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Dieses Buch ist für politisch und gesellschaftlich Interessierte geschrieben, die gerne reisen, aber nicht den Cluburlaub mit All Inklusive bevorzugen, sondern auf eigene Faust Erlebnisse suchen. Das in sarkastischer, humorvoller und lockerer Atmosphäre geschriebene Buch macht Lust auf Kuba. Je länger man liest, desto kritischer und nachdenklicher wird dieses Buch. Der Leser lernt im ersten Kapitel die Insel kennen, mit all ihren sowohl positiven als auch negativen Schattierungen. Wer noch nie in Havanna war, bekommt einen Eindruck von der Schönheit dieser Stadt, aber auch von der Morbidität, bekommt einen Eindruck von der Kultur und den Menschen auf Kuba, selbst die Liebe kommt nicht zu kurz. Der Titel des Buches ist deshalb von mir so gewählt, weil mir auf Kuba mehrmals empfohlen wurde, doch einen Brief an Fidel zu schreiben. Mein Brief, den ich dann auch geschrieben habe, wurde leider von Fidel Castro nicht beantwortet. Jeder Teil des Buches steht unter einem anderen Motiv, dadurch lernt man die Insel von allen Seiten kennen, die Menschen, die Exekutive, die Geschichte, auch die vom Protagonisten vermutete Zukunft des Landes. Dieser Roman soll weder dazu beitragen, die Verhältnisse auf Kuba zu verbessern, das gelingt mir sowieso nicht, noch soll es ein Reisebericht sein, die gibt es en Mas, er soll einfach nur unterhalten ... Also, "SCHREIBEN SIE DOCH EINEN BRIEF AN FIDEL!" auf den E - Book - Reader geladen, ab ins Flugzeug und hin, lassen Sie sich infizieren!
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Seitenzahl: 240
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Thomas Hergert
SCHREIBEN SIE DOCH EINEN BRIEF AN FIDEL!
REISEN IN EIN TRAURIGES LAND
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Inhaltsverzeichnis
Titel
SCHREIBEN SIE DOCH EINEN BRIEF AN FIDEL!
Zitat
Erster Teil April 1989
Zweiter Teil Oktober 1989
Dritter Teil Juni/Juli 2013
Vierter Teil/ Etwa zwölf Jahre später
Zitat
Impressum neobooks
REISEN IN EIN TRAURIGES LAND
VON THOMAS HERGERT
Fast-Tatsachenroman
E-Mail: [email protected]
© 2016 Thomas Hergert
© 1989 Umschlagfoto: Thomas Hergert
Gewidmet
all den nichtuniformierten Kubanern, also denjenigen, die für mich die eigentlichen Kubaner sind, den einfachen, liebenswerten Leuten, die auf dieser Insel nichts zu sagen haben, die aber den ganzen Mist abbekommen und zu ertragen haben.
Wer die ganze Nacht tief und fest schläft,
hat wohl tagsüber Anspruch auf ein wenig Ruhe.
(Kubanische Weisheit)
Ein Haus am Strand für mich allein
>>Alles Wassa da undn<< sächselt die blonde Marielu vor sich hin, was sie als Deutsche aus dem anderen deutschen Staat verrät. Normalerweise berlinere ich nicht, trotzdem höre ich mich sagen:
>>Na dit is doch wohl klar, wir sind ja ooch seit zwee Stunden übam Atlantik!<<. Schon seit Jahren hatte ich mir vorgenommen, mein vorlautes Mundwerk besser zu kontrollieren, gelungen ist es mir nie. Marielu, eigentlich Marie-Luise, aber sie bestand auf Marielu, Marie-Luise klingt so altmodisch, meinte sie und ich sitzen in einer Iljuschin 62 der DDR-Fluggesellschaft INTERFLUG, die fünf Stunden zu spät von Berlin Schönefeld gestartet war, der Zielflughafen ist Havanna, José Marti. Vor zwei Stunden kannte ich den Namen meiner Sitznachbarin noch nicht, aber ich wusste bereits, dass sie auf der Insel Kuba lebt und mit einem Kubaner verheiratet ist, den sie in der DDR kennengelernt hatte. Wir schreiben das Jahr 1989 – die Mauer steht.
Ich war vom Berliner Omnibusbahnhof am Funkturm nach Schönefeld zum Flughafen in Ost–Berlin gefahren, die Spannung und Erwartung steigerte sich bei mir ins Extreme. Bei Tchibo hatte ich mir am Tag vor der Abreise eine Tasche gekauft und das Flugticket und die anderen Unterlagen in den Seiteneinschub dieser Tasche gesteckt, kaum saß ich in dem Transferbus,
guckte ich zum vielleicht fünften Mal nach, ob alles Wichtige
drin war, Reisepass, Flugticket, Hotel - Voucher etc. –
NICHTS WAR DRIN – LEER!
