Schokodiebe küsst man nicht - Janila Fuchs - E-Book
NEUHEIT

Schokodiebe küsst man nicht E-Book

Janila Fuchs

0,0

Beschreibung

»Dieser Kerl hat meine Adventskalender-Schokolade eingeschmolzen. Und rausgekommen sind die genialsten Brownies, die ich je gegessen hab. Wenn das mal kein Argument ist, meine Gewohnheiten zu hinterfragen?« Er grinste. »Muss ein cooler Typ sein.« Adventszeit bedeutet für die achtzehnjährige Emily, sich mit geliebten Traditionen an ihre verstorbene Mutter zu erinnern. Dass ihr Vater in diesem Jahr ausgerechnet seine neue Freundin einlädt und diese auch noch ihre Söhne Fabian und Freddy mitbringt, passt überhaupt nicht in Emilys vorweihnachtliche Planung. Zumal einer der Jungs es nicht nur auf ihren Adventskalender, sondern auch auf ihr Herz abgesehen hat. Während er sie dazu bringt, ihre starre Vorstellung von Weihnachten zunehmend zu überdenken, ahnt Emily nicht, dass ihr künftiger Stiefbruder ein doppeltes Spiel treibt. Ein Spiel, das womöglich neben ihrem Weihnachtsfest auch ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 368

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Titel

Informationen zum Buch

Impressum

Widmung

1. Dezember

2. Dezember

3. Dezember

4. Dezember

5. Dezember

6. Dezember

7. Dezember

8. Dezember (2. Advent)

9. Dezember

10. Dezember

11. Dezember

12. Dezember

13. Dezember

14. Dezember

15. Dezember (3. Advent)

16. Dezember

17. Dezember

18. Dezember

19. Dezember

20. Dezember

21. Dezember

22. Dezember (4. Advent)

23. Dezember

24. Dezember

25. Dezember

30. Dezember

31. Dezember

Rezepte

Dank

 

Janila Fuchs

 

 

Schokodiebe küsst man nicht

 

 

 

Romance

 

Schokodiebe küsst man nicht

»Dieser Kerl hat meine Adventskalender-Schokolade eingeschmolzen. Und rausgekommen sind die genialsten Brownies, die ich je gegessen hab. Wenn das mal kein Argument ist, meine Gewohnheiten zu hinterfragen?«

Er grinste. »Muss ein cooler Typ sein.«

 

Adventszeit bedeutet für die achtzehnjährige Emily, sich mit geliebten Traditionen an ihre verstorbene Mutter zu erinnern. Dass ihr Vater in diesem Jahr ausgerechnet seine neue Freundin einlädt und diese auch noch ihre Söhne Fabian und Freddy mitbringt, passt überhaupt nicht in Emilys vorweihnachtliche Planung. Zumal einer der Jungs es nicht nur auf ihren Adventskalender, sondern auch auf ihr Herz abgesehen hat. Während er sie dazu bringt, ihre starre Vorstellung von Weihnachten zunehmend zu überdenken, ahnt Emily nicht, dass ihr künftiger Stiefbruder ein doppeltes Spiel treibt. Ein Spiel, das womöglich neben ihrem Weihnachtsfest auch ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen wird.

 

 

 

 

Die Autorin

Janila Fuchs wurde 1994 geboren und entdeckte früh ihre Liebe zu fantastischen Geschichten. Bereits im Grundschulalter verfasste sie Kurzgeschichten und Gedichte. Ihren ersten Roman begann sie mit 16 Jahren.

Heute lebt sie mit Ehemann, Tochter und drei verrückten Katzen in einer nordrhein-westfälischen Kleinstadt und arbeitet als Lehrkraft für sonderpädagogische Förderung. Ihre Freizeit verbringt sie gern in ihrem Garten oder mit dem Malen von Aquarellen – am liebsten mit einem Hörbuch im Ohr.

Ob fantastisch, romantisch oder weihnachtlich – Janilas Jugendbücher zeichnen sich immer durch eine Extraportion Gefühl aus.

www.sternensand-verlag.ch

[email protected]

 

1. Auflage, November 2024

© Sternensand Verlag GmbH, Zürich 2024

Umschlaggestaltung: Juliane Schneeweiss

Lektorat / Korrektorat: Sternensand Verlag GmbH | Wolma Kefting

Satz: Sternensand Verlag GmbH

 

 

ISBN (Taschenbuch): 978-3-03896-317-2

ISBN (epub): 978-3-03896-318-9

 

Alle Rechte, einschließlich dem des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Dies ist eine fiktive Geschichte. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.

 

 

 

 

Für alle, die Pläne lieben.Keine Panik, falls dir mal Zettel und Stift ausgehen.

Manchmal ist der beste Plan nämlich der,

den das Leben für dich gemacht hat.

1. Dezember

Emily

 

Meine Augen wanderten über das bunte Bild eines Weihnachtsmarkts auf der Suche nach der Eins. Jedes Jahr aufs Neue brauchte man dafür eine halbe Ewigkeit, dabei war ich mir sicher, dass die Hersteller sich nicht einmal die Mühe machten, die Anordnungen der Zahlen jemals zu verändern.

»Mein Bruder nervt total.« Janas Stimme klang durch den Handylautsprecher an mein Ohr und lenkte mich von der Suche ab. »Er fährt mich nur zu Katie, wenn ich ihn zu seinem Training begleite.«

»Wieso holt er dich nicht einfach danach ab?«, fragte ich meine beste Freundin.

»Er hat keine Lust, zweimal hin- und herzufahren. Also keine Chance, außer ich will ewig auf den Bus warten. Die Verbindung zu Katie ist echt mies.« Jana stöhnte.

»Seid ihr immer noch an dem Referat für Englisch dran?«, hakte ich nach. Meines hatte ich mit einer anderen Mitschülerin schon letzte Woche hinter mich gebracht.

»Ach, die ist dauernd mit ihrem Freund beschäftigt. Außerdem warst du doch diejenige, die nicht mit mir zusammenarbeiten wollte.« Am anderen Ende der Leitung erklang ein empörtes Schnauben.

Als ich endlich das richtige Türchen fand und mit dem Zeigefinger meiner freien Hand die kleine Mulde eindrückte, um dann die Pappe mit dem bekannten Geräusch zu öffnen, freute ich mich wie ein kleines Mädchen.

»Tja, warum suchst du dir auch ein Referat im Dezember aus? Du weißt doch genau, dass ich da keine Zeit habe«, entgegnete ich. »Das Training wird bestimmt nur halb so schlimm. Immerhin gibt’s da einige heiße Kerle.«

»Danke, aber nein danke. Diese Rüpel vom Eishockey sind nicht mein Fall.« Wie ich Jana kenne, riskierte sie mindestens einen Blick. »Ich muss jetzt Schluss machen. Wir treffen uns morgen Nachmittag bei dir zum Dekorieren.«

Dass wir uns morgen wegen der Lehrerkonferenz nicht in der Schule sahen, hatte ich beinahe vergessen.

»Okay, bis dann.« Mit diesen Worten legte ich auf und warf mein Handy aufs Bett. Dann griff ich nach der Schokoladenfigur im geöffneten Türchen.

