Secondhand Toyfriend - darkviktory - E-Book

Secondhand Toyfriend E-Book

darkviktory

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Beschreibung

Liebeskomödie und Must-Read für alle Fans von darkviktory und Kostas Kind Wenn der 17-jährige Damian ganz ehrlich zu sich ist, macht seine Beziehung ihn nur so semi-glücklich. Vor allem seit Freundin Emma Druck macht, weil sie endlich mit ihm schlafen möchte. Das Problem ist nur, körperlich fühlt er sich so gar nicht zu ihr hingezogen. Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn er an Jungs denkt. Aber ist er wirklich schwul? Und wie soll er das herausfinden, ohne Emma zu betrügen? Ein Sextoy muss her – am besten anonym verpackt, damit seine Mutter nichts davon mitbekommt. Doch als er auf ein Kleinanzeigen-Inserat antwortet, das der gleichaltrige Emil eigentlich nur als Scherz eingestellt hat, entspinnt sich zwischen den beiden schon bald ein Chat, der alles verändern wird … Authentisch, einfühlsam und mit viel Humor erzählen SPIEGEL-Bestsellerautor Marik Roeder alias darkviktory und Kostas Kind, Content Creator und Aktivist, eine Geschichte von der Suche nach der eigenen Sexualität und den Hürden eines Coming-Outs.

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Seitenzahl: 261

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TOYFRIEND
SECONDHAND
DARKVIKTORY & KOSTAS KIND
Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen
Darstellungen des vom Verlag freigegeben Textes kommen.
Dieses E-Book ist urheberrechtlich geschützt.
Das Hörbuch zum Buch, gelesen von darkviktory und Kostas Kind,
ist im Argon Verlag, Berlin, erschienen und im Buchhandel erhältlich.
Erschienen bei FISCHER E-Books
© 2024 Fischer Kinder- und Jugendbuch Verlag GmbH,
Hedderichstraße 114, D-60596 Frankfurt am Main
Die Nutzung unserer Werke für Text- und Data-Mining im Sinne von
§ 44b UrhG behalten wir uns explizit vor.
Covergestaltung: darkviktory
unter Mitarbeit von Dahlhaus & Blommel Media Design, Vreden
Coverillustration: darkviktory
Illustrationen: darkviktory
Satz: Christina Hucke
E-Book-Produktion: rombach digitale manufaktur, Freiburg
ISBN 978-3-7336-0633-6
Für meine Mutter und meine Großeltern:
Danke, dass ich durch eure Liebe, Akzeptanz
und Unterstützung zu dem werden konnte,
der ich heute bin
Für Ivy:
Danke, dass du jeden Tag schöner machst 🐾
Für Mara und Heide:
Danke für eure Zeit, euer Feedback
und den festen Glauben an uns
Für alle queeren Kids da draußen,
die sich in Damian und Emil wiedererkennen:
Don’t let the system get you down!
~Kostas
Prolog
»Okay, ich glaub, ich hab’s!« Ich grinse breit, während er stirn-
runzelnd das Angebot auf meinem MacBook überfliegt.
»Und du meinst echt, so was kauft irgendwer … auf Kleinan-
zeigen?«
»Also auf eBay hat schon mal wer die rausgelutschten Hasel-
nüsse aus ’ner Ritter Sport angeboten!«
»Anbieten heißt nicht verkaufen. Das sind zwei völlig ver-
schiedene Dinge!«
»Gelutschte Nüsse und das da?« Ich deute auf den Bild-
schirm. »Nicht wirklich so verschiedene Dinge.«
Ein lautes Lachen platzt aus ihm heraus, und ich weiß, er
ist genauso nervös wie ich: »Und warum dann nicht gleich ’ne
eBay-Auktion, sondern ’ne Kleinanzeige?«
»Da muss man sich persönlich melden. Und geht’s nicht
genau darum?«
Als ich ihn daran erinnere, warum wir das Ganze machen,
grinst auch er: »Du hast recht! Mal sehen, wer so notgeil ist und
da anbeißt!«
Er zieht das MacBook an sich und klickt auf Veröffentlichen.
Ein kurzer Schauer läuft mir über den Rücken, und mir wird
leicht übel. Ob vor positiver Aufregung oder Angst? Kein Plan.
Was ich aber weiß: Jetzt gibt es kein Zurück!
Prolog | 7
Kapitel 01: Damian
Ich mach’s.
Heute ist es so weit.
Heute, Dienstag, den 16. April, um 17 .00 Uhr bei leicht be-
wölktem Himmel und 15 Grad Außentemperatur. Das sind die
Informationen, die mir Alexa vorbetet. »Du hast einen Termin
um 17 . 15 Uhr: D. bestellen. Wenn du dich heute nicht traust,
hast du’s endgültig verkackt«, fügt sie in ihrer monotonen
Stimmlage hinzu.
»Jaha …«, antworte ich der emotionslosen Plastikkugel leise.
»Leichter gesagt als getan.«
Ich habe mir extra einen Alarm gestellt, um sicherzugehen,
dass ich auch ja nicht kneife. Dann hast du’s endgültig verkackt.