Ich war alarmiert, Puls 160! Den Koffer und die Tasche geschnappt und raus aus dem Bus, in den ich keine zwei Minuten vorher eingestiegen war. Der Busfahrer öffnete geduldig mit hochgezogenen Augenbrauen die Tür, stellte den Kopf schräg und ließ mich kommentarlos wieder raus.
Noch einmal nachgucken, das konnte ja nicht sein, ich hatte doch alles eingepackt. Kalter Schweiß trat blitzschnell auf meine Stirn. Wenn ich noch einmal zurück muss, komme ich zu spät, denn zwei Stunden vor dem Abflug soll ich da sein.
ALLE UNTERLAGEN WAREN WIEDER DA!
Ein Albtraum? Ich stand neben meinem gelben Koffer, gelb deshalb, weil man den nicht so gerne klaut und auf dem Gepäckband leichter schon aus der Ferne von den üblicherweise schwarzen Koffern unterscheiden kann, man braucht nicht auf das Band zu starren, wie das Kaninchen auf die Schlange.
Der Transferbus stand noch an der Ampel an der gegenüberliegenden Kreuzung, also winken und hin. Diesmal war der Fahrer des Busses noch geduldiger mit mir, denn er öffnete die Tür wieder, war mit einem Ellenbogen auf das Lenkrad gelehnt, stützte mit der Hand den Kopf ab und fragte:
>>Naaa, noch keene Jachtwurscht jejessen heute wat?<< Ich wollte erklären, aber der Busfahrer:
>>Na setz da ma, aber n Koffa ausm Jang, sons kommta durch ...!<< So sind se, die Busfahrer in Berlin. Diese Eselei war mir sehr peinlich und ich schämte mich ein bisschen, irres Gefühl, eigentlich zwei Gefühle auf einmal, Scham und Freude über die „wiedergefundenen“ Papiere. Des Rätsels Lösung für die „verschwundenen“ Reiseunterlagen war simpel, denn die Tasche hatte auf beiden Seiten den exakt gleichen Einschub, was ich einfach nicht gesehen hatte, ich hatte also in meiner Aufregung nur auf der falschen Seite nachgesehen.
Erste Körperkontakte haben Marielu und ich beim Essen, denn sie stößt mir beim Schneiden des Hühnchens, den Ellenbogen in die Rippen. >>Hühnchen heißt Pollo ...<<, erklärt Marielu, weiß ich zwar schon, sage aber trotzdem >>Ah, soo ...<<. Sie ist Ingenieurin und hatte auf Kuba die Aufgabe, ein Computerprogramm zu erarbeiten, was dieses Programm bewirken soll, weiß ich nicht. Sie war nach Ost-Berlin geflogen, in die Hauptstadt, wie sie sagt, um Literatur zur EDV zu suchen, musste aber mit leeren Händen die Heimreise nach Kuba antreten, denn in Ost–Berlin gab es nichts in Sachen EDV.
Da sitzen wir nun nebeneinander in unseren roten Haus-pantoffeln oder besser Flugzeugpantoffeln, mit dem Aufdruck INTERFLUG und wissen nicht recht, was wir miteinander reden sollen. Marielu guckt aus dem Fenster, als erwarte sie eben doch jeden Augenblick etwas anderes da unten zu sehen als eben „Wassa“.
Ich schiele zu ihr rüber und stelle mir ihren kubanischen Mann vor: groß, schwarz, bullig, deshalb ihre gelb gefärbten Haare, denke ich, Schwarze mögen das – blöder Gedanke, diszipliniere ich mich.
Nach zirka acht Stunden Flug landen wir auf dem Flughafen in
Gander, Neufundland, Kanada. Marielu kann genau sagen, wie lange der Zwischenaufenthalt in Gander dauern wird.
>>Fünfundvierzig Minuten bis zwei Stunden<<, sagt sie.
>>Weshalb diese Zeitspanne?<<
>>Auf Neufundland müssen alle Passagiere aussteigen und
manchmal fliegt jemand nicht mehr weiter.<<
>>Ja, fliegt er dann wieder zurück?<< frage ich naiv
nach.
>>Nein, die entscheiden sich dann für eine andere Rich-tung, heißt: manchmal hauen welche ab ...<< Den letzten Teil des Satzes spricht sie etwas leiser, als wolle sie vermeiden, jemanden zum „Abhauen“ zu animieren.
Mit meinen leichten Schuhen marschiere ich über das vereiste Rollfeld – hatte ich nicht bedacht, in Berlin waren es plus 15 Grad, in Gander minus 8 Grad, auf Kuba bestimmt um die plus 30 Grad – zu dem flachen Gebäude, in dem wir eine Stunde auf den Weiterflug warten sollen.
