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Deputy US Marshal Eli Kohn hat sein Leben im Griff. Seine neue Stelle als Leiter der Abteilung für öffentliche Angelegenheiten gefällt ihm, auch wenn er es anstrengend findet, der Presse immer Rede und Antwort stehen zu müssen. Privat geht es jedoch nicht wirklich voran. Zum Glück hat er seinen besten Freund Celso. Celso Harrington, Erster Tänzer bei der Chicago Ballet Company, sehnt sich nach jemandem, der ihn erdet. Ein Mann, der seinen Lebensunterhalt mit dem Fangen von Verbrechern verdient, scheint da eine merkwürdige Wahl zu sein. Celso geht es um Kunst und Schönheit, Eli um Sicherheit und den Dienst an der Gesellschaft. Sie könnten nicht unterschiedlicher sein, und doch haben beide seit ihrem ersten Treffen das Gefühl, als würden sie sich schon ewig kennen. Als ein schreckliches Ereignis ihre beiden Welten aufeinanderprallen lässt, müssen sie klären, was sie sich bedeuten, oder riskieren, einander zu verlieren ...
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Seitenzahl: 372
MARY CALMES
SCHLAMASSEL OHNE ENDE
VERLIEBTE PARTNER 5
Aus dem Amerikanischen von Anne Sommerfeld
Über das Buch
Deputy US Marshal Eli Kohn hat sein Leben im Griff. Seine neue Stelle als Leiter der Abteilung für öffentliche Angelegenheiten gefällt ihm, auch wenn er es anstrengend findet, der Presse immer Rede und Antwort stehen zu müssen. Privat geht es jedoch nicht wirklich voran. Zum Glück hat er seinen besten Freund Celso.
Celso Harrington, Erster Tänzer bei der Chicago Ballet Company, sehnt sich nach jemandem, der ihn erdet. Ein Mann, der seinen Lebensunterhalt mit dem Fangen von Verbrechern verdient, scheint da eine merkwürdige Wahl zu sein. Celso geht es um Kunst und Schönheit, Eli um Sicherheit und den Dienst an der Gesellschaft. Sie könnten nicht unterschiedlicher sein, und doch haben beide seit ihrem ersten Treffen das Gefühl, als würden sie sich schon ewig kennen.
Als ein schreckliches Ereignis ihre beiden Welten aufeinanderprallen lässt, müssen sie klären, was sie sich bedeuten, oder riskieren, einander zu verlieren …
Über die Autorin
Mary Calmes liebt, wie ihre Romanfiguren, Romantik und Happy Ends. In ihren Adern fließt Kaffee, und sie findet, dass Schokolade als Gemüse gelten sollte. Zurzeit lebt sie in Kentucky, zusammen mit einem drei Kilo schweren Fellnasen-Ninja, der sie vor Spinnen und den Hunden der Nachbarn beschützt.
Die amerikanische Ausgabe erschien 2022 unter dem Titel »Balanced and Tied«.
Deutsche Erstausgabe Mai 2024
© der Originalausgabe 2022: Mary Calmes
© Verlagsrechte für die deutschsprachige Ausgabe 2024:
Second Chances Verlag
Inh. Jeannette Bauroth, Steinbach-Hallenberg
Alle Rechte, einschließlich des Rechts zur vollständigen oder auszugsweisen Wiedergabe in jeglicher Form, sind vorbehalten.
Alle handelnden Personen sind frei erfunden, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Die Nutzung des Inhalts für Text und Data Mining
im Sinne von § 44b UrhG ist ausdrücklich verboten.
Umschlaggestaltung: Reese Dante
Umschlagmotiv: iStock
Lektorat: Daniela Dreuth
Korrektorat: Second Chances Verlag
Satz & Layout: Judith Zimmer
ISBN Print: 978-3-98906-042-5
ISBN E-Book: 978-3-98906-041-8
www.second-chances-verlag.de
Inhaltsverzeichnis
Titel
Über die Autorin
Impressum
1
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5
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Weitere Bücher von Mary Calmes
Eli
Faszinierend, dass sich selbst die Routine jedes Mal in einen Affenzirkus verwandelte. Noch lächerlicher war, dass ich das an diesem Punkt meiner Karriere immer noch nicht begriffen hatte und mich dementsprechend kleidete.
»Eli! Was machst du da?«, rief Ian Doyle knapp zwei Meter vor mir. »Schwing deinen Hintern hier hoch!«
Er trug natürlich eine Cargo-Hose, Stiefel und einen Kapuzenpullover mit dem Aufdruck U.S. Marshal auf dem Rücken. Ich hingegen rannte in einem Anzug von Hugo Boss und Prada-Schuhen herum. Der Anzug war einengend und mit den Schuhen fand ich keinen Halt, aber das war nicht die Schuld meiner Garderobe. Ich sollte eigentlich nicht rennen. Ich war hier, um zu beobachten und mir Notizen zu machen, damit ich später auf der Pressekonferenz alle Fakten hatte. Ich konnte es nicht genug betonen … Ich sollte nicht rennen.
Mein Zwei-Mann-Team war am frühen Morgen in Schaumberg gewesen. Es sollte Videos und Fotos machen und Informationen über ein scheinbar ganz normales Haus in der Vorstadt sammeln, in dem Greg Polk und Marla Edmonds jedoch vermisste und entführte Frauen festhielten, die sie verkauften. Das Paar arbeitete mit Drogendealern, Gangs, Kartellen und Syndikaten zusammen. Angefangen bei russischen Oligarchen bis hin zu dem Typ, der ein neues Playmate wollte. Sie tauschten die Frauen gegen Geld, Drogen und Waffen und verkauften Letztere weiter. Außerdem bedienten sie registrierte Sexualstraftäter, die in Schwierigkeiten geraten würden, wenn sie in Clubs oder Colleges auftauchten, allerdings jederzeit vorbeikommen und eine Frau von dem angeblich liebevollen Pärchen kaufen konnten, das laut seinen Nachbarn »immer viel Besuch« hatte.
Ich verstand, warum manche Gesetzeshüter hin und wieder vom rechten Pfad abwichen und die Gerechtigkeit selbst in die Hand nahmen. Manchmal schien es die einzig angemessene Reaktion zu sein.
Es würde nichts bringen, auf die verschiedenen Behörden zu schimpfen, da die meisten unterbesetzt waren und einen aussichtslosen Kampf gegen Etatkürzungen führten. Außerdem gab es eine anhaltende Debatte über Frauen ohne Papiere, die zum Arbeiten in die Staaten kamen, nur um schließlich in die Sexindustrie gezwungen zu werden. Das Problem wurde dadurch verstärkt, dass die meisten von ihnen aus Ländern stammten, in denen man den Behörden nicht trauen konnte, und darüber hinaus gab es noch die Sprachbarriere. Im Grunde war das Desaster vorprogrammiert.
Was außerdem überhaupt nicht geholfen hatte, war die Pandemie. In der Anfangszeit 2020 waren so viele Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt waren, durchs Raster gefallen. Manche hatten bereits mit verschiedenen Behörden zusammengearbeitet, um ihren Peinigern zu entkommen, aber plötzlich waren wir alle im Lockdown gewesen, und für sie hatte es keinen Ausweg gegeben. Viele verschwanden einfach. Niemand wusste, wohin sie gegangen waren oder was aus ihnen geworden war. All das schraubte sich schon seit Jahren hoch, doch dem Pärchen in Schaumberg waren die Behörden endlich auf die Schliche gekommen.