Der Motivationsspruch am Ende, wenn man ihn denn so nen-
nen will, klingt vielleicht ein bisschen dramatisch, aber leider
ist er wahr. Wenn das alles noch rechtzeitig klappen soll, muss
ich den Artikel heute bestellen. »Oh Mann, was ’ne Scheiße!«
Nervös fahre ich mir mit beiden Händen durch die kurzen, di-
cken Haare und merke, wie sich einzelne Schweißperlen auf
meiner Stirn abzeichnen.
Warum ist es hier drinnen plötzlich so heiß?
Ein flüchtiger Blick aufs Handy bestätigt mir, dass sich die
Temperatur in den letzten zwei Minuten nicht verändert hat,
und trotzdem reiße ich mir mit einem Ruck mein schwarzes
Shirt über den Kopf und schmeiße es gedankenlos in die Ecke.
Besser.
Dann tapse ich hibbelig zum großen Dachfenster in meinem
Zimmer, öffne es weit und stütze mich mit beiden Unterarmen
gegen den Rahmen. Die frische Luft tut gut und beruhigt mei-
nen Puls. Zumindest ein wenig.
Ich sollte das Shirt lieber gleich wegräumen.
8 | Damian
Damian, du bist bald erwachsen! Ist es zu viel verlangt, da ein
bisschen Ordnung zu halten?
Ich höre schon die nörgelige Stimme meiner Mutter im Kopf
und merke, wie ich das Gesicht verziehe. Genau, Mum, ich werd
bald 18. Alt genug, um so was selbst zu entscheiden. Und alt genug,
dass du meine Post in Ruhe lässt.
Ich runzle die Stirn und lasse meinen Blick zum leeren ONE
VOICE-Deluxe-Schuber schweifen, den ich extra für mein
geheimes Vorhaben vorbereitet habe. Trotz des kalten Wind-
zugs schwitzen meine Hände wie verrückt: Wieso zur Hölle
bin ich dermaßen aufgeregt? Mein Plan ist doch gut. Ich hab
den echt sorgfältig ausgearbeitet: Wenn der Artikel in dem
Schuber ankommt, wird Mum, selbst wenn sie das Paket öff-
net, denken, dass ich nur wieder irgendeinen Anime-Müll be-
stellt habe, und den wahren Inhalt übersehen, oder? Ich mu-
stere die gold-schwarze Box: Die ist eigentlich viel zu limitiert
für so ’ne blöde Aktion. Aber leider habe ich keine andere, die
groß genug ist.
Wieso muss die Post nur so unzuverlässig sein? Garantierte
Lieferung, kommt ganz bestimmt zum ausgewählten Zeitpunkt
an. Ehrenwort. Ja, ja, my ass. Würde das alles ’n bisschen besser
klappen, könnte ich die Zustellung einfach auf einen Nach-
mittag timen, an dem Mum länger in der Schule ist als ich, und
das Ding wäre safe. Dann könnte ich mir den ganzen Aufriss
hier sparen. Aber das Risiko, dass sie davon Wind bekommt
und ich ihr erklären muss, warum ich SO WAS bestelle, ist mir
definitiv zu groß. Allein bei dem Gedanken daran läuft es mir
kalt den Rücken runter. Und als Lehrersohn kann man in einer
Kleinstadt wie Uferstedt leider auch nicht mal eben in ’nen
Laden gehen und sich so ’n Teil kaufen. Okay, zugegeben: Keine
Ahnung, ob ich mich das trauen würde … Aber die Möglichkeit
fällt eh weg, weil gefühlt jeder meine Mutter kennt und das mit
Damian | 9
Sicherheit zu ihr durchsickern würde. »Ey, hast du schon mit-
bekommen, was der Sohn von Frau Thoma sich gekauft hat?«,
»Frau Thoma, ich hab letztens Ihren Sohn gesehen, da kam er
aus einem Laden für … « Ne, ne, ne. Lieber nicht. Und wen an-
ders anheuern? Das kommt bei so einer Sache nicht in Frage.
Wäre schon echt hart unangenehm.
»Tja, dir bleibt wohl nichts anderes übrig«, murmele ich
vor mich hin, » ’nen besseren Plan hast du eh nicht, also … «
Von meiner eigenen Unsicherheit genervt, schnappe ich mir
kurzerhand meinen Laptop, öffne den Browser und klicke auf
meine Lesezeichen. Das ist es. Das Angebot von Kleinanzeigen,
das ich vor einigen Tagen gespeichert habe. »Puh …«, mit zitt-
rigen Fingern bewege ich die Maus, um den Link zu öffnen …
PLING
Mein Handy vibriert. Eine neue Nachricht von meiner klei-
nen Schwester. Huh? Was will die denn jetzt?
VIVI
Dami, was machst du gerade?
Das werde ich ihr wohl kaum erzählen. Ich würde ihre Nach-
richt am liebsten ignorieren, aber so, wie ich sie kenne, wird
das eh nicht funktionieren.
10 | Damian
PLING PLING PLING PLING
VIVI
Kann ich kurz rüberkommen?
Brauche deine Hilfe 🥺 Geht auch ganz
schnell
Bitte
Bitte, bitte
Genervt verdrehe ich die Augen. Love your timing, Vivi.
»Hey, passt grad nicht. Später, okay?« Ich beginne, eine Ant-
wort zu tippen, doch ehe ich die Nachricht abschicken kann,
wird meine Tür aufgerissen, und Vivi stürmt herein.