Eigentlich nur aus Langeweile trinke ich den zigsten schlechten Automatenkaffee, dazwischen Mineralwasser, ich werde noch einen Herzkasper bekommen. Nach etwa zwei Stunden geht es wieder ins Flugzeug, zweimal werden alle Passagiere durchgezählt, ob alle an Bord sind oder nicht, weiß ich nicht, wenn jemand abgehauen wäre, hätte man dieses auch nicht bekanntgegeben, zum Beispiel in Form einer Durchsage wie: „Meine Damen und Herren, hier spricht der Flugkapitän, zwei DDR-Flüchtlinge haben uns leider verlassen, wir wünschen den beiden Flüchtlingen alles Gute im kapitalistischen Kanada.“ Marielu jedenfalls sitzt wieder neben mir. Eine weitere halbe Stunde später sind wir wieder in der Luft, bekommen, wie beim ersten Start, Bonbons gegen den Druck in
den Ohren.
Marielu schläft mit offenem Mund. Niemals konnte ich bei Flügen oder im Bus oder im Zug schlafen, ich beneide sie, ich löse stattdessen Rätsel. Später muss ich sie wecken, denn wir müssen ein Formular mit aus meiner Sicht unsinnigen Fragen ausfüllen, alle auf Spanisch abgefasst: Wann und wo geboren, wie lange ...., wie viel Geld .... Zehn Fragen, für die ich eine halbe Stunde brauche, ich komme mir vor wie ein Analphabet, Marielu hilft mir aber.
Noch etwa fünf bis sechs Stunden bis Havanna. Die Zeit scheint endlos.
Marielu gibt mir ihre kubanische Adresse, ich sage zu, mich in Berlin – West nach Büchern für sie umzusehen und ihr welche zuzuschicken, wenn ich fündig werde.
Endlich, eine saubere Landung. Bis die Tür aufgeht, vergehen noch einmal gefühlte zwanzig Minuten. Durch schmale Gänge, über Rolltreppen, niemand spricht, erreichen etwa hundertundfünfzig blasse, weil übermüdete Gesichter den durch brummende Neonlampen grell erleuchteten, hellphosphorgrün gestrichenen - toll! - Raum der Passkontrolle. In drei Reihen stehen wir an, Marielu habe ich aus den Augen verloren, vordrängeln bringt nichts, die Koffer kommen sowieso erst später. Nach über einer Stunde des Wartens bin ich dran. Lautes Hämmern der Stempel in den Pass, Kopf drehen, nach vorne gucken, andere Seite zeigen, alle Anweisungen durch Vormachen mittels Kopfbewegungen durch den Uniformierten. Endlich ein gesprochenes Wort:
>>Solo?<<,
>>Si!<<, kein `gracias´ des Kontrolleurs bei der Rückgabe des Passes und das Klicken der Klapp - Tür gibt den Weg in eine noch hässlichere, schwach gelb beleuchtete Halle frei, die so aussieht, als hätte ein Raucherclub seit Jahren darin getagt. Dort warte ich mindestens eine weitere Stunde auf
meinen gelben Koffer.
Bloß nach draußen, erste kubanische Luft schnuppern und
ein Taxi nach Varadero, es ist ein Uhr in der Nacht kubanischer Zeit, der typische Flughafengeruch von Öl, Kerosin, Schmutz, Meeresluft, der durch die Wärme noch verstärkt wird, dringt in meine Nase, ich kann nicht sagen, ob ich den Geruch mögen oder ekelhaft finden soll. Pfeifendes Dröhnen nicht abgestellter Düsen in meinen Ohren führt dazu, dass ich lauter spreche als eigentlich notwendig. Ich bin gut gelaunt, wie immer nach einer geglückten Landung, denn nun soll das dreiwöchige Abenteuer beginnen, ich bin gespannt.
* * * *
Um halb zwei Uhr sitze ich seit bereits zwanzig Minuten auf dem Rücksitz eines schwarz-gelben Taxis, eines Fiat Lada, in Richtung Varadero, gelenkt von Maximo.
>>Do you speak English?<<, hatte ich ihn schon am Flughafen gefragt.
>>No!<< war seine knappe Antwort, deshalb versprach es
in den nächsten zwei Stunden nicht sehr kommunikativ zu werden. Bis jetzt haben wir durchgehalten, kein Wort miteinander gesprochen, ist mir auch ganz recht, denn somit kann ich die Schwärze der Nacht draußen andächtig genießen, eine Finsternis, die nur durch die Lichtkegel des Taxis durchbrochen wird, außerdem kann ich meine Sinne auf das vor mir Liegende fokussieren. Andererseits hatte ich mir doch schon im Flugzeug erhofft, vom Taxifahrer einiges über die Insel zu erfahren – ist eben nicht. Gegen die Hitze hatte Maximo alle Scheiben heruntergedreht.
Plötzlich spricht er doch zu mir, ich schrecke auf:
>>... afuera hace mucho Calor<<, sagt er unvermittelt in einem Tonfall, als hätten wir uns bis jetzt angeregt unterhalten.
>>Danke für den Hinweis - ist mir noch gar nicht aufgefallen - ich wundere mich schon, weshalb mein Hemd so durchgeschwitzt ist<< antworte ich, er versteht mich nicht, das ist gut so, denn ich veräpple ihn ja, außerdem finde ich es gar nicht so schlimm mit der Wärme. Das Reden über das Wetter scheint international zu sein, jedenfalls, wenn man sonst nichts zu bereden hat, ich tendiere dazu, es dann lieber sein zu lassen, vielleicht bin ich ja ein Stinkstiebel.
