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Windrose ist eine Reihe erlebnisreicher Erzählungen, die aus der Vergangenheit wieder an Licht der Moderne geholt werden. Alte Berichte, von Forschungsreisenden, die sich rund um die Welt begaben, das Unerforschte zu erforschen, das Unbekannte bekannt zu machen und letztlich den Menschen vor Augen zu führen, dass es mehr gibt zwischen Himmel und Erde, als sich manch einer vorstellen kann. Mit diesen Büchern lernt eine neue Generation von Lesern, nicht über Büchern sondern durch die neuen Medien des e-books, die Vergangenheit und die Entdeckungslust der Vergangenheit kennen.
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Seitenzahl: 243
Herausgeber
Erik Schreiber
Windrose 18
Reiseerzählungen
Franz Junghuhn
Rückreise von Java nach Europa
Saphir im Stahl
Windrose
Reiserzählungen 18
e-book 240
Franz Junghuhn - Rückreise von Java nach Europa
Erscheinungstermin 01.06.2024
© Saphir im Stahl Verlag
Erik Schreiber
An der Laut 14
64404 Bickenbach
www.saphir-im-stahl.de
Titelbild: Archiv Andromeda
Übersetzung: J. K. Haßkarl
Lektorat Peter Heller
Vertrieb neobook
Herausgeber
Erik Schreiber
Windrose 18
Reiseerzählungen
Franz Junghuhn
Rückreise von Java nach Europa
Saphir im Stahl
Rückreise von Java nach Europa
mit der
sogenannten englischen Überlandpost
im September und October 1848
von
Franz Junghuhn
Aus dem Holländischen übertragen
von
J. K. Haßkarl.
Leipzig,
Arnoldische Buchhandlung.
1852.
Vorwort.
Anfangs war es nicht meine Absicht, diese Reise zu veröffentlichen, besonders weil andere Arbeiten mich sehr beschäftigten. Ich hatte jedoch das Meiste auf der Reise (von Java bis Holland) selbst schon niedergeschrieben, und Freunde, welche dieses Manuscript lasen oder denen ich einzelne Erlebnisse von der Reise erzählte, munterten mich kräftig auf, mich doch der kleinen Mühe zu unterziehen, meine Aufzeichnungen zu einem Ganzen zu vereinigen, wo es nöthig war, weiter auszuarbeiten und bekannt zu machen, welchem Rathe ich endlich folgte.
Dies möge zur Erklärung des späten Erscheinens dieser Beschreibung dienen.
Leyden, im Januar 1851.
Der Verfasser.
Inhalt.
I. Von Java bis in die Nähe der Insel Socotora
II. Von Arabien bis Alexandrien
III. Von Egypten bis nach Holland
I.
Von Java bis in die Nähe der Insel Socotora.
Meine Gesundheit war zerrüttet und die Kräfte meines Körpers waren nach einem 13jährigen Aufenthalte auf Java und Sumatra geschwächt. Ich litt an den Folgen der so viele Jahre lang nicht mehr unterbrochenen Einwirkung einer größern Hitze, der nur wenige nordische Naturen auf die Dauer widerstehen können. Wohl reiste ich noch in Krawang, mit geologischen Untersuchungen beschäftigt, mußte aber oft (erschöpft) die höhern, kühlern Gebirgsgegenden aufsuchen, um dem glühenden Klima nicht zu unterliegen.
Der letzte Berggipfel, den ich, durch solche Gründe veranlaßt, den 17. Juni 1848 erstieg, war der Gunung-Tangkuban Pra. Meine Hütte stand auf dem höchsten Punkte seiner südlichen Kratermauer, der sich 6030 par. Fuß über das Meer erhebt und eine mittlere Temperatur genießt von ohngefähr 56° F., während in den Tiefländern am nördlichen Fuße des Gebirges die mittlere Wärme 81,5° beträgt. In der kühlen Luft dieser Region kehrte wieder etwas Willenskraft in die Seele zurück, die mit dem Körper ebenfalls erschlafft und in Gleichgültigkeit versunken war. Die Ermahnungen von Freunden, die mich in meiner Einsiedelei besuchten, trugen dazu bei, mich in meinem Vorhaben zu bestärken, und so gedieh endlich mein Entschluß zur Reise, das Land des ewigen Sommers ein Paar Jahre lang zu verlassen und in das Vaterland zurückzukehren, das den eisigen Polen so viele Grade näher liegt.
