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Trotz der Lektüre von Peter Mayle "Mein Jahr in der Provence" kaufte ich im Alter von 41 Jahren einen 300 Jahre alten Bauernhof im Languedoc. Den Lebensschwerpunkt nach Südfrankreich verlagert und mittlerweile in Rente, möchte ich die vielen Geschichten, die ich durch den Kauf des Hauses in den letzten 30 Jahren erlebt habe, mit diesem Buch festhalten.
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Seitenzahl: 199
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Diese Geschichten verbunden, mit großartigen Erlebnissen über die Verwirklichung eines lang gehegten Traums, den Kauf eines alten Steinhauses in Südfrankreich, sind wahr. Orte und Personen sind existent, zumindest leben die meisten noch.
Das Leben in Südfrankreich ist wie ein guter Krimi. Oft spannend mit vielen Überraschungen und manchmal ruhig wie ein träger Fluss, wohltuend und entschleunigend.
Dreißig Jahre lang gesammelte Erlebnisse und Geschichten sollen den Träumern Mut machen, ihre Träume zu verwirklichen, und diejenigen unterhalten, welche bereits ähnliche Geschichten erzählen können.
Es ist nicht einfach, 30 Jahre lang gesammelte Erlebnisse und Erfahrungen unterhaltsam und kurzweilig, zwischen zwei Buchdeckel zu klemmen.
Wirklich schwer ist es, alle Ereignisse und Geschichten in eine geordnete Reihenfolge zu bringen, dazu ist in dem langen Zeitraum einfach zu viel passiert.
Ein Haus, und besonders ein sehr altes Haus, bringt immer Herausforderungen mit, welche ich ja bewusst gewollt habe. Es gab sicher schon Momente, in denen ich das verflucht habe, aber bereut habe ich es bis heute noch nie.
Der Zeitraum über den ich erzähle erstreckt sich von 1994 -2022. Bezahlt habe ich das Haus damals noch mit französischen Francs. Fünf Jahre später wurde der Euro als Zahlungsmittel eingeführt.
Ich kann gut verstehen, dass es nicht jedermanns Sache ist, sich handwerklich zu betätigen. Die Erfüllung, etwas mit eigenen Händen gestalten zu können, ist für mich ungleich höher, als Handwerker zu beauftragen - sofern man welche bekommt - und bezahlen kann.
Das Buch ist mein Versuch einer Liebeserklärung an eine Region in Südfrankreich und an ihre Bewohner, deren sympathische und entspannte Lebensart ich nicht mehr missen möchte.
Heute, wenn ich mein Leben im Rückspiegel betrachte, habe ich für mich eine gute Entscheidung getroffen.
DAS TAL GAVANON
DIE SUCHE NACH DEM RICHTIGEN OBJEKT
LA BASTIDE
DER TAG DANACH
BEIM IMMOBILIENMAKLER
ORTSTERMIN
SCHLÜSSELÜBERGABE
BESTANDSAUFNAHME
HAUS UND HOF
DER NACHBAR
1995 NEUER SICHERUNGSKASTEN
ALBERT UND DIE STADTWERKE
ORTSTERMIN
SICHER IST SICHER
DAS NEUE DACH
ÜBERRASCHUNG BALKEN IM KAMIN
ÖRTLICHKEITEN
DER INTENSIVKURS FRANZÖSISCH
DIE NEUE HEIZUNG
EINE TERRASSE MIT AUSSICHT
NEUE OLIVENBÄUME FÜR DEN HOF
OSTERN
DREI ZYPRESSEN ALS WILLKOMMENSZEICHEN
NEUE OLIVENBÄUME AN DER EINFAHRT
