Shaman King Faust 8 – Light Novel - Kakeru Kobashiri - E-Book

Shaman King Faust 8 – Light Novel E-Book

Kakeru Kobashiri

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Beschreibung

Faust 8 ist ein Mann, der die Liebe seines Lebens gefunden hat – und sie leider viel zu schnell wieder verlor … Doch ist der Tod eigentlich endgültig? Und was bedeutet es, zu leben? Faust kann den Verlust seiner geliebten Elisa nicht ertragen und widmet sich fortan der Erforschung dieser Fragen, um einen Weg zu finden, seine Frau zurück in sein Leben zu holen.

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Dieses Werk ist reine Fiktion. Es steht in keinerlei Zusammenhang mit realen Personen, Gruppen oder Ereignissen.

Als er erwachte, fand er sich mit Riemen an ein hochkant stehendes Bett gefesselt.

Seine Füße schwebten ein paar Zentimeter über dem Boden und als er sich rührte, hörte er das Klirren von Metall.

Schwaches Kerzenlicht brannte und selbst im Halbdunkel war gut zu erkennen, dass er blutüberströmt war.

Hier stimmte etwas nicht. Rasch blickte er sich im Zimmer um und entdeckte aufgereihte Werkzeuge, die nach Folterinstrumenten aussahen.

»Was ist das …? Wie bin ich …?«

Er hatte keinen Schimmer, wie er hierhergelangt war. Er war in den Arm gestochen worden und ins Krankenhaus gekommen. Daran erinnerte er sich noch.

Sie hatten gesagt, sie würden ihm ein Schmerzmittel injizieren, und dann …

»Dann werde ich wohl mal über meine Erinnerungen sprechen«, sagte plötzlich jemand mit ruhiger Stimme.

Er konnte ihn nicht sehen.

»Wer ist da?!«

Er bekam keine Antwort.

Stattdessen hörte er Schritte.

Als der Mann sich bewegte, begannen die Kerzenflammen zu flackern und sein Schatten tanzte über die Wand.

In dem Zimmer gab es anscheinend kein elektrisches Licht. Fenster gab es ebenfalls nicht.

Bedeutete das, er war in einem Keller?

»Ich möchte über meine Frau sprechen, schöner und edler als alle anderen. Meine geliebte Elisa, mein Lebenssinn, mein Ein und Alles.«

»He! Soll das ein Witz sein?! Ich bin nur hier, um meine Wunde verarzten zu lassen! Gibt’s hier ’nen Arzt, hab ich gefragt, und jetzt …«

»Ja, ich weiß. Mit Verbrechern wie dir kann man keinen anständigen Arzt behelligen. Darum bist du nun bei mir. Aber sei ganz beruhigt: Ich bin Arzt.«

Der Mann, der hinter ihm gestanden hatte, kam nun herum und stellte sich vor ihn.

Er war schlank und schön und hatte weiches blondes Haar. Seine Miene war sanftmütig, die Stimme freundlich.

Was ganz und gar nicht zur Situation passen wollte.

»Ich hab sie kennengelernt, da war ich fünf Jahre alt«, fuhr der Mann mit seinen Erinnerungen fort. Dabei strich er mit dem Finger der Reihe nach über die verschiedenen Folterwerkzeuge auf seinem Silbertablett und überlegte anscheinend, welches er verwenden sollte.

In dem Gefesselten breitete sich eine Eiseskälte aus. Sein Körper wollte nicht aufhören zu zittern. Er wusste nicht, ob es an der Kälte lag oder an der Angst.

»Sie war drei Jahre älter und sah schon sehr erwachsen aus, aber auch schrecklich zerbrechlich. Ich fragte mich, ob sie ein Engel sei.«

»Hilfe …«

»Ich habe sie …«

»Bitte!«, schrie der Gefangene. »Das muss ein Fehler sein! Hiiilfe!«

Ihm wurde eine Metallschiene in den Mund geschoben und er brachte nur noch unartikulierte Laute heraus.

