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Ein neues lustiges und buntes Berlin-Abenteuer mit der liebenswerten Heldin Ruby! In diesem Sommer scheinen besonders viele Schmetterlinge durch die Großstadtluft zu flattern. Oder warum sonst sind plötzlich alle verliebt? Na klar ist auch Ruby verliebt! In ihren Mops Püppi, ihre Katze Honey und natürlich in ihre besten Freundinnen. Nur so richtig verknallt hat sie sich noch nie. Und das ist auch gut so, findet Ruby. Denn die Liebe scheint eine ziemlich komplizierte Angelegenheit zu sein: Alle um Ruby herum schwärmen hoffnungslos für irgendjemanden und sehen die Welt nur noch durch eine rosarote Brille. Aber dann erwischt es Ruby plötzlich selbst, als sie einen süßen Typen in der Schule erspäht: mit fluffigem, windzerzaustem Haar und dem nettesten Grinsemund aller Zeiten. Da hilft nur eins - Ruby muss sich ratzfatz wieder entlieben! Band 3 der quirligen Mädchenreihe mit viel Herz und Humor Mit witzigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Isabelle Metzen Weitere Bände: Band 1: Ruby Band 2: 1 Chaos-Queen und jede Menge Glitzerstaub
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Susanne Fülscher
Ruby – 1 Traumprinz, 100 peinliche Zettel und wie man sich ratzfatz wieder entliebt
Mit Illustrationen von Isabelle Metzen
Na klar ist Ruby verliebt! In ihren Mops Püppi und ihre Katze Honey, in ihre Freundinnen und in das bunte Leben in Berlin. Nur so richtig verknallt hat sie sich noch nie. Und das ist auch gut so, findet Ruby, weil die Liebe eine ziemlich komplizierte Sache zu sein scheint. Aber dann erwischt es sie plötzlich doch, als sie einen süßen Typen in der Schule erspäht. Da hilft nur eins: Ruby muss sich ganz schnell wieder entlieben!
Wohin soll es gehen?
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Viten
Linh und ich liegen auf meinem Bett in Grün-Berlin und philosophieren über die Liebe. Das heißt, Linh philosophiert, ich höre zu.
„Jungs sind doch die Komplett-Katastrophe“, sagt sie gerade.
„Wie meinst du das?“, frage ich.
„Erst machen sie dir supersüße Komplimente und dann servieren sie dich eiskalt ab.“
„Wer hat dir supersüße Komplimente gemacht und dich danach eiskalt abserviert?“ Ich kann mich nicht erinnern, dass Linh etwas am Laufen hatte, das man auch nur entfernt als Liebe bezeichnen könnte.
„Der süße Eisverkäufer! Er hat voll mit meinen Gefühlen gespielt. Das tut schrecklich weh, Ruby. Liebe ist doch … ist doch …“ Sie seufzt tief.
„Liebe ist was?“
Linh richtet sich auf und stößt hervor: „Magic!“
„Das mit dir und dem Eisverkäufer war magic?“ Soweit ich mich erinnere, waren die Gefühle ziemlich einseitig.
„Pfff“, macht sie und dreht sich auf den Bauch. „Ich will nicht drüber reden.“
Komisch, sie tut doch die ganze Zeit nichts anderes.
Ich kitzele ihren Nacken. „He, er hat dir ein Eis verkauft und dich gefragt, ob du dir das Himbeereis als Kontrast zu deinen dunklen Haaren ausgesucht hast. Mehr war da nicht.“
„Das ist ja das Schlimme“, grunzt sie ins Kissen. „Besser, er hätte das mit dem Himbeereis gar nicht erst gesagt.“
„Linh, du musst jetzt ganz tapfer sein. Eine richtige Liebeserklärung war das nicht.“
„Ja, leider“, tönt es dumpf aus den Kissen. „Sonst hätte er nicht auch Kat und Ella vollgeschleimt.“
Stimmt, da war ja noch was. Der süße Eisverkäufer sagt anscheinend zu vielen Leuten nette Dinge. Ganz abgesehen davon ist er für Linh sowieso viel zu alt.