JOHN WAYNE DE L`ARDÈCHE
EINMAL IM JAHR ANS MEER
DER PUNK IST ZURÜCK
JUNI CARPORT BAUBEGINN
STEINPLATTEN AUS FLANDERN
NEUE DECKE IM ATELIER
NEUE TREPPENSTUFEN IM HAUS
TRÜFFELTRÄUME
KAMINKASSETTE NACH MAß
FRANZÖSISCH-NACHHILFE IN DER ÉPICERIE
DIE WAHL DES BÄCKERS
KAROTTEN VOR DEN CAFÉS
DER KATER MIT DEN STACHELBEERGRÜNEN AUGEN
ÄRGER MIT DEM PALMEN-ZÜNSLER
DER PARADIESAPFEL
NOVEMBER GROßES FENSTER NACH OSTEN
DER NEUE DACHBODEN
EIN GANZ SPEZIELLER ORT
LASS DIE KIRCHE IM DORF
GROßES FENSTER OBEN
LA GRANDE CUISINE INNENAUSBAU
APRIL COVID
DIE NEUE KLIMAANLAGE
MAI EIN JUNGER EICHELHÄHER
EISENGITTER VOM FERRONIER
DIE NEUE EINBAUKÜCHE
DAS KLEINE WORT
BESUCH EINER ELSTER
UNBEKANNTE FLUGOBJEKTE
DAS SPIEL MIT DEM FEUER
DEZEMBER MAXOIL
DER CHRISTBAUM IST WEG
NEUE TÜR ZUR GRANDE CUISINE
380V UND LINKY
DIE PFEIFENDEN FRÖSCHE
SEPTEMBER BÄUME FÄLLEN
NEUE WARMWASSERAUFBEREITUNG
LAURENT UND SEINE GESCHICHTEN
DIE NEUE SCHIEBETÜR
FUCHS DU HAST DIE GANS GESTOHLEN
T-SHIRT WETTER
VERSCHOLLEN HINTER STALAGMITEN
DAS GEHEIMNIS DES WASSERDRUCKS
50 KM BIS ZUM BERG DER WINDE
EU-KONFORME FOSSE SEPTIQUE
IM SCHATTEN DER NACHT
WO FUCHS UND HASE SICH GUTE NACHT SAGEN
WINDFANG VOR DER EINGANGSTÜR
AM ENDE ZUM ANFANG
PROTAGONISTEN
DANKE!
Das Tal Gavanon gehört zur Gemeinde Saint-Paulet-de-Caisson und liegt am sanften Fluss Cèze, der von West nach Ost aus den Cevennen kommend in die Rhone fließt. Auf der anderen Seite des Tals fließt die Ardèche, welche die Grenze zwischen den Regionen Okzitanien und Auvergne-Rhône-Alpes bildet, und bei Pont-Saint-Esprit auf die Rhone trifft.
Es war April 1992 (Ostern), die Sonne gab ihr Bestes. Das vor uns liegende Rapsfeld füllte das schmale Tal mit einer endlosen Flut in leuchtendem Gelb. Vor dem Rapsfeld stand das alte Gemäuer der ehemalige Seidenraupenzucht des Klosters Valbonne (heute die Gite „Mas de Canet“). Hinter dem Rapsfeld lag die Ruine eines heruntergekommenen Bauernhofes - verlassen, ohne Fenster, ohne Strom, ein Teil des Daches war eingebrochen.
Meine Leidenschaft für die Fotografie hatte uns hierher geführt.
Der Blick über das sich im leichten Wind wiegende gelbe Blütenmeer auf das verfallene Steinhaus war mehr als nur ein Foto wert.
Wir kämpften uns durch Brennnesseln, die so hoch waren, dass sie auch unter den Achseln Feuer machten. Aggressive, daumendicke wilde Brombeerschlingen versuchten uns den Zutritt zum Hof des verlassenen Gemäuers zu verwehren.
Es eröffnete sich uns ein Platz für Genießer. Das Summen und Brummen der Insekten, das Keckern des Frosches, der den veralgten Brunnen im Hof bewachte, das Plätschern der Quelle und der Rotwein zum Ziegenkäse ließen mich mal wieder träumen.
Wie wäre es, diesen idyllischen Fleck Erde zu erwerben, einen Übergangswohnwagen davor zu stellen und das Haus peu a peu zu restaurieren?
Auf meinen Reisen hatte ich schon oft ähnliche Träume, aber dieses Mal wollte ich einen ernsten Versuch wagen.