»Hey, klar, komm doch rein …«, schnaube ich.
»Dami, kannst du mir kurz … Oh, bist du dabei, den Dildo
zu bestellen? Machst du’s jetzt doch?« Ihr Ton wird schlagartig
euphorisch.
W-Was hat sie gerade gesagt?! Verdutzt schaue ich sie an.
»What the … Nein?!«, hastig springe ich auf, um die Tür hinter
ihr zu schließen. »Und brüll nicht so, du blöde Kuh! Kein Bock,
dass Mama dich hört!«
»Ups, hast recht!«, fügt sie jetzt, deutlich leiser, hinzu.
»Sorry … «
Auf dem Rückweg zu meinem Schreibtisch schnappe ich mir
mein T-Shirt und ziehe es wieder über.
Damian | 11
»Vielleicht solltest du damit etwas vorsichtiger sein.« Als
wollte sie mich provozieren, deutet sie mit einem Finger auf
meinen Laptop, auf dem das Kleinanzeigenangebot noch
immer geöffnet ist.
»Dünnes Eis, Fräulein«, brumme ich, worauf sie nur mit
einem Schulterzucken reagiert. »Außerdem, Bullshit! Du
konntest den Bildschirm überhaupt nicht sehen, als du rein-
gekommen bist.« Trotzdem klappe ich ihn so weit runter, bis
er sich abdunkelt, bevor ich mich auf mein Bett hocke. »Also,
woher wusstest du’s?«
»Meine Tarotkarten haben es mir verraten.«
»Mhm, wahrscheinlich«, ich ziehe die Augenbrauen hoch.
»Hau raus jetzt.«
»Ist ja gut«, sie hält mein iPad, das sie sich immer zum
Zeichnen krallt, fest an sich gepresst. »Die Erinnerung, die du
dir für heute gespeichert hast, ist auch hier drauf aufgepoppt.
Und ein kurzer Blick in deinen Suchverlauf hat dich endgültig
auffliegen lassen.«
Oh mein Gott, ich raste aus. Das ist der fucking Nach-
teil daran, wenn man auf mehreren Geräten angemeldet ist.
E-Mails, Benachrichtigungen und Fotos landen überall gleich-
zeitig.
»Warum willst du das Ding überhaupt haben? Würdest du’s
gern mal mit ’nem Typen machen oder wie?«
Oh Mann, ey … Was weiß ich denn?
»Ich frag mich halt einfach, was daran so krass gut sein soll.«
Sie ist dreizehn und steht aktuell total auf Boys Love. An-
strengende Kombination. Aber vielleicht kriege ich sie so auf
meine Seite.
Vivi schaut mich skeptisch an, zischt dann aber: »Hmm, na
gut!«
»Du darfst aber keinem davon erzählen, klar? Keinem!«
12 | Damian
»Ja, ja. Manche Jungs spielen gern Xbox, du bist halt anders.
Ist ja deine Sache, womit du spielst.«
Ein flüchtiger Blick zu meiner Switch. Pff, anders? Was soll
das überhaupt heißen? Egal. Ich beiße mir auf die Zunge: Das
war knapp. Aber ehrlich gesagt würde es mich auch wundern,
wenn Vivi nicht dichthalten würde, denn obwohl sie mir oft
auf die Nerven geht, verstehen wir uns echt gut. Trotzdem, es
wird Zeit, dass ich mich auf dem iPad abmelde.
»Was wolltest du denn?«, schnaubend versuche ich, das
Thema in eine andere Richtung zu lenken. »Oder hast du nur
’nen Vorwand gesucht, um mir auf die Eier zu gehen?«
»Diesmal nicht.« Vivi schmeißt sich genüsslich in meinen
Sitzsack und richtet den Apple Pen wie einen Zauberstab auf
mich. »Ich bräuchte dich mal wieder als Model. Du weißt ja,
am lebenden Objekt lernt man am besten.«
Jetzt?
Mein Blick schweift zu meinem Laptop, dann zurück zu ihr.
Augen zu und durch? Vielleicht ist das die schnellste Möglich-
keit, sie loszuwerden.
»Ach, und weg mit dem T-Shirt!«
»Was?«
»Ich muss deine Muckis sehen! Dann ist deine Trainingszeit
wenigstens nicht nur in deinen Körper, sondern auch in die
bildenden Künste investiert.«
Manchmal wünschte ich mir echt, sie wäre nicht erst mit
acht Jahren zu uns gekommen. Als leibliche Schwester würde
sie sich sicher mehr vor mir ekeln.
»Okay, vergiss es.«
»Wieso? Der blöde Dildo läuft dir doch nicht weg!«
Diese Dreistigkeit, ich kann’s nicht fassen. Mit einem Ruck
springe ich auf, greife mit beiden Armen um Vivis Oberkör-
per, hebe sie wie einen Gabelstapler aus meinem Sitzsack he-
Damian | 13
raus und trage sie zur Tür. Sie ist relativ klein geraten, gerade
so ein Meter fünfzig, würde ich schätzen. Ich dagegen bin fast
anderthalb Köpfe größer als sie, weswegen es mir mit Leich-
tigkeit gelingt, sie aus dem Zimmer zu schieben. »Wir sehen
uns beim Abendbrot.«
»Jaha, du musst mich ja nicht gleich … «
Ich lasse sie ihren Satz gar nicht erst zu Ende sprechen, da
haue ich ihr schon die Tür vors Gesicht.