„Gibt es denn in deiner Klasse keinen Jungen, den du mehr als nur normal magst?“
„Nein.“ Linh richtet sich mit einem Ruck auf und zieht das hochgerutschte Blümchenkleid über ihre Oberschenkel. „In meine Klasse gehen nur Knallis.“
Komisch, in meine auch. Vielleicht muss das so sein. Damit man sich besser auf den Unterricht konzentrieren kann.
Es klopft, Mama schaut herein und fragt Linh, ob sie bei mir übernachten möchte.
„Oh ja!“, ruft sie fröhlich, als hätte sie nicht eben noch Liebeskummer gehabt.
Ich finde das megalieb von Mama. Die letzte Woche war ich bei Papa in Bunt-Berlin, also im Zentrum der Stadt. Und wenn ich zu Mama nach Grün-Berlin wechsele, was etwas außerhalb liegt, haben Linh und ich immer jede Menge zu bereden.
Seit der Scheidung meiner Eltern pendele ich wochenweise zwischen Mama und Papa hin und her. In Grün-Berlin wohnen Mama, mein Mops Püppi und ich in einer kuscheligen Einliegerwohnung im Haus meiner Großeltern. Das ist richtig cool, weil Omimomi und Opa Ritschie für uns da sind, Mama und ich aber auch für uns sein können, wenn wir das möchten. In Bunt-Berlin teilen Papa und ich uns eine große Altbauwohnung mit Karl, dessen Lebensgefährten Enrico, der Katze Honey und einem Mieter oder einer Mieterin auf Zeit. Anders als in Grün-Berlin ist in der Wohngemeinschaft immer mächtig was los. Papa arbeitet als Kochbuchautor und kocht täglich die leckersten Gerichte (wobei er meistens die Küche verwüstet), Karl übt oft stundenlang auf seiner Geige (er ist Orchestermusiker) und Enrico versorgt uns mit Nugat-Eis und Kuchen aus seinem Café Sieben Törtchen unten im Haus.
Linh, die bei mir um die Ecke wohnt, läuft rasch nach Hause, um ihre Übernachtungssachen zu holen. Ich nutze die Zeit und schreibe Charlie, meiner besten Freundin in Bunt-Berlin, eine Nachricht. Seit der Mathearbeit, die sich Herr Schneider in einem Anfall von geistiger Umnachtung ausgedacht haben muss, habe ich den totalen Mathe-Blackout. Nicht mal Omimomi, die früher Lehrerin war, kann mir helfen, und Mama brauche ich gar nicht erst zu fragen. Als freie Journalistin jongliert sie gekonnt mit Wörtern, aber bei Zahlen hakt irgendwas bei ihr aus. Schon früher in der Schule war sie eine Niete in Mathe.
Hi Charlie! Erklärst du mir morgen die drei Mathe-Aufgaben auf Seite 76? Verstehe nur Bahnhof.
Habs auch nicht gerafft.
Muss gleich Schluss machen. Linh schläft bei mir.
Cool!
Ja, das ist cool. Aber noch viel cooler finde ich, dass wir so ein super Freundinnen-Team sind. Linh, Charlie und ich. Und auch mit Azra und Emily aus meiner Klasse verstehen wir uns richtig gut.
Wieder ploppt eine Nachricht in meinem Handy auf:
Morgen kriegen wir bestimmt Mathe zurück. Mir ist jetzt schon schlecht.
Keine Angst. Die Arbeit wird garantiert nicht gewertet.
Bis morgen! Grüß Linh. ❤
❤❤❤
Arme Charlie. Ständig versucht sie, ihrer Mutter zu beweisen, dass sie gut genug ist, um nach der sechsten Klasse aufs Gymnasium zu wechseln. Dabei ist sie ein Ass in Naturwissenschaften.