Der weiß gekleidete Mann blickte mürrisch drein und nahm beiläufig eine Zange und ein Skalpell zur Hand. »Ich war gerade dabei, etwas zu erzählen. Es gehört sich nicht, andere zu unterbrechen.«

»Ah … Gah …«

»Die Zunge hat viele Funktionen: von der Nahrungsaufnahme übers Schmecken bis hin zur Aussprache. Aber man kommt auch ohne sie aus. Es gibt viele Geschichten darüber, wie sich jemand umbringt, indem er sich die Zunge abbeißt, aber das ist zumeist pure Fiktion. Bis man an so etwas stirbt, vergeht reichlich Zeit. Wenn ich dir nun etwa die Zunge amputieren wollte, könnte ich Maßnahmen treffen, um dich am Leben zu halten.«

Der Mann klappte die Zange auf. »Und darum …«

Erbarmungslos schob er sie in seinen Mund, der von der Metallschiene offen gehalten wurde. Er packte die Zunge an der Wurzel und zog sie heraus. Da der Kopf des Gefangenen fixiert war, konnte er nichts dagegen tun.

Das konnte doch nicht wahr sein.

Nein! Oh Gott, aufhören!, dachte er, doch seine Kehle war vor Panik wie zugeschnürt und er brachte nur erstickte Laute hervor.

»Und nun schneiden wir dir erst mal diese unhöfliche Zunge ab.«

Sie war bis zum Anschlag herausgezogen. Dann flammte plötzlich ein scharfer Schmerz auf. Blut spritzte und im selben Moment wurde ihm ein erhitztes Messer auf die Schnittstelle gedrückt. Es roch nach verbranntem Fleisch und Dampf quoll ihm aus Mund und Nase.

»Siehst du? Schon haben wir die Blutung gestoppt. Und du hast auch kein Blut in die Luftröhre gekriegt. Aber selbst wenn das passiert wäre, hättest du dir keine Sorgen machen müssen. Ich bin schließlich Arzt. So einfach lasse ich dich nicht sterben. Immerhin … hast du meine Elisa umgebracht.«

Jetzt ergab das wahnsinnige Gerede des Mannes plötzlich einen Sinn.

Ohne mit der Wimper zu zucken, hatte er ihm die Zunge herausgeschnitten und ihm ein erhitztes Messer auf die Schnittstelle gedrückt, als würde bei einem Nutztier eine Wunde ausgebrannt.

Er legte die abgeschnittene Zungenspitze in Formalin ein und als er sich mit einem arglosen Lächeln auf dem Gesicht wieder umdrehte, packte den Gefangenen die Verzweiflung.

»Wir haben unendlich viel Zeit … Tage, Jahre … Also, fangen wir an. Ich erzähle dir nun von meiner geliebten Elisa.«

Erstes Kapitel

1

Touristen, die in die Stadt kamen, lächelten gequält, wenn sie herausfanden, dass es hier nicht viel mehr zu sehen gab als ein altes Schloss und einen großen Fluss. Für die Menschen, die tatsächlich hier lebten, war Heidelberg jedoch eine »Wissenschaftsstadt«. Hier gab es die älteste Universität Deutschlands und auch jetzt noch zog es viele Studenten in die Stadt.

Es hieß, das alte Stadtbild habe sein mittelalterliches Gesicht bewahrt. Nun fuhren jedoch moderne Straßenbahnen und zahllose Busse hindurch. Wie in vielen anderen Städten auch standen sommers wie winters Tische und Stühle vor den Cafés und durch die Straßen wehte Kaffeeduft.

Es war ein ganz gewöhnlicher Nachmittag in Heidelberg. Auf einer Terrasse an einer Hauptstraße saßen sich ein Mann und eine Frau gegenüber.

»Du, Elisa. Vielleicht sollte ich es gar nicht ansprechen, aber …«

Der Mann drehte seine Kaffeetasse in den Händen und schwieg eine Weile, als suche er nach den richtigen Worten.

Die junge Frau mit dem Namen Elisa blickte ihn fragend an. Vor ihr auf dem Tisch stand ein Stück Sachertorte mit Schlagsahne.

Sein hellbraunes Haar war glatt zurückgekämmt und er trug, obwohl Frühling war, eine Krawatte und ein Jackett – der typische Spießer.

