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Die lang erwartete Märchenhochzeit … Nach zahlreichen Herausforderungen, Unterrichtsstunden in Etikette und Anstand, exorbitanten Kleidern und einem wiederholt gebrochenen Herzen hat Tatyana es endlich geschafft: Das Herz des Prinzen gehört ihr und seine letzte Entscheidung steht an. Doch die Fassade des königlichen Prinzessinnen-Wettbewerbs hat längst schon so tiefe Risse bekommen, dass sie sich nur noch seiner Liebe und nicht mehr seiner Wahl sicher sein kann. Denn es geht bereits um viel mehr als nur darum, die Gunst des Prinzen zu erwerben… Textauszug: »Herzlichen Glückwunsch, Miss Gewinnerin-der-Herzen«, zischte sie mich an. »Pass bloß auf, was für eine Show du veranstaltest. Der Prinz gehört mir. Du bist nur noch hier, weil das Königreich dich so toll findet. Sie hatten keine andere Wahl, als dich mit in die letzte Runde zu nehmen. Aber das wird dir auch nicht helfen, Verliererin!« Ihre Augen funkelten beängstigend und unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück. Ich erwischte eine Schale, die laut scheppernd auf dem Boden landete. Doch das war mir in dem Moment egal. Wie gebannt starrte ich auf Charlottes unnatürlich lange Fingernägel, die sich langsam und schmerzvoll in meine Haut bohrten. //Alle Bände der königlichen Bestseller-Reihe: -- Royal 1: Ein Leben aus Glas -- Royal 2: Ein Königreich aus Seide -- Royal 3: Ein Schloss aus Alabaster -- Royal 4: Eine Krone aus Stahl -- Royal 5: Eine Hochzeit aus Brokat -- Royal 6: Eine Liebe aus Samt -- Royal: Alle sechs Bände in einer E-Box -- Royal: Princess. Der Tag der Entscheidung (Royal-Spin-off) Die Royal-Reihe ist abgeschlossen.//
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Seitenzahl: 391
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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2015 Text © Valentina Fast, 2015 Lektorat: Konstanze Bergner Umschlagbild: shutterstock.com/ © Eduard Derule / © Artem Kovalenco / © Ileysen / © Leigh Prather / © Claire McAdams / © mythja / © YuriyZhuravov / © Arsgera Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral Satz und E-Book-Umsetzung: readbox publishing, Dortmund ISBN 978-3-646-60172-5www.carlsen.de
Wenn mir einmal jemand prophezeit hätte, was ich heute fühlen würde, ich hätte ihn vermutlich ausgelacht. Ängste, die ich mir niemals hatte träumen lassen, bestimmten mein ganzes Dasein. Wie abwegig das klang. Schließlich lebte ich in Viterra, hier musste niemand Angst haben. Dabei ging es nicht einmal nur um die nächtlichen Angriffe auf die Kuppel. Angriffe, die nicht sein sollten, nicht sein durften.
Wieder hatte man mir einen wichtigen Teil meiner Erinnerungen gewaltsam entrissen. Und das war ein entsetzliches, ein furchterregendes Gefühl.
Narben bedeckten meine Hände, meine Füße und mein Gesicht, Schmerzen wurden mein ständiger Begleiter. Das hier war nicht nur das Ergebnis einer kranken Injektion und unmenschlicher Folter, es war vielmehr eine Warnung, die ich nicht deuten konnte.
Dazu die irrationale Furcht, die ich beim bloßen Klang von Phillips Stimme empfand, realer als jede meiner Ängste zuvor. Wenn wir uns in die Augen blickten, schien es mit einem Mal egal zu sein, dass er mich erneut erwählt hatte und mich damit zwang, weiterhin im Palast zu leben. Die Auswahl wurde unwichtig. Die Einzige, die mich in ihrem eisernen, unbarmherzigen Griff hielt, war sie, die pure Angst.
Ein Gefühl, das mich auch beim Aufeinandertreffen mit dem fremden Wächter packte. Der Blick in sein Gesicht löste ein Entsetzen in mir aus, das so viel tiefer ging als jedes andere Gefühl. So tief, dass ich sogar glaubte, meine Narben würden sich durch seinen Anblick wieder öffnen. Noch nie in meinem Leben hatte ich mich so wehrlos und so schwach gefühlt wie in dem Moment, als seine Augen mich so scheinheilig angesehen hatten und sich seine Lippen zu einem falschen Lächeln verzogen.