Kurz darauf kommt Linh mit den Übernachtungssachen zurück. Sie pfeffert nur ihre Tasche auf mein Bett, ich schlüpfe in meine Latzhose, dann gehen wir zum Abendbrot zu Mama, Omimomi und Opa Ritschie in den Garten. Püppi tapert hinter uns her. Wie üblich spekuliert sie darauf, dass sie was vom Essen abbekommt. Klar, es riecht ja auch so lecker nach Veggie- und Fleischwürstchen, dass mir das Wasser im Mund zusammenläuft. Ich schiele auf den Gartentisch, wo eine riesige Schüssel mit Omimomis weltbestem Nudelsalat steht. Für den würden manche Leute töten.
Mama, die eben noch im Gartenstuhl gearbeitet hat, trägt ihren Laptop wie eine Trophäe in die Wohnung, danach können wir essen.
„Arbeitest du schon an der neuen Kolumne?“, will Omimomi wissen.
Mama schüttelt den Kopf, gleichzeitig geht Omimomis unsicherer Blick zu mir.
„Ihr könnt ruhig darüber reden“, sage ich gechillt. „Das stört mich nicht.“
Seit einiger Zeit schreibt Mama eine Kolumne fürs Berliner Journal. Das ist ein kurzer knackiger Text, in dem es um Ruby Filippi (also mich) und ihre (also meine) Macken geht. Beim ersten Mal fand ich es ziemlich schrecklich, private Dinge in der Zeitung über mich zu lesen, aber seit ich mit einem eigenen Kolumnendings antworten und somit auch was über Mamas Macken rauslassen darf, ist es eigentlich ziemlich cool.
„Bisher habe ich noch nicht mal eine Idee.“ Mama spießt eine Nudel auf. „Wenn Ruby wenigstens verliebt wäre …“
„Was dann?“, fragt Omimomi.
„Dann könnte ich über ihren Mister Right schreiben.“
„Untersteh dich!“, bricht es aus mir raus. „Außerdem gibt es keinen Mister Right. Es gibt nicht mal einen Mister Unright.“
„War doch nur ein Scherz!“, sagt Mama.
Alle lachen und ich lache mit.
„Vielleicht erzählt dir Ruby aber auch nicht alles.“ Omimomi zwinkert mir zu. „Ich habe meinen Eltern jedenfalls nicht alles auf die Nase gebunden. Du doch sicher auch nicht. Oder, Nina?“
Mama grinst mit breitem Lippenstift-Mund in die Runde. „Ganz bestimmt nicht! Ich hab früher Sachen gemacht … die möchtest du gar nicht so genau wissen.“
Nach eigenen Angaben war Mama in ihrer Jugend ein wilder Feger. Puh, zu viel Information.
„Ich versteh überhaupt nicht, wovon ihr redet“, schaltet sich Opa Ritschie ein. „Moni war meine erste große Liebe.“ Er greift nach ihrer Hand. „Und sie ist es bis heute geblieben.“
Omimomi beugt sich zu ihm rüber und drückt ihm einen geräuschvollen Schmatzer auf den Mund.
Linh guckt irritiert weg (das sehe ich aus dem Augenwinkel). Mama guckt ebenfalls weg (mir entgeht nichts). Püppi kläfft und guckt hin. Und dann ist die Knutscherei auch schon wieder vorbei. Keine Ahnung, was die Leute immer mit der Liebe haben. Gibt es keine wichtigeren Themen auf der Welt?
Am nächsten Tag schleppe ich mich nach der großen Pause mit letzter Kraft in den Klassenraum. Es ist so heiß, dass mir die Shorts und das Klima-retten-Shirt am Körper kleben. Charlie, Azra und Emily mussten ihre Pausenbrote unbedingt auf dem Hof futtern. Emily will auf Teufel komm raus braun werden, dabei sind ihre Schultern schon jetzt krebsrot. Azra liebt es, wenn ihr die Sonne aufs Kopftuch knallt. Und Charlie bringt sowieso nichts aus der Fassung. Die würde auch noch neben einem Feuer speienden Vulkan ihre Stulle verdrücken.