Beim Nachbarn, einem freundlichen Schweizer, konnten wir erfahren, dass das ganze Tal zum Verkauf stand. Die ehemalige Seidenraupenzucht der Chartreuse Valbonne am Eingang des Tales hatte schon ein Investor für sich reklamiert, aber unser Traumobjekt war angeblich noch zu haben.
Bei einem spontanen Besuch im Rathaus der Gemeinde (Mairie) von Saint-Paulet-de-Caisson konnte ich trotz nicht vorhandener Französischkenntnisse und der Ignoranz gegenüber meinen Englischkenntnissen in Erfahrung bringen, dass der Eigentümer, ein Advokat aus Avignon, tatsächlich verkaufsbereit war. Interessehalber schauten wir uns auch die Angebote bei den Immobilienhändlern in Pont-Saint-Esprit an.
Wir staunten nicht schlecht, als wir beim aufmerksamen Studieren der ausgehängten Angebote in den Schaufenstern auch unser Objekt entdeckten. Tatsächlich ging es um insgesamt 18 Hektar Land, einen Weinacker und ein Waldstück inklusive.
Den Kopf voller Träume nahmen wir Kontakt zum Eigentümer auf. „Vielleicht verkauft er uns nur das Haus und ein wenig Platz drum herum, denn 18 Hektar ist eine ganze Menge und für uns illusorisch.“ Kurzum der Advokat war gesprächsbereit. Er teilte uns mit, dass bereits ein Interessent in der Solvenz-Prüfung der Bank sei (das ist in Südfrankreich so). Dies sei aber noch nicht endgültig entschieden und so lange müssten wir uns gedulden. Leider hat er sich nie wieder gemeldet und eines Tages stellten wir Bauarbeiten an unserem Traum-Objekt fest. Damit war klar, wir hatten kein Glück.
Nachdem die Enttäuschung verflogen war, war uns klar, wir suchen ein passendes Objekt in dieser Region, der goldenen Pforte zur Provence. Es sollte ein altes Steinhaus sein, ein „Mas“. Es sollte nicht zu weit im Hinterland liegen. Um genügend Distanz zu den vielen Côtes-du-Rhône-Weinfeldern zu haben, sollte ausreichend Grund drumherum sein, denn die Weinbauern arbeiten auch am Sonntag und bringen ihre Pestizide aus.
Das Haus sollte in einem beziehbaren Zustand sein und natürlich bezahlbar. Die Infrastruktur sollte mindestens einen Bäcker und einen Metzger in erreichbarer Entfernung bieten. Über medizinische Versorgung, Apotheke, Zahnarzt und weitere, machte ich mir zu dieser Zeit keine Gedanken.
Es sollte auch ein Objekt sein, welches mir die Langeweile im Rentenalter vertreiben sollte. Ich wollte eine Aufgabe haben, einen Platz, an dem ich alles tun kann, wovon ich noch träume.
Ich hatte das Glück, in meinem Leben zu jenem Zeitpunkt schon sehr viel von der Welt gesehen zu haben. Die Zeit war für mich reif für einen Ruhepol, für einen Ankerpunkt. Ich wollte die großen Abenteuer nicht mehr. Ich suchte nach einem Sehnsuchtsort. Ich war überzeugt ihn hier in der Gegend zu finden. Hier in Frankreich, im Land dessen Sprache ich so gerne hörte, aber nicht verstand, sollte es sein. Ich war willens und bereit, die Sache mit der Sprache zu ändern. Ich hatte mich in die Region verliebt und war überzeugt: Hier gehöre ich hin!
Im folgenden Urlaub an der Ardèche suchten wir den ersten Makler auf, der ein interessantes Objekt im Schaufenster anbot. Ein Termin wurde gemacht und dann fuhren wir los. Aber es wurde nur eine weitere Enttäuschung. Das Objekt war nicht beziehbar und hätte eine viel zu große Investition erfordert, zusätzlich zum Kaufpreis. Das Ergebnis eines längeren Gespräches mit diesem Makler war: Das was wir suchen, gibt es nicht. So fuhren wir den Rest der Urlaubstage auf eigene Faust durchs Land.