Was eine Nervensäge.
* * *
Mit einer Hand krame ich hastig meine Kopfhörer aus der
Schultasche und stopfe das Kabel in mein wirklich altes Handy.
»Komm, jetzt nicht rumspacken«, drohe ich dem Schrottteil,
als würde es einen Unterschied machen. Ich habe Glück, die
Verbindung steht sofort, und die Musik ballert auf mein Ge-
hör ein.
Ich muss mich jetzt wirklich ranhalten. Es ist schon fast
18 Uhr. Wenn ich den blöden Dildo heute nicht bestelle,
kommt er vielleicht nicht mehr rechtzeitig vor dem Kurztrip
mit Emma an, und bis dahin brauche ich unbedingt eine Ant-
wort. Das Positive an dem Zeitdruck ist, dass er die Nervosität
im Zaum hält. Ich habe keine Lust mehr, mir den Kopf über
dieses Thema zu zerbrechen. Ich will es einfach ausprobieren,
ohne dass Mum ein Theater macht oder ich mit Emma darüber
reden muss. Los jetzt, Damian.
Ich klicke auf Nachricht schreiben.
Über die Mail an den Verkäufer habe ich mir die letzten Tage
dauernd den Kopf zerbrochen. Wie macht man so was bitte,
ohne dass es sich super weird anfühlt?
14 | Damian
Hey hey,
das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber
könnten Sie mir den Artikel in einer speziellen Box nach
Wunsch zukommen lassen? Es wäre gut, wenn das Ganze
unbemerkt an meiner Mum vorbeigehen würde, weil … Ach,
das muss ich, glaube ich, nicht erklären, oder? Haha, oh
Mann … Fühle mich dumm! 🤪
Ich bin mir unsicher, ob der letzte Satz awkward rüberkommt,
aber das ganze Szenario ist einfach so seltsam, dass ich dachte,
ich könnte die Stimmung damit bestimmt ein bisschen auf-
lockern.
Der Preis passt, und ich übernehme gerne die Versand-
kosten. Sie retten mir wortwörtlich den Arsch und ersparen
mir eine anstrengende Diskussion!
Falls Sie noch Fragen haben, können Sie mich entweder
hier oder unter dieser E-Mail-Adresse erreichen:
Ich würde mich über eine zeitnahe Antwort freuen. Es ist
dringend.
Ich atme ein letztes Mal tief ein und klicke dann überraschend
entschlossen auf Senden.
Damian | 15
Kapitel 02: Emil
»Ich bin echt enttäuscht, Leute«, raunt die verbrauchte
Männerstimme unseres Trainers, »aber mit dieser Kondition
auch kein Wunder. Platz 5 beim Hallenturnier? Das ist doch
scheiße!«
Na ja, finde ich jetzt nicht. Fünfter von acht ist schon mal
nicht Letzter. Ich schaue in die Gesichter meiner Jungs, und
heute scheinen die Worte des Trainers sie nicht so sehr zu tref-
fen wie sonst.
Zufrieden grinse ich in mich hinein. Das ist mein Verdienst.
Die Luft knistert vor Erwartung, und unruhig rollen einige
ihren Trainingsball zwischen den Füßen hin und her, während
wir alle auf dem Boden sitzen.
Ein Ellenbogen in meiner Seite. »Bist du bereit?«, flüstert
Ben, unser Torwart, aufgeregt.
Ich nicke nur, und er kann kaum an sich halten. Es ist lus-
tig, denn vor einem Jahr haben sie mich noch belächelt. Der
Neue. Das Stadtkind. Heute zweifelt keiner mehr daran, dass
ich die Aktion durchziehe. Immer wieder schaue ich unauf-
fällig am Trainer vorbei, auf die Anzeigetafel hinter ihm, dann
in Richtung Mattenraum. Noch eine Minute. Ich bin wohl nicht
der Einzige, denn der Coach bellt: »Hört ihr mir überhaupt zu,
ihr Flaschen?«
Gackernde Mädchenstimmen ertönen auf der anderen
Seite des Trennvorhangs, und plötzlich breitet sich ein selbst-
gefälliges Grinsen auf seinem Gesicht aus. Darum hat er uns die
erste halbe Stunde nur dribbeln und Pässe spielen lassen. Weil
wir da noch allein in der Sporthalle waren. Und jetzt, wo die
Mädchen in Hörweite warten, dass die Tanz-AG losgeht, kann
er uns schön zusammenfalten. Vermutlich verspricht er sich
gekränkten Männerstolz, der uns anspornen soll. Mann, hat
16 | Emil
der Schwein, dass man als Fußballtrainer keinen Pädagogen-
schein braucht.
»30 Sekunden!«, zischt irgendwer hinter mir. Ich fische mein
Handy aus der Sporthose und gleiche die Zeit ab. Da ploppt
eine Notification auf:
Eine neue E-Mail.
Von Kleinanzeigen?
Hä?
Plötzlich reißt mich mein eigener Name in der Predigt des
Trainers aus meinen Gedanken.