Sie hingegen trug kein Make-up und auch keinen Schmuck, abgesehen von einer Narzisse im blonden Haar. Sie hatte eine weiße Bluse an und eine schwarze Strickjacke darüber, ein schlichter Studentenlook, aber sie war so schön, dass sie dennoch alle Blicke auf sich zog. Inmitten der alten Häuser, unter den Bäumen, die den rissigen gepflasterten Weg säumten, strahlte Elisa geradezu in ihrer Frische und Jugend.

»Wir kennen uns doch schon so lange. Halt dich nicht zurück – mir kannst du alles sagen.«

»Nun … Also …«

Elisa streckte die Hand nach ihrem Glas aus. Aus Versehen stieß sie es um und der Inhalt ergoss sich über die Hose des Mannes. »E… Entschuldige!«, rief sie. »Oh Gott! Bist du in Ordnung?!«

»Schon gut, Elisa! Alles in Ordnung, ich bin nur ein bisschen nass.«

Während er seine durchnässten Sachen und den Tisch trocken wischte, bedeutete er Elisa, die panisch aufgesprungen war, sich wieder hinzusetzen.

Es ist besser so, dachte er. In ihrer Aufregung hätte sie sonst noch den ganzen Tisch umgeschmissen.

»Also, was ich gerade sagen wollte …«

»Ah, warte mal, Wolfi. Faust! Hier!«

Gerade hatte er sich überwunden und den Mund geöffnet, da schnitt ihm Elisa das Wort ab, stand auf und winkte lächelnd Faust zu.

Der erschrak und sah unwillkürlich zu dem Mann hin, der ihr gegenübersaß.

Offensichtlich hatte er ihr gerade seine Liebe gestehen wollen. Das war nun wirklich nicht die Situation, in der man männlichen Freunden, die gerade vorbeikamen, einen Platz am Tisch anbot.

Aber der Mann erwiderte seinen Blick. Ergeben ließ er die Schultern hängen und winkte ihn heran. Macht nichts, komm nur.

So war es eben. Es war für sie beide nicht einfach.

Mit einem gequälten Lächeln ging Faust zum Tisch: zu Elisa, die ein argloses Lächeln auf dem Lippen hatte, und Wolfgang, den sie beide schon aus Kindertagen kannten.

»Du kommst genau recht, Faust. Wolfi wollte gerade was Wichtiges besprechen. Ich war nicht sicher, ob ich allein dabei helfen kann. Gut, dass du gerade vorbeikommst. Oder bist du in Eile?«

»Schon in Ordnung, Elisa. Ich komme gerade aus der Bücherei. Ich freue mich, wenn ich mich nützlich machen kann.«

Ihm war jedoch sehr klar, dass er gerade eher störte.

Wolfgang wich seinem Blick aus und sagte, ohne zu zögern: »Eigentlich ist es nicht so wichtig. Nur ein Vorwand, damit ich allein mit Elisa sprechen kann.«

»Aber Elisa wollte anscheinend nicht mit dir allein sein, was?«

»Mensch, Johann … Lächelst und sagst dabei so was Gemeines.«

»Kannst du mich nicht auch ein bisschen verstehen? Immerhin hast du versucht, mich auszustechen.«

Faust rief die Bedienung und bestellte das Getränk, das Elisa zuvor umgestoßen hatte. Einmal für Elisa und einmal für sich selbst.

Sie kam immer hierher, um diesen Kräutertee zu trinken, den man sonst kaum irgendwo bekam.

»Wenn du schlecht gelaunt bist, drückst du dich immer besonders höflich aus.«

»Ha ha. Was redest du da? Ich achte doch immer darauf, höflich zu anderen zu sein!«

Elisas Blick ging zwischen den beiden hin und her, aber sie verstand nicht, worum es bei dem Wortwechsel ging. Sie war einfach zu unschuldig.

Unsensibel wäre ein anderes Wort dafür.

»Schön, dass ihr beide euch so gut versteht!«

Wenn sie so etwas sagte und dabei lächelte, musste man sofort selbst lächeln – das ging sowohl Faust als auch Wolfgang so.

Faust hieß mit vollem Namen Johann Faust VIII.

Vor langer Zeit hatten ihm seine Eltern gesagt, er sei ein Nachfahre von Doktor Faust, jenem namhaften Magier und Alchemisten, aber selbst sie hatten anscheinend nicht gewusst, wie glaubhaft das war.