Obwohl ich nicht mehr das kleine schokoverrückte Mädchen mit den rotbraunen Löckchen war, versetzte mich die Neugier auf die Figur wie jedes Mal in die Zeit zurück, als Mama noch die Adventskalender besorgt hatte. Jeden Morgen verglichen wir unsere Süßigkeiten miteinander, weil sie mir immer die mit der weißen Füllung überließ. Dazu holte sie für sich extra den Kalender mit einem anderen Motiv, denn die kleine Confiserie im Einkaufszentrum hatte jedes Jahr zwei zur Auswahl.

Heute aß ich auch die übrigen Sorten, denn Paps hielt nichts davon, Schokolade vor dem Frühstück zu naschen, und besaß daher keinen eigenen Kalender. Dabei war es doch genau das, was die Adventszeit so wunderbar machte.

Das kleine Schaukelpferd schmolz auf meiner Zunge, während ich auf die Checkliste schielte, die ich gestern Abend ein letztes Mal auf Vollständigkeit geprüft hatte. Wichtel auslosen mit Oma, stand an oberster Stelle, dicht gefolgt von Wohnung dekorieren. Zwar gab es diese Liste auch in meinem Kopf, aber ich liebte es, nach und nach weitere Häkchen an die Stichpunkte zu setzen.

»Alexa, spiel Jingle Bells!«, rief ich dem Lautsprecher entgegen und die ersten Töne des Liedes zauberten mir ein Lächeln auf die Lippen.

Ja, ich gab es zu. Ich war eine von denen, die bei Last Christmas nicht schreiend davonliefen, sondern heimlich mitsummten. Wer würde je laut aussprechen, diesen Song zu lieben?

Nur meine Mutter war mutig genug gewesen, das Lied mitzusingen, egal, an welchem Ort sie es hörte.

Bei dem Gedanken an die alten Omis hinter ihren Einkaufswagen, die der Frau mit der roten Lockenmähne und dem superkitschigen Weihnachtspulli irritierte Blicke zugeworfen hatten, musste ich lachen. Bis ich plötzlich einen Stich in der Brust spürte, weil dieses Bild auf ewig eine Erinnerung bleiben würde.

Ich schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte mich wieder auf das, was nun zählte. Weihnachten war die Zeit, in der ich mich an die fröhlichen Momente erinnern und Mamas Traditionen so weiterführen wollte, wie sie es uns damals vorgelebt hatte.

Mit den Fingern fuhr ich mir durch das gewellte Haar, teilte es in drei Stränge und flocht es eng an den Kopf zu einem Zopf. Eine einzelne widerspenstige rot-braune Locke bändigte ich mit einer Haarklammer, indem ich sie hinters Ohr steckte.

Über die Musik und meinen eigenen Gesang hinweg nahm ich kaum Paps‘ Stimme wahr, die immer lauter meinen Namen rief.

»Emily«, drang es dumpf an mein Ohr und ich brüllte Alexa an, die Lautstärke runterzufahren.

Ich öffnete die Zimmertür einen Spaltbreit. »Was ist denn?«

»Wenn wir das Adventsfrühstück zusammen essen wollen, musst du dich beeilen. Ich bin gleich weg«, rief Paps von unten.

Mit hochgezogener Augenbraue warf ich einen Blick auf mein Handy. Neun Uhr.

Was hatte er an einem Sonntagmorgen vor? Und dann auch noch am ersten Advent? Dabei wusste er doch, wie wichtig der mir war.

»Bin gleich da!«, rief ich und griff nach den erstbesten Klamotten aus meinem Schrank.

Wenn Paps es so eilig hatte, nutzte ich einfach die Zeit nach dem Frühstück, um mich für den Besuch von Oma fertig zu machen. Trotzdem trübte es meine morgendliche Laune, die nur im Dezember absolute Hochformen erreichte. An jedem anderen Tag verhielt ich mich vor dem Frühstück eher wie eine Katze, der man ihre Beute wegnahm. Eben wie ein echter Morgenmuffel. Nun aber beendete ich das Anziehen in Rekordtempo, um mich auf den Weg ins Erdgeschoss unserer kleinen Doppelhaushälfte zu machen. Wohl etwas zu schnell, da ich in meinen Flauschsocken beinahe auf den glatten Holzstufen ausgerutscht wäre.

Der Anblick von Paps in seinem besten Hemd, das er mit seiner einzigen Fliege kombiniert hatte, ließ mich auf dem unteren Treppenabsatz innehalten. »Lass mich raten. Dieser Aufzug ist nicht fürs Wichtelauslosen gedacht.«

Er bemerkte mich und machte große Augen. Sie strahlten in dem gleichen Graugrün wie meine eigenen.

»Ist das etwa heute?« Bei diesen Worten wirkte er, als wäre ihm gerade aufgefallen, eine wichtige Präsentation für ein Meeting verschwitzt zu haben.

»Falls heute der erste Advent ist, schätze ich schon.«

Gab es diesen Termin nicht seit mindestens achtzehn Jahren? Ich könnte wetten, dass meine Mutter dieses Ritual mit Paps zelebriert hatte, lange bevor ich auf die Welt gekommen war.

Er fuhr sich über den Kopf, als hätte er dort Haare, die einer Ordnung bedurften. »Wir müssen das auf morgen verschieben.«

Mein Mund klappte auf und wieder zu. Das war nicht sein Ernst! Ihm war doch klar, was mir das Adventswichteln bedeutete. Außerdem kam Oma gleich zu Besuch und wir würden die ersten Zimtsterne in diesem Jahr essen. Dazu würde die größte der vier Kerzen an ihrem selbst gemachten Adventskranz brennen und im Hintergrund spielte leise Weihnachtsmusik.

Während all das wie ein Film in meinem Kopf ablief, brachte ich keinen einzigen Ton heraus. Und das hieß nichts Gutes. Normalerweise fiel mir zu allem und jedem ein Kommentar ein.

Ich löste mich aus der starren Position am Treppenabsatz und ging zum gedeckten Küchentresen hinüber, der den Wohn- vom Essbereich trennte.

Selbst Paps schien die angespannte Stimmung zu bemerken, dabei ordnete ich ihn auf einer Feinfühligkeitsskala eher zwischen einem Hammer und einer Axt ein.

Er holte den Barhocker, auf dem ich immer saß, unter dem Küchentresen hervor und legte einen Apfel-Zimt-Pfannkuchen auf meinen Teller. Es sollte eine Einladung sein, der ich erst folgen würde, wenn ich wusste, warum unsere Wichtelauslosung ausfallen musste.

»Was gibt’s denn heute so Wichtiges zu erledigen?« Ich bemühte mich, den sarkastischen Unterton in der Stimme zu unterdrücken, als ich sein zerknirschtes Gesicht bemerkte.

Vielleicht gab es ja wirklich einen guten Grund. Aber ich konnte für nichts garantieren, falls es ihn nicht gab. Mein knurrender Magen, der nach Pfannkuchen verlangte, stimmte mich nicht unbedingt gnädiger.

»Ich bin mit Susie verabredet zu …« Die zweite Satzhälfte ließ er in der Luft hängen und das war auch gut so.