Die Zugriffe waren kurz nach Tagesanbruch erfolgt, und während die Frauen, von denen die meisten gerade mal knapp über achtzehn waren, unter Polizei- und Marshal-Jacken vor der Presse versteckt aus dem Haus gebracht wurden, hatte ich den Reportern einige Fragen beantworten sollen, bevor später die Pressekonferenz im Daley Plaza stattfinden würde. Wie immer war das der Moment, in dem ein Mann an mir vorbeischoss und mich beinahe umwarf. Nur Ian Doyle war ihm auf den Fersen. Dann nahm auch ich die Verfolgung auf, weil zwei Dinge gleichzeitig passierten. Erstens, meine Ausbildung machte sich bemerkbar. Kein Marshal durfte allein unterwegs sein, wenn es sich vermeiden ließ. Und zweitens, Ian Doyle war mein Freund. Ich würde und konnte nicht zulassen, dass er den Verdächtigen ohne Unterstützung verfolgte.
Ich vergaß, dass ich den Knopf im Ohr hatte, bis Ian mich anknurrte. »Verdammt, Eli, hast du vergessen, wie man rennt?«
In dem Moment, in dem er an mir vorbeischoss, hatte Ian darauf gezählt, dass ich hinter ihm sein würde. Deshalb bekam ich seine Wut darüber ab, dass der Flüchtige nicht reagiert hatte, als er ihn anwies, sich auf den Boden zu legen. Nicht, dass das jemals funktionierte, wenn man nicht seine Waffe zog. Niemand, der Ian nicht kannte, würde stehen bleiben, nur weil er laut wurde. Wenn man ihn jedoch kannte, wusste man, dass er sowohl bewaffnet als auch unbewaffnet tödlich war.
Alles hatte so gut angefangen. Wir hatten fünfundzwanzig Durchsuchungsbefehle, bis jetzt zwölf Personen inklusive des Pärchens verhaftet und unsere Task Force aus staatlichen und örtlichen Behörden funktionierte reibungslos. Seit Ian zum Deputy Director ernannt worden war und sich um die Zusammenarbeit kümmerte, verliefen alle ressortübergreifenden Angelegenheiten glatter. Weniger Spielchen, mehr Kameradschaft. Natürlich wurde bei alledem nicht berücksichtigt, wie Ian und ich jetzt allein durch Gärten rannten, über Zäune, Pools und Blumenbeete sprangen und dabei Hunden, herumliegendem Spielzeug und Fahrrädern auswichen. Vor einigen Jahren hatte ich herausgefunden, dass Fahrräder, vor allem Kinderräder, der Teufel waren. Erst dachte man, man wäre drüber, blieb dann jedoch am Lenker oder den Speichen hängen. Auf sie zu fallen war schmerzhaft, und ich wusste das aus Erfahrung.
»Nimm die Gasse!«, fuhr Ian mich an. Er holte zu dem Mann auf und erklomm den zwei Meter hohen Zaun nach dem Verdächtigen, als wäre es gar nichts.
Rasend schnell flitzte ich über den Schotterweg und tauchte gerade in dem Moment auf dem Gehweg auf, als der Mann – der glücklicherweise nicht viel wog – in mich hineinrannte. Ineinander verknäult fielen wir zu Boden. Ich war außer Atem, als er sich von mir löste, und er wäre erneut geflüchtet, hätte ich ihm nicht die Beine weggezogen, wodurch er jedoch wieder direkt auf mir landete.
Mir blieb die Luft weg.
»Keine Bewegung!«, brüllte Ian aus voller Kehle, und da keiner von uns mehr Luft hatte, konnte der Typ ohnehin nirgendwohin gehen.
Ian zerrte den Verdächtigen von mir herunter, drückte ihn mit dem Gesicht voran auf den Gehweg und legte ihm die Kunststoffhandschellen an. Der Typ trug einen Gucci-Trainingsanzug. Wettertechnisch war im April in Chicago immer noch alles möglich, und es war früh am Morgen, aber die Temperatur würde heute nicht über fünfzehn Grad steigen, deshalb wettete ich, dass ihm selbst nach diesem Lauf nicht heiß war.
Sobald ich mich aufgerichtet hatte und neben dem Verdächtigen am Straßenrand saß, bemerkte ich Ians verkniffenen Gesichtsausdruck.
»Was?«
»Ich glaube nicht, dass er aus dem Haus ist«, antwortete Ian und hockte sich vor den Mann. »Wer zum Teufel sind Sie?«
»Shawn … Nein, Moment.« Er hielt inne und dachte einen Augenblick nach, bevor er fortfuhr. »Ich bin Corin Peterson.« Interessant, dass er erst zögernd begonnen hatte, den Namen jetzt jedoch ganz klar betonte. Beinahe, als wäre er stolz auf sich.
Ians Miene wurde finster und er zog sein Handy aus der Tasche, um unser Büro anzurufen. Mike Ryan, ein Freund von uns und leitender Ermittler, hatte Schreibtischdienst, bis sein Knie verheilt war. Er hatte sich bei einem Fußballspiel das Kreuzband gerissen, und wir alle zogen ihn zu gern damit auf, weil in der Liga nur Männer über vierzig spielten.
»Hey«, knurrte Ian. »Überprüf mal den Namen Corin Peterson.«
Während Ian wartete, wandte ich mich an den Mann. »Warum sind Sie weggelaufen?«
»Sie haben mich verfolgt«, erwiderte er, als wäre das die naheliegendste Erklärung.
»Was haben Sie in dem Haus gemacht?«
»Welchem Haus?«
Langsam setzten sich die Teile zusammen, und ich warf Ian einen Blick zu.
»Was?«
»Du hast einfach wahllos jemanden verfolgt?«
»Er ist zu schnell an mir vorbeigegangen«, verteidigte sich Ian.
»Ernsthaft?«
»Und sieh ihn dir mal an.« Ian deutete auf den Trainingsanzug, als wäre der allein schon Grund genug.
»Also schön«, setzte ich an und drehte den Kopf zu Corin. »Warum können Sie sich nicht an Ihren eigenen Namen erinnern? Das ist nicht normal.«
»Moment mal«, krächzte er sichtlich erleichtert und deutete breit lächelnd auf den Stern, der um Ians Hals hing. »Ihr seid Marshals?«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte ich ungläubig. Wie konnte er die Marke nicht bemerkt haben?
»Mein Name ist Shawn Pelham. Ich bin im Zeugenschutzprogramm.«
Ian verzog das Gesicht, als hätte er schlimme Schmerzen, und ich brummte. Ganz langsam sah er mich an.
»Das hast du davon, einfach wahllos Leuten hinterherzurennen«, sagte ich.
»Und Vollpfosten im Team zu haben«, knurrte Ian.
Oh, jemand war so was von erledigt.
