Scapa Flow - Ludwig von Reuter - E-Book

Scapa Flow E-Book

Ludwig von Reuter

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Beschreibung

Die ungeschlagene deutsche Hochseeflotte versenkte sich am 21. Juni 1919 in der Bucht von Scapa Flow selbst. Am frühen Abend lag der größte Teil der Kriegsschiffe auf Grund. Welche Umstände führten zu diesem Verzweiflungsakt und wie reagierten die Engländer darauf? Die genauen Ereignisse, vom Waffenstillstand bis zur Versenkung, blieben lange unklar. So erfüllte das Buch des Vizeadmirals Reuter den ausgesprochenen Wunsch, die Geschehnisse und Begebenheiten bis zur Selbstversenkung der kaiserlichen Flotte zu schildern.

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Scapa Flow

Das Grab der deutschen Flotte

von

Vize-Admiral von Reuter

_______

Erstmals erschienen im: K. F. Koehler Verlag, Leipzig, 1921

__________

Vollständig überarbeitete Ausgabe.

Ungekürzte Fassung.

© 2017 Klarwelt-Verlag

ISBN: 978-3-96559-085-4

www.klarweltverlag.de

Inhaltsverzeichnis

 

Titel

Vorwort

1. Kapitel

Vom Abschluss des Waffenstillstandes bis zum Ankern auf dem Firth of Forth

2. Kapitel

In Scapa Flow interniert — Erste Reduzierung der Besatzungen — Betrachtungen über die Lage — Meine Heimreise

3. Kapitel

Wieder in Scapa Flow — Protest der Regierung gegen die Internierung — Die radikale Mannschaft und die Offiziersautorität — Die Rote Garde und die Disziplin — Reinigung des Obersten Soldatenrates

4. Kapitel

Flaggschiffwechsel — Zweite Reduzierung der Besatzungen

5. Kapitel

Der Versenkungsgedanke

6. Kapitel

Einflüsse der Internierung auf die Besatzungen

7. Kapitel

Vorbereitung der Versenkung — Letzte Reduzierung der Besatzungen

8. Kapitel

Die Versenkung

9. Kapitel

Rechtfertigung der Versenkung. — Im Gefangenenlager zu Rigg, Oswestry und Donington Hall — Heimkehr

Anhang - I. Bericht des Führers

II. Mitteilungen über die Seelsorge in Scapa Flow

III. Untergangszeiten der Schiffe am 21. Juni 1919

IV. Liste der internierten Schiffe und Torpedoboote

Vorwort

In Nachstehendem soll versucht werden, dem mehrfach geäußerten Wunsch nach einer Schilderung der die letzten Lebensmonde der deutschen Hochseeflotte ausfüllenden Begebenheiten, insbesondere ihrer Versenkung gerecht zu werden.

Die politische Lage des Reiches machte mir Zurückhaltung und Beschränkung auf das Wesentliche zur Pflicht; von Schönfärberei habe ich mich ferngehalten.

In der Darstellung ist der in seinen Einzelheiten bisher wenig bekannt gewordene erste, die Ereignisse vom Waffenstillstands-Abschluss bis zur Versenkung umfassende Zeitabschnitt eingehender behandelt; der zweite, nur der Rechtfertigung der Versenkung dienende Teil beschränkt sich in der Hauptsache auf die Wiedergabe meiner zu diesem Zweck verfassten Berichte und Kundgebungen.

Die Richtlinien und Beweggründe, nach denen die deutsche und die feindlichen Regierungen in der Behandlung des Internierungsverbandes verfahren haben, sind mir bis heute nicht offenbar geworden; so habe ich zuweilen meine Überlegungen und Schlüsse auf Grundlagen aufbauen müssen, die vielleicht von den Eingeweihten nicht immer als zutreffend anerkannt werden können. Jedenfalls haben solche etwaigen Irrtümer das Geschehen in Scapa Flow nicht wesentlich beeinflusst.