Hier auf dem Kraterrande des Vulkans war es auch, wo ich die Zeitungen aus Europa empfing, die in der Mitte des Juni mit der Landmail nach Batavia gebracht waren. Revolution in Paris, kaum geahnt und schon beendigt, Republik ausgerufen, Louis Philipp entflohn! dieser vorsichtige König, den alle Welt so fest auf seinem Throne glaubte. Dies waren die Nachrichten, die auf das Unerwartetste, ganz mährchenhaft, vermeldet wurden und die alle Gemüther auch auf Java in die ängstlichste Spannung versetzten. Es glich die Aufregung der Völker, dadurch veranlaßt, der electromagnetischen Kraft, die sich mit unsichtbarer Schnelle durch die halbe Welt fortpflanzt. Dazu kamen später noch die Nachrichten aus Bali, Reformbewegungen, politische Demonstrationen zu Batavia, ungewöhnliche Witterungserscheinungen, Höhenrauch, Regen, Überströmungen, Erdbeben! vulkanische Ausbrüche, ein erwarteter Komet allhier und dort in Europa Aufruhr und Krieg; so waren die Nachrichten, die zu dieser Zeit auf uns einstürmten und die, wenn auch nicht alle erfreulicher Art, denn doch geeignet waren, auch das erschlaffteste Gemüth aus seiner Lethargie zu erwecken.
Die Auspicien einer Reise also zu dieser Zeit nach Europa waren nicht günstig. Ich war aber krank und bedurfte als Heilmittel der Kälte. Meine Abreise ward daher beschlossen und mein Gesuch um Erlaubniß abgesandt an die hohe Regierung zu Batavia, in deren Auftrag ich reiste.
Ehe ich den Berggipfel und die schönen Wäldchen, die ihn umgrünen, verließ, sah ich noch einmal nieder in das weite Kesselthal des Kraters, dessen Grund 800 Fuß tief zu meinen Füßen lag und ließ dann meinen Blick über den jenseitigen (weniger hohen) Kraterrand hinweg- und hinabgleiten in das ferne Land von Krawang, das 6000 Fuß tiefer lag und das sich mit dem ewigen Grün seiner Felder und Wälder bis an's Meer hinzog. So glatt und blinkend, wie ein silberner Spiegel lag dies stille javanische Meer vor uns da, während die Morgensonne mit ihren ersten Strahlen hinter den fernen Kegeln Tj[e]rimai und Tampomas hervorblickte und mit dem Lichtglanze, der sie umgab, einen goldenen Hintergrund bildete, auf welchem sich die dunkeln Gestalten dieser hohen Berge deutlich abzeichneten; sie vergoldete dann noch manche andre Bergspitzen und goß ihren Schein aus über das weite grüne Land, in welchem Tausende von Menschen und Thieren zu neuem Leben erwachten.
Es war ein Bild schöner und majestätischer Ruhe, vergleichbar mit dem menschlichen Gemüthe, das in Frieden lebt. Dicht zu unsern Füßen aber lag der weite, wüste Schlund des Kraters und dieser erinnerte an die Leidenschaften der Menschen, wenn diese in Wuth ausbrechen, sich selbst und ihre Werke zerstörend. Zwar lag auch dieser Mund des Vulkans jetzt in tiefer Stille da, auf der Kraterwand zu unsrer Linken lächelte lieblich der erste Sonnenschein und ließ grell den Schatten erkennen von einigen Falken, die langsam und friedlich über den weiten Raum hinüberschwebten. Nichts als das Echo hallte wieder, wenn man hinabrief oder einen Stein in die Tiefe warf, sonst war Alles still; aber die Kahlheit der Felsen, die Hunderte von Fußen hoch emporstarren, die hingestreckten Wälder und schwarzgebrannten Baumstämme des äußern Gehänges, die bleiche Farbe der Asche, wovon Alles überschüttet war, die Abwesenheit von aller Vegetation im Innern, der völlig nackte Grund, aus dem man bei genauerer Betrachtung doch noch Dämpfe emporsteigen sah, dies Alles rief dem Reisenden warnend zu: „Traue dieser Ruhe des Kraters nicht, denn sie gleicht mit der schönen belebten Natur umher ganz dem menschlichen Gemüthe und dem Leben der Völker, das leicht durch Leidenschaften getrieben wird, sein eignes Glück zu vernichten, aber so wie die Waldung rund um den Krater nur so lange blüht und grünt, bis ein neuer Ausbruch aus dem Schlunde kommt, der Alles wieder verwüstet und, was in langen Jahren allmählig wuchs, oft in einer Nacht zerstört.“
Dennoch konnte ich diesen Berggipfel nicht verlassen ohne ein wehmüthiges Gefühl. Sind doch diese Kraterthäler die schönsten auf Java und von allen Landschaften der Insel am reichsten an malerischer Abwechselung, tritt doch das Starre, Nackte der Felsen, das Kolossale der Dimensionen daselbst in den anziehendsten Contrast mit dem umgebenden Grün, sind doch die niedrigen Alpenbäumchen, die dort wachsen, die lieblichsten der Insel, die fast immer mit den schönsten farbigen Blüthen geschmückt sind, ist doch die Luft auf diesen Höhen so rein, so kühl, genießt man doch von dort die herrlichste Aussicht rundum über das weite, tiefe Land, ist das Innere der Krater doch so einsam, so ungestört, so beschützt vor allen Winden, lächeln die Seen, die in vielen derselben liegen, den Reisenden doch so freundlich, so friedsam an, und giebt ihnen der Gedanke an die gewaltsamen, vernichtenden Kräfte, die unter ihnen in der Tiefe schlummern, doch einen so eigenthümlich bangen Reiz, daß man unwillkührlich gemahnt wird an den Wechsel des Schicksals im Leben der Menschen und an die Vergänglichkeit alles irdischen Glücks, und hatte mich doch eine lange Reihe von Jahren mit allen diesen Kratern auf Java so vertraut gemacht, daß sie mir lieb geworden waren, wie eine zweite Heimath!