Wie sich herausstellte, war Shawn Pelham im Zeugenschutzprogramm aus Kalifornien hierhergekommen, nachdem er gegen Cristobal Tremaine ausgesagt hatte, der dort eine ganze Familie ermordet hatte. Die Einzelheiten wurden mir nicht mitgeteilt. Ich brauchte sie auch nicht. Wichtig war nur die Tatsache, dass er sich nicht an die Regeln hielt, in teuren Klamotten herumlief und, wie er uns erzählte, keinen Job hatte. Das bedeutete, dass jemand in unserem Team ihn nicht im Auge behalten hatte. Zeugen sollten sich nahtlos in die Gesellschaft einfügen und in neun von zehn Fällen hieß das, so klarzukommen, dass sie nicht auffielen wie ein bunter Hund.
Ian nahm das Handy vom Ohr, um den Typ anzusehen, der vermutlich Anfang zwanzig war. Er war etwa so groß wie ich – knapp über eins achtzig – mit blonden Haaren, blauen Augen und Sommersprossen auf Nase und Wangen. »Gabe Brodie und Leo Rodriguez kümmern sich um Sie?«
Er nickte wie ein glücklicher Golden Retriever. »Ja, obwohl ich sie schon eine Weile nicht mehr gesehen habe, und ich glaube, sie wissen auch nicht, dass ich in eine Einzimmerwohnung in Hyer Park gezogen bin.«
»Hyde Park«, korrigierte Ian ihn.
»Oh, ja, stimmt. Hyde. Wie bei Doktor Jekyll. Ich spreche es ständig falsch aus.«
Ian rieb sich die Stirn, ehe er wieder mit Mike telefonierte.
Shawn drehte sich zu mir. »Hätte ich ihnen von dem Umzug erzählen müssen?«
Er hätte gar nicht erst umziehen dürfen, bis sie wussten, wohin er wollte. Sie hätten ihm die Erlaubnis geben müssen. »Ja«, antwortete ich stattdessen.
»Bekomme ich Ärger?«
»Nein.« Ich bat Ian, mir das Messer zu geben, das sich in einer der unzähligen Taschen seiner Hose befand. »Und entschuldigen Sie, dass wir Sie gefesselt haben.«
»Ach, schon in Ordnung. Mir wurden schon oft Handschellen angelegt. Auf dem Weg von Sacramento hierher musste ich die Metalldinger tragen.«
»Die ganze Zeit?«
Er nickte.
Ich sah Ian nicht an. Musste ich auch nicht. Er hatte ihn gehört. Schade für Rodriguez. Ich mochte ihn. Er schien unter Druck cool zu bleiben und war entgegenkommend. Brodie hingegen hatte vielversprechend angefangen, aber bei Versetzungen gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder liefen sie prima oder waren eine absolute Katastrophe. Brodie war Deputy US Marshal im Southern District gewesen und ein Mistkerl. Erst nach sechs Monaten war uns aufgefallen, dass er einen Komplex hatte. Wenn Ian ihn irgendwann umbrachte, hätte ich kein schlechtes Gewissen. Rodriguez würde ich allerdings vermissen, wenn unser großer Chef, Chief Deputy Sam Kage, ihn in die Wüste schickte.
Rodriguez’ einziger Vorteil war, dass er noch in der Probezeit war und das Handwerk gerade erst lernte. Er konnte sich damit herausreden, nicht alle Vorgehensweisen zu kennen. Denn sechs Monate Ausbildung reichten nicht aus, um über alle Einzelheiten für jede Situation Bescheid zu wissen. Deshalb bekam jeder Neue immer einen erfahrenen Marshal zur Seite gestellt. Aber Brodie passte es nicht, wie wir die Dinge hier in Chicago handhabten. Es gab zu viele Regeln, zu viel Papierkram, und er war definitiv kein Fan von unserem Boss. Es gefiel ihm nicht, dass Kage ihn kontrollierte.
»Denkt er, ich könnte meinen Job nicht machen?«, beschwerte sich Brodie oft.
»Er denkt, dass du es kannst, bis du ihm das Gegenteil beweist«, hatte ich geantwortet, als wir alle vor ein paar Wochen in einem Club gewesen waren. Brodie hatte Lopez und Cho mitgebracht, die ebenfalls aus seinem alten Bezirk hierher versetzt worden waren, doch sie hielten Abstand zu ihm. »Er prüft immer, ob seine Erwartungen erfüllt werden. So ist er nun mal.«
»Nein, er ist einfach ein Sack.«
Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich mochte, und was noch wichtiger war, respektierte meinen Boss. Ich wollte Brodie zur Schnecke machen, aber Cho kam mir zuvor.
»Lass den Scheiß, Brody«, sagte sie voller Abscheu. »Nur weil deine letzte Partnerin alles für dich getan hat, ist das kein Grund, schlecht über Kage zu reden. Wenn Standish herausgefunden hätte, dass Patel den ganzen Papierkram und die Weiterverfolgung übernommen hat, hätte er dich nie hierher versetzen lassen.«
»Hör zu«, setzte er an. »Du weißt nicht, wovon du …«
»Zur Hölle damit«, mischte sich Lopez ein. Ich konnte ihr deutlich ansehen, dass sie ihn genauso wenig leiden konnte wie Cho. »Wir alle wissen, dass du Patel wie Dreck behandelt hast, doch sie war die Einzige, die etwas dagegen hätte sagen können. Aber du wirst uns jetzt nicht weismachen, dass es nicht um die Einhaltung der Vorschriften geht, denn das ist absoluter Schwachsinn, und wir beide kennen dich.«
Lopez’ herausfordernde Haltung, wie sie ihre dunkelbraunen Augen verengte und ihn niederstarrte, verriet mir ganz genau, was sie von ihm hielt – nicht viel.
Brodie hatte geschnaubt, sein Bier ausgetrunken und war gegangen, ohne Geld dafür dazulassen.
»Erzählt mir davon«, bat ich Lopez und Cho, und sie erklärten mir, dass Deputy US Marshal Meera Patel irrtümlicherweise geglaubt hatte, sie wäre in ihren alten Partner verliebt. Daher war sie Brodie ergeben gewesen, hatte ihn gedeckt, seinen Papierkram erledigt und ihm damit unvermeidlich einen Ruf verschafft, den er nicht verdiente. Während sie sich nach einer Schussverletzung erholte, die sie sich im Dienst zugezogen hatte, hatte er um Versetzung gebeten, und da sie hier unterbesetzt waren, durfte er kommen.
»Meera war am Boden zerstört«, erklärte Cho traurig. Bei dem Gedanken an ihre Kollegin, die möglicherweise auch ihre Freundin war, wurde ihr Blick sanfter. Doch ich hatte kein Recht, sie danach zu fragen. »Ich meine, sie lag im Krankenhaus, und er war weg.«
Lopez schüttelte den Kopf, wodurch ihr langer Pferdeschwanz hin und her schwang. »Wir alle wussten, dass er die reinste Zeitverschwendung war, aber mit ihr Schluss zu machen, während sie im Krankenhaus liegt, war selbst für ihn mies.«
Chos angewidertes Brummen lenkte meine Aufmerksamkeit auf sie. »Er hat sie zerrissen, aber …« Plötzlich strahlte sie wieder und lächelte mich an. »Im Laufe der Zeit wurde sie innerlich und äußerlich wieder stark.«
»Ja«, stimmte Lopez grinsend zu, und ich wettete, dass die Männer am Tisch sicher dachten, ich könnte mich sehr glücklich schätzen, dass mich zwei wunderschöne Frauen anlächelten. »Sie hat einen superheißen ATF-Agenten kennengelernt. Jetzt sind sie verheiratet, und das erste Kind ist unterwegs.«
»Oh mein Gott, er ist so heiß«, stimmte Cho zu. »Ich hab sie gefragt, ob er Brüder hat.«
Lopez nickte. »Ich auch.«
»Ihr wollt damit also sagen, dass Patel eine Menge Elend erspart wurde, weil sie über Brodie hinweggekommen ist«, fasste ich leise lachend zusammen.