Ächzend lasse ich meinen Kopf auf die Tischplatte rumsen. Ich habe nicht mal Lust, irgendetwas Schlaues in mein Listenheft zu schreiben. Gleich haben wir Mathe bei Herrn Schneider. Puh, Mathe ist wie Zähneputzen. Kaum jemand mag das Fach, aber es steht nun mal auf dem Stundenplan. Außerdem haben wir alle ein bisschen Bammel vor der Rückgabe der Arbeit.
Charlies Finger wandern über meinen schwitzigen Nacken. „He, nicht einschlafen.“
Nö, ganz bestimmt nicht. Bei dem Lärm in der Klasse. Die Jungs in der letzten Reihe grölen ein Fußi-Lied, Anouk-Bernadette-Claudine (die wir manchmal ABC nennen) kreischt dagegen an, und Mimi und Chiara lachen so schrill, als wollten sie die Reagenzgläser im Chemieraum ein paar Flure weiter zum Zerspringen bringen. Leute, es ist noch richtig früh! Wir haben dreiunddreißig Grad im Schatten!
Die Tür geht quietschend auf und schlagartig wird es ruhig. Wahrscheinlich ist Herr Schneider in einer rosa Badehose reingekommen. Aber selbst wenn, wäre es mir egal.
„Ruby, die Direx!“, zischt Charlie mir ins Ohr.
Ich rappele mich hoch. Frau Talheim steht vorm Whiteboard. Neben ihr ein braun gebrannter Surfertyp in löchrigen Jeans, meerblauem Shirt und mit beachblonden längeren Haaren. Modell Traumprinz. Nur klemmt statt eines Surfbretts eine schicke rot-weiße Laptoptasche unter seinem Arm.
„Guten Morgen“, begrüßt uns Frau Talheim.
Der Typ grinst lässig in die Runde und zeigt dabei perfekte weiße Zähne.
„Wo ist denn Herr Schneider?“, ruft Otto von Gallen und zieht ein Katastrophengesicht. Kein Wunder. Er gehört zu den 0,00001 Prozent der Weltbevölkerung, die sich tatsächlich auf Mathe freuen.
„Eurer Mathematiklehrer hatte gestern einen Unfall. Er ist von einem Radfahrer angefahren worden.“
„Boah! – Waass?! – Krass! – Strange!“, rufen alle durcheinander.
Mimi meldet sich. „Ist er schlimm verletzt?“
„Dazu kann ich leider nichts sagen.“ Die Direx zeigt auf den Blonden. „Herr Prinz ist so nett und springt für ihn ein.“
Ich starre den Mann an. Der sieht nicht nur aus wie ein Traumprinz, der heißt auch noch so! Und er soll Lehrer bei uns sein? Ich kann mich nicht erinnern, ihn schon mal gesehen zu haben.
„Herr Prinz ist erst seit letzter Woche an unserer Schule“, sagt Frau Talheim, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Er unterrichtet Mathe und Französisch.“
„Baguette, Claudette, Jeanette!“, blökt Leon und Gegacker schwappt durch die Klasse.
Menno, wie peinlich ist das denn? Manche (und damit meine ich leider meistens die Jungs) benehmen sich echt wie Babys. Zum Glück erspart sich Frau Talheim einen Kommentar und auch der Surfertyp geht mit smartem Lächeln darüber hinweg.
„So, dann lasse ich Sie mal mit Ihrer neuen Klasse allein.“ Die Direktorin wendet sich zum Gehen. „Und euch gutes Arbeiten.“
„Danke, Frau Talheim!“, säuselt Otto.
Puh, nee, jetzt ist er auch noch vom Schleimer-Virus befallen.