Erinnerungen und Gefühle dieser Art fesselten mich an den Ort und ich saß (von Thibaudiabäumchen überwölbt) noch am Kraterrande, als meine javanischen Begleiter den Gipfel schon verlassen hatten und am Gehänge hinabeilten. Ich warf noch einen Blick hinab und rundum und folgte ihnen. Doch war es mir unmöglich von diesem Berge (dem letzten, den ich vor meiner Rückkehr nach Europa ersteigen sollte,) Abschied zu nehmen und ihm das „Lebt wohl, ihr Berge!“ zuzurufen, ohne den heimlichen, aber innigen Wunsch zu empfinden: „auf Wiedersehn.“
Diese Hoffnung auf Wiedersehn tröstete mich auch, als ich, kaum erquickt von der größeren Kühle dieser Region, wieder herab in das tiefere Land stieg und dem heißen Batavia zueilte.
Ich kann nicht unterlassen, der wohlwollenden Rücksicht hier zu gedenken, welche die Regierung auf meine geschwächte Gesundheit nahm, nicht nur, um mir den erbetenen Urlaub nach Europa zu bewilligen, sondern auch um meine Abreise in ein kälteres Klima zu beschleunigen. Besonders verpflichtet bin ich Sr. Excellenz dem Hrn. Generalgouverneur J. J. Rochussen, der mich sehr liebreich behandelte und mich beim Abschied mit den herzlichsten Wünschen entließ.
Dennoch verzögerte sich meine Abreise bis gegen Ende August und dieser fast zweimonatliche Aufenthalt in dem heißen Klima von Batavia wirkte noch mehr erschlaffend auf meine geschwächte Gesundheit. Erst mit dem Kriegsdampfer Etna, den der erste Lieutenant Eschauzier commandirte, war es mir vergönnt, nach Singapure zu gehn, von wo die mit der Landmail aus Europa angekommenen Briefe abzuholen und andere dahin gerichteten zu überbringen waren.
Endlich, in dem Nachmittag des 27. August konnte ich Batavia verlassen und begab mich an Bord des Etna in Begleitung meines Freundes und Collegen Dr. Schwaner, der erst vor Kurzem von seinen weiten Reisen auf Borneo zurückgekehrt war und zur Ausarbeitung seiner Karten noch einige Zeit auf Java zu bleiben gedachte. Den folgenden Morgen sollte das Dampfschiff die Rhede verlassen. Dieser Gedanke stärkte mich verbunden mit der Einwirkung der kühlen Seeluft, die ich des Abends auf dem Verdecke genoß und nun erst fing ich an, mich zu freuen, denn erst nun konnte ich die Schwierigkeiten, die sich meiner Abreise entgegengestellt hatten, für überwunden achten und die Hoffnung hegen, dem Vaterlande sicher zuzueilen.
Wir verließen am 28. August 1848 früh die Rhede von Batavia. Die Wasserfläche war todtstill, sie glich einem glänzenden Spiegel und die Schiffe, die unbeweglich darauf lagen, glichen den Häusern einer Stadt; auf dem einen Schiffe wurde gesungen, auf dem andern getrommelt und gepfiffen, und auf noch andern ertönte, den Rhythmus der täglichen Verrichtungen der Seeleute abmessend, die Schiffsglocke, deren Klang weit über die glatte Fläche hinscholl. Falco pondicerianus umkreiste die Masten noch eben so, wie vor 13 Jahren, als ich den Busen voll geschwellter Erwartungen, erhoben durch unbegrenzte Hoffnung hier ankam, die Physiognomie der Küste mit ihren weißen und rothen Häusern, die durch das Grün hindurchschimmerten, war noch ganz dieselbe, auch der Zuckerhut des Gunung-Panggerango blickte aus blauer Ferne noch eben so, wie damals, über die untern dunstreichen Luftschichten herab, die ganze Natur war die alte, unveränderlich getreu in allen ihren Nüancen, nur ich war nicht mehr derselbe, ich in meiner Denkweise, in meiner Empfänglichkeit für die Eindrücke der Außenwelt war ein Andrer geworden und sah nun kalt, erregungslos und gleichgültig auf dieselbe Welt herab, die mich vor 13 Jahren, als ihr Antlitz für mich noch ein ganz fremdes war, so lebhaft erregte, so unwiderstehlich anzog und zur Erforschung ihrer Eigenthümlichkeiten entflammte.