Ergebnislos.
Wir wechselten die Agentur. Es sollte doch bei dem Überangebot an leerstehenden Häusern möglich sein, ein für uns passendes Objekt in dieser Region zu finden. Viele Ausfahrten mit Maklern folgten. Wir lernten die Region auf eine Art kennen, wie es einem Touristen meist versagt bleibt. Es war jedes Mal spannend, was für ein Objekt wir antreffen würden und in welchem Zustand es sein würde.
Manches Mal hatte man das Gefühl, das Bett sei noch warm vom verstorbenen Besitzer und ein eigenartiger Geruch war hinter den geschlossenen Fensterläden gefangen. Es gab auch Traumobjekte, die aber weit weg von unserem geplanten Budget waren.
Einen Geheimtipp für den Leser dieser Zeilen möchte ich weitergeben. Sollte es im Urlaub doch einmal Langeweile geben, gehen Sie zu einem Makler und suchen Sie ein Haus. Sie werden hofiert und in Regionen gefahren, die Sie nie gesehen hätten, und wenn Sie möchten auch öfter. Die Makler mögen es mir verzeihen. Und wer weiß, vielleicht verlieben Sie sich in ein Objekt Ihrer Träume.
Zwei Jahre erfolgloser Suche waren vergangen, viele Objekte waren besichtigt, viele Versprechen von Maklern gehört worden.
Aber ich wollte nicht aufgeben.
Auf der Rückfahrt von einer weiteren erfolglosen Besichtigung brachten uns die beiden mittlerweile ratlosen Mitarbeiterinnen des letzten Maklers zu einem Objekt, welches nicht zu ihrer Agentur gehörte. Sie hätten nur gehört, sagten sie, dass es verkauft werden solle. Es war April, noch nicht zu warm und der Himmel strahlend blau, bestes Provencewetter.
Der etwas in die Jahre gekommene graue Citroën Berlingo der Immobilienagentur folgte einer kleinen, steil ansteigenden Straße und plötzlich stand es vor uns. Wir fuhren in die von Rosmarinhecken und Oleanderbüschen gesäumte Einfahrt hinein, parkten und stiegen aus.
Durch ein altes rostiges Eisentor hindurch sahen wir freilaufende Hühner und einen mittelgroßen, weiß-braun gefleckten Hund. Im Hintergrund eine aus Bruchsteinen gemauerte, von der Sonne gebleichte Hauswand. Wie eine blaue Girlande verzierte eine in voller Blüte stehende Glyzinie das alte Gemäuer.
Das war es! Genauso sollte es aussehen! Ein altes Haus mit viel Charakter. Wir (meine damalige Frau und ich) waren uns ohne zu diskutieren einig: Wenn wir es haben konnten, dann wollten wir es kaufen, unbesehen wie der Zustand im Inneren war.
Eine ältere Dame mit fast weißen Haaren saß im Schatten eines Baumes. Wir machten uns bemerkbar und unsere Maklerinnen stellten sich und uns der Dame vor.
Wir konnten zu dem Zeitpunkt nur ein nettes Gesicht machen und ein freundliches „Bonjour“ murmeln, mehr Französisch war nicht drin.
Die ältere Dame in ihrer blau-weiß geblümelten Kittelschürze lächelte freundlich und bejahte die Frage, ob dieses Hauses zum Verkauf stünde. Die Maklerinnen erfragten noch die zuständige Immobilienagentur und so fuhren wir in euphorischer Stimmung zurück zur Agentur, wo unser Auto stand. Die Damen von der Agentur nannten uns die Adresse des zuständigen Maklers und wünschten uns viel Glück. Mehr konnten sie nicht für uns tun.
