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Im Jahre 1782 veröffentlichte ein unbekannter Herausgeber die von Lazarus Gitschner († 16. Jh.) berichteten „Sagen der Vorzeit, oder ausführliche Beschreibung von dem berühmten Salzburgischen Untersberg oder Wunderberg“. Erscheinungsort war „Brixen“ in Südtirol. Das Büchlein ist auch als „Brixener Volksbuch“ bekannt und einige der enthaltenen Sagen wurden von den Brüdern Grimm in ihrer Sammlung „Deutsche Sagen“, erschienen 1816, aufgenommen und zitiert. Es enthält die ursprünglichen Sagen zum mystischen Untersberg über die sagenhaften wilden Frauen, Bergmännlein, Riesen, Goldschätzen und der wunderbaren Reise des Lazarus Gitschner in den Untersberg, wo dieser u.a. dem Kaiser Karl begegnet. Am Ende seines Aufenthalts im Untersberg offenbart dem Lazarus Gitschner ein Mönch weitreichende Voraussagen für die Zukunft, die genau den gesellschaftlichen Zustand unserer Zeit wiederspiegeln... Die vorliegende eBook-Ausgabe ist das Ergebnis einer buchstabengetreuen, zitierbaren Transkription des in Fraktur gesetzten Originaltextes, der bisher so nicht verfügbar war.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort zu dieser Ausgabe
Titelblatt
Vorrede.
Aeußerliche Beschreibung dieses Berges.
Ein Anderes.
Mehrere Geschichten dieses Wunderbergs.
Impressum
[1r]
[Transkription:]
Sagen der Vorzeit, oder ausführliche Beschreibung von dem berühmten Salzburgischen Untersberg oder Wunderberg Wie solche Lazarus Gitschner, ein frommer Bauers- mann von der Pfarr Berghaim, vor seinem Tod seinem Sohn Johann Gitschner in Gegenwart mehrerer geistl. Und weltli- cher Personen geoffenbaret, und dieses alles nach seinem Tod bey vorgenommener Inventur schriftlich vorgefunden worden.
Brixen, im Jahre 1782.
[1v]
- leer -
[2r]
Es ist ganz gemein, so man von einem Ort, als Stadt, Markt, Schloß, Dorf, oder Berg erzählet, in entfernten Ländern oder auswärtigen Gegenden entweder viel davon nimmt oder zu deren Geschichte viel hinzugedichtet, und dahero die wahre Gestalt oder Umstände keinerdings zu beschreiben weiß, außer es weiß sich ein solcher bey erfahrnen Leuten der eigentlichen Beschreibung selbsten zu bedienen, und dadurch andern die bessere Nachricht zu ertheilen.
Es darf keiner von mir glauben, daß ich diese Erzählungen etwa nur zum Spaß mit Fabeln und Erdichtungen angefüllt habe, um andern nur zum Lachen zu dienen. Ich habe hier bloß die Sagen jener Personen, die sie selbst beschrieben, und vor ihrem Hintritt mit treulicher Erzählung bestättigt haben, zusammengestellt, und es stehet jedem frey, davon zu halten, was er will, und wird weder dem Gelehrten noch dem Ungelehrten als ein Glaubensartikel angepriesen.
[2v] Ich war aber sehr begierig, weil ich diesen Wunderberg in meinen jüngern Jahren so oft besteigen mußte, diese Beschreibung in meine Hände zu kriegen, und den so vielen Wißbegierigen auf meine Kosten zum Lesen zu bringen.
Zweytens ist dieses Büchlein nicht hergerichtet, um etwa darin ein künstliches Deutsch oder angenehme Redensart zu ersehen; sondern, wenn du dich, lieber Leser, zu einer Abwechslung mit diesem Büchlein bedienen willst, glaube ich nicht befürchten zu müssen, daß deiner Seele oder deinen Tugenden Schaden damit geschehen könne; so wie leider, Viele durch verderbliche sündhafte Bücher an ihrer Seele und Seligkeit Schaden leiden müssen.
[5]
Dieser Untersberg wird auch genennt der Wunderberg, und zwar darum, weil er sowohl an äußerlich, sonderbar aber an innerer Gestalt viel Wunderwürdiges in sich fasset. Wie denn dieses alles durch nachfolgende Erzählung und Offenbarungen zu ersehen seyn wird.
Dieser Untersberg oder Wunderberg steht eine kleine deutsche Meile entfernt von der Hauptstadt Salzburg an dem grundlosen Moos, wo einst vor alten Zeiten die große Hauptstadt Helfenburg gestanden seyn soll; und dieser Berg stehet auf drey Landesgränzen, als nämlich Salzburg, Berchtesgaden und Baiern; der mehrere Theil aber steht auf der Salzburgischen Gränze; er steht ganz frey, und hat 6 deutsche Meilen im Umkreise. In Betreff seiner Höhe und scharfen Felsen wird er jedoch von mehreren andern übertroffen.