Doch ich schweife wahrscheinlich schon wieder zu weit ab. Begeben wir uns zu der Stelle, als ich ohnmächtig wurde vor Angst, als Albträume die Nächte zur Qual machten. Fast schien es so, als würden sie das begonnene Werk zu Ende bringen wollen, mit dem Ziel, mich endgültig zu vernichten.
Als ich aufwachte, war mir kalt. Richtig kalt. Ich zog an der Decke, die ich im Schlaf von mir gestrampelt hatte, und berührte dabei meine nackte Haut. Das Laken unter mir war durchgeschwitzt und meine Haare klebten unangenehm in meinem Nacken. Müde schob ich mich auf die andere Bettseite, die noch trocken war, und wickelte mich in die Decke ein. Sie roch nach Phillip. Für einen winzigen, sorglosen Moment stahl sich ein Lächeln auf mein Gesicht. Dann wurde mir plötzlich klar, was passiert war.
Ich sprang auf, verhedderte mich in der Decke – und fiel aus dem Bett. Hart schlug ich mit meinen Knien auf dem Boden auf und fand mich in einem abgedunkelten Zimmer wieder. Bevor ich die Decke zusammenraffen konnte, wurde die Tür vor mir aufgerissen und ein Wächter eilte herein.
»Entschuldigen Sie, Miss Tatyana, wir haben laute Geräusche gehört und ich wollte nach dem Rechten sehen«, stammelte der Mann, während er sich mit geröteten Wangen von mir abwandte.
Schnell zog ich die Decke über meine Beine und war froh, dass sie wenigstens meinen Oberkörper verhüllt hatte.
»Schon gut«, wisperte ich und rang mir ein Lächeln ab. Ich war so verwirrt, dass mir nicht einmal diese Situation peinlich erschien. »Wo bin ich?«
Er räusperte sich, immer noch bemüht, mich nicht anzusehen, während ich langsam aufstand und die Decke fest um meinen Körper zog.
»Sie sind in den Gemächern des Prinzen. Es wird Sie sicher freuen zu hören, dass wir die Schuldigen gefunden haben.«
Ich erstarrte und wäre um ein Haar wieder zusammengesackt. »Wie bitte?«
»Sie haben bereits gestanden und Prinz Phillip ist gerade mit unserem General bei der Befragung. Sie sind hier vollkommen sicher, Miss Tatyana«, erklärte er mit erhobenem Haupt und so diensteifrig, dass es mich schon wieder rührte.
»Ich danke Ihnen. Auch für Ihre Diskretion«, fügte ich leise hinzu. »Könnten Sie bitte dennoch Miss Claire holen lassen? Ich fürchte, ich brauche ein wenig Beistand.«
Er nickte. »Sicher. Ich werde jetzt wieder gehen und dann nur noch Miss Claire in diesen Raum lassen.«
»Danke. Ach, und könnten Sie Miss Claire bitten, mir Kleidung mitzubringen?«, rief ich ihm noch zu, als er gerade die Tür schließen wollte.
Der Wächter lächelte und nickte erneut. Dann ließ er mich allein.
Ich warf die Decke aufs Bett, schlang die Arme schützend um mich und lief zum Fenster. Kurz hielt ich inne, dann schob ich die dunklen Vorhänge mit einem Ruck zur Seite. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und ich fühlte mich, als hätte ich eine Ewigkeit geschlafen.
Blinzelnd drehte ich mich weg und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen. Er war riesig und, wie ich bald feststellte, einzig und allein das Schlafzimmer. Nebenan befanden sich noch ein geräumiges Wohnzimmer sowie ein großes Bad mit einer eigenen Sauna. Würdige Gemächer für einen Prinzen.
Einer Eingebung folgend beschloss ich duschen zu gehen – und ignorierte dabei gekonnt die Tatsache, wem die Räumlichkeiten eigentlich gehörten.
Als ich unter dem warmen Wasser stand und die Verbände von meinem Körper löste, begann ich mich ein wenig zu entspannen. So gut ich konnte, versuchte ich nicht an gestern zu denken oder an die Worte des Wächters. Nur einen Moment lang wollte ich mir vormachen dürfen, dass ich eine ganz normale junge Dame wäre, die unter der Dusche stand. Doch als meine Blicke die verkrusteten Wunden meiner rechten Hand streiften, musste ich unweigerlich seufzen.