Gegen die Müdigkeit singt er laut und falsch den kubanischen Song im Radio mit, trifft nicht einen Ton, mit der linken Hand klopft er den vermuteten Rhythmus auf das Wagendach, trifft nicht ein einziges Mal den Takt, komischer Kubaner, denke ich, sonst haben die doch den Rhythmus im Blut, jedenfalls glaubte ich das immer. Mit der Rechten fährt er sich von Zeit zu Zeit durch das gegelte Haar, für den kurzen Augenblick fährt der Wagen dann führerlos durch die Nacht.
Die Verschlussklappe des Handschuhfachs hängt schief in der Halterung und wird von einer Schnur gehalten, weil anscheinend ein Scharnier fehlt. Auf dem Armaturenbrett, das einen langen Riss aufweist, wie er da reingekommen ist, weiß ich nicht, ein großer Strauß Plastikblumen, der schon durch die Sonneneinstrahlung verblasst ist, die Blumen sollen den Riss kaschieren, ist aber nicht gelungen, darunter das Taxameter mit den Displays „a pagar U.S.Dollar“ und „suplementos U.S.Dollar.“, das aber nicht eingeschaltet ist, denn ich hatte ja einen Voucher. Alles, aber restlos alles klebt, die schwarzen Plastiksitze sind heiß, wie gern würde ich mir jetzt wenigstens einmal die Hände waschen.
Aus dem Seitenfach der Fahrertür ragt eine rote Zahnbürste, die allerdings so aussieht, als ob der Fahrer darauf geschlafen hätte, außerdem kann man die Anzahl der grauen Borsten an einer Hand abzählen, was er mit dieser Zahnbürste machen will, weiß ich nicht.
Bis Varadero sind es etwa 140 Kilometer, eine Strecke, die man normalerweise nicht mit einem Taxi zurücklegt, sondern man fährt mit einem Transferbus, im Jahre 1989 kennt man dieses auf Kuba vielleicht noch nicht, denn der Tourismus ist nur mäßig entwickelt und es kommen hauptsächlich Besucher aus der DDR auf die Insel, ganz wenige Westdeutsche und einige Kanadier.
Während der Fahrt tauchen mehrmals im Scheinwerferlicht einzelne Männer auf, die einfach so am Straßenrand stehen und sofort wieder hinter uns in der Dunkelheit verschwinden, was sie dort machen, ist mir unerklärlich, denn zu sehen gibt es nichts, es ist stockfinster, für einen Abendspaziergang ist es wohl auch etwas zu spät, vielleicht ist ja zuhause das Klo verstopft, denke ich.
Soldaten stoppen uns. Maximo steigt aus, der Unterhal-tung zwischen ihm und den Soldaten kann ich nicht folgen. Die Tür des Taxis wird wortlos geöffnet, was wohl heißen soll: aussteigen! Wegen der Dunkelheit sehe ich nahezu nichts, mir ist ein wenig mulmig, denn wir befinden uns mitten auf einer Landstraße in einem Waldstück, es ist fast zwei Uhr in der Frühe, der Kofferraumdeckel ist geöffnet, ein Soldat nickt in Richtung meines Koffers,
>>Abrir!<<, wieder eine Vokabel mehr, danke dafür. Unter Taschenlampenlicht, neben vier mit Maschinenpistolen bewaffneten Herren in martialischer Uniform, öffne ich das Zahlenschloss meines Koffers, ein Wunder, dass ich meinen Geburtstag unter diesen Bedingungen nicht vergessen habe, gesprochen wird nichts, ich bekomme etwas Angst, selten kommt man als unbescholtener Bürger einer Maschinenpistole so nahe, aber auch wegen der Dunkelheit, manchmal wird mir der Lichtstrahl der Taschenlampe direkt ins Gesicht gehalten, so dass ich geblendet bin. Ich hebe die oberen Schichten des Kofferinhalts an, um zu Beweisen, dass ich weder Drogen, noch pornographisches, noch konterrevolutionäres Waffenmaterial in meinem
Koffer habe.
>>Nur saubre Wäsche, Sir!<<, höre ich mein vorlautes Mundwerk, was diesmal der Mulmigkeit geschuldet ist, ich es mir deshalb auch nicht nachtrage. Hätte man mich im Reisebüro „Tropicana-Touristik“ in Berlin über solche Kontrollen nicht informieren müssen? – vielleicht – zu spät. Jetzt fällt mir die Invasion an der Schweinebucht aus dem Jahre 1961 ein, spätestens seit diesem Ereignis sind die Kubaner paranoid – vielleicht haben sie ja Recht.