Doch ist zu bewundern, und wohl zu merken seine Fruchtbarkeit an gut und grosser Waldung, [6] Alben, verschiedenen vornehmen Wurzeln und Kräutern, an denen 3 bis 400 Gämse nebst viel anderen Wild- und Federwildprät auf der Salzburgischen Gränze alleinig ihren sattsamen Unterhalt finden. Dieser Berg ist auch schätzbar an Mineralien; indem öfters fremde Kunsterfahrne aus Welschland herbeykamen, diese geheim bearbeiteten, darneben sich aber der Bosheit gebrauchten, denen anliegenden Landesbewohnern aus Neid solche zu verblenden, und zu verhehlen; ja sogar oft vor ihnen nicht einmal sicher sind, sofern sie sich ebenfalls solcher Wissenschaften und Kunsterfahrenheit würden findig machen wollen, wie ich ganz wahr (ohne daß solches hier anzuzeigen nöthig ist) erzählen kann.
Im Jahre 1753 gieng ein ganz mittelloser, beym Hofwirth zu St. Zeno stehender Dienstknecht, Namens Paul Mayr, auf den in der Nähe stehenden Wunderberg, nach öfters gehörtermassen zu seinem Unterhalt etwas finden zu können. Da nun dieser unweit dem Brunnthal des Bergs fast die halbe Höhe erreicht hatte, kam er zu einer Steinklippe, worunter ein Häuflein Sand lag. Aus Vorwitz nahm er diesen zur Prob mit sich, und füllte alle seine Taschen damit an. Mit Freude wollte er nach Hause gehen, alsbald ein fremder Mann vor seinem Angesicht stand, und zum Paul Mayr sprach: Was trägst du da? Vor Furcht und Schrecken blieb Mayr stumm vor ihm stehen. Der Fremde ergriff ihn, und leerte ihm alle seine Taschen aus, und gab ihm anbey diese Worte: Jetzt gehe nimmer den alten Weg zurück, [7] sondern einen andern, und sofern du dich hier wieder wirst sehen lassen, wirst du nicht mehr lebend davon kommen.
Den guten Dienstknecht reitzte und freute das Gold, und beschloß daher, diesen Goldsand doch ein andermal zu besuchen. Er nahm einen gut bewaffneten Kameraden mit sich. Es war aber alles umsonst: Dieser Ort ließ sich nimmermehr finden.
In eben diesem Jahre 1753 gieng von Salzburg eine Kräutelbrockerin auf den Wunderberg. Als sie eine Zeitlang auf demselben berumgieng, kam sie zu einer Steinwand. Allda lagen Brocken, grau und schwarz, als wie die Kohlen. Sie nahm von diesen etliche zu ihr, und da sie nach Hause gekommen war, merkte sie, daß in solchen klares Gold vermischt war. Sie gieng alsobald wiederum hinauf auf den Berg, um mehrerers dergleichen zu ihr zu nehmen: konnte aber alles Suchens ungeachtet den Ort nicht mehr finden.
Es ist daher sehr wunderlich, und weiß Niemand zu behaupten, ob es wohl einer Verblendung dieser fremden Männer zuzuschreiben sey, oder ob zur Ausfindigmachung dieses Wunderbergs ein reines Gewissen oder besonderes Glück erforderlich ist.
Dieser Holzmeister, als er sich in seinen Verrichtungen auf dem Berge verspätete, seine [8] Nachtruhe daselbst in einer Höhle nehmen mußte, kam andern Tags darauf zu einer Steinklippe,
aus welcher ein glänzend schwerer Goldsand herabrieselte. Weil er aber kein Geschirr bey sich hatte, gieng er ein andersmal hinauf, und setzte ein Krüglein unter; und da er das erstemal mit dem angefüllten Krüglein hinweg gienge, sah er unweit dieses Orts eine Thür öffnen, wodurch er gesehen, und ihm natürlich vorkommen, als sehe er in den Berg hinein eine besondere Welt mit einem Tageslicht, wie wir es haben.
Von diesem Krüglein ist noch besonders zu merken. Dieses Krüglein hat er alle seine noch übrigen Lebensjahre angefüllter nach Hause getragen. An Geld, das ihm dieser Sand abgeworfen, hatte er während seines Lebens keinen Mangel. Nach seinem Tode ist aber an diesem Geld kein Segen gewesen, und ist nicht zu verstehen, wie seine Freunde daran so viel Mangel litten, da sie doch nichts davon verschwendeten, oder zum Bösen angewendet haben.
Obenbemeldte Thüre hat gemeldter Holzmeister kaum eine Minute lang offen stehen gesehen; und da sie zugethan wurde, hat es in dem Berg gehallet, wie ein großes Weinfaß, von der Thür aber war in folgender Zeit nichts mehr zu sehen gewesen.
Alte Männer aus dem Dorfe Feldkirchen, zwey Stunden von Salzburg, haben im Jahre [9] 1645 erzählet: Als sie noch unschuldige Buben waren, hatten sie aus dem Wunderberg Riesen herab gehen gesehen, die sich an die nächst dieses Berges stehende Grödicher Pfarrkirche angelehnt
daselbst mit Manns- und Weibspersonen gesprochen, dieselben eines christlichen Lebenswandels ermahnet, und in diesem, ihre Kinder eines bevorstehenden Unglücks zu entgehen, wohl zu erziehen; sodann haben sich diese Riesen wiederum nach ihrem Wunderberg begeben.