Außer der Schwächung des Körpers durch die anhaltende Hitze und den verlornen Reiz der Neuheit nach allmählig genauer gewordener Bekanntschaft mit der tropischen Natur, ist es, glaube ich, vor Allem der Mangel an Abwechselung in den Jahreszeiten und in den Erscheinungen des Luftkreises, es ist die zwischen den Tropen ununterbrochene Dauer des Sommers, es ist das ewige Grün, das den Geist der Europäer auf Java zuletzt erschlafft und in Gleichgültigkeit gegen die Schönheiten javanischer Natur versinken läßt. Man verlangt endlich nach Veränderungen, von welcher Art auch, man hat Bedürfniß nach etwas Neuem. Eben so sehnsüchtig, wie ich vor 13 Jahren nach dem üppigen Grün der tropischen Wälder verlangte, so sehnte ich mich jetzt nach einer kahlen Winterlandschaft, ich verlangte nach Eis, nach Schnee.
Unser Schiff setzte sich um 6-3/4 Uhr des Morgens in Bewegung, das eiserne Dampfboot Onrust fuhr vor uns hin und die befreundete Küste trat immer mehr zurück. Ich hatte gestern von meinen Bekannten ziemlich gleichgültig Abschied genommen, jetzt erst, nun ich unwiderruflich von ihnen getrennt war, nun ich mich mit jeder Minute weiter von ihnen entfernte, bemächtigte sich meiner ein Gefühl, das mich zu ihnen zurückzog, eine lebhaftere Theilnahme erwachte, meine Gedanken kehrten zu ihnen zurück, zu den Bewohnern dieses Landes, die mir durch einen vieljährigen Umgang lieb geworden waren und ich bedauerte nun mit einem reuigen Gefühl, gestern in meiner Gemüthserschlaffung, in dem Scheintode aller herzlichen Gefühle, ihnen nicht wärmer die Hand gedrückt zu haben!
Den 28sten hatten wir bei stets heiterem Wetter eine stille, kleinwellige See und wenig Wind. Außer den vielen kleinen Inseln der Rhede von Batavia und denen, die von der Rhede an nach Norden zu regellos zerstreut vorkommen, sahen wir die sogenannten Tausend-Inseln, die zwei-, drei-, ja vierfach hinter einander gruppirt, einen von Süd nach Nord ausgedehnten kleinen Archipel bilden, an dessen Ostseite wir vorüberfuhren. Sie blieben also links liegen, die nächsten etwa drei bis vier englische Meilen entfernt. (Ihre Lage: der Lampongspitze gegenüber, doch dem Meridian von Batavia näher, als dem von Bantam.) Der sogenannte „Süd- und Nordwächter“ bezeichnen ihre Grenzen der Längenausdehnung nach. Sie gleichen vollkommen den Inseln der Rhede und allen übrigen, die wir in diesem Meere sahen, die größten haben drei bis fünf englische Meilen, die kleinste eine Viertelmeile im Durchmesser; sie sind flach, mit Wald bedeckt. Jede Insel ist nur ein Wald. Kein kahles Fleckchen. Die nähern lassen zwischen ihrer grünen Waldung und dem glänzendblauen Meere noch einen weißen Küstenstreifen erkennen.
Ihre Zahl ist etwa 40-45. Sie sind eine rechte terra incognita, noch nicht aufgenommen, denn die Schiffe fahren in weiter Entfernung nur um sie herum, weil die Untiefen, Klippen, Korallenbänke, womit die Inseln untermeerisch verbunden sind, alle Annäherung verbieten. Nur Räuberfahrzeuge besuchten sie früher. Sie liegen regellos zerstreut und sind wahrscheinlich nur einzelne Punkte einer einzigen großen Korallenbank, nämlich die Punkte derselben, die (einige Fuß) über den Meeresspiegel hervorragen. Ob die Korallen auf Tertiärschichten ruhen? auf einer submarinen Erhebungslinie, die der Ostküste von Sumatra (den Lampong's) parallel läuft?