In Deutschland hatten sich hier und da die Legenden erhalten, die sich um Doktor Faust rankten, die bekannteste davon war wohl diese: Er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, Magie gewirkt und allerlei Wunder vollbracht, sei jedoch vom Teufel kaltblütig umgebracht worden.

Vielleicht war aber auch Goethes Tragödie bekannter. Zumindest basierte dieses Werk auf den Legenden über Doktor Faust.

Es gab allerdings auch die Auslegung, dass die Legenden auf historischen Tatsachen beruhten. Einer Theorie zufolge stand sein Geburtshaus im bayrischen Helmstadt, einer anderen zufolge in der Kleinstadt Knittlingen. Auch in Prag gab es angeblich ein Haus mit einer Verbindung zu ihm. Doktor Faust war geradezu ein Phantom.

Die Legenden über den Alchemisten, der im sechzehnten Jahrhundert aller Herren Länder bereist hatte, waren in einem Buch namens Historia von D. Johann Fausten zusammengestellt worden, aber über den Verfasser des Manuskripts war nichts bekannt.

Dass so viel im Dunkeln lag, musste seinen besonderen Reiz haben, denn bis heute hatte sich das Interesse der Leute an Doktor Faust nicht erschöpft.

Faust dachte trotzdem nicht daran, seine eigenen Wurzeln zu ergründen. Das interessierte ihn überhaupt nicht. Es gab keinerlei Beweise, dass jener »Faust I« blutsverwandt mit ihm war, und selbst wenn, hatte es keinen Bezug zu seinem Leben und auch keine Relevanz. Mit Unwissenschaftlichkeit oder gar mit Gott konnte er nichts anfangen. So war er nicht erzogen und es passte auch nicht zu seinem Charakter.

Fausts Meinung zufolge verhielt es sich so: Früher hatte »Naturwissenschaft« Magie oder Alchemie geheißen und zufällig war nun durch Goethes Tragödie ein Mann berühmt geworden, der darin besonders bewandert gewesen war.

Mehr steckte seiner Ansicht nach nicht dahinter.

Elisa hatte er jedenfalls kennengelernt, als er fünf gewesen war.

Im Moment ihrer ersten Begegnung hatte er sich nicht mehr rühren können. Selbst das Atmen hatte er vergessen, hatte sogar geglaubt, das Herz bliebe ihm stehen. Ihm war gewesen, als hätte sein altes Leben geendet und ein neues begonnen, als wäre die einstmals schwarz-weiße Welt nun voller strahlender Farben.

Ein paar Sekunden lang hatten sie sich angesehen, dann hatte das Mädchen ihm zugewinkt. »Was liest du da?«, hatte sie ihn durchs Fenster gefragt.

So hatten sie sich kennengelernt.

Das Mädchen hieß Elisa.

Damals war sie acht gewesen und der Arzt hatte ihr gesagt, sie leide an einer unheilbaren Krankheit und habe nicht mehr lange zu leben.

Sieht man ein Ziel vor sich, so schreitet man mit einem Mal rascher voran. Man hat das Gefühl, dass die Zeit nicht reicht.

Hätte Faust sich im Tempo seiner Umgebung bewegt, wäre er zu langsam gewesen. Eigentlich hätte er nach vier Jahren Grundschule neun Jahre lang aufs Gymnasium gemusst, dann erst hätte er sein Abitur machen und auf die Universität gehen können. Faust hatte jedoch an Gelehrsamkeit alle anderen übertroffen, hatte immer wieder Klassen übersprungen und schon mit zehn das Abitur mit Bestnoten bestanden. Somit hatte er also seine Hochschulreife erreicht.

Die meisten Studiengänge erforderten keine Aufnahmeprüfung und er hatte frei zwischen den Universitäten wählen können. An die medizinischen Fakultäten wollten jedoch viele, die Universität Heidelberg war renommiert und natürlich gab es nur eine begrenzte Zahl von Studienplätzen. Faust sorgte sich ein wenig, ob sie ihm, einem Kind, überhaupt gestatten würden, sich an allen anderen Kandidaten vorbeizudrängeln.

Doch Kind hin oder her, er hatte nun mal die Qualifikation. Mit zehn reichte er also seine Anmeldeunterlagen bei der Heidelberger Universität ein. Er kam erst einmal auf die Warteliste, doch mit elf durfte er sich schließlich immatrikulieren.