Nachdem sich nun meine Harmlosigkeit herausgestellt hat, geht es weiter, viel zu schnell, denn um ein Haar wären wir mit einem anderen Wagen zusammengeprallt, der plötzlich aus der Dunkelheit in einer Kurve am Straßenrand auftaucht, der mittels eines dünnen, völlig verrosteten Wagenhebers aufgebockt ist, zwischen den Hinterrädern ragen zwei Beine hervor, jemand repariert in der nächtlichen Finsternis, hoffentlich nicht das Getriebe, denn dann liegt er wahrscheinlich nächste Woche noch drunter. Warndreieck, Warnlampe – Fehlanzeige.
Eine halbe Stunde später werden wir wieder von Soldaten gestoppt, das gleiche Prozedere noch einmal. Diesmal lasse ich die Schlösser des Koffers geöffnet, bis Varadero ist es immerhin noch fast eine Stunde.
Es riecht sehr merkwürdig, denn man bohrt nachts nach Öl, ein leicht schwefliger Geruch, der mich aber nicht weiter
stört, außerdem wurde darauf hingewiesen. Maximo will auf dem
Weg noch an einer Bar haltmachen, ich lehne ab, denn erstens bin ich müde und zweitens vermute ich dahinter lediglich den Versuch, mir ein paar Dollars aus der Tasche zu locken, kein Taxifahrer der Welt will mit seinem Fahrgast in eine Bar gehen, es sei denn, der Fahrgast ist weiblich. Auf der restlichen Strecke werden wir noch zweimal angehalten, beim letzten Mal brauche ich aber nicht mehr auszusteigen.
Endlich angekommen, ich bin der einzige Gast, jedenfalls in dieser Nacht, werde ich herzlich empfangen. Eine dunkelhäutige Schönheit nimmt meine Daten auf, entvouchert mich, wobei sie immer wieder beim Schreiben zu mir hochschaut und lächelt, als wäre ich ein Alien von einem anderen Planeten mit drei Augen, ein Exot eben. So muss sich Elvis Presley gefühlt haben, als er in Deutschland stationiert war, in Berlin habe ich derartiges noch nie erlebt.
Der Chef persönlich trägt meine Tasche in das Haus, das ich für die drei Wochen gemietet hatte. Ein riesengroßes Haus, mit vier Zimmern, einem großen Entré und zwei großen Terrassen ist meine Unterkunft, vielleicht für die nächsten drei Wochen. Eine kleine Küche, allerdings mit völlig unbrauchbaren Aluminium-Töpfen und Pfannen mit durchgebogenen Böden und krummen Stielen, die vermutlich noch von dem Amerikaner stammen, der dieses Haus vor 1959, also vor der Revolution, sein Eigen nannte. Zum Kochen oder Braten werde ich diese Utensilien jedenfalls bestimmt nicht benutzen, also fällt Kochen und Braten aus. Die Wände sind mit dunklem Holz getäfelt, alle Fußböden sind mit sehr schön gemusterten Bodenfliesen ausgelegt. Eine Treppe führt in den ersten Stock, in dem sich auch mein Schlafzimmer befindet. Leider gibt es keinen Safe, da ich aber alleine hier wohne, stört es mich nicht sehr.
Wie ich später erfahre, ist es in allen Hotels auf Kuba
wie in diesem Hotel, es gibt niemanden, der Englisch spricht,
finde ich aber nicht schlimm, dadurch lerne ich ein bisschen Spanisch.
Nachdem alles gezeigt ist, der Chef das Haus verlassen hat, gehe ich an den Strand, denn das Haus liegt direkt am herrlichen, wie sich später zeigt, menschenleeren Strand, danach endlich schlafen.
* * * *
Gleich nach dem Duschen am nächsten Morgen will ich für mich die Frage klären, wo ich meine rund Eintausend US – Dollars, also rund acht Jahresgehälter eines kubanischen Arbeitnehmers, verstecken sollte, denn einen Safe gibt es ja nicht. Um möglichst wenig Wäsche und T–Shirts mitnehmen zu müssen, hatte ich ein Paket Waschpulver mitgenommen. Da mir nichts Besseres einfällt, wickele ich das Geld in eine Plastiktüte, leere die Waschpulverkiste, lege das Geld hinein und schütte das Waschpulver wieder drauf. Dass dieses Versteck das unsinnigste Versteck ist, das man sich vorstellen kann, jedenfalls auf Kuba, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, denn neben Papier, insbesondere Klopapier, ist wohl Waschpulver das knappste Gut auf Kuba. Sollte jemand versucht sein, sich eine kleinere Menge dieses knappen Gutes Waschpulver aus meiner Kiste abzwacken zu wollen, muss er unweigerlich auf das Geld stoßen.
Das erste Frühstück an diesem Morgen ist kaum zu toppen. In Deutschland kennen wir Weißbrot, das ist einmal gebacken, Zwieback, der Name verrät es, weil zweimal gebacken, etwas fester und trockener, die Kubaner kennen Trieback, ja sogar Vierback!! Man lernt wirklich nicht aus! In Wasserschüsseln schwimmende Butterstücke, etwas Käse unbekannter Provenienz, Emmentaler ist es jedenfalls nicht und eine Wurst, die ich mir wirklich nicht antun will, denn ein Durchfall schon am
ersten Tag hätte den Urlaub etwas unangenehmer gestaltet. Viele Früchte und Säfte entschädigen.