Abgesehen von der Versenkung selbst, hat die Internierungszeit keine dramatischen, in ihrer Größe hinreißende Ereignisse aufzuweisen; Alltagskämpfe sind es, die aber um deswillen von Bedeutung sind, weil sie über das Streben, die Flotte dem Reich zu erhalten, und als das hoffnungslos geworden war, auch noch über den letzten Schritt zur Wahrung von des Reiches Wohlfahrt und Ansehen ihre Schatten geworfen haben. —

Besonderer Dank gebührt dem Verlag und den Herren Vizeadmiral v. Ammon und Fregattenkapitän Brehmer für ihren sachkundigen Rat bei der Abfassung des Buches, sowie den Herren Kapitän zur See Oldekop und Marine-Kriegsgerichtsrat Lösch für das mir zur Verfügung gestellte Material und Tagebuch.

 

Gauernitz, Frühjahr 1921.

Ludwig v. Reuter,

Vizeadmiral a. D.

1. Kapitel

Vom Abschluss des Waffenstillstandes bis zum Ankern auf dem Firth of Forth

Am 10. November war in Wilhelmshaven bekannt geworden, dass mit den Ententemächten der Waffenstillstand zum Abschluss gelangt sei. Unter einer Reihe von Artikeln, die das Unschädlichmachen der deutschen Streitkräfte zu Lande und zu Wasser betrafen, kam für die Hochseeflotte, ihre uns hier nur interessierenden Linienschiffe, Kreuzer und Torpedoboote, der Artikel 23 der Waffenstillstandsbedingungen in Frage. Er lautet:

„Die Kriegsschiffe der deutschen Hochseeflotte, welche die Alliierten und Vereinigten Staaten bezeichnen, werden sofort abgerüstet und alsdann in neutralen Häfen oder in deren Ermangelung in Häfen der alliierten Mächte interniert. Die Häfen werden von den Alliierten und den Vereinigten Staaten bezeichnet werden. Sie bleiben dort unter der Überwachung der Alliierten und Vereinigten Staaten, es werden nur Wachkommandos an Bord belassen.

Die Bezeichnung der Alliierten erstreckt sich auf:

6 Panzerkreuzer,

10 Linienschiffe,

8 kleine Kreuzer (davon 2 Minenleger),

50 Zerstörer der neuesten Typen.

Alle zur Internierung bezeichneten Schiffe müssen bereit sein, die deutschen Häfen sieben Tage nach Unterzeichnung des Waffenstillstandsvertrages zu verlassen. Die Reiseroute wird ihnen durch Funkspruch vorgeschrieben.“

Die Nichterfüllung der Waffenstillstandsbedingungen würde von den Alliierten mit der Besetzung von Helgoland beantwortet werden. Einige Tage später wurde in Wilhelmshaven verbreitet, dass auch die der Nordseeflussmündungen angedroht sei. Wenn dieser Nachricht auch nur der Wert eines Gerüchtes beigemessen werden konnte, so konnte es bei dem von der Entente beliebten und damals schon erkannten Verfahren der allmählichen Steigerung der Bedingungen doch früher oder später zur Wahrheit werden. So hat das Gerücht wohl nicht verfehlt, auf die Entschlüsse zur Überführung der Hochseeflotte nach dem Firth of Forth eine Wirkung auszuüben.

Aus der bedingten Fassung der Bestimmungen über die Internierung in neutralen oder alliierten Häfen ging die mala fides der Entente klar hervor: es war bei dem Drucke, den die Entente auf die neutralen Staaten ausüben konnte und auch ausgeübt hat, gegeben, dass sie keine neutralen Häfen für die deutschen Schiffe finden würde. Sie hat, abgesehen von Spanien, dessen Häfen für unsere Schiffe nicht in Frage kommen konnten, es nicht einmal der Mühe für wert gehalten, sich um die Bereitstellung neutraler Häfen zu bemühen. Sie glaubte wohl, sich diese Unterlassung der deutschen Regierung gegenüber leisten zu können. Auch die Anfrage bei der spanischen Regierung war so gehalten, dass der Wunsch nach Ablehnung herausgelesen werden konnte. Die Entente hat mit dem Festlegen der deutschen Schiffe in Scapa Flow mit Vorbedacht die Bedingungen des Waffenstillstandes unerfüllt gelassen.