Vom „Nordwächter,“ der im Nachmittag des 28sten noch sichtbar war, sahen wir keine Inseln mehr; wir durchschnitten nun vom 28sten Abends an die Nacht durch, nord-nord-westwärts den langen Raum zwischen diesen nördlichsten der Tausend-Inseln und der Insel Lucipara, die am südlichen Eingang der Straße Bangka liegt; als der Abend fiel, wurden zwei verschiedenfarbige Laternen an den Masten aufgehängt, die eine mit rothem Glas und rothem Lichtschein hinten am Fockmaste und die andere mit grünlich-gelbem Lichte vorn am großen Maste (das Zeichen der Dampfschiffe bei Nacht).
Die Nacht war hell und windstill, die See kleinwellig.
Den 29sten des Morgens um 7-1/2 Uhr bei ganz heiterem Wetter kam uns die Lucipara-Insel zu Gesicht und etwas später erschien als ein langer dunkler Streifen auch die flache, niedrige Küste von Sumatra. Wir dampften zwischen beiden hindurch. Lucipara, die rechts liegen blieb, war eben so flach und waldig, wie die vorigen Inseln und hatte in ihrer Mitte einen kleinen kegelförmigen Höcker. Ihr Durchmesser beträgt nach den Seekarten 1-1/22 engl. Meilen.
Schon um 7 Uhr fing das Wasser an sich immer grünlich-heller zu färben. Um 8 Uhr waren wir noch 7 engl. Meilen von der Küste entfernt und erblickten vorn, im Eingang der Straße Bangka, sieben (größere und kleinere) Schiffe, die dem Meere ein recht belebtes Ansehen gaben. Als wir uns der Richtung: West von Lucipara-Insel und Ost von Lucipara-Spitze (Sumatra's) näherten, fingen wir an zu peilen und unsern Cours Nord-West bei 4-1/25 Faden Wasser in Nord-Nord-West zu verwandeln. Wir näherten uns also mehr der Küste von Sumatra, die deutlicher wurde und sich als niedriges, flaches, sumpfiges Land darstellte, mit Waldung bedeckt.
Wie eine Mauer stieg der Waldsaum dieser Küste von Sumatra empor und erhob sich gewöhnlich in einer doppelten Terrasse, zweimal hinter einander. 1º Man unterschied einen vordern niedrigen Waldstreifen, der wahrscheinlich aus Rhizophoren bestand und sich wandartig aus dem Meere erhob, 2º einen hintern höheren Wald, der eben so mauerartig und scharf begrenzt war und der hier und da, wo der erstere fehlte, bis an's Meer vorgerückt erschien und dann unmittelbar aus dem Wasser aufstieg. In diesen Waldmassen bildeten die Bachmündungen schmale Klüfte und erschienen wie schroff hindurchgehauene Straßen oder scharfbegrenzte Kanäle. Ein röthlich-schmutziger Strand war vor diesem Waldsaume kaum zu erkennen. Wir kamen mehren Schiffen nahe vorbei und waren nur 23 engl. Meilen von der Küste Sumatra's entfernt.
Um 11 Uhr befanden wir uns der ersten vorspringenden Ecke Sumatra's (het eerste punt der holl. Seekarten) gegenüber, deren Waldung aus mäßig hohen Bäumen zusammengesetzt war und mit einer scharfen Grenze wie eine Mauer endete; wir konnten die weißlichen, schlanken und geraden Stämme deutlich unterscheiden; der Strand machte sich durch eine trübe schlammig-braune Färbung des Wassers kenntlich, die bis weit vom Lande ab in die See hinaus reichte. Auch Bangka wurde in größerer Ausdehnung sichtbar und stellte sich als ein flaches oder doch sehr niedrig-hügeliges Land dar.
Von 1 Uhr an kam uns der höchste Berg Parmasan auf Bangka zu Gesicht und bildete einen langgedehnten, convex-buckligen Wulst, der in der Richtung von Süd-West nach Süd-Ost seine größte Längenerstreckung zu haben schien. Weil sich sein Gehänge Absatzweise erhebt, so glaubt man, daß er aus mehren, in der angegebenen Richtung hintereinander liegenden Bergen bestehe, von denen der mittelste der höchste ist. Wir schätzten diesen auf 22-1/2 tausend Fuß. Seitwärts, sowohl zur Linken als zur Rechten, dieses Bergzuges war Alles, was wir sahen, nur niedriges Land, das eine eben solche flache Waldküste bildete, wie das gegenüber liegende Sumatra. Während der Himmel über der letzteren Insel, die, so weit man hier sehen konnte, flach ist, heiter war, so lag über dem gebirgigen Bangka eine düstere Wolkendecke ausgestreckt und die Berge erschienen in einem dunkeln Blau, das Meerwasser war aber grünlich-hell. Indem wir durch die Straße von Bangka weiter dampften, die an ihrer schmalsten Stelle, gegenüber het eerste punt nur 5, übrigens aber 710 engl. Meilen breit ist, kamen uns Erscheinungen entgegen, die schon Columbus als Beweise nahe liegender großer Flußmündungen betrachtet hatte, nämlich eine Menge treibendes Holz und Bambus; zugleich rückte uns mit dem gedrehten Winde, der nun aus Norden blies, die schwarze Luft immer näher und bald fing ein Gewitterregen an herabzuströmen, der mit starkem Nordwind bis 3 Uhr anhielt.