Zwischen den Tischen laufen merkwürdige, völlig abgemagerte Katzen – ich bin nicht einmal sicher, dass es überhaupt welche sind - mit sehr langen, dünnen Beinen, sehr schlankem Körper und extrem kleinem Kopf herum, außerdem ist ihr Blick angsteinflößend, ihr Fell sehr ungepflegt, wirklich bemitleidenswerte Kreaturen, jedenfalls gar nicht sofort als Katzen zu erkennen und suchen nach Nahrung. Hoffentlich berührt mich keine, denn so wie diese Tiere aussehen, fürchte ich, könnte ich mich mit einer Krankheit infizieren. Ich kleckse etwas Butter auf die Erde, sofort kommt eine der Katzen und schleckt es begierig auf. Dieses wiederhole ich mehrmals, essen wollte ich das sowieso nicht, allerdings bringt es mir böse Blicke der Bediensteten ein und am nächsten Tag das gleiche Frühstück wie heute, aber ohne Butter.
>>Mañana temprano hay mantequilla de nuevo!<<, also Butter gibt’s morgen früh wieder – vielleicht, den Wink mit dem Zaunpfahl: Der füttert die Katzen durch und wir haben nichts zu essen, habe ich verstanden.
Erst einmal die Halbinsel Varadero erkunden. Die Halbinsel ist etwa 22 Kilometer lang und vielleicht 700 Meter breit. „Vara“ heißt zu Deutsch Knüppel oder Stange, meine Vermutung ist: Wegen der Form der Halbinsel hat man daraus Varadero gemacht, was aber im Spanischen laut Wörterbuch eine andere Bedeutung hat. Die Avenida 1-era verläuft nahezu entlang der ganzen Halbinsel, manchmal teilt sie sich in Avenida 1-era und Avenida Playa, die direkt am Strand verläuft. Auf dem Weg werde ich mindestens zehnmal gefragt,
>>Puros, Tabaco, Havanna Club?<<, ob ich Zigarren oder Rum kaufen möchte,
>>No gracias.<<, obwohl ich Zigarren rauche, vielleicht später, denn ich las irgendwo, dass man die meisten Fehler während einer Reise am Tag der Ankunft begeht.
Das erste motorisierte Fahrzeug, das mir entgegen kommt, ist ein gelber Schulbus, vermutlich aus kanadischer Produktion, an den jemand mit Farbe und Pinsel handschriftlich „U.S.A. – Cuba Friendshipment“ geschrieben hatte, an einigen Stellen war die Farbe heruntergelaufen. Ich bin ein wenig irritiert, denn ich glaubte, die U.S.A. seien für die Kubaner der Lieblingsfeind, scheint wohl falsch zu sein.
>>Hola, muy elegante!<<, werde ich von einem schwarzen Mädchen angesprochen, die mich gleich als Tourist erkennt, denn ich trage einen leichten, hellen Sommeranzug, was für die Verhältnisse hier deutlich overdressed ist, falsche Planung von Berlin aus, denke ich, sie macht dabei einen übertrieben tiefen Diener, tut so, als ob sie einen nicht vorhan-denen Hut abnimmt, lacht und zeigt dabei ihre Perlenkette von Zähnen, wäre sie vierzig Jahre älter, hätte ich sie gefragt, was die wohl gekostet haben, in Deutschland wären solche bestimmt verdammt teuer. Den Anzug werde ich gleich morgen für den Rest der Reise im Koffer verstauen.
Auffallend für mich, aber auch beeindruckend, sind die politischen Sprüche und Durchhalteparolen wie: „Es siempre 26“, was sich auf den kubanischen Nationalfeiertag bezieht, gemeint ist der 26. Juli 1953, nach kubanischem Verständnis begann an diesem Tag die Revolution, denn Castro und seine Anhänger wollten in Santiago de Cuba die Moncada-Kaserne stürmen, um Waffen zu erbeuten. Es ist immer der 26. soll bedeuten: Es ist jeden Tag Revolutionsbeginn, die Revolution ist permanent.
Da wir das Jahr 1989 schreiben, werde ich auf einem Bau- zaun darauf hingewiesen, dass vor genau dreißig Jahren die Revolution stattfand „treinta años de la Revolucion“.
An einem Gebäude ist ein Teil einer Rede Fidel Castros mit Ölfarbe angeschrieben, daneben das Bild mit dem Oberkörper und Kopf Castros, der vor einer kubanischen Fahne vor blauem Himmel steht. Diese Sätze haben mich wirklich beeindruckt, denn sie zeigen, wie treffsicher Castro seinem Volk seine Ideen vermittelt, Sätze, die jedem Kubaner, ob in der Zuckerrohrernte arbeitend oder als Physikprofessor, verständlich sind:
„Esta Bandera, este Cielo y esta Tierra la Defenderemos al Precio que sea necesario.“
„Diese Fahne, diesen Himmel und diese Erde müssen wir um jeden Preis verteidigen“.