— — — — — — —— — — — — — — — — — —

Zur Beschleunigung der geforderten Abrüstung wurden die Schiffe der Hochseeflotte, entsprechend ihrer Stationszugehörigkeit, auf Häfen der Nord- und Ostsee verteilt. Die deutsche Marineleitung glaubte, dass die Schiffe von diesen Häfen aus — einzeln oder in Gruppen — den Marsch nach den neutralen Häfen, die in Dänemark, Schweden, Norwegen und Holland vermutet wurden, würden antreten können. — Für die Abrüstung und für die Überführung in diese Häfen mussten die Offiziere der Schiffe, die sich bis auf wenige Ausnahmen infolge ihrer Ablehnung durch die Mannschaften oder bei dem Hissen der roten Flagge von Bord begeben hatten, wieder in ihren Dienst eingesetzt werden. Voraussetzung war, dass ihnen ein gewisses Maß an Autorität zugesichert werden konnte, dass die Mannschaften nicht weiter Offiziere ablehnten und dass deren Verhältnis zu den regierungsseitig eingesetzten Soldatenräten ihrem Offizierstandpunkt entsprechend geregelt wurde. Der Flottenleitung gelang es, mit dem 21er Ausschuss in Wilhelmshaven ein Abkommen zu treffen: die Offiziere behielten nach ihm allein die seemännische Führung der Schiffe, in Angelegenheiten des inneren Dienstes hingegen musste die Mitwirkung der Soldatenräte in Kauf genommen werden; in ihren eigenen Angelegenheiten wurde den Offizieren Unabhängigkeit von den Soldatenräten zugesichert; den Mannschaften wurde das Recht, Offiziere selbständig abzulehnen, entzogen. Schon während diese Verhandlungen im Gange waren, hatte sich der überwiegende Teil der Offiziere an Bord seiner Schiffe zurückgefunden: entweder aus einem übermächtigen Pflichtgefühl heraus, oder weil er von den Besatzungen um Rückkehr gebeten worden war. Diesen waren in solchen Fällen die Unordnung an Bord und das häufig wüste Treiben der Soldatenräte, deren Unfähigkeit, den komplizierten Dienst an Bord zu leiten, offen zutage lag, zuwider geworden. Dass die Abmachungen der Flottenleitung nicht von allen Schiffen anerkannt oder auf die Dauer gehalten worden ist, bedarf kaum der Erwähnung. Infolge der allgemeinen Arbeitsunwilligkeit schritt die Abrüstung der Schiffe nur langsam vorwärts, von irgendeiner Sorgfalt bei der Bergung der von Bord geschafften Ausrüstungsgegenstände war keine Rede; es sprach für die Güte unserer Marinemunition, dass durch ihre unvorschriftsmäßige Behandlung nicht eine Katastrophe heraufbeschworen worden ist. In die Abrüstung fiel die neue, von der Entente im Waffenstillstandsabschluss noch nicht gestellte Forderung der Überführung der deutschen Schiffe in einen englischen Hafen, um in ihm die Ausführung der vertraglich ausbedungenen Abrüstung einer Prüfung zu unterziehen. Ob und inwieweit die deutsche Regierung sich dieser neuen Forderung entgegengestellt hat, ist nicht bekannt geworden; die der englischen Flottenleitung vom Chef zugestellten Gegenvorstellungen blieben unberücksichtigt. Diese neu gestellte Forderung zwang zu einer Wiederzusammenziehung der deutschen Schiffe auf der bei Wilhelmshaven gelegenen Schilligreede. Von hier sollten sie von dem ältesten Kommandanten geschlossen nach dem Firth of Forth überführt werden; einige Tage später wurde englischerseits für die Überführung der Schiffe ein Admiral verlangt.