Weg ist sie und wir sind mit Herrn Traumprinz … äh … Prinz allein. Ich gucke mich verstohlen um. Die eine Hälfte der Klasse sitzt wie in Stein gemeißelt da. Die andere Hälfte tuschelt leise und kichert. Ein paar Mädchen glotzen den Blonden schockverliebt an. Besonders schlimm scheint es Anouk erwischt zu haben. Ihr Mund steht offen und ihre Zungenspitze lugt zwischen den Brackets ihrer Zahnspange hervor. Hoffentlich beißt sie sie nicht aus Versehen ab.
„Bevor wir mit Mathe loslegen, möchte ich, dass wir uns ein bisschen kennenlernen“, sagt Herr Prinz in sächsischem Singsang. „Ich bin sechsunddreißig, komme aus Chemnitz … dort habe ich an einer Ganztagsschule unterrichtet … und bin jetzt wegen meines Sohnes nach Berlin gekommen.“
„Wie alt ist Ihr Sohn denn?“, quatscht Henri dazwischen, obwohl das im Moment keine Sau interessiert.
„Zwölf. Das heißt, nächste Woche wird er dreizehn.“
„Cool!“, ruft Chiara.
Ich verdrehe insgeheim die Augen. Sind jetzt alle crazy geworden? In unserer Klasse ist jeder zwölf oder dreizehn. Das ist nun wirklich nichts Besonderes.
Anouk meldet sich. „Spielen Sie auch in Filmen mit?“ Sie wirft ihre dunklen Schneewittchen-Haare so wild hin und her, dass fast ihr Haarreif rausrutscht.
Herrn Prinz’ Augenbrauen rutschen eine Etage höher. „Wie kommst du denn darauf?“
„Weil … äh … neulich … also, da lief so ein Film“, stottert sie. „Und der Mann … der … der sah ein bisschen wie Sie aus.“
Die Arme. Sie ist ja völlig von der Rolle.
„Da muss ich dich leider enttäuschen. Mit Schauspielerei habe ich nichts am Hut. Aber ich gehe sehr gern ins Kino und ins Theater. Außerdem rudere ich und lerne Portugiesisch.“
Wow! Ein Lehrer, der freiwillig eine neue Sprache lernt – das ist mega.
Herr Prinz setzt sich lässig mit einer Pobacke auf den Lehrertisch.
„So, und jetzt ihr. Wie heißt ihr? Wie alt seid ihr? Was habt ihr für Hobbys?“
Azra ist als Erste dran, danach Charlie. Beide erzählen stolz, dass sie kickboxen, dann bin ich an der Reihe. Mein Herz rast los, als müsste es einen neuen Rekord aufstellen. Leider habe ich nicht so außergewöhnliche Hobbys wie Herr Prinz und meine Freundinnen. Ich schreibe Listen und ab und zu die Kolumne für die Zeitung. Aber kann man das überhaupt als ein Hobby bezeichnen?
„Ich heiße Ruby und bin zwölf“, sage ich.
Pause, Pause, Pause.
Herr Prinz lächelt mich aufmunternd an. „Und was machst du in deiner Freizeit?“
„Lesen, schreiben und … äh … essen.“
Die ganze Klasse wiehert los. Zu Recht. Wie konnte mir das nur rausrutschen?
„Ruby ist gummibärchensüchtig!“, trötet der blöde Henri.
„Und sie schreibt eine Kolumne für das Berliner Journal“, sagt Azra. „Wie eine richtige Journalistin.“
„Oh, wirklich? Das ist ja spannend.“ Herr Prinz macht einen Schritt auf mich zu, aber ich gehe auf Tauchstation und murmele ein „Mhm“ in Richtung ausgefranste Jeans. Mehr geht gerade nicht.
Zum Glück stellt er keine weiteren Fragen und nimmt Emily dran.
„Ich heiße Emily, bin auch zwölf und bastele in meiner Freizeit Perlenarmbänder“, rattert sie herunter.