»Tanya? Ich bin es, Claire. Darf ich reinkommen?«
»Ja, aber ich dusche noch«, rief ich ihr zu und fühlte mich beim Klang ihrer Stimme schon viel besser.
Meine Freundin trat ins Bad, setzte sich auf den Toilettendeckel und schaute mich zaghaft an. »Hast du es schon gehört?«
Ich schluckte und hielt mein Gesicht einen Moment lang in den Wasserstrahl, als wäre er im Stande, die Angst in meinen Gliedern wegzuspülen. »Ja.«
»Das ist gut. Sogar sehr gut. Sie alle sind seit gestern Nacht nicht mehr aufgetaucht. Selbst Fernand ist dabei.« Kurz stockte sie, dann zwang sie sich zu einem aufmunternden Lächeln. »Das ist gut«, wiederholte sie noch einmal zusammenhangslos.
Ich stellte das Wasser ab und zog zitternd das Handtuch von der Duschwand, das ich zuvor darüber gehängt hatte. Ohne mich wirklich abzutrocknen, schlang ich es mir um meinen Körper und stieg tropfend aus der Dusche.
»Wenn du noch einmal sagst, dass es gut ist, dann …« Meine Stimme brach und ich kniete mich vor sie auf den weichen Teppich. Meine Knie schmerzten und hatten leuchtend rote, verkrustete Schürfwunden. Ich legte meinen Kopf auf ihre Oberschenkel und begann zu weinen. Und auch Claire schluchzte leise auf. Sie hob sanft meinen Kopf, aber nur, um sich neben mich auf den Boden zu setzen und ihre Arme um mich zu schlingen.
»Du wirst ganz nass«, protestierte ich halbherzig.
»Egal«, flüsterte sie und drückte mich an sich. »Es tut mir so unendlich leid … Oh Tanya, ich wünschte, ich könnte etwas tun, um dir die Schmerzen zu nehmen. Es tut mir so leid …«
Ich sagte nichts, schluchzte nur und ließ meinen Kopf auf ihre Schulter sinken, genauso wie ihr Kopf auf meiner Schulter lag.
Als wir uns schließlich etwas beruhigt hatten, standen wir mit zittrigen Knien auf und hielten uns noch eine Weile aneinander fest.
»Claire«, seufzte ich leise und löste mich langsam von ihr, während ich mir über mein feuchtes Gesicht wischte. »Irgendwann ist das alles überstanden, nicht wahr?«
»Natürlich«, flüsterte meine Freundin. Sie atmete tief durch, wischte sich ebenfalls über ihr Gesicht, bevor sie über ihr Kleid strich, um imaginäre Falten zu entfernen. »Draußen auf dem Bett liegen deine Anziehsachen. Erica war in deinem Turm und hat aufgeräumt … Ich glaube, das gestern hat sie sehr mitgenommen.«
»So wie ich mich aufgeführt habe, wundert mich das nicht«, nickte ich traurig und begann mich abzutrocknen.
Claire ging derweil in den Schlafbereich. Als sie zurückkam, trug sie ein Kleid in ihren Händen und hielt es mir so hin, dass ich bequem hineinsteigen konnte. Als es geschafft war, schloss sie noch die Knöpfe an meinem Rücken und blieb hinter mir stehen, um meine Haare zu bürsten. Woher sie die Bürste hatte, wusste ich nicht, aber es war mir auch egal.
Während sie immer wieder damit durch meine Haare fuhr und dann einen Zopf zu flechten begann, starrte ich mein eigenes Spiegelbild an. Mein Gesicht war eingefallen. Mein Auge schimmerte mittlerweile bläulich und wirkte so, als würde es ganz Viterra zeigen wollen, was mir widerfahren war. Ich fragte mich, ob der Schmerz der Demütigung wohl jemals wieder nachlassen würde.
»Was ich dir die ganze Zeit schon sagen wollte …«, begann meine Freundin indes und band das Ende meiner geflochtenen Haare mit einem Band fest, das sie aus ihrer Rocktasche gezogen hatte. »Der König möchte mit dir sprechen.«
Ich schluckte und drehte mich zu ihr um. »Wieso will er das?«
»Weil er und die Königin gern mit dir über die Geschehnisse der letzten Tage reden wollen. Eine Bedienstete hat es mir vorhin gesagt. Aber ich dachte mir, dass ich dich am besten persönlich hinbringe.«
Ich spielte mit meinem noch nassen Zopf und versuchte den schmerzhaften Kloß in meinem Hals in den Griff zu bekommen.