Die Forderung, die unbesiegte deutsche Hochseeflotte nach einem Hafen des Feindes zu überführen, stellte das Offizierkorps dieses Verbandes vor eine neue, eigenartige Aufgabe. Es wurde eine Dienstleistung von ihm verlangt, die außerhalb der durch Beruf und Stand übernommenen Pflichten lag. Sie stellte die Offiziere vor eine Gewissensfrage von außerordentlicher Bedeutung und Schwere! Die Lösung dieser Frage musste jedem Offizier selbst überlassen bleiben. Gewiss kann der höchste Vorgesetzte in dem Sinne, wie er persönlich die Frage gelöst hat, Gehorsam von seinen untergebenen Offizieren fordern, doch kann in solchem Fall dem Offizier das Recht, ihn zu verweigern, nicht abgesprochen werden.

Die Beantwortung der Frage war davon abhängig, wie der einzelne Offizier den Begriff „Ehre“ verstand: ist die Ehre des Offiziers ein Ding an sich oder ist sie mit dem Staatswohl verbunden, diesem Untertan? Beiden Auffassungen muss gleiche Berechtigung zuerkannt werden. Für beide sind Vorgänge in der Geschichte des preußischen Offizierkorps vorhanden. Für die erstere sei angeführt: das Verhalten des von der Marwitz, der im Siebenjährigen Krieg den Befehl Friedrichs des Großen, das Schloss Hubertusburg zu plündern, als gegen seine Ehre verstoßend ablehnt; er quittierte den Dienst. Für letztere: der Vertrag von Tauroggen, den York Feind, dem Russen, abschließt; das preußische Offizierkorps forderte vom König, York ein Ehrengericht zu stellen; der König lehnte das ab.

Ich persönlich entschied mich, als die Frage durch Anforderung eines Admirals für Überführung des Verbandes nach dem Firth of Forth für mich brennender geworden war, dafür, dass die Ehre in diesem Falle dem Staatswohl zu dienen habe. Die Besetzung von Helgoland und der Nordseeflussmündungen hielt ich für so schwerwiegend, dass gegenüber dieser Schädigung des Deutschen Reiches, wenn ich sie verhindern konnte, meine Person keine Rolle spielen durfte.

Dass bei Besetzung der Nordseeflussmündungen und Helgolands die Entente außerdem noch die deutsche Flotte in Beschlag nehmen würde, und dass dies unter Berücksichtigung der durch die Revolution unter den Mannschaften der Hochseeflotte geschaffenen Stimmung und Zustände nicht verhindert werden könnte, stand für mich außer Frage. Zunächst forderte der Waffenstillstand nur, dass die Hochseeflotte zur Prüfung ihrer Entwaffnung nach einem englischen Hafen überführt würde. Von dort aus sollte sie zur Internierung in neutrale Häfen entlassen werden. Dass den zu überführenden Schiffen die Überfahrt nach England zu einer Falle werden würde, war bei der englischen Sinnesart vorauszusehen. Voraussicht ist jedoch kein Beweis. Der Beweis, dass wir betrogen werden sollten, musste erst tatsächlich erbracht werden. Der Betrug konnte uns die Freiheit des Handelns zurückgeben: wir konnten dann mit unseren Schiffen machen, was wir wollten, wir konnten sie auch versenken. Die Schiffe vor dem Auslaufen nach England zu versenken, war leider bei der Sinnesart ihrer Besatzungen und bei dem Verlust jeglicher Autorität des Offiziers praktisch ausgeschlossen. Die Zeit konnte jedoch vieles ändern und bessern.