»Was ihr vorhabt, interessiert mich ehrlich gesagt wenig. Ich fasse es nicht, dass du für diese Ziege unseren Adventssonntag sausen lässt. Wie lange kennst du sie? Seit sechs Monaten?«

Gut, vielleicht waren meine Worte etwas zu hart gewesen. Aber wenn ich meinem Vater etwas näherbringen wollte, brachten freundliche Andeutungen leider gar nichts. Das hatte ich in den letzten Jahren, in denen wir beide allein gelebt hatten, auf die harte Tour lernen müssen.

»Werde nicht frech, Emily. Wenn Weihnachten näherrückt, verhältst du dich jedes Mal wie ein pubertierender Teenie.« Er setzte seinen strengen Gesichtsausdruck auf, trotzdem gelang es mir nicht, ihn ernst zu nehmen.

Dennoch nahmen seine Worte mir die Luft zum Atmen.

Vielleicht hatte er recht. Schließlich verband ich mit der Adventszeit nicht nur die schönen Erinnerungen an meine Mutter, sondern auch die schrecklichen an ihren Tod vor fünf Jahren. Damals war ich dreizehn gewesen, in einer Phase meines Lebens, in der ich Mama so sehr gebraucht hatte. Der aufsteigende Kloß im Hals war ein vertrautes Gefühl, das ich in diesem Moment jedoch mit aller Kraft niederrang. Dabei half es, die Lippen aufeinanderzupressen und die Fäuste zu ballen. Weihnachten war nicht die Zeit der Trauer, sondern der Hoffnung. Mama hätte es so gewollt. Also löste ich die Anspannung in meinem Körper ganz bewusst und schaffte es sogar, gegen den nachhallenden Stich in meinem Herzen anzulächeln.

Paps musste es als stumme Entschuldigung werten, denn er fuhr mit sanfterer Stimme fort: »Wir holen die Feier morgen nach. Ich wollte Susie und ihre Söhne sowieso beim Losen dabeihaben.«

»Wieso denn das?« Ich ahnte nichts Gutes. Seine anfängliche Strategie, mir die Dinge schonend beizubringen, hatte er wohl soeben aufgegeben.

»Weil es schade wäre, wenn sie Heiligabend nicht mitwichteln können.« Die Entschlossenheit in seinen Worten war kaum zu überhören.

»Wie bitte?«

»Ich habe Susie und ihre Söhne für den Vierundzwanzigsten eingeladen. Mittlerweile gehört sie doch fast zur Familie und wir dachten …«

Spätestens beim Wort Familie wurde es mir zu viel. »Ihr dachtet, dass ihr einfach über meinen Kopf hinweg entscheidet, wen ich zu unserer Familie zähle?«

»Nicht wir entscheiden das, sondern ich«, sagte mein Vater und baute sich mit in die Hüften gestemmten Händen vor mir auf. »Langsam reicht es mir, wie du über meine Freundin sprichst. Susie hat nichts getan, was du ihr vorwerfen könntest.«

»Das muss sie auch nicht. Ich will sie ganz einfach an Weihnachten nicht dabeihaben.« Ich reckte das Kinn vor und verschränkte wütend die Arme vor der Brust.

Ihm diese fixe Idee auszureden, war ein unmögliches Unterfangen. Dafür kannte ich meine eigene Sturheit zu gut und wusste genau, von wem ich sie geerbt hatte. Das bedeutete für mich jedoch nicht, die brave Tochter zu spielen, die sich alles gefallen ließ.

Sich eine neue Frau anzulachen und mit ihr auszugehen, war eine Sache. Diese neue Freundin und dann auch noch ihre beiden Söhne zu unserem heiligen Weihnachtsfest einzuladen, eine andere.

»Dieses Mal geht es nicht um das, was du willst, Emily. Jetzt geht es darum, was ich will. Ich habe sie eingeladen und damit basta!«

Ohne ihn weiter zu beachten, drehte ich Paps den Rücken zu, rollte einen Pfannkuchen ein und stolzierte mit der Beute wieder in mein Zimmer.

Diese Diskussion hatte ich wohl verloren, aber mein Vater sollte nicht denken, dass ich mich deswegen geschlagen gab.

Durch die rosarote Brille auf seiner Nase war er eindeutig nicht mehr dazu in der Lage, vernünftige Entscheidungen zu treffen, und Oma würde mir da ganz sicher zustimmen.

 

»Gönn deinem Vater sein Glück, Emmi«, sagte meine Oma, die gerade ihren Schal abgelegt hatte und zu mir ins Wohnzimmer gekommen war.

»Pah, und was ist mit mir und meinem Plan von Weihnachten?«, fragte ich.

Ich stand auf einem Stuhl vor dem großen Vitrinenschrank und angelte nach der Kiste mit der Dekoration. Als es unter mir gefährlich wankte, klammerte ich mich an die Eichenholzkante und verzog das Gesicht. Hier oben musste dringend mal wer staubwischen.

»Ich bin sicher, dass Markus und du Kompromisse finden werdet«, erklärte sie.

Was sollte es da für einen Kompromiss geben?

Statt ihr zu antworten, kämpfte ich mich weiter nach vorn. Keine Ahnung, wer auf die Idee gekommen war, den Karton bis in die hinterste Ecke zu schieben.

Einen Arm todesmutig durch die dicke Schicht an Wollmäusen gestreckt, erreichte ich endlich das blöde Ding und zog es vom Schrank. Als der Staub in alle Richtungen auseinanderstob, konnte ich ein Niesen nicht unterdrücken.

Mit lautem Klirren rutschte mir der Pappkarton dabei aus der Hand und Oma fing ihn im letzten Moment auf.

Ihre Reflexe waren erstaunlich, wenn man bedachte, dass sie vor ein paar Wochen zusammen mit meinem achtzehnten ihren siebzigsten Geburtstag gefeiert hatte. Zumindest hatte ich mich bemüht, nach der durchtanzten Nacht mit Jana noch tapfer ein Stück Kuchen mitzuessen.

»Danke.« Ich nahm den Karton entgegen, der damals als Verpackung für unser Raclette gedient hatte, und bewunderte Omas grau gesträhntes Haar, das zu einem perfekten Bob frisiert war. »Warst du etwa schon wieder beim Friseur?«

Ein Lächeln legte sich auf ihre kirschrot geschminkten Lippen. »Wer sagt denn, dass ältere Frauen nicht mehr modisch sein dürfen?«

»Das bist du wirklich, Omi.« Zum ersten Mal, seit ich von der Planänderung meines Vaters erfahren hatte, musste ich grinsen.

Modisch war der perfekte Ausdruck für sie. Das tannengrüne Kleid mit dem dunkelroten Muster harmonierte wunderbar mit ihrem Lippenstift, und der dezente Goldschmuck rundete das Outfit ab.

»Danke. Aber jetzt setz dich doch erst mal, solange der Tee noch warm ist.« Ich holte zwei Tassen aus der Küche und stellte sie zu der Kanne auf dem kleinen Wohnzimmertisch.

