Schnee fällt auf Chinas Erde - Ai Qing - E-Book

Schnee fällt auf Chinas Erde E-Book

Ai Qing

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Beschreibung

Ausgewählte Gedichte des einflussreichen chinesischen Dichters Ai Qing, Vater des weltweit renommierten Künstlers Ai Weiwei

Ai Qings Gedichte zählen zum Kanon chinesischer Lyrik und haben die moderne Dichtkunst des Landes wesentlich geprägt. Sie zeigen eine Nation im Wandel, denn sie spannen den Bogen über die vergangenen hundert Jahre – vom Ende des Kaiserreichs über die Gründung der Volksrepublik zur Kulturrevolution –, und erzählen vom Konflikt zwischen Nationalisten und Kommunisten, dem Imperialismus der japanischen Invasoren und dem Kampf zwischen den Machthabern. Angeregt durch Vorbilder wie Walt Whitman und Wladimir Majakowski befreite Ai Qing die chinesische Lyrik aus erstarrten poetischen Traditionen, indem er in freien Versen schrieb. Er wandte sich in klarer, schnörkellose Sprache und anschaulicher Metaphorik unmittelbar an sein Lesepublikum. In allen seinen Texten spürt man eine tiefe, persönliche Leidenschaft und Naturverbundenheit, eine genuine Liebe zu den Menschen und tiefes Mitgefühl mit den Unterdrückten. Mit seinen ergreifenden Versen trifft Ai Qing seine Leser*innen mitten ins Herz.

Ai Qings Gedichte sind ein wesentlicher Schlüssel zum Werk seines Sohnes Ai Weiwei. In dessen zeitgleich erscheinender Autobiografie »1000 Jahre Freud und Leid« (ISBN 978-3-328-60231-6) erzählt dieser eindrucksvoll, wie die Geschichte seines Vaters ihn und sein künstlerisches Schaffen geprägt haben.

Wertige Ausstattung, bibliophile Ausgabe. Das Covermotiv wurde von Ai Weiweis Sohn Ai Lao gestaltet.

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Seitenzahl: 79

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Zum Buch:

Ai Qings Gedichte zählen zum Kanon chinesischer Lyrik und haben die moderne Dichtkunst des Landes wesentlich geprägt. Sie zeigen eine Nation im Wandel, denn sie spannen den Bogen über die vergangenen hundert Jahre – vom Ende des Kaiserreichs über die Gründung der Volksrepublik zur Kulturrevolution – und erzählen vom Konflikt zwischen Nationalisten und Kommunisten, dem Imperialismus der japanischen Invasoren und dem Kampf zwischen den Machthabern.

Angeregt durch Vorbilder wie Walt Whitman und Wladimir Majakowski befreite Ai Qing die chinesische Lyrik aus erstarrten poetischen Traditionen, indem er in freien Versen schrieb. Er wandte sich in klarer, schnörkelloser Sprache und anschaulicher Metaphorik unmittelbar an sein Lesepublikum. In allen seinen Texten spürt man eine tiefe, persönliche Leidenschaft und Naturverbundenheit, eine genuine Liebe zu den Menschen und tiefes Mitgefühl mit den Unterdrückten.

Ai Qings Gedichte sind ein wesentlicher Schlüssel zum Werk seines Sohnes Ai Weiwei. Dieser erzählt in seiner Autobiografie 1000 Jahre Freud und Leid (ISBN978-3-328-60231-6) eindrucksvoll, wie die Geschichte seines Vaters ihn und sein künstlerisches Schaffen geprägt hat.

Zum Autor:

Ai Qing (1910–1996) stammte aus einer reichen Grundbesitzerfamilie. Die ersten Lebensjahre verbrachte er bei seiner Amme; erst als Vierjähriger wurde er in die eigene Familie aufgenommen. 1928 begann er ein Kunststudium in Hangzhou. 1929 bis 1932 lebte er in Paris und setzte sich intensiv mit der modernen europäischen Lyrik, Philosophie und Malerei auseinander. Dort entstanden seine ersten Gedichte. 1932 kehrte er in seine Heimat zurück. Als Mitglied der »Liga linker Maler« wurde er von der Guomindang-Regierung der Subversion beschuldigt und zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Ai Qing hielt sich in den »befreiten Gebieten« auf, hatte persönliche Begegnungen mit Mao Zedong, fiel in Ungnade, wurde mit seiner Familie in den Nordosten, in einen Landesteil mit dem Namen »Klein Sibirien«, verbannt und erst Ende der 1970er-Jahre rehabilitiert. Somit erlebte und erlitt er fast ein ganzes Jahrhundert der wechselvollen Geschichte Chinas am eigenen Leib und verarbeitete diese in seinen ausdrucksstarken Gedichten. Ai Qings Leben und Werk hat maßgeblichen Einfluss auf die Arbeit seines Sohnes Ai Weiwei, der zu den größten lebenden Künstlern weltweit zählt

Ai Qing

Schnee fällt auf Chinas Erde

Gedichte

Aus dem Chinesischen übertragen, kommentiert und mit einem Nachwort versehen von Susanne Hornfeck

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2021 unter dem TitelSelected Poems of Ai Qing bei Crown, an imprint of Random House, a division of Penguin Random House LLC, New York.