»Hab keine Angst. Die beiden sind wirklich sehr nett. Du musst dich wirklich nicht vor ihnen fürchten«, ermunterte mich Claire, doch ihre Worte wollten mich einfach nicht erreichen. Nichtsdestotrotz ergriff ich ihre entgegengestreckte Hand und machte mich mit ihr auf den Weg.
Als wir das Zimmer verließen, lächelte ich dem Mann, der meine Tür bewachte, kurz zu. Claire plapperte ununterbrochen vor sich hin, ihre ganz typische Art, meine – und ihre – angespannten Nerven zu beruhigen.
Irgendwann blieben wir vor einer großen, prächtigen Tür stehen. Zwei hünenhafte Wächter, die zu beiden Seiten der Tür aufgestellt waren, musterten uns argwöhnisch.
»Du schaffst das schon«, wiederholte Claire gebetsmühlenartig und drückte fest meine Hand. »Die Hoheiten sind wirklich sehr nette Menschen.« Fast entlockte sie mir damit ein Schmunzeln, aber nur fast.
Obwohl jede Faser meines Körpers sich dagegen wehren wollte, durch diese Tür zu gehen, nickte ich und atmete tief ein. Dann räusperte ich mich und wandte mich an den Wächter, der am nächsten zu uns stand: »Würden Sie bitte König Alexander und Königin Lilyana sagen, dass Miss Tatyana Salislaw da ist?« Meine Stimme zitterte so sehr, dass selbst das ernste Gesicht des riesigen Wächters vor mir eine Spur weicher zu werden schien – vielleicht war das aber auch pure Einbildung. Er drehte sich um, verschwand durch die Tür und ließ Claire und mich für einen Augenblick alleine mit seinem Kollegen, der abwechselnd uns und den Flur musterte.
»Du schaffst das. Ich warte hier draußen auf dich.« Claire drückte mir einen Kuss auf die Wange und strich mir liebevoll über den Arm.
»König Alexander und Königin Lilyana empfangen Sie jetzt.« Der Wächter kam zurück, hielt mir einen Türflügel auf und verzog seine Mundwinkel zu einem kleinen Lächeln.
»Danke«, flüsterte ich im Vorbeigehen und konnte sein Mitleid förmlich riechen.
Ich durchquerte die Tür und trat in eine Art Arbeitszimmer. Die Wände waren in einem dezenten Beigeton gehalten, sie strahlten Wärme und Behaglichkeit aus. Helles Holz bedeckte die Decke und den Boden, zu meinen Füßen lagen dicke, farbige Wollteppiche. In der Mitte des Raumes befand sich ein großer grauer Tisch, der sechs Menschen bequem Platz bot. Im Moment saßen dort jedoch nur der König und die Königin. Sie musterten mich gleichermaßen freundlich wie aufmerksam.
Kurze Zeit war ich zu überrascht, um etwas sagen zu können. Noch nie hatte ich die beiden ohne ihre aufwendigen Roben gesehen und nun trugen sie ganz normale Kleidung, ohne Frage edel, aber trotzdem normal. Außerdem war – nun, da ich es wusste Phillips Ähnlichkeit zu den beiden mit einem Mal unverkennbar.
Als ich das amüsierte Lächeln der Königin sah, räusperte ich mich schnell und schlug die Augen nieder, um mich zu sammeln. Dabei sank ich in einen höflichen Knicks, so tief, dass meine Waden schmerzten.
»Setzen Sie sich doch zu uns, Miss Tatyana.« Königin Lilyanas Stimme war noch genauso liebreizend, wie ich sie in Erinnerung hatte.
»Vielen Dank«, antwortete ich schüchtern und setzte mich den beiden gegenüber. Erst jetzt bemerkte ich den Tee und die Plätzchen, die auf dem Tisch drapiert waren.
»Bedienen Sie sich«, ermunterte mich König Alexander und sah mich dabei so durchdringend an, dass ein dicker Knoten meinen Hals emporstieg und mich kaum noch atmen ließ.