Sie sagt noch was anderes, doch das rauscht durch mich hindurch, weil es sich plötzlich in meinem Magen anfühlt, als würde dort eine Party stattfinden. So richtig mit Chips, Cola und dröhnenden Bässen. Wie kann ein Lehrer nur so unfassbar gut aussehen?! Und so wahnsinnig cool sein? Der ist ja voll das Kontrastprogramm zu Herrn Schneiders Grauhaar-Pony und den Kettenraucher-Fingern!
Ein Wunder, dass ich die Doppelstunde Mathe überhaupt durchstehe. Wie durch Nebel kriege ich mit, dass viel gekichert wird, Herr Schneider die gruselige Mathearbeit noch nicht korrigiert hat und Mr Surferman sich wie verrückt auf das nächste Mal bei uns freut. Keine Ahnung, ob er es ernst meint oder das sein Standardspruch ist, damit er besser bei uns ankommt.
Irgendwann klingelt es zum Glück, ich schnappe meine Sachen und taumele wie benommen nach draußen.
Die zweite große Pause verbringen Charlie, Azra, Emily und ich in der Cafeteria. In der Eile habe ich heute Morgen meine Wasserflasche und meine Brotdose vergessen. Jetzt muss ich mich mit einem Saft und einem Müsliriegel eindecken (Hilfe, teuer!). Unser Thema ist – wie sollte es anders sein – Mr Surferman.
„Kaum zu glauben, dass so jemand Mathe und Französisch studiert hat“, sagt Emily. Weil die Luft in der Cafeteria steht, pustet sie immer wieder die blonden Ponyfransen hoch.
„Was soll er denn sonst studiert haben?“, frage ich zurück.
Sie überlegt. „Sport!“
„Man kann doch sportlich sein und trotzdem irgendwas Unsportliches studieren, oder?“, entgegne ich.
Wir nicken.
„Auf jeden Fall sieht er ziemlich gut aus für einen Lehrer“, wirft Azra lächelnd ein. Für ihre Verhältnisse war das total gefühlvoll. Sonst analysiert sie immer alles oder spricht, als hätte sie Wikipedia auswendig gelernt.
„Er ist voll süß!“ Emilys Blick geht von einer zur anderen und bleibt an Charlie hängen. „Findest du nicht, Charlie?“
Die nimmt ihren Hut ab und schüttelt die kurzen lockigen Haare.
„Was?“ Emilys Wimpern flattern auf und ab. „Echt nicht?“
„Kaninchen sind süß“, sagt Charlie. „Oder Hundebabys. Aber nicht erwachsene Männer.“
Da bin ich ganz ihrer Meinung.
„Und du, Ruby?“, will Emily wissen. „Wie findest du ihn?“
„Ganz okay.“
„GANZOKAY? Was soll das denn bitte schön heißen?“
„Dass man besser erst mal abwartet. Und guckt, wie er sich so im Unterricht macht. Vielleicht ist er ja viel strenger als Herr Schneider.“ Meinen Boah-ist-der-cool-Anfall von vorhin erwähne ich lieber nicht. Das wäre mir peinlich. Zum Glück habe ich mich auch längst wieder beruhigt.
„Sehe ich genauso“, bestätigt Azra. Sie schaut zu Anouk, Mimi und Chiara, die mit ein paar anderen Mädchen aus unserer Klasse die Köpfe zusammenstecken. Ich wette, sie reden wie wir über Mr Surferman.
„Denkt eigentlich auch mal jemand an Herrn Schneider?“, frage ich. Nicht, dass ich unseren Graupony und Kettenraucher heute vermisst hätte, aber er ist ANGEFAHREN worden. Vielleicht ist er sogar richtig schlimm verletzt.
Meine Freundinnen nicken betroffen. Vor lauter Mr Surferman hier, Mr Surferman da haben wir die Sache mit dem Unfall alle ganz vergessen.