»… sollten wir Emil, unserem Torschützen, danken. Vier Tore
vom Blonden Blitz. Das sind doppelt so viele wie von unserem
Mannschaftskapitän.«
Ein Schnauben hinter mir. Ich kann mir denken, von wem.
Ich lache verlegen, aber der Alte hört einfach nicht auf zu reden.
»Als er mit 16 zu uns gekommen ist, war er mickrig und un-
erfahren.«
Entschuldigung? Ich war Läufer im Leichtathletikverein in
Berlin. Okay, Fußball hat mich nicht gejuckt, aber in shape war
ich schon vorher.
»Aber Emil hat sich bis an die Spitze gekickt, und das obwohl
er … na ja, ein bisschen anders ist als die anderen Jungs.«
Im Augenwinkel sehe ich Ben verschmitzt lachen. »Ein ganz
besonderer Junge«, flüstert er, und ich höre unterdrücktes Ki-
chern.
Ich verdrehe die Augen und grinse. »Ach komm, halt’s Maul.«
»Wenn jemand wie er es heute im Fußball schafft«, tönt der
Coach, »was sind dann eure Entschuldigungen, hä?«
Emil | 17
Beim nächsten Blick auf die Uhr flutet Erleichterung mei-
nen Körper. Es ist endlich so weit: 18 Uhr auf die Sekunde, und
wie jeden Dienstag ertönt genau in diesem Moment die laute
Musik nebenan. Aber die Mädchen jubeln aufgeregt, denn es
ist nicht die übliche Pop-Playlist, zu der sie sich sonst immer
aufwärmen. Aggressive Lyrics und Hip-Hop-Beats ballern in
voller Lautstärke durch die Halle. Der Coach im rot-weißen
Trainingsanzug weiß gar nicht, wie ihm geschieht, als plötzlich
alle Jungs aufspringen und sich im Tumult der Trennvorhang
hebt. Während sich einige auf den Boden werfen, um unten
durchzuschauen, tanzen andere mit kreisenden Hüften und
dämlichen Moves vor der Barriere, die Stück für Stück höher
fährt, bis sie nichts mehr trennt.
Jetzt bin ich dran. Übers Handy schalte ich alle Funksteck-
dosen, die ich vor dem Training in der Halle verteilt habe, auf
ON. In jeder steckt ein offenes, nasses Kabel. Klingt gefähr-
lich, ist es aber nicht, denn mit einem Knall fliegen die Siche-
rungen raus, und der Strom ist weg. Dunkelheit. Kreischende
Mädchen und grölende Jungs, aber auch die Musik ist ver-
stummt.
Verdammt. Das war anders geplant. Ich dachte, diesen Schalt-
kreis hätten wir verschont.
»Kann mir mal jemand sagen, was hier los ist?!«, brüllt unser
Trainer über den Tumult hinweg.
Da erstrahlen Dutzende goldene Lichterketten, die aus dem
Mattenraum durch die Halle zu fliegen scheinen. Die Jungs ver-
teilen sie und legen sie den Mädchen um wie Schmuck.
Ich drücke auf Play, und »Under Pressure« von Queen dröhnt
aus der Bluetooth-Boombox, die ich in weiser Voraussicht ver-
steckt hatte. Tja, verlasse dich nie auf Plan A, wenn du willst,
dass etwas gelingt. Im Nu tanzen und hüpfen alle ausgelassen
wie in einem Meer aus blinkenden Lichtern. Keine Spur mehr
18 | Emil
von der Angespanntheit, die noch vor Sekunden den Raum ein-
nahm.
Mit wilden Augen und unbeherrscht schnaubend schaut der
Coach sich um, auf der Suche nach dem Drahtzieher. »Emil … «
Doch als er mich erblickt, versammeln sich ein paar Jungs und
Mädchen um mich.
»Wir dachten, statt uns fertigzumachen, dass wir nur Platz 5
geworden sind, feiern wir heute lieber, dass wir zwei Plätze
besser waren als beim letzten Mal«, grinse ich.
»Seid ihr völlig verrückt geworden? Der Schaden …«
»Es gibt keinen Schaden«, antworte ich beschwichtigend,
während ich die Steckdosen wieder auf OFF setze. »Sobald man
die Sicherung wieder einschaltet, ist alles in Butter.«
Der Coach ringt nach Worten, doch als Felix und Ben mit
einem prall gefüllten und in Lichterketten gewickelten Bier-
stiefel aus dem Mattenraum auf ihn zukommen, entspannt sich
seine Miene. Denn wenn ich eines im letzten Jahr gelernt habe,
dann, dass hier im Dorf jeder Grund ein guter Grund zum Be-
chern ist.
»Also, Trainer, Zeit zum Feiern, oder?«
* * *
Es dämmert, als ich, auf mein Fahrrad gestützt, die Straße vor
der Turnhalle hinabhumple. Verdammtes Schienbein, fluche
ich in mich hinein.
Das mit dem Feiern ging genau fünfzehn Minuten lang gut.
Dann hat sich Jessica, die Tanzlehrerin der Mädchen, auf-
geregt, dass sie nicht riskieren könne, dass am Ende keiner
für die Tanzstunde bezahlt oder sich irgendwelche Eltern be-
schweren. Also haben wir schnell aufgeräumt und alles wieder
instand gesetzt.