Lehnte das Offizierkorps seine Beteiligung an der Überführung nach England ab und verließ die Schiffe, so wurden sie von den Besatzungen in ihrer Abneigung gegen den Wiederausbruch des Krieges entweder selbst zum Feind gefahren oder ihm im deutschen Hafen ausgehändigt. In beiden Fällen erschien es ausgeschlossen, dass die Entente nicht sofort die billige Gelegenheit wahrgenommen hätte, die Schiffe in ihren endgültigen Besitz zu überführen. Die revolutionären deutschen Besatzungen hätte sie von Bord gejagt. Ihre Presse würde dann wohl aller Welt verkündet haben, dass der englische Admiral, infolge Pflichtvergessenheit der deutschen Seeoffiziere, die ihre Schiffe verlassen hätten, zu seinem Bedauern gezwungen gewesen sei, die deutschen Schiffe zu besetzen, da sie keinesfalls in Händen meuternder Matrosen hätten gelassen werden können. Ein großer Teil der deutschen Presse hätte ohne Zweifel in das gleiche Horn gestoßen. Die Presseäußerungen hätten freilich den Seeoffizier unbeeinflusst gelassen. Für ihn musste allein der Trieb leitend sein: was auch mit den Schiffen der Hochseeflotte geschieht, geschieht nur durch den Offizier, — für einen Ausgang in Ehren würde er einstehen.

Ich war mit mir ins reine gekommen: der Offizier musste die Überführung selbst in die Hand nehmen. Damit blieb ein gewisses Maß von Zucht und Ordnung auf den deutschen Schiffen erhalten und dem Engländer die Gelegenheit entzogen, sich auf Grund von Disziplinlosigkeiten an Bord in den Besitz der Schiffe zu setzen. Sollte die Frage der Überführung des Verbandes an mich herantreten, so würde ich, sofern sich kein geeigneterer Admiral für diesen wenig erfreulichen Dienst fände, nicht ablehnen. Dieser Entschluss ist mir nicht leicht geworden.

Ich will nicht sagen, dass ich zu dieser Zeit schon die Absicht gehabt hätte, die Versenkung der Hochseeflotte selbst in die Hand zu nehmen; ich dachte vielmehr daran, noch vor Antritt der Fahrt der Schiffe vom Firth of Forth nach neutralen Häfen in die Heimat zurückzukehren. Pläne auf weite Sicht, über die nächstliegensten Ziele hinaus, ließen sich damals begreiflicherweise nicht fassen. Doch schon bald nach der Überfahrt nach Scapa Flow wuchs in mir das mich schließlich ganz beherrschende Gefühl, für einen der Hochseeflotte würdigen Ausgang aus der Internierung sorgen zu müssen.

In der Richtung meines Entschlusses, die Führung der Schiffe zu übernehmen, forderte ich die Gefolgschaft der Offiziere. Ähnliche Gedankengänge mögen auch den damaligen Flottenchef, Admiral von Hipper, geleitet haben, als er die Vorbereitungen zur Überführung der Hochseeflotte nach England und diese selbst anordnete. Auch später habe ich bei vielen Offizieren des Verbandes Auffassungen gefunden, die von den meinigen wenig oder gar nicht abwichen. Ich muss es daher nachdrücklich zurückweisen, wenn von einer Auslieferung oder Übergabe der deutschen Flotte durch deutsche Seeoffiziere gesprochen oder geschrieben wird. Wir Offiziere wussten, was wir taten!

Für die Durchführung des Waffenstillstandes hinsichtlich der Seestreitkräfte waren von den Alliierten noch Ausführungsbestimmungen zu geben.

Deshalb ersuchte der englische Flottenchef am 12. November den deutschen, einen Admiral zur mündlichen Besprechung nach dem Firth of Forth zu senden. Kontreadmiral Meurer wurde hierzu bestimmt. Er traf an Bord des kleinen Kreuzers „Königsberg“ am 15. November auf dem Firth of Forth ein. Die Besprechungen fanden an diesem und am folgenden Tag an Bord des englischen Flaggschiffes „Queen Elisabeth“ statt. Das Ergebnis überreichte Admiral Meurer am 18.11. vormittags Admiral von Hipper. Es enthielt im Wesentlichen:

a) Anlaufen des Firth of Forth und Ankern auf Außenreede behufs Nachprüfen der Entwaffnung;

b) Treffpunkt 21.11. 8 Uhr vormittags Greenwich-Zeit May Insel in rechtweisend West 40 Sm.;

c) Kurse dorthin über Punkt S1 und Doggerbank-Feuerschiff Süd;