Den Bratapfeltee hatte ich erst aufgebrüht, als ich mir sicher gewesen war, dass Paps das Haus verlassen hatte. Nach meinem Abgang hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen, aber das war eben unsere Art zu streiten. Wenn wir uns wiedersahen, taten wir beide so, als hätte es die Diskussion überhaupt nicht gegeben. Manchmal fehlte mir ein wirklich versöhnlicher Abschluss.

Mittlerweile war der Tee ein wenig abgekühlt.

»Kandis oder Honig?«, fragte ich und goss beide Tassen bis zur Hälfte ein.

»Kandis bitte, Liebes.«

Ich warf ein paar Stücke in meinen Tee und reichte ihr das Schälchen. Nach einem großen Schluck wischte ich den Staub vom Pappkarton und zog ihn mir auf den Schoß.

Zwar waren es jedes Jahr die gleichen Lichterketten, Porzellanfiguren und Teelichter, trotzdem überraschte mich die ein oder andere Sache immer wieder.

»Alles heil geblieben?«

Ich zog einen Engel heraus, von dem eine Flügelspitze abgebrochen war, und reichte ihn Oma.

»Kein Problem, das kleben wir«, meinte meine Oma. »Den hat Nadine damals im Urlaub in Winterberg gekauft.«

Sofort schossen Bilder von wilden Schlittenfahrten mit Mama im Schnee und Shoppingtouren durch die kleinen Lädchen in meinen Kopf und schnürten mir die Kehle enger.

»Hast du morgen Zeit, die Wichtellosung nachzuholen?«, fragte ich, um das Thema zu wechseln.

»Na, was soll ich alte Frau sonst zu tun haben? Natürlich bin ich morgen dabei.«

Eine ganze Menge. Neben ihren Yogakursen besuchte sie noch eine Frauengruppe, die sich zum Kartenspielen traf, und vor Kurzem hatte sie sich bei Zumba Gold angemeldet. Der Kurs war zwar extra für ältere Frauen, aber welche Oma machte schon Zumba?

Ich seufzte. »Na, das wird sicher lustig mit Susie und ihren beiden Söhnen.«

»Sind die Jungs nicht ungefähr in deinem Alter, Emmi? Vielleicht ist ja einer der beiden was für dich.« Sie zwinkerte mir zu.

»Nein, bitte nicht. Auf einen Kerl kann ich gerade verzichten. Erst recht auf einen, der mir mein Weihnachten zerstört.«

»Wart‘s doch erst mal ab. Bestimmt sind sie supernett und Weihnachten wird besser, als du erwartest.« Meine Oma stellte ihre Tasse auf den Tisch und stand auf, um in den Flur zu gehen.

Na klar. Wieso sollte es das Fest auch nicht aufwerten, wenn drei wildfremde Personen auf einmal mit unterm Baum saßen? Zwei pubertierende Jungs, für die Volljährigkeit gleichbedeutend mit Erwachsensein war, konnten das besinnliche Weihnachtsessen schließlich nur bereichern.

»Wie gefällt er dir?« Oma kam aus dem Flur zurück ins Wohnzimmer und hielt mir stolz ihren Adventskranz entgegen, den sie gerade aus der Tüte gezogen hatte.

Allein der Geruch nach frischem Tannengrün war es, der meine Laune hob. Zwischen den Nadeln steckten getrocknete Orangenscheiben, Zimtstangen und glitzernde Sterne, die perfekt zur Einrichtung unserer Wohnung passten. Die vier dicken Kerzen hatten verschiedene Größen und waren von einem schimmernden Beige. Vorn hockte ein Rentier im Kranz und blickte mich aus seinen großen Augen freundlich an.

»Er ist perfekt! Der Schönste, den du je gemacht hast. Danke, Omi!«

Während sie ihr Kunstwerk noch immer in den Händen hielt, drückte ich sie von der Seite und war erstaunt, wie schmal sich ihr Körper in der Umarmung anfühlte. Bei unserer Begrüßung hatte ich das durch ihren dicken Mantel gar nicht bemerkt. Es machte mir bewusst, wie alt sie mittlerweile geworden war, obwohl es nach außen hin nicht so wirkte.

»Nun übertreib nicht, Emmi.« Ihre faltigen Wangen färbten sich rosa.

»Ich meine es ernst. Paps ist selbst schuld, wenn er heute Besseres zu tun hat. Wir werden jetzt Advent feiern!« Mit diesen Worten nahm ich ihr den Kranz aus den Händen, stellte ihn auf die Tischdecke und forderte Alexa auf, eine Playlist mit den instrumentalen Weihnachtsliedern zu spielen.

Meine Oma holte die Blechdose mit den Zimtsternen aus ihrer großen Handtasche und ich zündete die längste der vier Kerzen an.

Kurz saßen wir schweigend nebeneinander und starrten die Flamme an, deren Hitze das Wachs zum Schmelzen brachte.

Früher hatte ich es geliebt, einen Finger in die Flüssigkeit zu tauchen, sobald die Kerze aus war, um zu beobachten, wie das Wachs auf meiner Haut wieder fest wurde.

»Welche Geschichte ist es diesmal?«, brach ich die Stille.

Meine Oma lächelte. »Es war einmal ein kleines Rentier«, begann sie ihre Geschichte zum Kranz und ich lehnte meinen Kopf an ihre Schulter.

Das kleine Mädchen war ich zwar nicht mehr, aber die Rituale aus meiner Kindheit liebte ich dennoch. Wahrscheinlich ging das vielen so, doch für mich waren sie doppelt besonders. Denn sie erinnerten mich an meine Mama, für die Weihnachten immer die beste Zeit des Jahres gewesen war.

 

»Kannst du mir mal den Tesafilm geben?« Ich stand erneut auf einem Stuhl und versuchte verzweifelt, die Lichterkette um das Küchenfenster in Form zu bringen.

Aus dem letzten Mal hatte ich wohl nichts gelernt, denn ich begann erneut, gefährlich hin und her zu wackeln.

Meine Oma kam mit der Kleberolle und hielt den Stuhl unter mir fest.

Endlich schaffte ich es, das Kabel zu fixieren. Vorsichtig stieg ich zurück auf festen Boden und versteckte das Batteriekästchen hinter dem Messerblock auf der Arbeitsplatte.

Die Ernüchterung folgte, als ich den Kippschalter betätigte. Nur kurz flackerten die Lichter auf und erloschen im nächsten Moment.

»So ein Mist, Batterie leer.« Ich stöhnte.

»Ich kann morgen welche mitbringen«, schlug Oma vor. »Bei mir liegen noch einige zu Hause rum und ich dekoriere ja nicht mehr so viel wie früher.«

»Perfekt.« Ich schenkte ihr ein dankbares Lächeln und schlenderte rüber zur Dekokiste, deren Inhalt sich langsam lichtete.

»Wohin mit den Schneeflocken?«

»Die kommen an die Fenster«, antwortete ich und nahm mir einen Moment, um zu begutachten, was wir bisher geschafft hatten.

An allen Fenstern hatte ich Lichterketten angebracht und die kleinen Engelsfiguren, bis auf den mit dem gebrochenen Flügel, fanden ihren Platz in den leeren Schrankfächern. Auf dem Esstisch breitete ich den Läufer mit den Tannenbäumen aus und stellte ein paar Windlichter darauf, die ich als Kind gebastelt hatte.

