Saturnia - Katharina Fischer - E-Book

Saturnia E-Book

Katharina Fischer

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Beschreibung

Lose aneinandergereihte Geschichten aus dem männlichen, weiblichen und kindlichen Erleben um den Zusammenbruch des Lebens und den Versuch der Neuorientierung und Selbstfindung mit historisierendem Hintergrund.

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Seitenzahl: 45

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis:

SATURNIA

Das Sandkorn

Erwacht

Heimatlos

Das Kind

Umsonst

Am Ziel

Sturm

Wellen

Ausbruch

Verschüttet

Entfliehen

Gerettet

MARIONETTE

TEURNIA

ALTINO

DIE GEBURT

DIE WÄSCHELEINE

Im DUNKELN

EINE NEUE WELT

SATURNIA

Das Sandkorn

Hinter den Wolken schimmerte bläulich das Abendlicht. Zypressen, schwarze, ragten hoch empor. Als die Wolken sich hoben, zeichnete die Silhouette einer Stadt sich gegen den Abendhimmel ab. In tiefem Schweigen lag die Stadt da, wie hingebreitet zeugte sie vom einstigen Leben. Ihre Dächer, die einst Schutz gespendet hatten gegen die Unbille des Lebens, waren verwaist. Nutzlos geworden, ragten die Giebel steil in die Abendluft. Streifen alten Lichts durchzogen den Nachthimmel wie farbige Bänder.

All dies lag da in völliger Stille. Keine Bewegung war spürbar. Kein Hauch rührte ein Blatt. Kein Laut bewegte die Luft. Bedeutungslos geworden, schien die Stadt ihrem Untergang entgegen zu warten. Ihre Zeit war vorbei.

Dies war schon alles gewesen? schienen die Steine enttäuscht zu flüstern. Wozu hat man uns dem Berg entrissen, dem gewachsenen, uns zubehauen, herangekarrt und unter großen Mühen aneinandergefügt? Wie viele Schweißtropfen sind auf uns herabgeronnen und haben unsere Poren durchtränkt wie Blut? Es war, als ob wir dadurch lebendig geworden wären. Und nun sollen wir einfach zerbröseln zu Staub? Wie in großer Entrüstung schüttelte es die Steine leise, so daß der Sand aus den Ritzen rieselte. Widerwillig nur fügten sie sich ihrem jetzigen Schicksal. Es war, als würden die Mauern ihrer einstigen Stärke langsam beraubt. Der Wind, der Frost, die Sonne und der Regen setzte den Steinen langsam zu.

Hier war schon der Tod am Werk. Aber noch war das frühere Leben in den Mauern spürbar. Es war, als atmeten die Steine noch alles aus, was sich in ihrer schützenden Umhüllung ereignet hatte. Als wären alle Rufe, alles Lachen und Weinen in ihnen auf ewig festgehalten. Doch unentrinnbar zerfielen diese Spuren langsam zu Staub.

Jahrhunderte später erinnerte nur mehr der viele Sand, der sich auftürmte an dieses Bauwerk. Doch der Wind verstreute auch diese Spuren über die Welt. In die heutigen Städte hinein und in die Augen der Kinder. In die Stuben und Ritzen der Straßen. Überall ist er zu finden, der feine Staub der Geschichte.

Jenes kleine Sandkorn aber, es war dabei, damals. Es erzählte dir alles, was sich in seiner Gegenwart ereignete. Leise, flüsternd. Wir bräuchten nur zu hören. Doch wir reiben uns nur unwillig unsere tränenden Augen und schnippen das Sandkorn fort.

Erwacht

Heimlich hatte es sich herangeschlichen. Die Dunkelheit waberte tonlos wie eine graue Masse um das Kind herum. Diese entsetzliche Zeit des Wartens, sie schien vorüber. Ein Meer der Einsamkeit hatte alles durchtränkt, bis in die Fingerspitzen. Lautlos reckte das Kind seine Glieder, wie als ob es sich ihrer Existenz noch versichern wollte. Da war kein Widerstand mehr spürbar. Alles bewegte sich perfekt. Wie eine kalte, harte Mauer, so steinern war alles gewesen. Es begriff noch nichts. Diese neue Freiheit? Was war das?

Vorsichtig robbte es weiter auf allen Vieren. Der Sand unter seinen Knien und Händen scheuerte an der Haut. Ein Seufzen entfuhr seiner Brust. Sofort hielt es sich den Mund zu und lauschte ängstlich. Aber nichts war zu hören, nur das stille, gleichmäßige Rauschen des Windes, der sanft in seine Locken blies. Erleichtert ließ sich das Kind nieder. Zärtlich tastete es mit den Händen das weiche Gras. Dann sank sein Kopf nieder und es schlief ein.

Als es erwachte, war die Sonne schon sichtbar. Matt golden glänzten ihre ersten Strahlen über die Hänge. Oben war schon Schnee gefallen. Es hatte Glück gehabt, daß es so bald eingeschlafen war, sonst wäre es vielleicht erfroren. Suchend blickte es sich nach etwas Essbarem um. Seine Finger erforschten den Waldboden, zielgerichtet und behutsam. Ein paar Bucheckern waren alles, was es zutage brachte. Sorgsam kauend stand es langsam auf, ging über die Wiese, beugte es sich über den Bach und trank durstig. Wie weiter jetzt? Über die Hänge höher hinauf oder in das schlafende Tal hinab? Mutlos wollte es schon die Schultern sinken lassen, als es ein leises Bimmeln vernahm. Blökend kreuzte eine Schafherde den Abhang und lief zum Bach. Vorsichtig folgte das Kind der Herde. Die ließ sich nicht stören und verstreute sich grasend über die Wiesen.

Von nun an blieb das Kind immer in der Nähe der Schafe. Nachts legte es sich zu den Tieren, um im Schutz ihrer Wärme zu schlafen, denn es war schon empfindlich kalt. Im Schlaf kamen die Träume, diese bleiernen, schwarzen. Kalten Stein verspürte es nachts unter seinem Kopf und der Napf, aus dem es sich seine Nahrung klaubte, stank. Auch damals hatte es Träume gegeben, die aber waren hell gewesen, genauso wie jetzt der Tag.