Hastig schüttelte ich meinen Kopf. »Nein, danke. Ich habe keinen Appetit.« Meine Hände lagen in meinem Schoß und zitterten so sehr, dass ich Angst hatte, etwas über den teuren Teppich zu verschütten.
»Zuerst möchten wir uns nachdrücklich für alles entschuldigen, was Ihnen während Ihres Aufenthaltes bei uns im Palast widerfahren ist.« Der König sagte all das so freundlich, dass ich ihm beinahe geglaubt hätte, wäre da nicht dieses seltsame Aufblitzen in seinen Augen gewesen.
Trotzdem nickte ich. »Ich weiß das sehr zu schätzen, glaube jedoch nicht, dass es Ihre Schuld war, dass ein Wächter mich mitten am Tag entführt und gefoltert hat.«
Offensichtlich erschrocken über meine unverblümten Worte – ich konnte selbst kaum glauben, dass ich sie tatsächlich ausgesprochen hatte starrten die beiden Hoheiten mich an.
»Entschuldigen Sie bitte, ich fürchte, ich bin noch ein wenig durcheinander«, fügte ich flüsternd hinzu und richtete meinen Blick starr auf meine Hände.
König Alexander räusperte sich, doch ich traute mich nicht, ihn anzusehen. »Nein, wir haben damit nichts zu tun, aber wir versichern Ihnen, dass wir herausfinden werden, wer der Drahtzieher hinter all dem ist. Die entsprechenden Wächter wurden bereits gefangen genommen. Es ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis wir herausgefunden haben, wer sie zu diesem schändlichen Verbrechen angestiftet hat.«
»Wir müssen Sie jedoch fragen, wer einen Grund haben könnte, Ihnen so etwas anzutun. Hatten Sie in letzter Zeit Streit mit jemandem?«, fragte Königin Lilyana mit einem so einnehmenden Lächeln, das mir warm ums Herz wurde.
»Nein, ich wüsste niemanden, der mich so sehr hassen könnte«, entgegnete ich vorsichtig. »Es tut mir leid, dass ich Ihnen diese Unannehmlichkeiten bereite. Aber bald ist es geschafft und dann können wir das alles hinter uns lassen«, versuchte ich zu beschwichtigen, doch anhand ihrer Reaktionen wurde mir sofort klar, dass es das Gegenteil bewirkte.
»Wie meinen Sie das?« König Alexander wurde aus irgendeinem Grund unruhig und schaute verstohlen zu seiner Frau hinüber, die jedoch nur Augen für mich hatte.
»Ich meine damit, der Wettbewerb ist bald vorbei und dann ist auch …« Abrupt hielt ich inne. »Entschuldigen Sie bitte, mit mir ist einfach noch nicht so viel anzufangen. Mein Auge bereitet mir Kopfschmerzen. Es tut mir leid«, wisperte ich und starrte, entsetzt über mein eigenes Verhalten, wieder meine Hände in meinem Schoß an.
»Miss Tatyana, kann es sein, dass Sie davon ausgehen, dass Sie diesen Wettbewerb nicht gewinnen werden?«, fragte auf einmal Königin Lilyana und stand auf. Sie ging um den Tisch herum, so anmutig, als würde sie fliegen, und setzte sich neben mich. »Sie wissen doch, dass Sie genauso wie Miss Charlotte die Chance haben, zu gewinnen, oder?«, fügte sie hinzu, griff nach meinen Händen und zwang mich damit, aufzuschauen.
»Habe ich das wirklich?« Meine Stimme zitterte so sehr, dass nur noch ein leises Gemurmel herauskam, doch die Königin schien jedes meiner Worte zu verstehen.
»Ja, das haben Sie. Und da Sie deshalb bald schon Prinzessin von Viterra sein könnten, ist es für uns natürlich sehr wichtig, all diejenigen hinter Schloss und Riegel zu bringen, die Ihnen das angetan haben.« Königin Lilyana hob ihre Hand und strich mir sanft eine gelöste Strähne aus der Stirn, die meine Wunde verdeckte. Traurig betrachtete sie dabei mein geschwollenes Auge. »Uns tut das alles wirklich von Herzen leid. Wir werden alles tun, damit diese Wächter reden.«
Ich nickte langsam und sah zu dem König hinüber. »Ich danke Ihnen beiden wirklich sehr dafür, dass Sie mit mir gesprochen haben. Aber dürfte ich Sie vielleicht um einen Gefallen bitten?«
König Alexander runzelte kurz die Stirn, dann nickte er langsam. Dabei umklammerten seine Hände einen Hauch zu fest die Stuhllehnen. Mich beschlich das mulmige Gefühl, dass er Angst vor etwas hatte. Doch wovor?