Dennoch sahen sie nicht nach unbeholfenem Gekritzel aus, sondern waren einfach fröhlich und bunt. Am Treppengeländer zum ersten Stock hatte ich ein paar Tannenzweige mit roten Schleifen befestigt und Kissen mit Weihnachtsmannmotiven zierten nun unsere hellblaue Wildledercouch.

»Danke für deine Hilfe. Eigentlich wollte Jana morgen zum Dekorieren kommen, aber die Pläne haben sich ja nun geändert.« Den leicht genervten Unterton in meiner Stimme konnte ich nur schwer unterdrücken.

»Bist du immer noch sauer auf deinen Vater?«

»Natürlich.« So zu tun, als wäre ich es nicht, würde es nicht besser machen.

»Ich glaube, deine Mutter würde sich für ihn freuen.«

Mein Hals wurde wieder eng und ich schluckte schwer.

Wahrscheinlich wollte ich nicht wahrhaben, wie viel Wahrheit in ihren Worten steckte. Denn es fühlte sich für mich einfach nicht richtig an, Paps mit einer anderen Frau an seiner Seite zu sehen.

Als ich nichts erwiderte, schloss meine Oma mich in ihre Arme und streichelte mir über den Kopf. Dass ich sie dabei ein ganzes Stück überragte, nahm der Geste nichts von dem Gefühl der Geborgenheit.

»Versprich mir, ihnen eine Chance zu geben«, sagte sie schließlich.

»Ich verspreche es.«

2. Dezember

Emily

 

»Wie heißen meine zauberhaften neuen Stiefbrüder noch mal?« Ich saß mit Stift und Zettel am Küchentresen und bereitete die Wichtelbox vor, während Paps darum bemüht war, die Milch nicht anbrennen zu lassen.

»Frederik und Fabian«, antwortete er, ohne auf den sarkastischen Unterton in meiner Stimme einzugehen.

Entweder hatte er ihn nicht bemerkt oder aber er verlor gerade den Kampf gegen die Milch. Ich vermutete Letzteres, denn das Wort zauberhaft hätte Hinweis genug sein müssen. Auch wenn mein Vater nicht besonders sensibel war, taub war er nicht.

Auf einen Zettel schrieb ich Frederik, auf den anderen Fabian.

Welche Mutter nutzte bei Geschwistern den gleichen Anfangsbuchstaben? Echt einfallsreich.

In der mit Geschenkpapier beklebten Pappbox lagen nun also sechs gefaltete Zettel. Doppelt so viele wie in den letzten Jahren.

Wenigstens wäre es dieses Mal eine echte Überraschung, von wem man das Wichtelgeschenk bekam. Ich fragte mich nur, wie ich in so kurzer Zeit herausfinden sollte, was den Jungs oder Paps‘ neuer Freundin gefiel. Denn für dieses Geschenk gaben wir uns jedes Jahr besonders viel Mühe. Gutscheine waren absolut tabu.

»Kann ich dir helfen?« Ich trat hinter meinen Vater, der wild mit den Armen über dem Topf herumfuchtelte, um zu verhindern, dass die Milch überkochte. Es sollte ein Friedensangebot nach unserem Streit von gestern sein.

»Ja bitte.« Er ging einen Schritt zur Seite und strich sich tatsächlich den Schweiß von der Stirn.

Meine Güte, es war doch nur heiße Milch.

Ich schob den Topf von der Platte, blies ein wenig Luft hinein, um den Schaum zu vertreiben, und rührte kräftig. Angebrannt war sie nicht.

»Du brauchst viel weniger Hitze«, sagte ich.

»Hatte ich. Erst hat sich überhaupt nichts getan und dann kocht das Zeug plötzlich hoch wie ein Vulkan.«

Das Lachen konnte ich mir gerade noch verkneifen.

Obwohl Paps sich bemühte, den Haushalt zu schmeißen, hatte er beim Kochen nicht wirklich viel dazu gelernt. Gut, dass Oma uns oft etwas vorbeibrachte und mir ab und zu ein paar Tricks aus ihren Rezepten zeigte.

»Warum bist du eigentlich so nervös?« Ich bemerkte sofort, wie ertappt er sich fühlte.

Eine Antwort blieb er mir schuldig, denn im selben Moment klingelte es. Ich deutete auf den Honig und drückte meinem Vater die Zimtstangen in die Hand. »Ich geh schon.«

Zwar hatte ich seine Freundin bereits ein paar Mal gesehen, aber zu einem richtigen Besuch bei uns war es nicht gekommen. Entweder weil sie zu beschäftigt war oder Paps der Konfrontation mit mir aus dem Weg gehen wollte. Auch ihre Söhne hatten sich bisher nicht bei uns vorgestellt.

Vielleicht könnten wir ja Leidensgenossen werden, weil sie genauso wenig von der Beziehung unserer Eltern hielten wie ich?

Ich riss die Tür auf und starrte in ein braunes Paar Augen, das mich intensiv musterte.

»Hallo, Emily.« Die Stimme der Frau im grauen Kostüm zog meine Aufmerksamkeit von dem Kerl weg.

Musste sie unbedingt in diesem Businesslook bei uns aufkreuzen? Gemütlich war das nicht gerade. Neben ihr fühlte ich mich in dem weihnachtlichen Strickpulli und der Jeans beinahe schäbig.

»Ähm … hallo, Susie und äh …«

»Fabian«, ergänzte der dunkelhaarige Typ mit dem Hundeblick und streckte mir seine Hand entgegen. Dabei strahlte er so fröhlich, dass ich mir plötzlich sicher war, das mit dem Verbündeten vergessen zu können.

Trotz allem ergriff ich die Hand, die ungewöhnlich warm für die Temperaturen war. Außerdem war sie weich. Eindeutig nicht die Finger eines passionierten Handwerkers.

»Wo ist denn dein Bruder?«

Seine Mundwinkel zuckten nach unten und er entzog sich meinem Griff. Das Strahlen war verblasst.

»Frederik ist beim Training, er schafft es heute leider nicht«, antwortete seine Mutter an Fabians Stelle.

Das fing ja gut an. Dann würde er wohl den Zettel für seinen Bruder ziehen müssen. Noch einmal verschob ich diese Aktion mit Sicherheit nicht.

»Kommt gerne rein.« Die Worte kamen mir nur zäh über die Lippen, doch die Hauptsache war, ich entkam dieser merkwürdigen Stimmung.

Susie lief auf ihren Pumps in die Küche und fiel gleich meinem Vater um den Hals. Ich wandte meinen Blick ab, um nicht mitten in den Flur zu kotzen.

Musste das sein?

Fabian war neben mir stehen geblieben, als warte er auf eine Extraeinladung. »Soll ich die Schuhe ausziehen?«

Wollte er etwa einen guten Eindruck machen? Bei mir konnte er das jedenfalls vergessen. Auf so etwas fiel ich nicht rein.

»Falls du nicht gerade in einen Hundehaufen getreten bist, lass sie einfach an. Ihr bleibt doch sicher nicht lange, oder?«

Ich wusste nicht, wieso mich seine Höflichkeit so ärgerte. Dennoch wollte ich klarstellen, was ich von der ganzen Aktion hielt. Außerdem wäre es besser, wenn er meine direkte Art gleich beim ersten Treffen kennenlernte.