„Es tut mir wirklich leid, dass ihn so ein unvorsichtiger Radfahrer umgenietet hat“, sagt Emily. „Das hat er nicht verdient. Niemand hat das verdient. Trotzdem wäre es cool, wenn Herr Prinz unser Lehrer bleibt. Finde ich jedenfalls …“
Die anderen nicken. Es klingelt, und während wir langsam in Richtung Klassenraum zuckeln, nimmt Charlie mich beiseite.
„Du warst vorhin aber auch ziemlich durcheinander.“ Sie lacht leise. „Essen ist mein Hobby? Echt jetzt? Was sollte das denn?“
„Musst du mich unbedingt daran erinnern?“
„Also, hab ich recht?“
„Es ist mir so rausgerutscht. Ich kann nun mal nicht mit tollen Hobbys wie Kickboxen punkten.“
Emily dreht sich nach uns um. „Ich doch auch nicht. Meine Perlenarmbänder findet Herr Prinz bestimmt albern. Deine Kolumne dagegen …“ Sie reckt den Daumen in die Luft. „Das kann nun wirklich nicht jede.“
Ich knuffe Azra. „Danke übrigens. Du hast mich gerettet.“
„Gern geschehen. Das mit den Gummibärchen war so fies von den Jungs.“
Wir zwängen uns durch eine Gruppe quasselnder Zweitklässlerinnen hindurch, in der nächsten Sekunde bleibe ich schockstarr stehen. Schräg gegenüber am Treppenaufgang zum ersten Stock lehnt ein Junge und guckt mich an. Im Sekundenbruchteil werden meine Beine wachsweich und mein Herz wummert los. Und wäre da nicht Charlies Schulter, an der ich mich festhalten kann, würde ich wohl wie eine Marionette zusammenklappen.
Mit der anderen Hand reibe ich mir die Augen und schaue noch mal hin, da ist der Typ verschwunden.
„Was ist denn los, Ruby?“ Charlie blickt mich an. „Du bist megablass.“
„Sollen wir dich in den Sanitätsraum bringen?“, fragt Emily besorgt. „Vielleicht hast du einen Sonnenstich“, sagt Azra.
„Lieb von euch, ich habe keinen Sonnenstich.“ Ich nehme den letzten Schluck aus der Saftflasche. „Habt ihr den eben gesehen?“
„Wen?“, fragt Charlie.
„Na, diesen Jungen.“
Emily gluckst los. „Hier sind lauter Jungen. Das ist normal an einer Schule.“
„Er stand da vorne an der Treppe.“
„Ich hab niemanden gesehen“, erklärt Emily.
„Ich auch nicht“, sagt Charlie.
Azra schüttelt ebenfalls den Kopf. „Wie sah er denn aus?“
„Superknallertollsüß.“
„Superknallertollsüß, alles klar.“ Charlie verdreht die Augen. „Ich glaub, du hast doch einen Sonnenstich.“
„Wie alt war er?“, hilft mir Emily auf die Sprünge.
„Ungefähr unser Alter. Vielleicht auch etwas älter.“
„Haarfarbe?“, fährt sie fort.
„Keine Ahnung. Irgendwas zwischen dunkelblond und braun. Ganz normal.“
„Was hatte er an?“, fragt Azra, als wäre ich auf dem Polizeirevier und müsste den Täter beschreiben.
„Nichts … ich weiß nicht …“
„Er hatte nichts an?“ Charlie gackert los. „Also, ein Nackter war garantiert nicht hier. Den hätten sie längst abgeführt.“
„Ich meine, er hatte nichts Besonderes an“, fahre ich fort. „Und er sah auch nicht irgendwie besonders aus.“
„Das verstehe ich nicht“, sagt Emily. „Was genau fandest du denn so toll an ihm?“
„Wie er geguckt hat … Wie er mich angeguckt hat … das war … das war magic!“
„Aha“, macht Charlie wenig beeindruckt.