Emil | 19
Als ich kurz stehen bleibe, um mein Bein auszuschütteln,
denke ich an mein Team und wie ausgelassen die Jungs heute
waren. Jede einzelne Minute hat sich voll und ganz gelohnt.
Den Rest der Zeit haben wir mit Zweikampftraining ver-
bracht. Einer gegen einen, in Paaren. Das ging diesmal nicht
so gut für mich aus … Meine Sachen sind klamm und triefen
vor Schweiß. Super sexy, huh? Aber immerhin haben sich die
Temperaturen wieder gefangen. Es ist fast absurd. Heute Mor-
gen war noch alles gefroren, jetzt weht bloß ein lauer Wind,
so dass mir in meiner Trainingsjacke fast zu warm ist. Wäre
das Turnier draußen gewesen statt in der Halle, hätten wir
besser abgeschnitten. Ich bin Läufer. Je größer der Platz, je
freier ich rennen kann, desto besser spiele ich. Plötzlich höre
ich, wie sich mir eine Gruppe bekannter Stimmen von hinten
nähert.
»Hey, Emil, alles klar?« Kevin, unser Mannschaftskapitän.
Ein breites Grinsen schwingt in seiner Stimme mit. »Hast
heute ja ganz schön schnell schlapp gemacht!«
»Witzig, hat Buffy das nicht letztens auch zu dir gesagt?«
Die anderen Jungs prusten und lachen los. Volltreffer. Mit
einem beschwichtigenden Grinsen dreh ich mich um und
sehe, wie Kevin mit hochrotem Kopf zu seinen Jungs schaut,
die ihn grölend umringen.
»Haltet euer Maul!« Buzz-Cut, breite Schultern und Augen
wie ein Raubtier: Das ist mein Kapitän. Und er lodert. Normaler-
weise würde mich dieses dominante Auftreten einschüchtern,
besonders bei jemandem mit seinem Körperbau, aber er datet
meine beste Freundin. Ich bin safe.
»Hey, ist doch nicht schlimm«, ich deute auf mein rampo-
niertes Bein. »Das wird schon wieder, mach dir keine Sorgen.
Nimm mich einfach nächstes Mal nicht ganz so hart ran. Jeden-
falls nicht ohne Vorwarnung.« Ich zwinkere ihm überzogen zu,
20 | Emil
und auch wenn ein unreifes Kichern von einigen der anderen
kommt, bleibt Kevins Gesicht versteinert.
»Ey, pass bloß auf, Emil«, sagt Ben, »der Kumpel von meinem
Cousin ist auch schwul und wurde bei ’nem Sex-Date an sein
Bett gekettet und dann ausgeraubt!« Er klingt weniger besorgt
um mich, als mehr daran interessiert, seine wilde Geschichte
zu erzählen.
»Oh Mann!«, lache ich verlegen und denke mir trotzdem:
Schön wär’s! Dann hätte ich wenigstens irgendeine Form von
Action in meinem Sex-Life. Seitdem wir hier hergezogen sind,
lebe ich in sexueller Abstinenz. Von mir aus könnte man mir
mein gesamtes Zimmer ausräumen, wenn ich dafür endlich
mal wieder so richtig …
Huuup! Huuup!
Als der rot-weiße Kleinbus von Kevins Dad auf uns zurollt,
schiebe ich mein Rad zur Seite und versuche, den Schmerz im
Schienbein, so gut es geht, zu verstecken. Der Bus kommt zum
Stehen, und er lehnt sich aus dem Fenster: »Und? Alles okay
mit dem Bein, Emil?«
»Klar, Coach.« Er nickt immer wieder, während Kevin und
seine Clique in den großen Wagen steigen.
»Gut, gut. Und eines noch!«
»Was denn?«
»Wenn du noch mal so ein Ding planst, landest du auf der
Ersatzbank! Diesmal wirklich!«
»Aye, aye!«
»Papa, nun fahr«, nörgelt Kevin von der hinteren Sitzbank,
»Ich hab Kohldampf.«
Zum Abschied heb ich kurz die Hand und drehe mich um.
Alter, das Timing? Weltklasse!
Ich weiß, eigentlich sind alle cool damit, aber es gibt ein-
fach angenehmere Dinge, als mit seinen Fußballjungs über
Emil | 21
Schwulensex zu reden, okay? Besonders wenn man der einzi-
ge Geoutete im Team ist. Gott sei Dank gibt’s Orte, an denen
es mehr von uns gibt. Und der nächste von hier ist … das In-
ternet.
Ich zücke mein Handy, während ich weiter, auf mein Rad
gelehnt, die Straße entlanghumpele. Obwohl ich Teil 12 von
»Lustige Dinge, die nur #gays verstehen« auf TikTok vor-
geschlagen bekomme, werde ich mürrisch.
Ich hasse das. Manchmal kommt es einfach und versaut mir
die Laune. Dann denke ich, Kevin ist mir absichtlich so krass
ins Bein gegrätscht, weil er um seinen Platz im Team fürchtet.
Bin ich im Ballbesitz, bleib ich im Ballbesitz. Aber wenn ich so
gut bin, warum bin ich dann nicht Captain? Oder Co-Captain?
Oder wenigstens nicht immer der Vorletzte, der gewählt wird,
wenn wir in Teams gegeneinander spielen? Ich komm doch
mit allen gut klar? Wir lachen zusammen. Mich mögen doch
eigentlich alle.