»Das mit dem Hundehaufen kann ich nicht garantieren, aber die angebrannte Milch wird den Geruch sicher überdecken«, erwiderte er mit einem triumphierenden Grinsen, das mich richtig wütend machte.

Erst einen Moment später begriff ich, was er da gesagt hatte.

»Paps!« Ich rannte in die Küche, rutschte auf meinen flauschigen Socken beinahe aus und prallte gegen Susies Hinterteil, die noch immer ihre Arme um den Hals meines Vaters geschlungen hatte.

»Sorry«, murmelte ich und zog den Topf, aus dem Qualm aufstieg, wieder von der viel zu heißen Herdplatte.

Durch das Rumknutschen musste mein Vater das Ding wohl vergessen haben.

Susie rieb sich über den Rock, während Paps sich bei ihr entschuldigte und mehrmals zerknirscht zu mir hinübersah.

In dem Versuch, einen Teil der Milch zu retten, goss ich sie in eine Schüssel und begann, die angebrannte, braune Masse herauszukratzen. Genervt gab ich auf, stellte den Topf auf eine kalte Herdplatte und hob den Kopf.

Fabian lehnte im Türrahmen und rührte nicht den kleinsten Finger, um zu helfen. Die Schuhe hatte er tatsächlich ausgezogen und sich meine pinken Plüschsocken mit dem Zuckerstangenmotiv geliehen. Plötzlich schämte ich mich für die Dinger, die an ihm total albern wirkten. Auch den Wintermantel hatte er abgelegt, sodass ich nun einen Blick auf den dünnen Stoff seines olivgrünen Langarmshirts erhaschte, das sich über einen trainierten Bauch spannte.

Idiot! Machte Witze über verbrannte Milch und sah sich dann die Katastrophe an wie ein Unbeteiligter.

Susie hatte sich wohl von unserem furchtbaren Zusammenstoß erholt und nahm sich endlich des Topfes an, den ich in Gedanken bereits in die Tonne geworfen hatte.

»Ach, dann gibt es halt keine warme Milch, sondern einen leckeren Tee«, sagte sie betont heiter. »Emily, ich habe etwas gebacken. Schau mal in meiner Tasche nach.«

Auch wenn Paps‘ Reaktion gerade noch in meinen Augen übertrieben gewesen war, gehörte warme Milch für mich zum Wichteln genauso dazu wie die Zimtsterne meiner Oma. Nun ja, da wir die gestern zu zweit bereits aufgefuttert hatten, mussten wir ohnehin umplanen. Gut, dass ich mir mit meiner besten Freundin Jana ein Workout für Januar zurechtgelegt hatte. Wir brauchten die vielen Plätzchen bloß anzusehen, da wanderte schon das nächste Gramm auf die Hüften. Dass Susie und Fabian offensichtlich keine Probleme mit dem Schlemmen an Weihnachten haben würden, machte sie nicht unbedingt sympathischer.

Fabian bewegte sich endlich von seiner lässigen Pose am Türrahmen weg und reichte mir den Stoffbeutel, von dem seine Mutter gesprochen hatte.

»Doch ein Hundehaufen?«, fragte ich.

»Nee, deine Socken haben mir so gut gefallen.«

Ich spürte, wie meine Wangen heiß wurden, und riss ihm den Beutel aus der Hand. Darin fand ich eine große Tupperdose, die einen durchaus leckeren Geruch verströmte.

»Meine Mutter hat seit Jahren nicht mehr selbst gebacken. Normalerweise holt sie einen Stollen oder Kekse vom Bäcker«, erklärte er.

Christstollen hatten zwar diese leckere Marzipanschicht, aber ich wollte nicht begreifen, wieso da Rosinen drin sein mussten.

»Was für eine Ehre.«

Ich öffnete die Dose. Darin fand ich Mürbeplätzchen, die mit einer Glasur überzogen waren, in der lauter Erdnusssplitter steckten.

»Paps?« Ich deutete auf die Kekse. »Hast du Susie nichts von meiner Allergie erzählt?«

»Oh nein.« Die Frau ließ den Topf noch mal voll Wasser laufen und kam zu mir. »Es tut mir schrecklich leid. Deine Erdnussallergie habe ich völlig vergessen.«

»Was soll‘s.« Ich verdrehte die Augen.

Natürlich hatte sie nicht daran gedacht. Wahrscheinlich hatte sie nur meinen Vater im Kopf gehabt, genau wie er, als er mit der Milch beinahe die Küche abgefackelt hatte. Spätestens dann, wenn ich nicht eingegriffen hätte.

Ein Blick in die Schüssel genügte, um zu wissen, dass die Milch nicht mehr zu retten war. Also setzte ich wie am Tag zuvor eine Kanne mit Bratapfeltee auf, stellte Kandis und Honig neben den Adventskranz und öffnete erleichtert die Tür, als meine Oma klingelte.

Endlich eine vernünftige Person, die weder vor Liebe blind war noch sich vor Selbstverliebtheit wie ein Arsch benahm.

»Gut, dass du kommst«, begrüßte ich sie und nahm ihr den dunkelroten Ledermantel ab. »Paps ist die Milch verbrannt, Susie hat Erdnusskekse gebacken, und ich hab ihr beinahe die Hüfte gebrochen.« Sie setzte zu einer Erwiderung an, aber ich fügte schnell hinzu: »Ich hab ihnen ehrlich eine Chance gegeben!«

Meine Oma lachte laut und kam herein. Mit dem Ärmel ihrer Bluse wischte sie über die beschlagenen Brillengläser und begutachtete die anwesenden Personen sowie die aktuelle Lage.

»Hallo, Markus. Hallo, Susanne. Und wer bist du, junger Mann?«

Ihrem Blick sah ich an, dass Fabian ihr gefiel. Eben so, wie ältere Damen junge Männer abschätzten und entschieden, ob sie für ihre Enkelinnen gut genug waren.

»Ich bin Fabian, Frau Werter.« Artig schüttelte er ihre Hand.

Auf diese Höflichkeitsmasche wäre ich beinahe selbst hereingefallen.

Oma schenkte ihm ein Lächeln und kam noch einmal zu mir, um mir etwas ins Ohr zu flüstern. »Ich sagte ja, einer der Jungs wäre vielleicht etwas für dich.«

Oh nein! Nun hatte die einzige vernünftige Person in diesem Raum doch tatsächlich die Seiten gewechselt.

 

Ich knabberte an den Spekulatiuskeksen herum, während die anderen sich die frisch gebackenen Erdnussplätzchen schmecken ließen. Allein der Geruch nach Karamellglasur ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen und besserte meine Laune nicht. Diese Dinger sahen ziemlich lecker aus, aber einen fiesen Ausschlag und eine angeschwollene Zunge wollte ich deswegen nicht riskieren.

Oma, Paps und Susie waren in ein Gespräch über die Versicherung vertieft, in der mein Vater bei einer Schulung seine Freundin kennengelernt hatte und zu der sie im Sommer ebenfalls versetzt worden war.