d) Annäherungskurs 270, 10 Sm. Fahrt. Formation: Schiffe Kiellinie, Schlachtkreuzer an der Spitze, dann Linienschiffe, kleine Kreuzer, Zerstörer am Schluß;

e) Geschütze seefest in Richtung vor- und achteraus gezurrt;

f) eine genügende (englische) Streitmacht wird die deutschen Schiffe am Treffpunkt aufnehmen und nach dem Ankerplatz geleiten;

g) je ein leichter englischer Kreuzer mit blauer Flagge im Top wird sich an die Spitze der einzelnen deutschen Gruppen setzen und sie auf den Ankerplatz führen; h) Ankerplan auf dem Firth of Forth;

i) 1. Brennstoffausrüstung: Für 1500 Sm. mit 12 Sm. Fahrt ab Schilligreede; außerdem für Hilfsmaschinenbetrieb bis 17. 12.;

2. Proviant: Für 10 Tage für das Überführungskommando, bis 17.12. für das Wachkommando.

 

Dem englischen Flottenchef, Admiral Beatty, dürfte gelegentlich der Besprechung mitgeteilt worden sein, dass das Linienschiff „König“ und der kleine Kreuzer „Dresden“ bis zum gesetzten Auslaufetermin nicht fahrbereit seien, jedoch sobald als möglich nachkommen würden. Sie stießen am 6. November in Scapa Flow zum Verband, „Mackensen“, der als sechster Panzerkreuzer gefordert war, war noch im Bau, die Verhandlungen seinetwegen kamen erst nach einiger Zeit zum Abschluss, an seiner Stelle wurde im Januar 19.19, das Linienschiff „Baden“ nach Scapa Flow abgeliefert.

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Am 17. November abends ließ mich der Flottenchef, Admiral von Hipper, auf das Flaggschiff bitten. Er eröffnete, mir die englische Forderung, dass ein Admiral die deutschen Streitkräfte nach dem Firth of Forth überführen solle. Von den Admirälen der Hochseeflotte käme für diesen Dienst Kontreadmiral Meurer und ich in Frage. Da es bei dem herrschenden Nebelwetter nicht sicher sei, ob ersterer rechtzeitig vom Firth of Forth zurück sein würde, so bäte er in diesem Falle mich, den Verband zu führen; es handele sich nur um die kurze Zeit der Überführung nach dem Firth of Forth, dann würden die Schiffe in neutrale Häfen entlassen werden und ich könnte zurückkehren. Ich führte ihm die Gründe an, die es mir schwer machten, den Verband zu übernehmen, doch würde ich mich ihm für diesen Dienst zur Verfügung stellen, falls Admiral Meurer nicht rechtzeitig zurückkehren könnte; ich hielte diesen Flaggoffizier für geeigneter, da er die Verhandlungen mit dem englischen Flottenchef geführt habe, und daher am besten wissen müsste, was englischerseits gefordert würde, und wie diesen Forderungen zu entsprechen oder zu begegnen sei. — Admiral Meurer kehrte am 18. November morgens zurück, und damit allerdings noch so rechtzeitig, dass er wohl die Führung des Verbandes hätte übernehmen können. Trotzdem bat mich der Flottenchef am 18. November vormittags, den Verband zu führen, da Admiral Meurer als Mitglied der Waffenstillstandskommission in Wilhelmshaven nicht zu entbehren oder zu ersetzen sei.

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Am 18. November mittags übernahm ich den Verband. Er lag noch in verschiedenen Häfen zerstreut. 19. November mittags 12 Uhr sollte er, nach England auslaufend, die Reede von Schillig verlassen. Eine Fülle von Arbeit war noch in den wenigen Stunden bis dahin zu bewältigen. Vom Flottenchef, Admiral von Hipper, hatte ich folgenden schriftlichen Befehl erhalten:

 

1. . . . . . . . . (unwesentlich).