Ich muss zugeben, wenn ich derartiges in einer Zeitung oder im Fernsehen sehe, wirkt es nicht annähernd so auf mich, wie in der Realität, wenn ich vor einem derartigen Plakat oder einem an die Hauswand gemalten Spruch stehe.
Während meines Studiums in Berlin wurde ich von den kommunistischen Gruppen, den K-Gruppen, wie wir sie nannten, in der Mensa mit Sprüchen und „Anweisungen“, wie wir uns zu verhalten haben, auf Flugblättern regelrecht zugemüllt, manchmal waren die Tische fingerdick damit belegt, man stumpfte ab dagegen, Castros Sprüche sind wirkungsvoller.
Nachdem ich mir das zweite Mal den Kopf an einem viel zu tief
hängenden Ast eines Baumes gestoßen habe und mindestens drei
mal über hochstehende Gehwegplatten aus gegossenem Beton gestolpert bin, barfuß und in Sandalen ist das schmerzhaft, wird mir die Sinnhaftigkeit der Deutschen DIN-Norm klar, nach der selbst Treppenstufen und Gehwegplatten genormt sind, mir kommt der Gedanke: So etwas fehlt hier, ein Gedanke, der so schnell schwindet, wie der Schmerz aus Kopf und Zeh.
Es gibt viele kleine Strandrestaurants und Bars, auch alte, immer noch von Privatpersonen bewohnte Holzhäuser, sicherlich von U.S. Amerikanern gebaut, die eingefallene Dächer und völlig vergraute Holz-Klinker haben, weil diese mindestens 30 Jahre nicht mehr gestrichen wurden.
Bei einem Kaffee erzählt der Barkeeper, dass Kubaner ihren Urlaub auf der Varadero verbringen sowie an Wochenenden die Kubaner, die auf Varadero leben, mit ihren Familien an den Strand zum Baden gehen, dann hat man den Strand nicht mehr für sich allein... Dafür hat man aber mehr Kontakt zu den Menschen, denke ich.
Seit einer Stunde habe ich einen kleinen Begleiter, einen völlig verwahrlosten Hund. Mit seinem nicht mehr ganz vollständigen Fell sieht er aus wie eine junge Hyäne, eine Promenadenmischung, der mir folgt und immer dann, wenn ich irgendwo stehen bleibe, um zu gucken, hält auch er an und wartet aus einer sich stetig verringernden Distanz, bis es weitergeht – wie schlau dieser kleine braune Mistkerl ist, gucke ich zu ihm hin, guckt er ostentativ in eine andere Richtung, mit einem Blick, den ich natürlich nur reininterpretiere, der zu sagen scheint: Was will der von mir? Irgendwann sitze ich in einem Restaurant, er liegt neben mir auf der Erde. Ich bin kein Hundefreund, aber dieser hat an mir einen Narren gefressen, aber nicht deshalb tut er mir leid, sondern wegen seines Zustands. Dieser Bursche hat noch nie eine Leine gesehen. Ich überlege, ob ich ihm einen Namen geben sollte, verwerfe den Gedanken sehr schnell wieder, denn wenn ich Kontakt zu ihm aufnehme, werde ich ihn gar nicht mehr los, später fordert er dann regelmäßig Nahrung ein oder will mit ins Haus.
Weiter geht es, an vielen amerikanischen Straßenkreuzern vorbei, Gruppen Jugendlicher stehen herum und albern herum und hören amerikanische Musik, sie werfen Blicke über die Straße zu mir, weil sie mich als Neuankömmling erkannt haben, bis ich plötzlich vor einem alten, aber sehr gepflegten typisch amerikanischen Südstaatenhaus mit großer Terrasse und Holzgeländern stehe, fast ahnt man es: Ein Museum. Einen Dollar Eintrittsgeld wollen die beiden Frauen am Eingang dieses Museums haben, ich entrichte den Dollar, eine der beiden Frauen reißt ein Eintrittsticket von einer großen Rolle ab, einer Rolle, die bei dem Besucherandrang wahrscheinlich bis ins nächste Jahrtausend reicht, gibt es mir freundlich lächelnd, ich gebe das Ticket der anderen Frau, die es durch Zerreißen entwertet, was mich zu der vorlauten Bemerkung veranlasst:
>>Ja, es muss ja alles seine Ordnung haben ...<<, was sie nicht verstehen, aber deshalb habe ich auch das Wort „sozialistische“ weggelassen, denn das hätten sie verstanden. Ordnungsgemäß bekomme ich das nun wertlose Kärtchen ausgehändigt, ich entsorge es in der extra für diesen Zweck bereitstehenden kleinen Mülltonne, die, am Aufdruck „... helado“ zu sehen, das erste Wort ist nicht mehr zu erkennen, ursprünglich als Behältnis für Speiseeis diente und ich bin etwa eine Stunde lang der einzige Besucher, vielleicht der einzige Besucher am heutigen Tag.