Fabians Blick wanderte die ganze Zeit durch den Raum. Auch ihn schien das Thema nicht zu interessieren. Gerade starrte er auf die beklebten Windlichter, die mir plötzlich peinlich waren.

»Ist dein Bruder wirklich beim Training oder wollte er sich nur hiervor drücken?«, sprach ich ihn an.

Er schien einen kurzen Moment zu brauchen, bevor er meine Frage registrierte. »Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem. Ich glaube nicht, dass du ihn bald kennenlernen wirst.« Dabei wirkte er, als beschäftigte ihn etwas, denn seine Stirn legte sich unter ein paar dunkelbraunen Haarfransen in Falten.

Seine Frisur lud geradezu zum Durchwuscheln ein, weil sie einerseits wild und auf der anderen Seite viel zu ordentlich war, als hätte er jede Strähne genau an dieser Stelle haben wollen.

»Dann sind er und ich schon mal zwei. Eigentlich hätte ich an Weihnachten auch lieber meine Ruhe.«

»Du meinst, damit keine Milch anbrennt und du deine schicken Plüschsocken selbst tragen kannst?«

»Haha«, gab ich zurück. Dieser selbstgefällige Humor ging mir total auf die Nerven. »Wenn du kalte Füße magst, zieh sie doch wieder aus.«

»Mir gefallen sie.« Er zwinkerte mir zu.

Er hatte sich ein Stück nach vorn gelehnt und ich betrachtete seine Lippen, die weiterhin lächelten.

Was bildete der Typ sich ein? Wir sahen uns zum ersten Mal und ständig brachte er mich in Verlegenheit. Dabei passierte mir das normalerweise nicht.

»Lasst uns mit dem Losen starten!« Es war wohl besser, weitere Peinlichkeiten zu vermeiden, indem ich das Gespräch mit Fabian beendete. »Sicher wollen einige der hier Anwesenden noch ein wenig Zweisamkeit genießen«, sagte ich laut.

Wenn Paps und Susie sich weiterhin so anhimmelten, würde ich das Weihnachtsfest nicht überstehen.

Ich holte die Box mit den gefalteten Zetteln und reichte sie zuerst meiner Oma. Mit ihren ordentlich manikürten Fingernägeln zog sie ein Papier heraus und las den Namen hinter vorgehaltener Hand.

Sie nickte und sah in keine bestimmte Richtung, damit sie sich nicht verriet. Danach reichte sie die Box an Paps weiter, der neben ihr saß und er wiederum an Susie, die zweimal ziehen musste, weil sie zuerst ihren eigenen Namen erwischte.

Fabian war als Vorletzter dran.

»Zieh erst einen für deinen Bruder, danach den für dich selbst«, wies ich ihn an.

Wenigstens verkniff er sich jetzt einen Kommentar und tat, was ich ihm gesagt hatte. Auch seinem Gesichtsausdruck konnte ich nicht anmerken, wen er gezogen hatte.

Den letzten Zettel nahm ich selbst an mich und entfaltete ihn mit zittrigen Fingern. Hoffentlich Oma oder Paps. Doch ich wurde enttäuscht. Fabian stand auf dem Papier, das ich vorhin selbst beschrieben hatte.

Na Klasse. Ausgerechnet ihn würde ich also näher kennenlernen müssen, um das perfekte Geschenk besorgen zu können.

Vielleicht würden ihm Kuschelsocken gefallen. Am besten welche mit Rentier drauf und einer roten Nase, die man per Knopfdruck zum Leuchten bringen konnte.

Frohe Weihnachten!

3. Dezember

Emily

 

»Dein Sonntag kann nur besser gewesen sein als meiner.« Mit diesen Worten ließ ich mich neben meine beste Freundin auf einen Mensastuhl fallen und kickte meinen Rucksack unter den Tisch.

»Da hast du vollkommen recht, Em!« Jana rückte das Besteck auf ihrem Tablett so ordentlich zurecht, dass es mich nicht gewundert hätte, sie ihr Handy zücken und ein Foto des Mensaessens für Instagram schießen zu sehen.

»Bevor mein Bruder mich bei Katie absetzen konnte, war ich doch mit beim Eishockeytraining. Zum Glück wohnt sie in der Nähe der Eishalle«, begann sie zu erzählen und sah mich erwartungsvoll an, als ahnte ich bereits, was danach passiert war.

Ihre hellblauen Augen strahlten noch mehr als sonst und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, worum es ging. Schließlich war sie vorgestern am Telefon völlig genervt davon gewesen. Nun sollte es Glück sein, dass ihre Referatspartnerin in der Nähe der Eishalle wohnte?

»Ich dachte, du kannst Eishockey nicht ausstehen.« Mühsam pikste ich ein paar der viel zu weich gekochten Nudeln auf meine Gabel.

»Das hab ich so nie gesagt.« Jana wickelte sich ihren langen, blonden Zopf um den Zeigefinger und langsam beschlich mich das Gefühl, dass beim Training ihres Bruders tatsächlich etwas Weltbewegendes passiert war.

Zumindest in der Welt meiner Freundin, die eigentlich jede Art von Sport hasste und nur ausnahmsweise im Januar mit mir joggte, um die paar Weihnachtskilos loszuwerden, die auf ihren schmalen Hüften ohnehin niemandem auffielen.

»Was ist denn nun beim Training passiert?«, hakte ich nach.

»Sie haben einen Neuen in der Mannschaft, Em! Die Nummer 16, Müller steht auf seinem Trikot.«

Obwohl ihre Stimme klang, als hätte sie mir gerade davon erzählt, den Millionenjackpot geknackt zu haben, begriff ich nicht, was an einem neuen Spieler so toll sein sollte. Kürzlich hatte meine Freundin steif und fest behauptet, Eishockey zu hassen.

»Müller? Bitte nicht noch einer von der Sorte! Bei mir zu Hause laufen auf einmal gleich drei mit diesem Nachnamen herum«, griff ich die für mich einzig interessante Information aus ihrer Erzählung auf.

»Ja, das stimmt.« Jana seufzte. »Dieser Allerweltsname wird ihm absolut nicht gerecht. Niemals in meinem Leben hab ich so einen süßen Typen gesehen. Schon in Trikot und Helm ist er mir aufgefallen, aber nach dem Umziehen kam er vor meinem Bruder aus der Kabine. Und da war es um mich geschehen.«

Es war also um sie geschehen. Meine Freundin sollte zum Theater gehen, so viel Dramatik, wie sie manchmal in ihre Worte legte.

Zumindest erklärte es ihren verträumten Blick. Jana hatte sich in einen neuen Spieler aus Leons Eishockeyteam verknallt. Natürlich war diese Sportart für sie nun plötzlich von unheimlichem Interesse.

»Und wie heißt er? Wir können ihn doch nicht die ganze Zeit 16 oder Müller nennen.«

»Ich hab nicht mit ihm gesprochen. Und Leon kann ich auch nicht fragen, der würde sofort Verdacht schöpfen. Ich hab keine Lust, dass er mich damit aufzieht. Eine kleine Schwester hat es echt nicht leicht.« Sie seufzte erneut.

»Womöglich bin ich auch bald in deinem Club.« Ich rollte mit den Augen.