Die Leute priesen ihn als Genie, aber ihn kümmerte nicht, wie die Welt über ihn dachte, er war lediglich auf der Suche nach einem Weg, um Elisa zu heilen.

Das Medizinstudium dauerte sechs Jahre und endete mit dem Staatsexamen. Das brauchte er unbedingt, wenn er Arzt werden wollte. Doch er drosselte vorübergehend sein Tempo. An der Universität begegneten sich Ärzte verschiedenster Fachbereiche. Wenn er ein Heilmittel für Elisa finden wollte, musste er dieses Umfeld nutzen, also vertiefte er sich immer mehr in die Medizin.

Bei diesem Alltag fand er natürlich nur wenig Freunde.

Gar keine Freunde, hätte man auch sagen können.

Als jedoch das fünfte Studienjahr näher rückte, gab es in seinem Leben einen Wendepunkt. Elisa, mittlerweile neunzehn, folgte Faust und schrieb sich ebenfalls an der Universität Heidelberg ein.

Der Campus war weitläufig, die Lehrgebäude verteilten sich praktisch über ganz Heidelberg. Man konnte an derselben Universität studieren und sich trotzdem kaum begegnen, wenn man nicht an derselben Fakultät war.

Dennoch fand Faust stets irgendeinen Grund und die nötige Zeit, um in Elisas Fakultät aufzukreuzen. Sie verbrachten die Mittage zusammen und immer wenn Elisa irgendwelche Schwierigkeiten hatte, kam er herbeigeeilt und half ihr.

»Faust, du bist mein edler Ritter.«

Wie sehr er es mochte, wenn sie so verlegen kicherte. Keine Anstrengung wäre ihm zu groß, um ihr Lächeln zu beschützen. Und daher …

»He, Johann. Wo bist du denn mit den Gedanken?«

Faust wandte sich um, als er die entnervte Stimme hörte.

Wolfgang.

Es war Abend. Faust hatte am Geländer der Brücke gelehnt und den Neckar betrachtet, der im Licht der Straßenlaternen gemächlich unter dem Schloss vorbeiströmte. Er nickte Wolfgang kurz zu und blickte wieder auf den Fluss hinunter.

»Hast du dich Elisa endlich offenbart?«

»He, du redest ja immer noch so steif daher.«

Faust wusste, dass Wolfgang Elisa heute zum Essen hatte ausführen wollen.

Die beiden waren Nachbarskinder im gleichen Alter gewesen, daher hatten sie sich schon von früher Kindheit an nahegestanden. Faust wusste, dass Wolfgang schon in sie verliebt gewesen war, ehe er selbst sie kennengelernt hatte.

Stocksteif, wie Wolfgang nun mal war, hatte er wohl Gewissensbisse gehabt, weil er Faust hatte ausstechen wollen, und hatte ihm diesmal extra im Voraus von seinem Vorhaben erzählt, Elisa heute Abend seine Liebe zu gestehen.

Er war gesund, hatte einen großen Freundeskreis und da er hobbymäßig Fußball spielte, war er so trainiert, dass er Elisa, falls sie zusammenbrach, mühelos tragen und mit ihr zum Arzt laufen konnte.

Sein Hauptfach war Theologie. Er war Protestant und würde wohl Pastor werden. Von familiärer Seite her sei er eigentlich katholisch, hatte er gesagt, aber Faust, der keiner Religion angehörte, verstand den Unterschied ohnehin nicht so recht.

Eins stand jedoch fest: Wolfgang war ein großartiger Mann, gebildet, sportlich und von vortrefflichem Charakter.

Elisa hatte Faust ihren Ritter genannt.

Eigentlich, dachte er, passte diese Bezeichnung viel besser auf Wolfgang.

Faust war Arzt durch und durch: Hauptsache, Elisa war glücklich und gesund, dann war er schon zufrieden.