»Ja«, stimmte Lopez zu. »Allerdings haben wir dadurch das größte Rindvieh an der Backe, das jemals den Stern tragen durfte.«
Als Miro Jones, mein Freund und Kollege zu uns stieß, wollten sich die beiden mit ihm über die Abteilung für Minderjährige im Zeugenschutzprogramm unterhalten, die er leitete.
»Warum siehst du aus, als hättest du was Schlechtes gegessen?«, hatte er mich gefragt und übertrieben gegrinst.
»Ich glaube, wir haben mit Brodie ein schwarzes Schaf bekommen.«
Miro hatte mit den Schultern gezuckt. »Wenn das stimmt, wird er Ian nicht überleben. Komm schon. Das weißt du.«
Und das stimmte. Brodie bewegte sich bereits eine Weile auf dünnem Eis, und Shawn Pelham war der letzte Nagel in seinem Sarg. Denn, ja, Flüchtige wurden auf Flügen mit Handschellen gesichert, viele bekamen sogar Fußfesseln angelegt, aber keine Zeugen. Die Menschen, die wir beschützten, wollten nicht verschwinden oder uns schaden; sie wollten sicher sein. Es gab keinen Grund, weshalb Shawn Pelham den Flug von Sacramento nach Chicago in Handschellen verbringen musste.
Ian und ich brachten Shawn zurück zu dem Haus, das er besucht hatte – direkt neben dem Gebäude, in dem es vor Polizisten nur so wimmelte. Kaum waren wir ein Stück die Auffahrt hinaufgegangen, um herauszufinden, was los war, stürzten sich neun Mädchen – alle minderjährig, keins schien älter als sechzehn zu sein – auf Shawn und versuchten, ihn gleichzeitig zu umarmen.
»Was macht ihr denn hier draußen?«, fragte er besorgt und nahm die Mädchen in den Arm. »Was, wenn euch diese Arschlöcher sehen?«
Ich war mächtig verwirrt. Und ich war nicht der Einzige.
Es war ein schlimmer Tag, einer der heftigsten, denn bald erfuhren wir – obwohl die Mädchen sich immer wieder gegenseitig ins Wort fielen –, dass es in einem anderen Haus in der Nähe ein ähnliches Szenario gab. An solchen Tagen sorgte ich mich ernsthaft um die Menschheit. Außerdem war das der Grund, warum ich nur wenige Freunde außerhalb des Gesetzesvollzugs hatte. Ich neigte dazu, mich über die Zustände aufzuregen, und Leute in meinem Berufsfeld konnten mir verzeihen, wenn ich emotional wurde. Alle anderen fanden meine Reden eher ermüdend.
Wir blieben bei Shawn und seinen Küken – keines von ihnen wollte ihn verlassen –, bis ein Special Agent des FBI aus dem zweiten Haus kam und mit uns sprach. Es stellte sich heraus, dass die Leute um die Ecke serbische Mafiosi waren, die ein Bordell betrieben.
»Bitte was?!« Ian war vollkommen geplättet. »Wir sind hier in Schaumberg!«
Special Agent Tala Santos war genauso überrascht wie Ian und erklärte ihm kurz, warum sie hier waren.
»Ihr Freund«, begann sie trocken, wobei sie den Eindruck erweckte, als würden wir unseren Job nicht machen, »hat all diese Mädchen letzte Nacht in ein Krankenhaus in der Nähe gebracht und den Mitarbeitern gesagt, er dachte, sie wären verletzt.«
»Moment.« Ian klang müde. »Er hat neun Mädchen in ein Auto gepackt und niemand hat gesehen, wie er sie mitgenommen hat?«
»So sieht es aus. Katharina hat uns das erzählt.« Sie zeigte auf eine große Rothaarige. »Beim Müllrausbringen hat er sie im Kellerfenster entdeckt und wollte nach ihr sehen … wie es sich gehört.« Sie verdrehte die Augen. »Und da er sich durchs Fenster nicht mit ihr unterhalten konnte, hat er es mit einem Brecheisen aufgestemmt, das er aus dem Auto seines Freundes hatte, damit sie miteinander reden können.«
»Verarschen Sie mich?«, fragte er sie.
Langsam schüttelte sie den Kopf.
»Und dann?«
»Katharina sagte, dass sie und ihre Freundinnen verletzt sind. Er wollte die Polizei rufen, aber sie meinte, dass man sie woanders hinbringen würde, bevor die Polizei hier wäre. Also hat er das einzig Vernünftige getan und, anstatt die Behörden zu informieren, jedem der Mädchen aus dem Keller geholfen, sie in den SUV seines Freunds gepackt und zur Notaufnahme gefahren.«
»Und ist dann einfach wieder hergekommen?«, brüllte Ian und wandte sich an Shawn. »Du bist zurückgekommen?«, brüllte er erneut.
»Ich passe auf das Haus auf!«, rief Shawn zurück, wobei er die weinenden jungen Frauen immer noch im Arm hielt. »Ich bin dort für die Pflanzen und Fische verantwortlich.«
»Aha«, sagte Santos belustigt.
Ich stöhnte.
Sie räusperte sich. »Heute Morgen hat das Krankenhaus in unserem Büro angerufen, wodurch mein Team und ich – wir haben nach diesen Mädchen gesucht – den Durchbruch bekommen haben, den wir brauchten. Die Mädchen sind im Sommer mit Studenten-Visa hergekommen und praktisch verschwunden. Wir sind einem Menschenhändlerring aus Belgrad auf der Spur und waren sicher, dass der sie hatte. Falsche Bildungsprogramme sind ihre Spezialität. Aber wir konnten die Verantwortlichen nie identifizieren.«
»Aber jetzt schon.«
»Jetzt schon. Die Mädchen wollten allerdings nur reden, wenn wir mit allen zurückkommen und dafür sorgen, dass die schrecklichen Männer ihrem Engel nichts angetan haben.«
»Engel?«, fragte Ian.
»Shawn«, stellte sie klar, für den Fall, dass wir das nicht begriffen haben.
Ich sah Ian an. »Er hat den Mädchen seinen richtigen Namen verraten?«
»Natürlich«, brummte Ian angewidert. »Warum auch nicht? Niemand hat ihm das Prozedere erklärt.«
»Ich hab die Fingerabdrücke im Haus durch die Datenbank geschickt. Die ersten gehörten zum Besitzer, aber laut den Mädchen war das nicht ihr Engel, und der zweite Satz gehörte zu Corin irgendwas …«, erklärte Santos.