Zurück im Hotel am Abend bei Chèvre chaude (warmer Ziegenkäse auf Salat) und einem Glas Rosé beschlossen wir, in der Nacht noch einmal zu dem Haus zu fahren. Wir wollten die Geräusche wahrnehmen, die in der Dunkelheit ohne visuelle Ablenkung anders klingen als bei Tag. Gegen elf Uhr nachts schlichen wir aus unserem Hotel und fuhren durch die Dunkelheit. Kein Fahrzeug begegnete uns, alle waren scheinbar schon im Bett. Wir parkten am Anfang der schmalen, steil ansteigenden Straße, und gingen zu Fuß, bis wir das Haus als Silhouette gegen den Nachthimmel sehen konnten. Der leichte Lufthauch trug den süßlichen Duft von Glyzinie und Kirschblüte an uns vorbei. Es war totenstill. Man hörte nur den eigenen Atem und ein paar Vögel, welche sich noch eine Gutenachtgeschichte erzählten.
Am Himmel zeigte sich die Milchstraße in einer Klarheit, wie ich sie nur auf meinen Saharafahrten gesehen hatte.
Ein guter Standort!
Die Nacht war viel zu kurz. An Schlaf war nicht zu denken. Was wäre, wenn wir es nicht bekommen würden? Was wäre, wenn es viel zu teuer wäre? Würde es uns innen auch gefallen? Ein Gedanke jagte den anderen.
Am nächsten Morgen, völlig kaputt, beschlossen wir beim Frühstück, dass wir Blumen besorgen und noch einmal zum Haus fahren. Vielleicht dürfen wir es von innen sehen.
Wieder parkten wir vor dem Haus. Der weiß-braun gefleckte Hund begrüßte uns schwanzwedelnd. Die ältere Dame saß mit einer grünen, grob gestrickten Jacke bekleidet und einem weißen Haarknoten auf dem Hinterkopf im Schatten des alten Maulbeerbaumes im Hof und putzte Gemüse. Sie nickte uns freundlich zu, als sie uns von unserem gestrigen Besuch wiedererkannte.
Mit einem unsicheren „Bonjour“ überreichten wir ihr die mitgebrachten Blumen und versuchten ihr gestenreich mitzuteilen, dass wir gerne einen Blick nach drinnen werfen wollten. Sie war überhaupt nicht irritiert und verstand unser Ansinnen. Sie bat uns, den Fliegenvorhang aus Perlenschnüren vor der Eingangstüre beiseiteschiebend, hinein.
Drinnen war es kühl und fast dunkel, im Gegensatz zu draußen im gleißenden Sonnenlicht. Nachdem sich unsere Augen an die schwache Beleuchtung im Inneren angepasst hatten, sahen wir durch eine offenstehende Türe hindurch einen beeindruckenden, riesigen offenen Kamin. Der Raum hatte eine gewölbte Backsteindecke, der Boden war mit schwarz-weißen Terrazzofliesen im Pfeffer-und-Salz-Muster gefliest. Die anschließende Küche war schmal und sehr lang.
Die Wände hatten eine gelbliche Färbung und waren schon ein halbes Leben lang nicht mehr gestrichen worden. Aber das würde sich alles richten lassen.
Im Erdgeschoss gab es noch zwei weitere Räume, deren Fensterläden geschlossen waren. Sie wurden durch einfache Designerleuchten (vermutlich 40er Glühbirnen) schwach erhellt. Ein sehr kleiner Raum war altrosa geblümt tapeziert. An der Wand stand ein eisernes Bettgestell. Der andere Raum war hellblau gestrichen, der Putz bröckelte ein wenig.
Um einen stark abgenutzten, fleckigen Tisch standen drei Stühle, deren Stoffbezüge schon sehr gelitten hatten. Anscheinend fand das Leben hier unten statt. Nach oben ging es über eine graue Natursteintreppe, deren Stufen über die Jahre tief ausgetreten waren.
Richtig alt eben, aber sehr charaktervoll.
Es gab eine kleine Dusche mit einem sonnengelb getupften Plastikvorhang und ein mattes Keramik-Waschbecken an der fliesenlosen Wand. Von der Decke funzelte eine 60er-Glühbirne und tauchte den Raum in ein warmes, schmeichelndes Licht.