Aber …

»Sie hat mir einen Korb gegeben.«

Als Faust das hörte, blickte er auf. »Sie hat dich abgewiesen? Aber warum?«

»Das wunderst dich also auch? Ich will nicht eingebildet klingen, aber ich finde keinen Grund, warum sie mich zurückweisen sollte. Deswegen habe ich sie auch danach gefragt. Und da …« Er unterbrach sich. »Sie hat gesagt, dass sie einen anderen liebt.«

»Einen anderen …« Ob das jemand war, den Faust kannte? »Und wer das ist, hast du nicht aus ihr rausbekommen?«

»Nanu? Warum willst du das denn wissen?«

»Ist das nicht klar? Ich weiß ja nicht, in was für einen Mann sie sich verliebt hat. Sie kennt kein Misstrauen gegenüber anderen. Könnte durchaus sein, dass sie sich von einem miesen Kerl hat einwickeln lassen.«

»Ach, deswegen mache ich mir keine Sorgen. Es handelt sich um einen Mann, den du und ich gut kennen.«

Fausts Miene verfinsterte sich. »Ich kenne aber abgesehen von Elisa überhaupt niemanden gut.«

»Und was ist mit mir?«

»Oh, tut mir leid.«

Als Wolfgang Fausts Gesichtsausdruck sah, so ganz ohne jede Bosheit, seufzte er. »Na ja, jedenfalls kenne ich den Mann. Er ist intelligent und ehrbar.«

»Dann … ist ja gut …« Faust empfand Erleichterung.

»Und warum beruhigt dich das jetzt?«

»Na ja, wenn es jemand ist, den du respektierst, dann ist er bestimmt in Ordnung. Er wird Elisa glücklich machen.«

Wolfgang zog die Augenbrauen hoch. »Du setzt ja großes Vertrauen in mich …«

»Dass du niemand Fragwürdiges an Elisa heranlässt, hast du mich ja damals schon sehr deutlich wissen lassen.« Faust lächelte vielsagend.

Bis heute hatte er die Demütigung nicht vergessen, die Wolfgang ihm zugefügt hatte, als sie noch klein gewesen waren. War es kindliche Eifersucht gewesen, ein natürlicher Beschützerinstinkt oder hatte sich Faust damals irgendwie fragwürdig verhalten? Jedenfalls hatte Wolfgang mit allen erdenklichen Mitteln versucht, ihn von Elisa fernzuhalten. Doch als er ihn hatte fortjagen wollen, hatte Elisa ihn in ihrer Güte davon abgehalten, was einen tiefen Eindruck auf Faust gemacht hatte.

Er hatte sie immer mehr gemocht. Wie Wolfgang darüber dachte, war ihm egal, er hatte sich trotzdem weiter mit ihr getroffen.

Wolfgang zog eine Augenbraue hoch. »Meinst du etwa damals, als wir noch Kinder waren?«

»Genau. Du dachtest, ich hätte Elisas Gesellschaft nur gesucht, weil ich keine Freunde hatte. Du hast mich dann dazu gebracht, bei einem Fußballspiel mitzumachen – ausgerechnet mich! Ich kannte ja nicht mal die Regeln!«

»Ich hätte nicht im Traum daran gedacht, dass es auf der Welt jemanden geben könnte, der die Fußballregeln nicht kennt! Aber das ist doch bestimmt eine schöne Erinnerung, oder? Elisa war auch da, um dich anzufeuern.«

»Ich habe mich nur blamiert.«

»Ich mich doch auch … Elisa hat mich so richtig rundgemacht.«

Wolfgang hatte ihn anfangs wie einen Störenfried behandelt. Als er jedoch mitangesehen hatte, wie Faust mit beispielloser Geschwindigkeit eine Klasse nach der anderen übersprungen hatte, war er ihm gegenüber nachsichtiger geworden.

Ich will Elisa heilen.

Er hatte wohl in Fausts Worten keinerlei Falschheit finden können und ihn daher als Ritter anerkennen müssen.

»Und du, Faust? Hast du nichts dagegen, dass ein anderer Mann Elisa kriegt?«

»Wen Elisa auch liebt, das ändert nichts an meinen Gefühlen ihr gegenüber. Ich wollte nie irgendwas zurückbekommen. Sie ist ein Engel für mich. Geht es ihr gut, geht es auch mir gut. Deshalb habe ich beschlossen, ihre Krankheit zu heilen und dafür zu sorgen, dass sie glücklich wird.«

»Verstehe …« Wolfgang lächelte gequält. »Du, Johann … Elisa …«, setzte er an, dann verfiel er in Schweigen.