Auf unserer Weiterfahrt durch die Straße blieb der Anblick der flachen Küste von Sumatra und der ebenfalls flachen, nur hier und da mit niedrigen Bergzügen oder Hügeln bedeckten Küste von Bangka bis gegen Abend derselbe, und es fing schon an zu dämmern, als uns zuerst der Berg Manumbing sichtbar wurde, an dessen Fuße Muntok, die Hauptstadt Bangka's, liegt. Es war schon völlig Nacht, als wir uns der Küste näherten, und es mußten drei Kanonenschüsse hintereinander gelöst werden, um den Bewohnern Muntok's zum Signal zu dienen. Alsbald, nachdem die Schüsse gefallen waren, wurden drei helle Lichter an der Küste sichtbar, die unserm Schiffe die Richtung des zu befolgenden Courses vorschrieben und die uns auch bald darauf auf der Rhede von Muntok willkommen hießen, wo wir um 9 Uhr ankerten.
Als am 30. August auf eine helle Nacht, in welcher ein starker Landwind geweht hatte, ein gleich heitrer Morgen folgte, lagen wir südwärts von Muntok und erblickten den langen, waldigen Berg Manumbing nun in voller Klarheit im Norden. Dann dampften wir noch näher und legten der Stadt gerade gegenüber in Süd-Süd-West an. Außer dem Manumbing und den Vorbergen und Hügeln, die sich ihm auf beiden Seiten anreihen und die in einer Linie von Nord-Ost nach Süd-West zu liegen scheinen, ist alles Andere, was man von Bangka sieht, niedriges Land; es ist aber keine Ebene, viel weniger eine Alluvialfläche, sondern es erhebt sich in den mehrsten Gegenden schon von der Küste an oder in geringer Entfernung von dieser und steigt 50100 Fuß steil empor, um sich dann in kleine Platten auszubreiten. Auf einer solchen Platte liegt die Benteng, von welcher herab ein weißes Haus mit seinem rothen Dache, wahrscheinlich die Commandantenwohnung weit in die Ferne schimmert. Am Fuße dieses Festungsberges, zur Linken desselben, liegt die Stadt, die dermaßen im Gebüsch von Fruchtbäumen verborgen ist, daß man nur einige dem Strande näher liegende Häuser und Hütten derselben gewahr wird; und auch diese sind noch mit Gebüsch umgeben und von Kokospalmen überragt. Nur zwei größere von ihnen sind weiß mit rothen Dächern (wahrscheinlich Packhäuser), die übrigen sind graue, oder schmutzig-bräunliche Bambushütten der Eingebornen, die auf dem gelblich-falben Sande zerstreut stehen. Alles Andere ist waldig-grün.
Nur in manchen Gegenden, ist dem Hügellande ein flacher Strand von etwas größerer Breite vorgelagert; dieser ist dann gewöhnlich mit Rhizophoren bedeckt, die sich zungenförmig in's Meer hinausziehn und deren dunkele Stämme, da sie sich grell auf dem weißlichen Sandboden abzeichnen, man schon aus großer Weite in See unterscheiden kann.
Auch noch weiter nord- und nord-ost-wärts von Muntok behielt die Küste von Bangka, so lange wir sie sehen konnten, diese Beschaffenheit und ging einwärts in Landschaften über, die weder ebene Flächen, noch mit eigentlichen Bergen besetzt waren, sondern die ein 30, 40100 Fuß hohes, verflachtes Hügelland von felsiger, wenig fruchtbarer Oberfläche zu bilden schienen.
Von Sumatra war nichts zu sehen; der Manumbingberg, convex von Form wie ein gekrümmter Katzenrücken, trat, je mehr wir nach Norden avancirten, immer weiter unter den Horizont zurück und kaum war die letzte Nordspitze Bangka's aus dem Gesicht verschwunden, als das anfangende stärkere Schwanken unseres Schiffes uns verkündete, daß wir uns auf freierem Meere, weiter von Landtheilen entfernt, befanden.