Ich zucke, weil ich komisch aufgetreten bin, und beinahe
fällt mir das Handy aus der Hand.
Auf dem Display sehe ich zwei Boys, die überzogene All-
tagssituationen aus ihrer Beziehung nachspielen. Keine davon
verlangt, halb nackt zu sein, aber das scheint sie nicht davon
abzuhalten.
Ein müdes Lächeln, und ich denke mir: Scheiß drauf. Scheiß
auf schlechte Laune, die hilft niemandem. Sei wie die zwei!
Locker, gut drauf, und nimm dich nicht zu ernst. Vermutlich
muss ich mich einfach noch ein bisschen mehr reinhängen.
Vielleicht weniger Zeit mit halb nackten Fremden auf Tik-
Tok vergeuden. Immerhin passieren die meisten Dinge hier
draußen noch offline.
Der Kleinbus ist kaum mehr zu sehen, da vibriert mein
Handy. Es ist Buffy.
22 | Emil
BUFFY
Ich hab gehört, du hast heute Tanzen
gecrasht? 😥😢 Warum heute, wenn ich
Fahrschule habe? 😭
EMIL
Sorry, ging nicht anders 🤷‍♂️
Es war abzusehen, dass die Standpauke vom Coach direkt auf
das Turnier folgen würde. Buffy weiß das, das Drama hier ist
nur Smalltalk. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie rausrückt,
worum es wirklich geht.
Brr. Brr.
BUFFY
Ich hab nen neuen Nickname auf
AU-Worlds
Emil | 23
EMIL
Endlich! Jetzt kann ich’s dir ja sagen:
PinkFlowerFluff fand ich schon
immer absolut schrecklich 😇
BUFFY
Jetzt kann ich’s dir ja sagen? 😤 Du disst
meinen Namen seit Monaten, Junge!
EMIL
Zu Recht. Er ist halt random und sagt
nichts über dich aus. Oder siehst du dich
selbst als zartes Fluff-Blümchen?
BUFFY
Halt’s Maul, ich bin cute, kay?
EMIL
Mhm
Es gibt wenig, was mich so sehr aufregt wie nichtssagende User-
namen. Manche finden das übertrieben, ich nicht. Schließlich
sagt ein Name doch immer etwas über die Person dahinter
aus. Im Normalfall, welche Wünsche und Träume Eltern auf
ihr Kind projizieren. Aber Online-Nicknames sucht man sich
selbst aus. Wer würde da einfach irgendwas wählen? Nehmen
wir mal AU-Worlds, die Fandom-Plattform, auf der Buffy und
ich rumhängen: Da gibt es Geschichten und Zeichnungen zu
24 | Emil
fast jedem Franchise, egal ob Comic, Games, Anime oder Film.
Ein Nickname, der einen guten Eindruck vermittelt, ist da doch
essenziell! Und sei es nur der Name deines Lieblings charakters
und ein paar Ziffern, vielleicht das Geburtsjahr. Oder ’ne 69 als
Joke.
EMIL
Nun los, hau raus! Wie präsentierst
du dich der AU-Welt in Zukunft,
PinkFlowerPuff?
BUFFY
🥁 Verbeuge dich vor deiner … 🥁
Mein Hirn rast. Vielleicht so was wie DarkVenom69? Simpel,
aber vielsagend: Ich mag Spider-Man, bin edgy und lache auch
über schlechte Witze! Nein, keine gute Idee. Man könnte es
auch so lesen: Ich bin 1969 geboren, und mochte den Venom-
Film, wodurch zumindest die Info »Ich lache über schlechte
Witze« gleich bleiben würde.
EMIL
????
Emil | 25
BUFFY
✨ SlayQueen ✨
EMIL
SlayQueen? Als Anspielung auf die 90er-
Buffy-Vampirjäger-Serie?
BUFFY
Nein, auf RuPaul …
Natürlich auf die Serie! 💯😌
EMIL
Warum nicht gleich was mit Buffy?
Würde doch eh keiner denken, dass das
dein richtiger Name ist
BUFFY
Den gab’s nur noch mit Nummern
hintendran. Buffy05 oder so
Und was soll das bitte aussagen?!
ICH BIN WEDER EINE 05, NOCH EINE
04, 03 ODER 02 VON IRGENDWAS!
EMIL
🤣😂🤣😂
26 | Emil
SlayQueen klingt cool, funktioniert aber nur als Insider-Gag,
wenn man ihren echten Namen und Buffy the Vampire Slay-
er kennt. Als Username kriegt er von mir daher nur ’ne 2 bis 3
minus, denn er verrät nicht wirklich etwas über sie. Vermutlich
soll er das auch gar nicht. Buffy hat enorm Schiss, dass jemand
herausfindet, dass sie mit 19 noch in Fanforen schreibt. Dabei
ist das Alter doch völlig egal. Man hört ja nicht irgendwann
plötzlich auf, Fan zu sein. Mir erzählt sie immer, ich soll out
and proud leben, aber selbst versteckt sie ihren inneren Geek
wie Peter Parker seine Spinnenkräfte.
»Shit!« Schon wieder gestolpert.
Handy weg jetzt, Emil.