„Es sei denn, er hat mich gar nicht angeguckt“, spreche ich weiter, „sondern durch mich hindurch oder schräg an mir vorbei, oder was weiß ich.“
Meine Freundinnen starren mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. Wahrscheinlich ist das auch so. Weil es nicht sein kann, dass man sich an einem einzigen Vormittag zu 1 Prozent in den neuen Lehrer verknallt und zu 110 Prozent in einen Jungen, den man nie zuvor an der Schule gesehen hat. Und ohne mit dem 110-Prozent-Jungen überhaupt ein Wort gewechselt zu haben.
Ein paar Lehrer sind im Anmarsch, und wir beeilen uns, in die Klasse zu kommen. Zum Glück haben wir Englisch. Und zum Glück bei Mr Banana, der immer krumm wie eine Banane auf dem Stuhl hängt. Denn der ist nicht halb so cool wie Mr Surferman.
Auf dem Nachhauseweg in der Tram nehme ich mein Listenheft raus und schreibe:
Puh, ist es heiß! Seit Tagen kratzt das Thermometer an der Vierunddreißig-Grad-Marke und abends kühlt es nicht mehr ab. Gegen Mittag, sobald die Sonne auf die Fenster unseres Klassenraums knallt, ist es dort kaum auszuhalten. Hitzefrei wie in Omimomis Kindheit? Fehlanzeige. Ab und zu, wenn wir wie ausgewrungene Waschlappen auf den Tischen hängen, wird der Unterricht ein wenig abgekürzt.
Am Freitag nach der Schule treffen Linh, Charlie, Azra, Emily und ich uns im Sommerbad in der Wuhlheide. Dort kann man chillen, baden und Eis oder Pommes futtern. Linh, die am Tag zuvor zwanzig Euro von ihrer Oma abgestaubt hat, gibt Pommes aus. Für das Eis danach wollen wir unser Taschengeld zusammenlegen. Damit auch Charlie, die immer knapp bei Kasse ist, eins abkriegt.
Kaum haben wir unsere Handtücher ausgebreitet und uns ausgezogen, springt Charlie wieder auf.
„Wer kommt mit ins Wasser?“, fragt sie, am Beinausschnitt ihres coolen meerblauen Badeanzugs zupfend. Er ist ein Erbstück von ihrer älteren Cousine und eine Nummer zu groß.
„Erst mal was essen.“ Linh zeigt auf die Riesenportion Pommes, die sie zwischen die Handtücher auf den Rasen abgestellt hat.
„Aber man soll doch nicht mit vollem Bauch ins Wasser gehen“, sagt Charlie.
„Egal. Ich hab Hunger.“
Linh fängt an zu futtern und auch Azra, Emily und ich greifen zu. Ich werde nach den Pommes einfach noch ein bisschen mit dem Baden warten und an den süßen Typen denken (was ich sowieso die ganze Zeit tue). Und Azra, die ihre Periode hat, verzichtet heute ganz darauf.
„Lasst ihr mir was übrig?“, bettelt Charlie und flitzt quer über den Rasen in Richtung Schwimmbecken. Ich glaube, sie ist heilfroh, sich mal ein paar Minuten lang nicht Emilys Herr-Prinz-ist-ja-so-süß-Schwärmereien anhören zu müssen.
Mr Surferman ist von mir aus sweet oder nice oder was auch immer, im Unterricht finde ich ihn mörderanstrengend. Heute kam irgendwas mit Prozentrechnung und Dezimalzahlen dran. Von der ersten bis zur letzten Sekunde saß ich mit benebeltem Kopf da. Keine Ahnung, ob Herr Schneider besser erklärt oder ich wegen dem süßen Typen (den ich leider nicht mehr gesehen habe) so verwirrt war. Als es klingelte, fiel unserem neuen Lehrer plötzlich ein, dass er die Horror-Klassenarbeiten dabeihat, und wir mussten fünf Minuten der kostbaren Pause opfern. Ganz toll. Immerhin bin ich mit einer Drei minus glimpflich davongekommen.