»Peterson«, half Ian ihr aus.
»Peterson«, wiederholte Santos. »Aber als wir ihn in unsere Datenbank eingegeben haben, um herauszufinden, wer der gute Samariter ist, haben wir nichts gefunden. Und dann seid ihr mit eurem Stern hier aufgetaucht. Die Zusammenhänge sind nicht schwer zu erkennen.«
Nein, waren sie nicht.
»Also.« Sie sah uns an, als wären wir Ermittler zweiter Klasse. »Er ist im Zeugenschutzprogramm, richtig?«
»Ist er«, antwortete Ian abwesend.
»Tja, was für einen miesen Schutz bietet ihr denn hier oben? Ich dachte, Sam Kage wäre der Chief Deputy. Ist er im Ruhestand?«
Ich räusperte mich. »Nein, Ma’am.«
Ihre Augen weiteten sich, als ihr anscheinend klar wurde, wie weitreichend die Ereignisse waren. »Oh, jemand ist so was von erledigt.«
»Definitiv«, stimmte Ian zu.
Das Ganze war eine einzige Katastrophe. Ich war begeistert, dass Shawn die Mädchen gerettet hatte, aber Brodie war Geschichte, und Rodriguez konnte sich glücklich schätzen, wenn er seinen Job behalten durfte. Womöglich wäre es sogar besser, wenn Ian die beiden umbrachte, bevor Kage den Bericht erhielt.
***
Die meisten Leute, die Chief Deputy Sam Kage das erste Mal trafen, würden behaupten, dass ihn seine beeindruckende Größe von einem Meter zweiundneunzig und all die stählernen Muskeln so furchteinflößend erscheinen ließen. Für mich war es immer sein finsterer Blick gewesen. Irgendwie gelang es ihm, mit einem Blick sowohl Wut als auch Enttäuschung auszudrücken. Und obendrein schien er zu dem Schluss zu kommen, es mit einem Stümper zu tun zu haben. Ich würde nie vergessen, wie sich das anfühlt, und hatte alles in meiner Macht Stehende getan, um dafür zu sorgen, dass mich dieser Blick niemals wieder treffen wird.
Ich vermisste meinen Vater jeden Tag. Er war zweifellos einer der sanftesten Männer überhaupt gewesen. Er war nie wütend geworden, sondern enttäuscht gewesen. In mir hatte sich das Bedürfnis fest verankert, die Männer, die ich bewunderte und respektierte, nicht zu enttäuschen. Dieses Gefühl war nach meinem Vater nie so stark gewesen wie bei Sam Kage. Lieber würde ich eine Wurzelbehandlung ohne Betäubung über mich ergehen lassen, als schlechte Nachrichten zu überbringen, für die ich selbst verantwortlich war. Deshalb freute ich mich unheimlich darüber, nicht in sein Fadenkreuz zu geraten. Ich war weder Brodie noch Rodriguez, die einen Zeugen durch Gleichgültigkeit, Vernachlässigung und Faulheit in Gefahr gebracht hatten. Ich hatte keine Ahnung, warum sie sich nicht mehr um Shawn Pelham gekümmert hatten, aber es würde ihr letzter Fehler sein.
Brodie und Rodriguez saßen an ihren Schreibtischen, als Ian und ich mit Shawn hereinkamen. Ian ging neben ihm, und ich folgte ihnen mit Shawns Rucksack und seinem Koffer. Mehr hatte er nicht.
»Was soll das?«, fauchte Brodie Ian an.
Ich sah, wie sich die Nackenhaare meines Freunds aufstellten, aber bevor er etwas erwidern konnte, tauchte Kage auf und beorderte Brodie und Rodriguez in sein Büro.
»Was zum Teufel hat dieses Stück Scheiße angestellt?«, schrie Brodie Kage an und ging recht in der Annahme, dass er es wusste. Er wusste alles.
Es war dreist, aber mittlerweile musste er wissen, dass seine Karriere bei den Marshals beendet war. Ich hörte, wie seine Stimme stockte und wusste, dass er plötzlich Angst hatte, was sicher noch nie vorgekommen war. Man durfte Zeugen nicht aus den Augen verlieren, egal, wie oft das in Filmen passierte.
»Er hat einige Mädchen vor Sexhandel gerettet«, antwortete ich ausdruckslos. »Und das werde ich der Presse mitteilen, bevor er in einer anderen Stadt ins Zeugenschutzprogramm kommt.«
Brodie und Rodriguez starrten mich an.
»Mein Büro«, wiederholte Kage knurrend. Die Worte waren leise, aber man konnte sie trotzdem im ganzen Raum hören. Beeindruckend. Die Tatsache, dass er den Befehl ein zweites Mal geben musste … war nicht gut.
Wir beobachteten, wie die beiden Männer ihm folgten. Im selben Moment kamen vier Typen vom Judicial Support – im Grunde waren sie Sicherheitsbeamte – aus dem Fahrstuhl. Zwei von ihnen bezogen am Fahrstuhl Stellung, als wäre der plötzlich ein Portal, das man bewachen musste, während sich die anderen beiden an Brodies und Rodriguez’ Schreibtisch positionierten. Jeder von ihnen hatte eine Kiste bei sich. Sie stecken USB-Sticks in die Rechner, um alles herunterzuladen und die Festplatten im Anschluss zu löschen. Persönliche Gegenstände landeten in den Kisten, Schubladen wurden überprüft und dann versiegelt, sie untersuchten alle Oberflächen nach Drogen und elektronischen Wanzen und durchwühlten danach Brodies Rucksack und Rodriguez’ Tasche. Auch die Laptops der beiden Männer wurden konfisziert. Das Ganze ging gründlich und schnell vonstatten, und es machte mich traurig. Vor meinen Augen endeten gerade zwei Karrieren.
Ian brachte Shawn in den Pausenraum, denn ich wollte nicht, dass er dabei war, wenn Brodie und Rodriguez hinausgeführt wurden.
Normalerweise schloss Kage die Jalousien, wenn er jemandem in seinem Büro die Leviten las, aber dieses Mal hatte er es nicht getan, und soweit ich es erkennen konnte, schrie er auch nicht. Beide Marken lagen auf seinem Tisch, dazu die Glocks und die Ersatzwaffen ebenfalls. Bevor man ihnen ihre Privatwaffen wieder aushändigte, würden neue Lizenzen zum Tragen verdeckter Waffen beantragt werden müssen, es sei denn, sie behielten ihre Genehmigung, auch außerhalb des Dienstes Waffen führen zu dürfen. Den Marshals wurde empfohlen, zusätzlich zu den Berechtigungen als Gesetzeshüter eine gültige Zivilisten-Lizenz zu haben. Da wir unsere Bescheinigungen jedoch alle drei Monate erneuern mussten und man diese leicht bekam, verzichteten die meisten Typen, die ich kannte, darauf, regelmäßig die Privatlizenz zu beantragen. Ich konnte das nicht tun, ebenso wenig wie Ian oder alle anderen in höheren Positionen, aber wenn ich Ermittler gewesen wäre, hätte ich sie auch ablaufen lassen. Da beide Waffen auf Kages Tisch lagen, hatten Brodie und Rodriguez das vermutlich ebenfalls getan.