Das Vorwort von Ai Weiwei wurde von Susanne Hornfeck aus dem Englischen übersetzt.

Das Gedicht »Mein Vater« wurde von Wolfgang Kubin aus dem Chinesischen übertragen. Es ist in dem Band Nachrichten von der Hauptstadt der Sonne. Moderne chinesische Lyrik 1919 – 1984 (2015) beim BACOPA Verlag, Schiedlberg veröffentlicht.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Copyright © 2021 der Originalausgabe by Ai Weiwei and Ai Dan

Copyright © 2021 der deutschsprachigen Ausgabe by Penguin Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright © 2015 der Übersetzung des Gedichts »Mein Vater« by BACOPA Verlag, Schiedlberg

Cover: Sabine Kwauka, München, nach einem Entwurf von Ai Weiwei

Covermotiv: Ai Lao

Satz: Andrea Mogwitz

E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN978-3-641-28805-1V003

www.penguin-verlag.de

Inhalt

 

 

Vorwort von Ai Weiwei

 

Sonnenlicht weit entfernt

Durchsichtige Nacht

Dayanhe, meine Amme

Besuch in einem alten Haus

Der Schrei

Meine Jahreszeit

Die Lampe

Sonne

Gespräch mit der Kohle

Frühling

Leben

Wiedererwachte Erde

Schnee fällt auf Chinas Erde

Der Norden

Bettler

Abenddämmerung

An einem Herbsttag spazieren

Ich liebe diese Erde

Winterwald

Herbst

Herbstmorgen

Der Wasserbüffel

Weites Land I

Ein Weiher im Winter

Bäume

Die Buche

Die Spieler

Massen

Weites Land II

Nacht I

Nacht II

Mein Vater

Epoche

Die Worte der Sonne

Wildfeuer

Die Klippe

Dieser klare, strahlende Morgen

Perlmuschel

Die Quelle

Schnee am Morgen

Versteinerter Fisch

Der Spiegel

Den berauschenden Frühling begrüßen

Bonsai

Meerwasser und Tränen

Feigenkaktus

Die Mauer

Verlorene Zeit

Tigermuschel

Die Ruinenstadt Jiaohe

Der Traum des Blumenzüchters

Auszüge aus den Notizbüchern

 

Anmerkungen zu den Gedichten

Nachwort der Übersetzerin

Dank & Bibliografie

Quellenangaben

Vorwort

In den einundzwanzig Jahren zwischen meiner Geburt 1957 und dem Jahr 1978 wurde meinem Vater, dem bekanntesten Dichter der chinesischen Moderne, von der Regierung das Recht zu schreiben verweigert. Gedichte zu verfassen war das Wichtigste in seinem Leben; als junger Mann hatte er gesagt: »Wenn die Poesie eines Tages mein Leben verlässt, dann wird dieses bald zu Ende gehen.« Das tat es nicht. Die Poesie verließ ihn, aber er setzte seinem Leben kein Ende; das Regime nahm ihm bloß das Schreiben weg und zwang ihn, sich von seiner Leserschaft zurückzuziehen. Über viele Jahre durfte er Stift und Papier nicht mehr anrühren und wurde in die Gobi in der entlegenen Provinz Xinjiang geschickt, wo er in einem Arbeitslager Gemeinschaftstoiletten reinigte und tagtäglich ideologische Umerziehung über sich ergehen lassen musste.

Während ich heranwuchs, hat mein Vater nicht geschrieben. Stoisch ertrug er sämtliche Schicksalsschläge. Er war als tolerant, redlich und selbstlos bekannt. Trotz allen Unglücks hat er weder den Glauben an die Gerechtigkeit noch seine freimütige Unschuld verloren; stets blieb er optimistisch und unvoreingenommen.

In seinem Werk erzählt Ai Qing die Geschichte eines uralten Reiches im Osten, das sich im Lauf eines Jahrhunderts von der schweren Last des Feudalismus und Imperialismus befreite. Es erholte sich von den heftigen Umwälzungen des zwanzigsten Jahrhunderts und wurde zu einem neuen Land. Eine ganze Generation hat mühsam für diesen Wandel gekämpft, mit dem Ergebnis, dass auf ein vergangenes Unterdrückungssystem eine neue totalitäre Herrschaft folgte und China schließlich das Land mit der schärfsten Kontrolle über Gedanken- und Redefreiheit in der Weltgeschichte wurde. Die politischen Machthaber unserer Tage löschen Geschichte und Kultur aus und haben eine über Generationen gewachsene Sprache zerstört, sie missbräuchlich durch krude Propaganda und die Floskeln der Mittelmäßigkeit ersetzt und Ästhetik und Moral als Scherbenhaufen zurückgelassen.

