parkplatz. In aller Öffentlichkeit.
Man konnte mich nicht als abstoßend bezeichnen. Ich hatte grüne Augen, einen hübschen kalifornischen Teint, weiche, kastanienbraune Locken und noch immer die Figur einer Tänzerin. Trotzdem wäre ich nicht unbedingt harte Konkurrenz für einen Cheerleader.
Ich fühlte meinen Puls überall, sogar in meinen Augenlidern, während ich nach hinten stolperte und ein Stöhnen unterdrückte. »Das reicht jetzt, James. Fahr vorsichtig, und erledige bitte die Hausaufgabe für morgen«, erkühnte ich mich zu sagen.
Ich stieg wieder in meinen Ford, anschließend rammte ich den Range Rover versehentlich ein weiteres Mal, wodurch sich die Delle in einen langen, breiten Kratzer verwandelte, und flüchtete vom Tatort. Im Rückspiegel sah ich, wie Jaime mir mit herausfordernd gelupften Brauen hinterherblickte.
Ich fuhr so schnell, dass meine Locken sich in eine dramatische Löwenmähne verwandelt hatten, als ich vor meinem Wohnhaus parkte.
Daheim fläzte ich mich mit meinem Handy auf die Couch und wartete darauf, dass Rektorin Followhill anrief, um mir mitzuteilen, dass ich gefeuert sei und sie mich auf jeden Penny verklagen würde, den ich besaß. Vielmehr nicht besaß.
Stunde um Stunde verstrich, aber der Anruf kam nicht. Um zehn verzog ich mich ins Bett und schloss die Augen, fand jedoch ums Verrecken keinen Schlaf. Weil ich pausenlos an diesen hinreißenden Schnösel Jaime Followhill denken musste.
Daran, dass ich noch nie einen Kerl getroffen hatte, dessen Duft mich so sehr erregte.
An den anbetungswürdigen Anblick, als er mit der Hand über seine gebräunten Bauchmuskeln rieb.
Und daran, dass er mir ohne Zögern aus der Patsche geholfen hatte, weil er wusste, dass seine Mutter mich andernfalls durch die Mangel drehen würde, und er jetzt … eine Gegenleistung erwartete.
Auf dem Papier war er noch ein halbes Kind, aber an diesem Nachmittag hatte er durch und durch wie ein Mann gewirkt.
Diese Gedanken widersprachen jeder Logik, sie zerrten an meinen Nerven und machten mich fast wütend.
Noch heute Morgen war ich überzeugt gewesen, dass ich die Followhills hasste.
Doch seit diesem Nachmittag gab es unleugbar zumindest ein Mitglied der Familie, mit dem ich gern äußerstfreundschaftlichen Umgang pflegen würde.
Nur so viel musste man über Todos Santos wissen: Es war die reichste Stadt in Kalifornien und demzufolge das Zuhause der privilegiertesten Teenager der Welt. Meine Schüler wussten, dass ich sie nicht durchrasseln lassen konnte. Ihre Eltern besaßen genug Macht, um mir meine Staatsbürgerschaft zu entziehen und mich auf einen sauerstofflosen Planeten zu verbannen. Somit überraschte es kaum, dass die Kids in meinem Unterricht machten, was sie wollten.
Der Tag nach der Karambolage war anders.
Ich gab sechs Kurse. Die ersten fünf liefen besser als erwartet, sprich, ich musste weder jemanden zum Nachsitzen verdonnern, noch einen Krankenwagen rufen oder ein Sondereinsatzkommando zur Unterstützung anfordern. Aber es war die sechste und letzte Stunde, die mein Leben für immer veränderte.
Als ich im Anschluss an eine weitere Gardinenpredigt seiner kratzbürstigen Mutter Jaimes Klassenzimmer betrat, begrüßte mich eine Stille, die ich nicht gewohnt war. Alle saßen auf ihren Plätzen, es flogen keine Wurfgeschosse, und selbst Jaimes bester Kumpel Vicious hatte niemandem ein satanisches Symbol in die Stirn geritzt, um Zeit totzuschlagen.
Normalerweise war dies die Stunde, in der ich die hitzköpfigen, rüpelhaften Vier Heißen Arschlöcher (in Todos Santos gemeinhin bekannt als die Vier HotHoles) unter Kontrolle halten musste. Sie würden in drei Monaten ihren Abschluss machen, was ihr Verhalten erklären könnte, hätten sie sich nicht von Anfang an so gebärdet.
Da war zum einen Jaime, der meinen Unterricht dazu nutzte, Gott und der Welt Textnachrichten zu schicken und die Aufmerksamkeit jedes Mädchens auf sich zu lenken, das nicht bis über beide Ohren in Trent Rexroth verknallt war, einen unterprivilegierten Footballstar mit mokkabrauner Haut, der in der letzten Bank saß und mal mit dieser, mal mit jener rummachte. Einmal hatte er sich in der Mathestunde unter dem Tisch von einer Mitschülerin einen blasen lassen. Kein Witz. Dann gab es noch den hohlköpfigen Kiffer Dean Cole, der seine helle Freude daran hatte, mir Streiche zu spielen und mich auf die Palme zu bringen, und zu guter Letzt Baron »Vicious« Spencer, den größten Wichser der Welt.
Vicious war mit Abstand der Schlimmste von allen. Wegen seiner durchwegs gleichgültigen, übellaunigen Art hatte man ihn nach Sid Vicious von den Sex Pistols benannt, und er machte seinem Spitznamen alle Ehre. Er hatte kohlrabenschwarze Haare, ausdruckslose Augen, blasse Haut und war von einem rebellischen Zorn erfüllt, bei dem man Gänsehaut bekam. Das ständige Muskelzucken in seinem angespannten Kiefer machte die Mädchen ganz wuschig vor Angst und