Auf einer Treppe im zweiten Stock sitzt oder eher kauert eine junge Bedienstete in vorschriftsmäßiger Uniform, nicht zu ergründen, was sie denkt, sie hat die Augen auf unendlich gestellt, sie scheint mich gar nicht zu registrieren. Ihre Bluse weist mehrere Flecken auf, für welche Besucher sollte sie sich auch schön machen? Sie hat ein interessantes und hübsches Gesicht und einen traurigen hoffnungslosen Blick. Ich spreche sie an, fast schreckt sie ein wenig aus ihrer Lethargie auf, erhebt sich und zeigt Bereitschaft, sich meinen Fragen zu stellen. Um mit ihr ins Gespräch zu kommen, bitte ich sie darum, mir die ausgestellten Gegenstände zu erklären. Mein mäßiges Spanisch ermöglicht ein leidlich flüssiges Gespräch zu führen. Sie gefällt mir irgendwie mit ihren schulterlangen schwarzen Locken, deshalb werde ich, obwohl es mir viele nicht zutrauen, charmant, oft hilft das, womit ich ihr für einen kurzen Augenblick eine Art Lächeln ins Gesicht bringe, bestimmt seit Jahren das erste Mal, das macht mich sogar ein wenig stolz und selbstbewusster, obwohl es ein Lächeln ist, das fast demütig oder sogar ängstlich zu sein scheint.
Das Interessanteste in diesem Museum ist die
Sportvitrine im zweiten Stock, eigentlich hatte mich das andere gar nicht interessiert, Tortugas an den Wänden oder Fischernetze und komische Muscheln, das war läppisch. Da ich selber früher Leichtathletik auf gutem Niveau betrieb - ich lief lange Strecken - drücke ich mir die Nase an der Vitrine platt, in der die Goldmedaille und die Boxhandschuhe von Teófilo Stevenson liegen, dem einzigen Schwergewichtsboxer, dem man Chancen gegen Muhamad Ali nachsagte, wenn er ins Profilager gewechselt hätte, was er aber nicht wollte, um der Wahrheit die Ehre zu geben, was Fidel Castro nicht wollte. Stevenson sprach von der Liebe seines Volkes, die ihm wichtiger sei als die Millionen, die er verdienen könnte, er hatte insgesamt drei Goldmedaillen bei Olympischen Spielen gewonnen. Außerdem liegen die Goldmedaille von Juantorena von 1976, die er im 800m–Lauf errungen hatte sowie seine blauen Adidas-Spikes, in Spreekahngröße, aus. Es wundert mich ein wenig, dass man die wirklichen Helden des Landes hier in einem winzigen Museum neben irgendwelchen Muscheln und Schildkröten oder Fotos von Fischern oder anderen Personen ausstellt. Ich schließe daraus, dass, wenn der Sieg für das Land und für den Beweis für die Leistungsfähigkeit des Systems errungen, die Nationalhymne durch und die Feiern beendet sind, niemand mehr interessiert ist. Vielleicht irre ich mich, außerdem ist das bei uns kaum anders.
Nachdem ich mich sattgesehen habe, spreche ich noch einmal mit der Museumsdienerin, die schon wieder ihre zusammengekauerte Position auf der Treppe eingenommen hat, noch einmal kann ich ihr dieses Lächeln ins Gesicht zaubern, deshalb werde ich mutiger und kann ihr ein >>Si<< für eine Einladung zum Essen im „Restaurante Baracoa“, das sie vorschlägt, einem Fischrestaurant und ihren Vornamen, Jolante, entlocken.
>>Mañana a la una<< ist unsere Verabredung. Da viele Kubaner die Uhr nicht lesen können, so las ich es kürzlich in einem Buch, auch deshalb, platt wie wahr, weil sie keine haben, was eine Erklärung für Unpünktlichkeit sein könnte, schenke ich ihr meine zeigerlose Digitaluhr, die sie fast regungs- und wortlos hinnimmt und hoffe damit, die Wahrscheinlichkeit ihres Erscheinens zu erhöhen. Zugegeben, meine Phantasie geht schon weiter ...
Amnächsten Tag ist Jolante nicht da, ich warte eine Stunde auf dem Rinnstein sitzend vor dem Restaurant, vor mir eine Kokosnuss, die auf der Straße herumrollt, mit der ich mir die Zeit vertreibe und gehe dann alleine zum Essen rein. Im Baracoa bin ich der einzige Gast. Ich entscheide mich für Calamaris in Tomatensoße auf Reis. Das Essen steht vor mir, vier Herren neben mir am Tisch, jeder mit einem Musikinstrument „bewaffnet“, eine Gitarre, eine zweite, sparsam besaitete Gitarre, Glockenspiel und Bongos, bereit, mir das Essen so angenehm wie möglich zu gestalten. Der erste Song heißt