Die Tür wurde aufgerissen, und wie erwartet stürmte Brodie heraus. Er kochte vor Wut, und der Zorn stand ihm ins Gesicht geschrieben. Rodriguez hingegen sah zu Tode verängstigt aus. Brodie stapfte zu seinem Tisch, schnappte sich seinen Rucksack und die Kiste mit seinen persönlichen Sachen und marschierte dann zum Fahrstuhl. Rodriguez tat alles langsamer. Er hängte sich die Tasche um und nahm seine Kiste.
Schließlich schlurfte er an mir vorbei und sah mich an. »Meine Tasche ist ohne den Laptop wirklich leicht.«
Ich nickte, da ich nicht wusste, was ich sagen sollte.
»Ich werde vieles anders machen, wenn die Beurlaubung vorbei ist.«
Beurlaubung? »Okay«, stimmte ich zu.
»Nicht, dass ich wieder hierherkommen werde«, flüsterte er und reichte mir die Hand, die ich schnell schüttelte. »Aber danke, dass du immer nett zu mir warst.«
Wie sollte ich denn sonst sein? »Ich wünsche dir alles Gute«, versicherte ich ihm.
Er lächelte zögerlich, dann trat er zurück und ging niedergeschlagen zum Fahrstuhl.
Gemeinsam mit Brodie und den beiden Typen vom Judicial Support betrat er die Kabine. Rodriguez ließ den Kopf hängen, während Brodie absolut mordlustig aussah. Dann schlossen sich die Türen, und sie waren verschwunden. Das Ganze war irgendwie enttäuschend.
»Kohn!«, rief mein Boss.
Ich eilte zu ihm. Kage war in sein Büro zurückgegangen und stand nun neben einem Bücherregal aus dunklem Mahagoniholz an der hinteren Wand. »Soll ich die Tür zumachen?«
Er schüttelte den Kopf. Seine Miene wirkte gequält, die Brauen waren zusammengezogen und seine Haltung erweckte den Eindruck, als würde er sich auf eine Schlacht vorbereiten. »Brodie ist raus. Rodriguez wird noch mal für zwei Monate die Ausbildung durchlaufen und dann neu zugeteilt.«
Seinem Tonfall und der Körpersprache nach zu urteilen, war er mit diesen Informationen nicht glücklich. »Sie wissen, dass ich Rodriguez lieber wieder hier gehabt hätte.«
Und weil ich ihn kannte, konnte ich diese Aussage übersetzen. Er wollte seine Probleme nicht abschieben. Er wollte Rodriguez selbst ausbilden und überwachen. Genauso war es bei Eric Pazzi gewesen. Er war ein erfahrener Deputy Marshal, den man aus Nordkalifornien hierher versetzt hatte. Wir hatten herausgefunden, dass er schwer heroinabhängig gewesen war, nachdem er mit Oxykodon angefangen hatte. Kage hatte ihn zum Entzug geschickt, ihm aber versprochen, dass er in unseren Bezirk zurückkommen konnte, sobald es ihm besser ging. Ja, Pazzi war ihm aufgedrückt worden, doch Kage war nicht der Typ, der seine Probleme einfach anderen zuschob. Er würde Pazzi helfen und ihm eine echte zweite Chance geben oder ihn aus unseren Reihen verbannen. Das war seine Art. Leider funktionierte das normalerweise nicht so. Er konnte Pazzi behalten, weil sein alter Boss in einer Befragung zugegeben hatte, bei seiner Versetzung von der Sucht gewusst zu haben. Damals war es Kages Entscheidung gewesen, ob er ihn behalten wollte. Und das hatte er.
Brodie hatte eine weiße Weste gehabt, während Rodriguez ganz neu war. Beide schienen unter Kages Aufsicht vom rechten Weg abgekommen zu sein. Deshalb hatte er kein Mitspracherecht, was mit ihnen passierte. Außerdem wurde man zu einer ruhigeren, weniger anstrengenden Einheit gesteckt, wenn man Mist gebaut hatte, und musste sich dann hocharbeiten, um wieder in Bezirke wie Chicago, New York oder Los Angeles zu kommen, wo man sich selbst einen Namen machen und befördert werden konnte. In Rodriguez’ Zukunft sah ich Burlington in Vermont. Ich war dort mal zu Besuch gewesen, und es war hinreißend, aber nicht annähernd so geschäftig.
»Für die Presse, falls Sie gefragt werden …« Er verstummte und sah mich an.
»Verstanden«, erwiderte ich sanft. Ich wusste, dass er litt; er nahm das Versagen seiner Leute immer persönlich.
Er nickte mir zu, und das war mein Stichwort zu gehen. Anstatt ihn also weiter auszufragen, schlüpfte ich aus seinem Büro und ging zurück in den Pausenraum. Shawn war allein dort und aß einen Apfel aus dem allgegenwärtigen Obstkorb, der selbst nach so vielen Jahren immer noch monatlich geliefert wurde. Das kostete sicher ein kleines Vermögen, aber die Mutter, die ihn schickte, hatte dank Ian und Miro immer noch einen Sohn, also kam der Obstkorb pünktlich wie ein Uhrwerk.
Gerade als ich Shawn fragen wollte, wie es ihm ging, betrat Ian den Raum.
»Hey, warum ist Rodriguez nicht entlassen worden?«, fragte ich ihn nach einem Blick auf Shawn. Er hatte sich die AirPods in die Ohren gesteckt und wippte im Takt der Musik mit dem Kopf.
Ian zuckte mit den Schultern. »Ich hab Becker gesagt, dass es auf meine Kappe geht. Ich habe Brodie nicht überprüft, weil ich dachte, sie hätten das nach seiner Versetzung schon erledigt. Es ist nicht fair, dem Jungen einen Hornochsen als Partner zuzuteilen und ihn dann dafür zu bestrafen.«
»Und Kage war einverstanden?«
Er zuckte zusammen. »Kage hat sich Beckers Empfehlung angehört. Becker war zwar auch der Meinung, dass es nicht fair ist, allerdings nicht, dass es meine Schuld war. Aber ich habe mich so sehr auf das Externe und diesen behördenübergreifenden Mist konzentriert, dass ich vergessen habe, mein Team zu managen.«
»Ja, aber Becker sollte dir dabei helfen.«
»Das tut er auch, doch er hat selbst genug um die Ohren.«
»Okay.« Ich stieß den Atem aus, denn unser Tag war lang gewesen, und dabei war noch nicht mal Mittag. »Kage hat erwähnt, dass Rodriguez noch mal für zwei Monate in die Ausbildung muss.«
»Ja«, antwortete er und grinste dann teuflisch. »Er muss zurück nach Glynco, bevor er neu zugeteilt wird.«
»Das ist schrecklich.« Ich hatte wirklich Mitleid mit ihm.
»Ach komm schon.« Ian sah mich ungläubig an. »Das ist doch gar nichts.«
Ich konnte mich noch an meine eigene Ausbildung in Glynco, Georgia, vor all den Jahren erinnern. Das Federal Law Enforcement Training Center, oder FLETC, war an ein Ort, an den ich nie zurückkehren wollte. Hin und wieder hatte ich immer noch Albträume vom Lernen und wie mir Schweißtropfen von der Nase perlten. Es war heiß und schwül, und die Moskitos hatten mich bei lebendigem Leib aufgefressen. Außerdem waren die Sporteinheiten brutal gewesen.