Den schmalen Flur entlang gab es den vielen Spinnweben nach zu urteilen noch ein schon lange nicht mehr geöffnetes, blindes Fenster. Der Boden war mit karminroten, sehr alten Terracotta-Fliesen gefliest. Fünf weitere Türen waren zu sehen.
Hinter zwei davon durften wir sehen, die anderen blieben geschlossen. Die Dame des Hauses versuchte uns gestenreich zu erklären, es seien Schlafzimmer. Wir gingen wieder nach unten, raus an die frische Luft. Der Duft der blühenden Glyzinie im Hof überdeckte sehr schnell den muffigen Geruch des schlecht gelüfteten Hauses in unseren Nasen.
Mit einem unsicheren „merci“ verabschiedeten wir uns. Das alte rostige Eisentor zogen wir hinter uns zu.
Bevor wir zum Auto gingen, umrundeten wir das Haus noch einmal. Das bäuerliche Anwesen schmiegte sich an den Hügel und die nach Osten abfallenden Weinterrassen öffneten den Blick weit über das Rhônetal bis hin zur höchsten Erhebung der Provence, dem Mont Ventoux.
Klug hatte man die Gebäude ausgerichtet. Die breite Seite des Wohnhauses stand mit wenigen Fenstern gegen Norden, vor dem kalten Mistral schützend. Der U-förmige Hof war nach Süden ausgerichtet. Die Nebengebäude nahmen wie mit ausgestreckten Armen die Sonne in Empfang.
Wir wollten das Haus immer noch. Jetzt sogar viel mehr.
Der Immobilier hatte seine Agentur auf der Hauptstraße von Pont-Saint-Esprit. Angespannt, aufgrund der Sprachbarriere und der Ungewissheit was jetzt passieren würde, öffneten wir die Tür.
Ein Herr im mittleren Alter mit Seitenscheitel, blickte freundlich über seine Brille. „Bonjour, bonjour.“ Unsere Frage ob er Deutsch oder Englisch verstehe, verneinte er mit einem Kopfschütteln. Er bat uns, mit einer Geste neben einem bereits anwesenden Herrn auf den mit blassblauen Sky bezogenen Stühlen Platz zu nehmen.
Die Mittagssonne brannte auf das große mit Spinnweben behangene Schaufenster und ließ die ausgehängten Fotos der Objektangebote langsam vergilben. Auf dem Fenstersims lagen viele tote Fliegen. Sehr wahrscheinlich starben sie den Hitzetod. Es war stickig warm in diesem kleinen Raum. Der Herr neben uns hatte seinen Hemdkragen so weit geöffnet, dass seine goldfarbene Halskette zu sehen war. Sicher wohnten in seinem Brusthaar goldene Amulette. Auch am Arm trug er ein goldenes Kettchen. Er sprach uns in Schweizer Dialekt auf Deutsch an, ob er uns behilflich sein könnte. Er sei zweisprachig und mit dem Immobilier gut bekannt.
Den schickt der Himmel dachte ich und nahm sein Angebot gerne an. „Wir interessieren uns für ein Objekt, welches diese Agentur ganz neu im Angebot hat und hätten gerne das Exposé dazu gesehen.“ Er übersetzte unser Anliegen und fragte freundlich, was er denn noch für uns tun könnte. Ich höre mich noch heute sagen:
„Bitte handeln Sie für uns den Preis nach unten und das Gelände größer.“ Alle lachten und ich dachte, das war nicht als Witz gedacht. Doch wir kamen ins Gespräch und der Immobilier sagte, er würde sein Bestes für uns geben. Der Schweizer stellte sich sympathisch lächelnd als „Werner“ vor und fragte, ob es uns recht sei, wenn er uns beim nächsten Mal wieder beim Übersetzen helfen würde.
So viel ungefragt angebotene Hilfe finde ich auch heute noch bemerkenswert. Dankend nahmen wir sein Angebot an.
Am folgenden Tag trafen wir uns wieder beim Immobilier. Auch Werner war wie versprochen da. Wir erfuhren, dass die Verkäufer auf unser Anliegen, das Gelände zu vergrößern, eingehen wollten.