Als ich das Display sperren will, fällt mir eine Benach-
richtigung ins Auge:
1 neue E-Mail von Kleinanzeigen. Anfrage von User: Dami-
anXVII.
Verdammt. Das ist vorhin im Eifer des Gefechts völlig unter-
gegangen. Die Kleinanzeigensache.
Nervös zuckt mein Mundwinkel, und ich starre wie gelähmt
auf mein Handy. Es ist, als würde mich etwas zurückhalten, auf
die Notification zu klicken. Angst? Ich will schon wissen, wer
sich darauf gemeldet hat, aber allein fühlt es sich nicht richtig
an. Schließlich habe ich die Anzeige auch nicht allein online
gestellt …
DamianXVII. Damian Wayne aus Batman? Oder – ganz ver-
rückt – vielleicht ist das sein echter Name? Es ist doch ein Er,
oder? Klar, das ist Kleinanzeigen, nicht AU-Worlds. Und die rö-
mische Zahl? XVII steht für 17. Siebzehn Jahre? Aber wer ist so
Emil | 27
cringe, dass er sein Alter in römischen Zahlen schreibt? Okay,
außer Final-Fantasy-Fans. Aber kann das sein? Einer in meinem
Alter? Das ist nicht unbedingt das, was wir erwartet haben …
was ich erwartet habe. Eher ein seltsamer Fetisch-Typ Mitte
30. Aber die E-Mail-Adresse könnte auch vor Jahren angelegt
worden sein … Vielleicht hat er ja ein Profilbild!
Wie von selbst ist mein Handy wieder entsperrt, und ich
öffne mein Kleinanzeigen-Postfach. Nichts. Kein Profilbild.
Nur Fließtext. Eine Menge Text.
Hey hey,
das klingt jetzt vielleicht ein bisschen komisch, aber könn-
ten Sie mir den Artikel in einer speziellen Box nach Wunsch
zukommen lassen?
Ihnen? Wer siezt bitte jemanden, von dem er ’nen Dildo auf
Kleinanzeigen kauft? Definitiv Boomer!
Es wäre gut, wenn das Ganze unbemerkt an meiner Mum
vorbeigehen würde.
Okay, Boomer, der noch bei seiner Mum lebt. Direkt Norman-
Bates-Vibes.
weil … Ach, das muss ich glaube ich nicht erklären, oder?
Haha, oh Mann … Fühle mich dumm! 🤪
28 | Emil
Süß. Man merkt richtig, wie unangenehm ihm das ist. Ein
Lächeln breitet sich auf meinem Gesicht aus. WHAT THE –,
Stopp! Hör auf, mit dem Weirdo, der Dildos secondhand kau-
fen will, zu sympathisieren!
Der Preis passt, und ich übernehme gerne die Versand-
kosten. Sie retten mir wortwörtlich den Arsch und ersparen
mir eine anstrengende Diskussion!
Falls Sie noch Fragen haben, können Sie mich entweder
hier oder unter dieser E-Mail-Adresse erreichen:
Und ob ich Fragen habe! Junge, das kannst du dir gar nicht vor-
stellen.
Emil | 29
Kapitel 03: Damian
Hey Damian,
ich freue mich sehr, dass du Dich für den angebotenen Arti-
kel interessierst. Du wohnst also noch bei Deinen Eltern?
Wie alt bist Du denn? Sorry, dass ich so unverblümt frage,
aber Sextoys an Minderjährige zu …
»Hallo … Hallooo, Erde an Damian!«
»Huh?«, Emmas Stimme reißt mich aus meiner Trance. »Jo …
eh, was?«
»Wir sind dran! Welche Sorte willst du?«, die dunkelgrünen
Augen meiner Freundin treffen auf meinen verlorenen Blick.
»Alles okay bei dir?«
»Ehm …«, es fällt mir schwer, auf die Schnelle einen klaren
Gedanken zu fassen, weil ich gerade dabei war, die frisch in
meinem Postfach gelandete Antwort von Kleinanzeigen zu
lesen. Es dauert ein paar Sekunden, ehe ich mich wieder ge-
fangen habe. »Klar, äh … ich …«, setze ich an.
Noch bevor ich meinen Satz beenden kann, ertönt plötz-
lich eine wütende Stimme hinter mir: »Mein Gott, kannst du
dich vielleicht mal entscheiden? Ich hab nicht den ganzen
Tag Zeit!« Eine Frau mittleren Alters drängelt sich schroff an
Emma und mir vorbei. »Sorry, aber wenn dein scheiß Freund
hier nicht bald mal seine Zähne auseinanderkriegt, komme ich
zu spät, und meine Kinder warten darauf, dass ich sie von der
Schule abhole.«
Ich schaue sie verwirrt an. Was zur Hölle? Hat die mich ge-
rade ernsthaft scheiß Freund genannt? Außerdem: Was »Zähne
auseinanderkriegen«?! Sie ist mir ins Wort gefallen.
30 | Damian
»Jo, geht’s noch?«, blaffe ich irritiert. Eigentlich bin ich nicht
der Typ, der sofort auf Konfrontation geht, aber das war schon
echt unverschämt.
Für die Frau jedoch scheinen wir beide mittlerweile unsicht-
bar geworden zu sein, denn sie macht keine Anstalten, auf mich