Ai Qings Gedichte hingegen sind, geprägt von seiner Aufrichtigkeit, ein machtvolles Werkzeug des Widerstands gegen Autokratie und Unterdrückung. Als antifeudaler, antiimperialistischer Intellektueller, der sich für nationale Befreiung, Individualität und Redefreiheit einsetzte, bezeugt er in seinem reichen Vermächtnis den Kampf des Volkes.

Ich hätte nie gedacht, dass ich eines Tages das Vorwort zu einer Gedichtauswahl meines Vaters schreiben würde, gerichtet an ein Publikum in aller Welt, von dem er niemals hätte träumen können. Während der Kulturrevolution – und das ist nur ein paar Jahrzehnte her – verbrannten er und ich gemeinsam seine gesamte Sammlung an Büchern und Manuskripten.

Die Differenzen zwischen meinem Vater und mir können durch die biologischen Bande nicht aus der Welt geschafft werden. Ich wurde in eine völlig andere Welt hineingeboren als er. Dennoch entdeckte ich mehr als ein halbes Jahrhundert später große Gemeinsamkeiten zwischen uns beiden: Wir sind vom Schicksal dazu bestimmt, gegen die Tyrannei zu kämpfen und endlos darüber nachzudenken und zu diskutieren, was Freiheit bedeutet. Uns eint die Überzeugung von der Notwendigkeit, das Individuum zu befreien und die Herausforderungen anzugehen, vor die sich die Menschheit gestellt sieht.

Ai Qings Schreiben ist durchdrungen von seinen Überzeugungen und hat deshalb sowohl Freude als auch Leid in sein Leben gebracht. Er musste deshalb Opfer bringen, um unter widrigen politischen Umständen überleben zu können. Sein Gebrauch der Alltagssprache und seine Liebe zu klar ausgedrückten Wahrheiten geben seiner Lyrik eine machtvolle Präsenz; seine innere Wahrhaftigkeit ließ das poetische Denken auch in Zeiten der Trockenheit wie klares Quellwasser sprudeln. Selbst in den Jahren, in denen er zu ersticken drohte, hat Ai Qing seine Überzeugungen niemals verraten. Er hat mir den Mut verliehen, den man braucht, wenn Ästhetik und Moral nichts mehr zählen. Die Poesie wirkt wie ein Schlüssel der Weisheit gegenüber der Mittelmäßigkeit des Despotismus, sie ist der Tod jeder banalen Politik. Ihre Existenz beweist, dass die Seele nicht unterworfen werden kann. Ganz gleich wann oder wo, mit ihrer Hilfe kann man innere Wahrheit reflektieren und sich in den Wüsten der Macht einen eigenen subversiven Gegenentwurf schaffen: unabhängig und aufmüpfig. Durch ihre Unbeugsamkeit kann Poesie zur Erlösung werden.

Ai Weiwei 4. Februar 2021

Sonnenlicht weit entfernt

Sonnenlicht in der Wüste weit entfernt,

ein Boot gleitet den Fluss entlang von Wolken verdunkelt,

dunkler Wind,

dunkler Sand,

Dunkelheit

im Herz des Reisenden.

Sonnenlicht fröhlich lachend

spiegelt sich in der Wüste weit entfernt.

3. Februar 1932

Durchsichtige Nacht

1

Durchsichtige Nacht.

Gelächter steigt auf aus den Feldern.

Ein Trupp von Trinkern sieht

das verschlafene Dorf, geht lärmend darauf zu.

Im Dorf,

das Bellen eines Hundes erschüttert

die einsamen Sterne am weiten Himmel.

Im Dorf,

durch verschlafene Gassen,

über den verschlafenen Marktplatz stürmen sie

in eine wache Schänke.

Schnaps, Lampenlicht, betrunkene Gesichter,

anzügliches Lachen aus der Menge.

»Auf,

zum Schlachthaus,

Rinderbrühe trinken ...«

2

Die Trinker gehen zum Dorfrand

durch eine vom Lichtschein eröffnete Tür

in den blutigen Gestank der Fleischberge, der Rinderhaut,

der warmen Verwesung –

das Grölen der Männer, das Grölen der Männer.

Licht aus Öllampen wie Steppenbrand scheint auf

im Dutzend lehmfarbener Gesichter derer,

die in der Steppe leben.

Das ist unser Vergnügungspark,

diese Gesichter kennen wir:

Wir klauben

dampfende Rinderknochen auf,

öffnen unsere Münder, kauen und kauen.

»Schnaps, Schnaps, Schnaps,

wir wollen trinken.«

Licht aus Öllampen wie Steppenbrand scheint auf

im Rinderblut, auf den verschmierten Armen des Schlächters,

den Blutstropfen

auf seiner Stirn.

Licht aus Öllampen wie Steppenbrand scheint

auf unsere brennenden Muskeln, bis

hinein,