Aber die Realisierung erforderte eine Neuvermessung durch einen „Géomètre-expert“. Bei uns ist das ein Landvermesser. Die Kosten dafür musste der Verkäufer tragen.
Wir vereinbarten einen Ortstermin, um mit dem Géomètre-expert, dem Makler und den Eigentümern die Angelegenheit gemeinsam zu besprechen. Werner bot erneut seine Hilfe an.
Den Wochentag weiß ich nicht mehr, aber sehr gut erinnere ich mich an das erste Kennenlernen der Verkäufer: Claudette und ihr Ehemann Thierry. Beide waren geschätzt in unserem Alter. Sie, die Tochter der noch im Haus wohnenden älteren Dame, vertrat die anderen 5 Geschwister beim Verkauf des Elternhauses. Alle Kinder müssen bei einem Verkauf zustimmen, das ist in Frankreich geltendes Recht. Alle gemeinsam gingen wir über das Gelände.
Dabei entdeckten wir auch einen Teich. Man erklärte uns, das sei der alte Löschwasserteich, in dem damals auch die Wäsche gewaschen wurde. Werner übersetzte meinen Wunsch das Gelände an allen Seiten zu begradigen und den alten Baumbewuchs auf den langen Seiten des entstehenden Rechtecks zum Grund hinzuzunehmen. Mein nicht geäußerter Gedanke war: Diese Bäume fälle nur ich, sonst niemand.
Werner erklärte auch den gut gemeinten Einwand von Thierry, dass die Böschungen, auf denen diese Bäume standen, dann ebenfalls zu unserem Eigentum gehören würden. Im Falle des Abrutschens wäre es dann auch unsere Pflicht, diese wieder aufzuschütten.
Ich wies darauf hin, dass auch die Autowracksammlung, bestehend aus vier, teils ausgeschlachteten rostigen Karosserien auf dem Gelände, zu beseitigen wäre. Dies wurde nur mit abfälligem Blick kommentiert. Die Deutschen mit ihrem Ordnungsfimmel!
Aufgefallen ist mir, dass anscheinend alle Südfranzosen, die genügend Platz haben, alte Autos sammeln. Wir einigten uns so, dass nach der Neuvermessung stattliche 4,8 Morgen bei gleichem Kaufpreis unser Eigentum würden.
Es war ein gelungener Tag.
Der Immobilier würde alles vorbereiten, die Bank würde unsere Solvenz prüfen, wir würden das Geld bereitstellen. Einen Notartermin würde man uns zusenden, so dass wir entspannt in unseren bereits lange geplanten Libyen-Urlaub fahren konnten.
Es war Juli 1994. Wir waren aus dem Libyen Urlaub zurück und mit großer Spannung wieder nach Südfrankreich gefahren.
Dieses Mal sollten wir den Schlüssel für unser Traumschloss erhalten. Wir waren mit dem Campingbus meines Vaters angereist, denn wir wollten nicht mehr im Hotel wohnen und im Haus war ja noch nichts gerichtet.
Beim Notartermin waren auch die Verkäufer Clodette und Thierry zur Geldübergabe anwesend. Es stellte sich aber ein Problem ein.
Wir hatten die Bereitstellung des Geldes zur Bezahlung des Kaufpreises bei der Bank nicht angefordert. Es gab kein Geld und die Gesichter von Claudette und Thierry zeigten deutlichen Unmut.
Wollten sie doch am Wochenende in den geplanten Urlaub fahren.
Wir standen hilflos dazwischen, und waren, ohne die französische Sprache zu verstehen, auch ziemlich ratlos. Die Bank hatte doch unser Geld, aber eben nicht bereitgestellt. Der Notar kannte den Immobilier und der kannte den Banker und so kam man überein, gegen eine zusätzliche Bereitstellungsgebühr doch noch unser Geld aus der Zentrale in Nîmes anzuweisen. Nervös warteten wir im benachbarten rauchgeschwängertem Café. Ja, doch, damals wurde noch geraucht. Während des Wartens tranken wir mindestens sechs Café au Lait und drei Cola, bis wir die entspannende Nachricht bekamen, das Geld sei jetzt da. Claudette und Thierry bekamen ihr Geld, wir die notwendige Unterschrift beim Notar.