Zutiefst angespannt begann ich auf meiner Unterlippe herumzukauen, senkte den Blick und atmete tief durch, wie um Mut zu fassen. Dann erst blickte ich wieder hoch. »Können Sie eventuell dafür sorgen, dass man mich nicht so filmt? Meine Tante würde … Ich möchte auf keinen Fall, dass mich jemand so sieht. Und ich glaube, es wäre grundsätzlich empfehlenswert, wenn diese Angelegenheit nicht an die Öffentlichkeit gerät.«
Der König schien überrascht zu sein und es war ihm deutlich anzusehen, dass diese Bitte das Letzte war, was er erwartet hatte. Plötzlich breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus, das durch sein gleichsam irritiertes Stirnrunzeln gemildert wurde. »Das würde nur eine wahre Kandidatin sagen«, murmelte er fast schon ehrfurchtsvoll. Gleichzeitig bildete ich mir ein, Bedauern in seinen Augen lesen zu können. Doch was hätte das für einen Sinn ergeben?
»Natürlich«, bekräftigte nun auch die Königin. »Wir behandeln diese Angelegenheit vertraulich und niemand wird davon erfahren. Wir danken Ihnen, dass Sie sich für uns Zeit genommen haben. Doch nun wollen wir Sie nicht länger aufhalten. Ruhen Sie sich noch ein wenig aus und kommen Sie wieder zu Kräften.« Sie erhob sich und strich mir dabei lächelnd über meine Haare, eine Geste, die mich zutiefst berührte.
»Vielen Dank.« Ich stand ebenfalls auf und verbeugte mich so tief wie ich konnte vor dem Königspaar. Dann ging ich hinaus.
Als der Wächter die Tür hinter mir schloss und mich aufmunternd ansah, brach die Anspannung wie ein Sturzbach über mir zusammen. Meine Knie wurden so weich wie Gummi und vor meinen Augen drehte sich alles. Ich sehnte mich nach starken, rettenden Armen, die mich einfach nur auffingen – und nie mehr loslassen wollten. Ein unsagbar schöner, ein unsagbarer trauriger Wunschtraum.
»Da bist du ja endlich. Ich dachte schon, du kommst nie wieder da raus. Wie war es?« Claire stürzte auf mich zu und zog meinen Arm unter ihren, um mich zum Essen zu bringen.
»Sie haben sich für alles entschuldigt und die Königin sagte, dass ich noch immer die Chance habe, zu gewinnen. Aber ich verstehe das alles nicht…«
Claires Griff verstärkte sich. »Siehst du. Wie toll das klingt! Stell dir das mal vor: Du, Phillip, Fernand und ich.« Sie begann an meiner Seite auf und ab zu hüpfen, während ich noch zu verwirrt war, um zu realisieren, was sie damit meinte. Es konnte einfach nicht sein. Nie im Leben hatte ich eine Chance. Aber gleichzeitig war die Königin auch Phillips Mutter. Wusste sie mehr als ich, mehr als alle anderen?
»Warst du nicht diejenige, die gesagt hat, dass ich mich nur wieder von Phillip erholen kann, wenn ich Henry wähle?«, versuchte ich meine Freundin in ihre Schranken zu weisen– und auch mich selbst nicht wieder mit einer Hoffnung zu belegen, die ich mir einfach nicht mehr leisten wollte.
Claire verdrehte ihre Augen und schüttelte den Kopf. »Natürlich. Aber mittlerweile habe ich das Gefühl, dass du dich niemals von Phillip lösen wirst. Du magst ihn schon viel zu sehr. Da hat der arme Henry einfach das Nachsehen. Also lass mich doch einfach mal hoffen. Es wäre so schön, mit dir zusammen hierzubleiben.«
»Claire, es hat keinen Zweck. Bitte lass uns das Thema beenden.« Ich schüttelte nachdrücklich meinen Kopf und schaute auf eine glänzende Ritterrüstung, die wir passierten. Die roten Wände schienen niemals enden zu wollen, goldene Bilderrahmen zogen alle paar Meter an uns vorbei, bis wir endlich die Tür nach draußen erreichten.
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