Durch Janas ausgiebige Schwärmerei war mein Teller schon leer, während sie ihren Salat noch nicht einmal angerührt hatte.

»Bist du etwa auch verliebt?« Aus ihrem Mund klang es, als wäre es vollkommen abwegig, dass ich mich je verlieben könnte.

»Nee, das mit der kleinen Schwester. Wahrscheinlich darf ich mich demnächst auch so nennen.« Langsam ging es mir ein bisschen auf die Nerven, dass sie mir nur mit halbem Ohr zuhörte. Zwar wusste ich, wie gerne Jana plapperte, aber normalerweise konnte ich in ihren Sprechpausen auch mal etwas loswerden.

»Dein Vater will doch nicht etwa einen Kerl adoptieren? Geht das denn noch in dem Alter?«

»Quatsch. Er lädt seine neue Freundin und ihre beiden Söhne an Weihnachten zu uns ein. Einen hab ich gestern kennengelernt. Er scheint sich echt für was Besseres zu halten. Hat mich ausgelacht, weil ich mit einem Topf voll angebrannter Milch zu kämpfen hatte.«

Jana richtete ihre Augen auf mich. Zum ersten Mal seit wir in der Mensa saßen, schien ich ihre volle Aufmerksamkeit zu haben. »Was? Ausgerechnet zu Weihnachten?«

»Das hab ich mich auch gefragt.«

Es war zwar nicht so, als hätte ich meiner Freundin die Horrornachricht nicht bereits per WhatsApp mitgeteilt, aber da hatte sie vermutlich auf Wolke sieben geschwebt und ihr Handy auf dem Boden der Tatsachen liegen gelassen.

»Du musst mich auf jeden Fall zu einem seiner Spiele begleiten!«, entschied sie.

Damit wären wir also wieder beim Thema Eishockey. Vorbei war die Zeit, in der sie mir zuhörte.

Nun ja, wenn das erste Verknalltsein erst einmal überstanden wäre, würde sie sicher wieder normal werden.

Wie lange hatte dieser Zustand noch mal bei Paps angehalten?

»Bist du dabei? Beim Eishockey meine ich. Am siebzehnten Dezember haben sie ein Heimspiel.« Die vorfreudige Erwartung in ihren Augen war nicht zu übersehen.

»An einem Dienstag?« Ja, es war schon etwas schräg, dass ich alle Daten dieses Monats so genau im Kopf hatte. Aber wer Weihnachten so plante wie ich, kam um dieses Wissen nicht herum.

»Abends um sieben«, erklärte sie.

Dieses Mal seufzte ich, weil sie sicher keine Ruhe geben würde, bis ich zusagte. »Klar, warum nicht.«

Es war nicht unbedingt mein Lieblingssport, aber was tat man nicht alles für seine beste Freundin.

Die Klingel zum Pausenende ertönte und wir brachten unsere Tabletts zurück. Nach wie vor hatte Jana nicht einen Bissen von ihrem Essen angerührt. Ich befürchtete langsam, das Sportprogramm im neuen Jahr allein durchziehen zu müssen, wenn ihr Verliebtsein weiterhin mit Appetitlosigkeit einherging.

»Im Gegenzug musst du mir bei einem Geschenk für Fabian helfen. Das ist mein Stiefbruder in spe. Ich hab ihn fürs Wichteln gezogen.«

»Beim Shoppen bin ich sofort dabei, das weißt du doch.« Sie stieß mich im Gehen mit ihrem Ellbogen an. »Sieht er denn wenigstens gut aus? Dann hast du Weihnachten immerhin einen netten Ausblick von deinem Platz am Esstisch.«

Wir waren am Kursraum angekommen und ich blieb stehen, damit unsere Mitschüler nicht das halbe Gespräch mit anhören konnten.

»Er sieht nicht schlecht aus. Das ändert allerdings nichts daran, dass er ein Arsch ist und ich ihn Weihnachten nicht dabeihaben will.«

Jana grinste. »Ein sexy Kerl unter meinem Weihnachtsbaum wäre mir das wert, auch wenn Fabian sicher nicht mit meiner Nummer 16 mithalten kann.«

 

»Emily, weißt du, wo die Keksdose von Susie abgeblieben ist?«, rief mein Vater aus dem Flur.

Ich war gerade auf der Suche nach den passenden Rezepten fürs Plätzchenbacken morgen Nachmittag und hatte es mir dazu auf dem Sofa bequem gemacht.

»Hab sie zu den anderen in den Schrank geräumt«, rief ich zurück.

Sollte er seine Freundin doch reinbitten und selbst nach der Vorratsdose suchen. Mein Platz auf der Couch war viel zu gemütlich und außerdem lagen die Rezeptbücher aufgeschlagen auf meinen Beinen. Ich musste mir die Zutaten aufschreiben, die ich nach der Schule besorgen wollte.

Wo waren bloß diese kleinen Klebezettel?

»Komm ruhig kurz rein«, hörte ich Paps sagen.

Darauf folgten Schritte, die sich nicht nach den Pumps anhörten, die Susie gewöhnlich trug.

»Hey.« Die dunkle Stimme ließ mich vom Vanillekipferlrezept aufsehen.

»Ach, Fabian.« Mein Blick fiel auf seine Schuhe, die er heute nicht ausgezogen hatte. »Was machst du denn hier?« Ich hatte mich noch nicht damit angefreundet, ihn häufiger bei uns zu sehen.

»Meine Mutter hat mich geschickt, um die Dose abzuholen. Echt bescheuert, wo Frauen eh diese Tuppersammlungen haben. Aber nein, sie braucht genau diese.« Er rollte demonstrativ mit den Augen.

»Der zweite Schrank von links, unterste Schublade.« Ich widmete mich wieder den Backzutaten.

»Emily, hilf Fabian doch bitte!« Mein Vater stand neben ihm im Wohnzimmer und zupfte sein Jackett zurecht. »Ich muss los zum Geschäftsessen. Auf dem Rückweg bringe ich dir Pizza mit.«

»Schon wieder?« Natürlich liebte ich die Margarita von unserem Italiener des Vertrauens, aber nach der fünften Bestellung innerhalb einer Woche konnte auch ich sie nicht mehr sehen.

»Tut mir leid. Sonst frag mal bei Oma, ob sie noch was im Tiefkühler hat.« Seine Augen bekamen einen gequälten Ausdruck.

»Alles gut, Paps«, sagte ich, damit er mich nicht weiter mit diesem Schlechtes-Gewissen-Blick ansah. Schließlich könnte ich mir auch einfach selbst etwas kochen.

»Alles klar. Dann tschüss, Fabian.« Er reichte ihm die Hand. »Hab dich lieb, Emily.« Mit diesen Worten verschwand mein Vater aus der Tür.

»Hab dich lieb?« Fabian lachte. »Echt süß. Wie nennt er dich, wenn ihr unter euch seid? Zuckermäuschen?«

Hitze stieg in meine Wangen. »Deine höfliche Art war ja ganz niedlich, aber auf dämliche Sprüche hab ich nun wirklich keine Lust.«

Meine Worte schienen ihn nicht zu beeindrucken, denn er zuckte nur mit den Schultern. »Hab dich nicht so, Emily. Iss ein Snickers!«