So heiter der Morgen gewesen war, so düster war die Wolkendecke, die den ganzen Tag lang alles Blau des Himmels vor unsern Blicken verbarg und die oft einen feinen Regen herabströmen ließ. Auch folgte eine eben so trübe Nacht auf den trüben Tag, während wir unter stetem, sehr starkem Schwanken des Schiffes unsern Cours nach Norden verfolgten. Das starke Schwanken des Schiffes bei gleichzeitiger Windstille scheint sich aus der Lage der See zu erklären, die wir durchschifften. Diese steht nämlich nach Nord-West hin offen bis weit in die chinesische See hinein und die Wogen aus dieser See, in der es vielleicht stürmte oder gestürmt hatte, rollten, in Beziehung auf den Cours unseres Schiffes, in fast querer Richtung zu uns heran.
Was die Form der höheren Berge auf Bangka betrifft, so würde man schon aus dieser Form, auch ohne eine nähere Kunde vom geologischen Bau der Insel zu besitzen, mit Wahrscheinlichkeit ableiten können, daß es weder trachytische Berge, die sich fast immer kegelförmig vorthun, viel weniger Vulkane sind, noch auch erhobene Theile einer sedimentären Formation, weil die letztern sich immer als langgezogene Ränder darstellen oder als Ketten, die auf der einen Seite breit sind, sanft ansteigen und dann auf der andern Seite, vom höchsten Rande an, plötzlich fallen. Die Berge Bangka's sind aber breite, stumpfe Wülste und bestehen wahrscheinlich aus granitischen Gesteinen oder Porphyrarten, während das tiefe Land zwischen ihnen von granitischen und quarzigen Schuttmassen, Felsentrümmern (mit dem Zinnerz) erfüllt ist.
Wahrscheinlich hat Bangka seinen Zinnreichthum (im Diluvialboden, aus dem das Erz ausgewaschen wird) mit dem nahen Biliton, so wie mit vielen Gegenden der Halbinsel Malaka (den Staaten Kalantan, Pahang, Perak, Salangore) und einigen östlichen Landschaften von Sumatra (Tana Hualu, nord-westwärts von Bila, Asahan, vielleicht auch Delhi) gemein.
Literatur über Bangka:
J. Crawfurd, History of the Indian Archipelago. Edinburg, 1820.
Court, Exposition of the relations of the British Gouvernment with the Sultan and State Palembang.
v. Siebold, Voyage au Japon. t. 1, p. 1760 (mitgetheilter Berichte über Bangka und seine Zinnminen).
Dr. Epp, Schilderungen aus Ostindien's Archipel. Heidelberg, 1841.
Dr. P. Bleeker, Bijdragen tot de kennis von de statistiek der bevolking von Banka en Biliton. In Tijdschr. voor Nêêrl. Indië Jaarg. 1850. afl. 11. p. 348 etc.
Verschiedene andere zerstreute Berichte über Bangka in derselben Zeitschrift (voor Nêêrl. Indië) Jahrgang V, 2, 392, VI, 2, 49, VIII, 4, 125 (wo auch eine Karte der Insel mitgetheilt wird, welches die beste und ausführlichste der bis jetzt erschienenen ist), IX, 1, 117. Das Hauptwerk aber ist:
Thomas Horsfield, Verslag aangaande het eiland Banka. In Tijdschr. voor Nêêrl. Indië. Jaarg. 1850. p. 192 etc. (Übersetzt aus: The Journal of the Indian Archipelago and Eastern Asia. 1848.) Ein vortreffliches Werk, obgleich mehr in politischer und administrativer Beziehung, ist auch: H. M. Lange, Het eiland Banka en sijne aangelegenheden. d'Hertogenbosch 1850. Mit einer vom Verfasser zusammengestellten Karte der Insel, welche dieselbe ist, die bereits (wie so eben bemerkt) in der Zeitschr. für Niederländisch Indien. VIII, afler. 4 mitgetheilt wurde.
Nach Dr. Bleeker betrug die Gesammtbevölkerung zufolge einer Zählung, die gegen Ende von 1848 bewerkstelligt worden war, 41,246 Köpfe über die ganze Ausdehnung (223 geogr. Quadratmeilen) von Bangka, oder 185 auf eine Quadratmeile, während diese Zahl auf Java 4000 auf einer Quadratmeile beträgt.