»Zumindest muss er nicht die ganzen neunzehn Wochen durchziehen«, räumte ich ein und erinnerte mich erneut an diese schreckliche Erfahrung.
»Warum?« Ian sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Es war in Ordnung.«
»Für dich vielleicht, Mr Green Beret, doch für den Rest von uns war es nicht toll.«
»Hey«, sagte Shawn plötzlich und nahm einen der AirPods heraus. »Könnte ich eventuell was Richtiges zu essen kriegen und nicht nur Obst? Normalerweise esse ich nicht viel, weil das Kokain mir auf den Appetit schlägt, aber heute könnte ich einen Elefanten verdrücken.«
Ian und ich sahen ihn an.
»Was?«, fragte Ian.
»Mal im Ernst …« Ich wandte mich an Ian. »Brodie kann von Glück reden, dass er nicht tot ist.«
»Wie wäre es mit einem Frühstücksburrito?«, schlug Ian ihm vor. »Ich kenne den perfekten Laden dafür.«
»Okay«, stimmte Shawn begeistert zu. »Können wir auf dem Weg an einer Apotheke vorbeifahren?«
Sollte das ein Witz sein?
»Was? Ich brauche Edibles zum Schlafen. Das hab ich den anderen Typen erzählt.«
»Und was passiert, wenn du in einen Bundesstaat gebracht wirst, in dem Gras nicht legal ist?«, fragte Ian ihn. »Du solltest dir lieber eine Alternative überlegen.«
»Hm«, machte er. »Können wir ein Eis essen?«
»Klar.« Ich winkte ihn zu mir. »Ich besorge dir ein Eis.«
Ian zog ein finsteres Gesicht.
Shawn stand auf und kam auf mich zu. »Ist er wütend?«
»Mach dir keine Sorgen deswegen«, versicherte ich ihm und legte einen Arm um seine Schultern. »Sieh nicht ihn an, sondern mich.«
Und er gehorchte.
***
Ich sprach mit Miro, weil er Kontakte in verschiedenen Teilen des Landes hatte, und wir verlegten Shawn nach Colorado, was perfekt zu seinen Marihuana-Bedürfnissen passte, weil das dort legal war. Außerdem informierte er die Kollegen, dass sich Shawns Kokainsucht nach dem Eintritt ins Zeugenschutzprogramm nicht geändert hatte, und er damit zuerst in eine Entzugsklinik musste. Ein weiterer Fehler von Brodie und Rodriguez, dass sie die Drogensucht eines Zeugen hatten weiterlaufen lassen. Das war einer der Hauptfaktoren dafür, warum Zeugen im Schutzprogramm scheiterten. In der Regel verloren wir keine Zeugen; sie trafen schlechte Entscheidungen und gerieten ins Straucheln. Das konnte im Grunde alles sein: Verwandte zu kontaktieren, weiter einer alten Alkohol- oder Drogensucht nachzugehen, in den sozialen Medien unterwegs zu sein oder sich den Lebensstil zurückzuholen, an den sie gewöhnt waren. Ich fragte mich immer, mit welchen Hirnzellen solche schlechten Entscheidungen getroffen wurden.
Wenn ein Zeuge gefährdet war, lief das Prozedere immer gleich ab. Die Marshals aus Denver kamen zu uns, um ihn abzuholen. Beide hörten ihm aufmerksam zu und wirkten engagiert. Hoffentlich wurde er clean und würde etwas aus sich machen.
Später, auf der Pressekonferenz, trat ich hinter das Pult. Wie immer begann ich mit einer Erklärung, die ich selbst geschrieben und durch meinen Amtskollegen Farrad Laghari von der Rechtsabteilung hatte prüfen lassen. Dann bat ich um Fragen.
Als ich vor vier Jahren angefangen hatte, hatte die Presse versucht, mich zu überrennen. Ich fand heraus, dass es das Beste war, jedes Mal tief einzuatmen und mich zu sammeln. Am besten dachte ich immer erst über die Antwort nach, egal wie umfassend oder kurz die Frage war. Dadurch verschwanden die meisten Reporter, die nur aus Sensationslust hier waren, und ich hatte mir einen Stamm aus seriösen Journalisten aufgebaut, die mich im Auge behielten. Hin und wieder überraschte ich sie zum Beispiel mit dem Vorschlag, einen Ausflug zu geräumten Schauplätzen zu machen. Nur die Reporter, die ich kannte, wurden eingeladen, deshalb lohnte es sich, respektvoll und loyal zu sein. Sie wussten zu schätzen, dass ich Veranstaltungen begleitend kommentierte und individuelle Fragen beantwortete. Außerdem arrangierte ich Einzel-Interviews mit meinem Boss für die Leute, die ich am meisten mochte und bei denen ich darauf vertrauen konnte, dass sie Sam Kage nicht überrumpeln würden. Weil ich sorgfältig darauf achtete, wem ich mein Vertrauen schenkte, verlief diese Pressekonferenz reibungslos. Ich erzählte von den Frauen und den Mädchen, die mit Studenten-Visa hergebracht und dann in die Sexsklaverei gezwungen worden waren, erwähnte Shawn Pelham jedoch nicht. Das Ganze war schrecklich; ich bemerkte die Gesichtsausdrücke der Journalisten, als ich die Einzelheiten beschrieb und sie im Anschluss zum Bürgermeister schickte, dann zu meinem Boss, dem leitenden FBI-Special-Agenten, anschließend zu Santos, mit der Ian und ich zu tun gehabt hatten, dem Sheriff in Schaumberg … und so weiter. Wir standen stundenlang herum, fertigten die Presse ab und beendeten die Konferenz unter dem Vorbehalt, dass wir ihnen mehr erzählen würden, sobald wir etwas wussten. Mehr konnte nicht gesagt werden.
Anschließend war ich endlich wieder in meinem Büro, doch es verblüffte mich immer wieder, dass es überhaupt nicht nach mir aussah. Wann immer ich Miros Büro betrat, atmete ich erleichtert auf, weil er sich so viel Mühe gegeben hatte, ihm eine persönliche Note zu verleihen. Angefangen von den eingebauten Bücherregalen, die Ian für ihn gemacht und gestrichen hatte, bis hin zum Teppich, den Büchern, Kleinigkeiten und den Gemälden an der Wand, war es wie eine Zuflucht inmitten unserer kalten, sterilen, zweckmäßigen Büros. Die Rückseite seiner Tür war mit den Kunstwerken der Kinder verziert, mit denen er arbeitete. Kages Büro wirkte im Vergleich dazu etwas spartanisch, aber selbst das war freundlicher als meins. Ich musste Arbeit hineinstecken und es mehr nach mir aussehen lassen. Nach vier Jahren hatte ich keine Ausrede mehr. Ich stand hinter der geöffneten Tür und dachte über ein paar Pflanzen und vielleicht sogar ein Aquarium nach, als es klopfte.
Ich beugte mich um die Tür herum und entdeckte meinen Boss.