Und endlich übergab man uns den ersehnten Schlüssel. Wir fuhren direkt zum Haus, durch die Einfahrt und an den Rosmarinbüschen vorbei, öffneten das alte rostige Eisentor und parkten den Campingbus im Schatten der Remise.
Wir stellten zwei Campingstühle in den Hof und betrachteten „stolz wie Bolle“ UNSER Haus.
Neugierig, ob die Vorbesitzer das Haus wirklich besenrein verlassen haben, schoben wir den großen, messingfarbenen Schlüssel verkehrt herum, also den Bart nach oben, in das Schloss der schweren Holztür. Irgendein Scherzbold hatte das Türschloss verkehrt herum eingebaut. Folglich musste man zuschließen, wenn man aufschließen wollte.
Drinnen war es kühl und es roch dumpf. Wir öffneten alle Fenster mit größter Vorsicht, denn der Kitt, der die Einfachverglasung festhielt, war teilweise schon weggebrochen. Die blinden Scheiben saßen teilweise nicht mehr so stabil im Rahmen. Die von der Sonne gebleichten Fensterläden klappten wir beiseite, und ließen frische Luft ins Haus.
Im Erdgeschoss war alles leer, bis auf die alte Öl-Heizung in der schmalen Küche. Im Obergeschoss war noch ein leeres eisernes Bettgestell stehen geblieben. Unter dem Dach fanden wir zwei antiquarische, gusseiserne Zimmeröfen, aber ansonsten hatte man unserem Wunsch entsprochen und leergeräumt.
Wir ließen alle Fenster und Türen offen, es war ja nichts zu stehlen im Haus und krabbelten in die Schlafsäcke im Campingbus.
Erschöpft von den vielen, neuen Eindrücken und mit einer Flasche Sekt im Kopf schliefen wir rasch ein. Der Schlaf war nicht erholsam. Es lag sicher an der ungewohnten Stille, und der Anspannung im Unterbewusstsein.
Ziemlich zerknittert krochen wir am Morgen aus dem Bus.
Wo anfangen? Am besten mit Kaffee kochen. Wir hatten für alle Fälle einen Elektroherd mit zwei Platten mitgebracht. Gut vorbereitet waren auch Steckeradapter für französische Steckdosen dabei. Da der Strom nicht abgestellt war, konnten wir mit frisch gebrühten Filterkaffee den Tag beginnen.
Die zweite Tasse war noch halb voll, kam schon Besuch. „Bonjour, bonjour, ça va? » Thierry kam die Hände in den Taschen seines grünen Overalls in den Hof geschlendert, um neugierig zu schauen, wie es uns ginge.
Mit vielen Worten, welche wir nicht verstanden und guter Gestik, erklärte er uns, dass er fast in Sichtweite wohne. Wir waren genau genommen Nachbarn. Die Kommunikation kam dann aber schnell ins Stocken und er verabschiedete sich mit einem „à bientôt“.
In Deutschland kann man Jahre, nur durch eine 15 cm dicke Wand getrennt wohnen und erfährt nie, wer auf der anderen Seite lebt.
In Frankreich wohnt man so weit entfernt auseinander, dass man sich nicht sieht, aber alle kennen einen oder man kennt sie. Als Ausländer mit einer résidence secondaire (Zweitwohnsitz) bist du ein Objekt der Neugierde.
Vier großblättrige Bäume, mûrier mauvais (übersetzt schlechter Maulbeerbaum), spendeten den in noch wärmeren Monaten wie Juli und August sehr geschätzten Schatten. In der Hofecke, dicht an der Hauswand stand eine ca. drei Meter hohe, bereits verblühte Mimose. Sie kaschierte den grau verwitterten, morschen Holzverschlag, der den Zugang zum ehemaligen Ziegenstall versperrte.