Ein eben so trüber, regniger Himmel wie gestern begleitete den 31. August unsre Fahrt auf der Ostseite der Insel Linga vorbei nach Bintang. Wir sahen kein Land vor 8-1/2 Uhr, zu welcher Zeit uns zuerst die kleinen Inseln zu Gesicht kamen, welche dem Südende der größern Insel Bintang Rio vorgelagert sind. Die äußerste kleinere davon (Burean) und dieser zur Linken eine noch kleinere sind bloße Bergscheitel, die aus dem Meere auftauchen. Sie sind wie alle andern dieser Gruppe, mäßig hoch, ohne eigentliche Kegel zu bilden. Indem wir unsern Cours nach West zu Nord nahmen, nämlich zwischen der Insel Batang (deren Küste wir nicht sehen konnten) und Bintang, der letztern viel näher, hindurch, so blieben die bintang'schen Vorinseln uns zur Rechten liegen.
Der Hauptinsel näher kommend, fuhren wir nach 1 Uhr zwischen der Insel Alligator und 5 kleinen Inselgipfeln hindurch, sahen uns bald darauf fast auf allen Seiten, rundumher von convexen, flachhügligen Inseln umgeben, die nur mit einer struppigen, häufig unterbrochenen Waldung bedeckt waren und durch deren Pflanzendecke überall eine röthliche Bodenart hindurchschimmerte, und warfen um 2 Uhr auf der Rhede von Bintang Rio nämlich süd-westwärts vom Fort und süd- zu westwärts von dem Berge von Bintang Anker. Dieser einzige hohe Berg der Insel blickte aus Nord zu Ost über die Mitte der Insel Pulu Patingit (Marsinsel der Seekarten) zu uns herüber, deren östlicher Strand mit den kahlen Hütten eines Dorfes bedeckt war.
Einige englische Meilen von uns in Nord-Ost, auf einem verflachten, niedrigen Bergwulste lag das Fort von Rio, das wir an seinem Flaggenstock und der weißen Farbe seiner Ringmauer erkannten. Der flache Berg, worauf es lag, war mehr bräunlich als grün und eben so kahl wie dieser, kaum hier und da mit etwas struppiger Waldung bedeckt erschienen auch die andern Theile der Insel Rio links und rechts vom Fort, die sich als ein niedriges (nach Schätzung nur 2300 Fuß hohes), nicht flaches, sondern in weiten Abständen welliges (sanft erhobenes und gesenktes) mageres Land darstellten. So weit man sehen konnte, war die Insel aus solchen langhingezogenen, flach-convexen Landwülsten zusammengesetzt, aus deren magerer Erddecke der nackte Grund an vielen Orten röthlich, selbst bolusroth, hindurchschien, und wo man an der Küste Waldung sah, war diese mit Casuarinen vermengt, struppig. Am kahlsten, magersten sah die Patingit-Insel aus.
Wir dachten an die luxuriösen, feuchten, schattigen, kein Fleckchen unbedeckt lassenden Waldungen Java's, an den vulkanischen Boden, der diese trägt und glaubten schon hieraus, so wie aus der äußern Landform von Bintang auf eine ganz andere geologische Zusammensetzung dieser kahlen Inseln, wenigstens auf die Abwesenheit von Trachyt und von Lava, also auf den Mangel an leicht verwitterndem, den Boden mit Kali speisendem Feldspath schließen zu können. Auch auf Java in den wenigen Gegenden, wo vulkanische Producte fehlen z. B. in manchen Districten Sukapura's, herrscht eine ähnliche Baumleerheit des Bodens und Alang-Gras vertritt die Stelle der Wälder.
Nachdem ein angekommenes Boot das Postpacket für Rio von uns in Empfang genommen hatte, setzten wir um 2-1/2 Uhr unsere Reise nach West zu Nord fort, ließen das Westende der Patingit-Insel zur Rechten liegen und erblickten neue flache (oder nur niedrighüglige) Inselküsten, die uns bald wieder auf allen Seiten umgaben. Manche waren so niedrig und flach, daß sie kaum aus dem Wasser hervorragten, z. B. Pulu Sori, Terkoli, sie waren wenig mehr als Sandbänke, auf deren weißlichem Grunde sich sparsames Gebüsch mit einzelnen Casuarinen erhob. Das linke Ende der letztgenannten Insel lag uns um 3-1/4 Uhr gegenüber in Nord-Ost und in derselben Richtung erschien im Hintergrunde der Bintang-Bai die linke Ecke × des Gipfels vom gleichnamigen Berge.
Der Waldreichthum der Küsten von Inseln, die wir nun sahen, nahm allmählig zu, je weiter wir nach Nord-West steuerten. Wir befanden uns um 4 Uhr dem Süd-Ostende von Loboan besar gegenüber, aus deren Pflanzendecke zunächst über dem Meere hier und da auch noch ein rother Boden hindurchschimmerte, und sahen ringsherum fast überall nur Küsten mit hohem Wald.