»Sir?«
Kage räusperte sich. »Ich muss mit Ihnen über eine Bitte aus dem Büro des Bürgermeisters sprechen.«
»Natürlich. Möchten Sie sich setzen?«
Er sah mich stirnrunzelnd an. »Ich hasse Ihr Büro. Es erinnert mich an das Büro meines Direktors, als ich in der vierten Klasse war.«
Ich musste einfach fragen. »Warum ausgerechnet die vierte Klasse?«
»Das war die Zeit der Prügelstrafen, deshalb durfte er uns mit einer Kelle den Hintern versohlen.«
Nicht zu fassen. Mein Büro erinnerte ihn an einen Raum, in dem er in seiner Kindheit von einer Autoritätsperson geschlagen worden war. Ich musste wirklich dekorieren und die grauen Wände streichen.
»Gehen wir spazieren«, schlug er vor. Genau in dem Moment sah ich, wie er kaum merklich das Gesicht verzog, als hätte er mir Neuigkeiten zu überbringen, die den Rest dieses bereits schrecklichen Tages ruinieren würden.
Celso
Ich habe wieder von ihm geträumt.
Es war lächerlich, und nachdem ich mich aus dem Bett bequemt hatte, verfluchte ich mich auf dem Weg ins Badezimmer. Erneut redete ich mir ein, dass es mehr als genug war, mit Eli Kohn befreundet zu sein. Dass er mein bester Freund war. Ich schaltete das Licht ein, betrachtete mich im Spiegel und mir wurde natürlich klar, was für ein Schwachsinn das war.
Ich muss aufhören, von Eli zu träumen. Aber diese liebevolle Strenge mir selbst gegenüber war wirkungslos.
Die Strumpfhose an der Duschstange erinnerte mich wieder daran, warum ich nie jemanden in meine armselige Sechsundvierzig-Quadratmeter-Wohnung mitnahm. Und da war die Feuerleiter schon inbegriffen. Hier sah es immer aus, als wäre ich gerade ausgeraubt worden, wofür ich meiner Mutter die Schuld gab. Sie hatte alles für mich getan – ich war Einzelkind – und hatte nie gelernt, selbst zu putzen oder die Hausarbeit zu erledigen. Nicht, dass es hier dreckig wäre, so war es nicht. Es war einfach mit dem Drum und Dran eines Tänzers übersät. Es gab kein verdorbenes Essen in der Spüle oder Schimmel im Bad. Ich war schlicht nicht oft genug hier, damit das passieren konnte. Die Einzimmerwohnung glich eher einem riesigen Kleiderschrank. Ich hatte einen Stuhl. Nicht mal einen Fernseher. Wozu auch? Serien konnte ich mir auch auf dem Laptop ansehen. Nicht, dass ich die Zeit dafür hätte. Ich war viel zu beschäftigt. Und wenn ich doch zufällig mal einen Abend frei haben sollte, lag ich auf Elis Couch und kam in den Genuss seines gewaltigen Flachbildfernsehers. Ich mochte die Filmabende bei ihm, weil es im Sommer dank seiner fantastischen Klimaanlage kühl war. Außerdem machte er Drinks und hatte einen wundervollen Ausblick auf die Lichter der Innenstadt. Im Winter versorgte er mich mit Decken, und die Wärme des Kamins war einfach himmlisch. Ich kam nur zum Schlafen, Umziehen und Duschen in meine Wohnung. Sie lag in der Nähe der Balletttruppe, und ich hatte sie einzig und allein wegen dieser Eigenschaft ausgewählt. Alles Wichtige erledigte ich bei Eli, wo es immer Essen und Wein, Obst und Käse, und, wie schon gesagt, Decken gab. Er hatte einen ganzen Korb voll davon für mich.
Niemand bekam jemals meine Wohnung zu Gesicht. Außer ihm. Und das auch nur, weil der Mann, in den ich mich Hals über Kopf verliebt hatte, zufällig auch mein einziger richtiger Freund war.
Hoffnungslos.
Meine Karriere als Tänzer fing schon in jungen Jahren an. Wenn man wie in meinem Fall auch noch gut war, gab es kaum Menschen, denen man vertrauen konnte. Tänzer in meinem Alter waren eifersüchtig und hinterhältig und nutzten jede Gelegenheit, um voranzukommen, selbst wenn sie dabei über Leichen gehen mussten. Das Spektrum der Erwachsenen reichte von denen, die mich zu Fall bringen, bis zu denen, die mir an die Wäsche wollten. Ohne die Wachsamkeit meiner Mutter könnte ich mittlerweile sicher dieselben Horrorgeschichten erzählen wie einige meiner Bekannten. Die Katastrophe ist praktisch garantiert, wenn man ohne elterliche Aufsicht in die Obhut von Erwachsenen übergeben wird. In jeder Dokumentation über Kinder, die über einen längeren Zeitraum missbraucht oder angegriffen worden waren, lief es letztendlich darauf hinaus, dass die Eltern nicht anwesend oder desinteressiert gewesen waren oder gar keine Rolle gespielt hatten. Natürlich gab es auch die schrecklichen Fälle von Eltern, die ihre Kinder in Gefahr brachten, um sich finanziell zu bereichern, aber das hatte ich in meiner Kindheit nicht beobachten können. Was ich am meisten gesehen hatte, waren Kinder, die niemanden hatten, der auf sie aufpasste. Ich hingegen hatte etwas vollkommen anderes erlebt. Rebecca Harrington überließ meine Sicherheit nicht dem Zufall. Ihre Adleraugen waren überall, und ihr entging nichts.
Ich bestieg ohne sie kein Flugzeug und tanzte nicht im Ausland, ohne dass sie am Bühnenrand stand. Kein Ballettcamp fand ohne sie statt, und ich schlief auch nicht ohne sie in Hotels in einem Zimmer mit Verbindungstür, wie es die anderen taten. Mir hatten sowohl Erwachsene als auch Kinder gesagt, dass sie überfürsorglich und erdrückend war. Dass ich lernen müsste, unabhängig zu sein, damit ich nicht irgendwann unter dem Druck zusammenbrach, wenn ich allein war.
»Wenn sie dich wollen, bekommen sie auch mich«, hatte sie oft gesagt und unsere Koffer mit derselben Präzision ausgeräumt, wie sie sie eingepackt hatte. Als ich elf war, hatte sie meisterhaft jeden Ort, an dem wir waren, innerhalb von zehn Minuten in ein Zuhause verwandeln können. Sie tauschte die kaltweißen Glühbirnen gegen warmweiße aus, verteilte Luftfilter und Zerstäuber, die jeden Raum mit einem beruhigenden Lavendelduft füllten, und hängte Windspiele an die Balkone von Paris bis San Francisco. Wenn jemand in mein Zimmer kam, um mit mir zu sprechen, wurde immer gelobt, wie hübsch alles war.
»Du hast mich verdorben«, sagte ich ins Nichts. Ich wusste, dass sie da war, weil ich das Windspiel – ihr Windspiel – draußen auf der Feuertreppe hören konnte. Ihre anderen Habseligkeiten waren eingelagert, doch das Windspiel brauchte ich. »Ich kann nicht mal aufräumen, ohne dass du es mir sagst.«