2. Die nach Untersuchung der Schiffe im Firth of Forth und nach Anbordnahme der englischen Geleitkommandos aufzusuchenden Internierungshäfen sind noch nicht bekannt. Die gesamten Überführungskommandos bleiben bis zum Eintreffen der Schiffe usw. im Internierungshafen an Bord. Im Internierungshafen sollen nur Wachkommandos an Bord bleiben, der übrige Teil des Überführungskommandos soll mit Transportschiffen zurückgeholt werden. Admiral Beatty hat zugesichert, daß er die Namen der Internierungshäfen und die Zeit, zu der die Transportschiffe dort eintreffen müssen, rechtzeitig hierher mitteilen wird. Entsprechende Benachrichtigung und Befehle werden dann erteilt werden;

3. Nach Aufnahme des Überführungsverbandes durch die englische Kreuzereskorte (40 Sm. Ost von May Island) hat jeder F.-T. Verkehr zu unterbleiben, soweit er nicht durch den Führer der englischen Eskorte oder später durch die vom C. i. C.2 Grand Fleet getroffene Regelung gestattet wird.

gez. von Hipper.

 

Admiral Meurer erläuterte mir noch mündlich seine schriftlichen Niederlegungen über die Abmachungen mit dem englischen Flottenchef und teilte mir seine persönlichen Eindrücke mit, die mich zu äußerster Vorsicht und Zurückhaltung im Verkehr mit der englischen Flottenleitung veranlassten. Admiral Meurer erwähnte, dass seiner Meinung nach die Engländer nicht daran dächten, unsere Schiffe nach neutralen Häfen zu entlassen; dass Admiral Beatty nicht mit dem unversehrten Eintreffen der deutschen Flotte auf dem Firth of Forth gerechnet zu haben schien, habe ich erst viele Monate später erfahren — von Nutzen wäre uns Offizieren diese Kenntnis bei unserer damaligen Machtlosigkeit an Bord nicht gewesen, sie hätte uns nur den harten Weg nach dem Firth of Forth noch schwerer gemacht.

Der Stab für den Verband war schnell zusammengestellt. Als Chef wurde Fregattenkapitän Iwan Oldekop gewonnen. Er hat dem Verband ausgezeichnete Dienste geleistet; ich hatte uneingeschränktes Vertrauen zu ihm, und seine prächtigen persönlichen Eigenschaften machten das Arbeiten mit ihm leicht und anregend. Die Last der Arbeit ist ihm nie zu groß geworden, und obgleich er im Tageskampf mit den radikalen Elementen in der „Drecklinie“ stand, sind ihm seine Stellung und sein Dienst nie leid geworden. An den bescheidenen Erfolgen des Verbandes hat er seinen vollen Anteil. Ihm und den Herren meines Stabes sei hier mein wärmster Dank für die hingebende Mitarbeit an den wenig erhebenden Aufgaben des Verbandes ausgesprochen; sie haben auf diesem letzten Gang der Hochseeflotte noch einmal ihr Bestes hergegeben und durch ihr persönliches Wesen mir den Dienst erträglich gemacht. Noch besonders gedenken muss ich des Führers der Torpedoboote, Korvettenkapitän Hermann Cordes — er vereinigte in sich alle die persönlichen und dienstlichen Eigenschaften in besonders hohem Grade, deren ein Führer von Torpedobooten bedarf. Die frische Fröhlichkeit und Tiefe seines Wesens, das hohe Verständnis und Geschick, das er bei der Leitung und Behandlung von Offizieren und Mannschaften entfaltete, sind dem Verband sehr zugute gekommen und trugen ihm allseitige Verehrung ein.

Der Verband erhielt die Bezeichnung „Überführungsverband“ und wurde als ein von der Hochseeflotte detachierter Verband angesehen. Zum Flaggschiff wurde das Linienschiff „Friedrich der Große“ genommen.

Die Kommandoübernahme wurde dem Verband mit folgenden Worten bekanntgegeben: „Ich habe mit dem heutigen Tage den Überführungsverband übernommen. Ich weiß mich mit den Besatzungen eins, dass jeder bei der Überführungsfahrt seine Pflichten so erfüllen wird, dass das Vaterland den baldigen Frieden erlangt.“