Sie war Er - Brigitte Maria Peters - E-Book

Sie war Er E-Book

Brigitte Maria Peters

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Beschreibung

Für alle Menschen, die an ihrem Geschlecht zweifeln! Ein Mensch wird geboren. Eltern und Ärzte stellen erst nach 2 Jahren fest, dass die Sexualorgane nicht stimmig sind. Wie ist das möglich? Ein qualvolles Leben voller Geheimnisse und Lügen! Die Autorin Brigitte Maria Peters hat diesen Leidensweg begleitet.

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Seitenzahl: 78

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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie­.

Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte der Verbreitung, auch durch Film, Funk und Fern­sehen, fotomechanische Wiedergabe, Tonträger, elektronische Datenträger und ­auszugsweisen Nachdruck, sind vorbehalten.

© 2024 novum publishing

ISBN Printausgabe: 978-3-99130-447-0

ISBN e-book: 978-3-99130-448-7

Lektorat: Rolf Stemmle

Umschlaggestaltung: Maya Brooklyn Weckert

Layout & Satz: novum publishing gmbh

Autorenfoto: Monika Pobog-Malinowska

www.novumverlag.com

Widmung

Für alle Menschen, die an ihrem Geschlecht zweifeln!

Gedicht

GINGO BILOBA

Dieses Baums Blatt, der von Osten

Meinem Garten anvertraut,

Gibt geheimen Sinn zukosten.

Wie’s den Wissenden erbaut.

Ist es ein lebendig Wesen,

Das sich in sich selbst getrennt?

Sind es Zwei, die sich erlesen,

Dass man sie als eines kennt?

Solche Fragen zu erwidern,

fandich wohl den rechten Sinn;

Fühlst du nicht an meinen Liedern,

Dass ich eins und doppelt bin?

– Johann Wolfgang von Goethe –

Jetzt, da ich das Geheimnis kannte, das Ausmaß der Qualen erahnen konnte, die dieser Mensch durchlebt hatte, sah ich ihn, ohne dass ichwehtun wollte, manchmal mit anderen Augen an. Was würde passieren,wenn er das Medikament, das er seit seinem 15. Lebensjahr spritzen musste, nicht mehr nehmen würde?

Was würde sich verändern an seinem Äußeren? Würde er es durchstehen, nach all den jahrelangenVergewaltigungen endlich das Leben zu leben, das er immer leben wollte?

Ich konnte kaum noch an etwas anderes denken. Dabei war ich selbst mit meinen eigenen Problemen in einer Situation, die eine längst überfällige Entscheidung verlangte. Auch ich wusste nicht mehr so recht, wo ich eigentlich hingehörte. Mir war in letzter Zeit immer klarer geworden, dass auchich mich selbst unentwegt vergewaltigte.

Ich lebte in einem Umfeld, das zwar finanziell abgesichertwar, dass mich aber von Jahr zu Jahr unglücklicher machte. Ich wusste nicht, warum ich es nicht schaffte, einen Schlussstrich zu ziehen unter ein Leben, das zu einem ständigen Kampf geworden war. Ich fühlte mich meinem Elternhaus, das mir noch immermit finanziellen Mitteln alles bot, was eigentlich für ein eigenständiges Leben reichen würde, seltsam verbunden. Mir warnicht klar, wovor ich Angst hatte. Ich hatte zwar meineeigene Wohnung – aber im Haus der Eltern. Diese verstandenes immer wieder, mich auf erpresserische Weise an sich zu binden.Mein Schuldbewusstsein und mein Verantwortungsgefühl waren noch immer stärker als meine Entschlusskraft, endlich den entscheidenden Schritt in die absoluteUnabhängigkeit zu gehen.

Deshalb war ich immer dann besonders glücklich, wenn ich einen Auftrag hatte, der eine längere Abwesenheit erforderlich machte.

Warum auch ausgerechnet mir so etwas widerfahren musste. Mir, die immererst an das Wohl der anderen dachte, bevor ich meinen eigenenInteressen nachging. Mir, die seit langem geplant hatte, endlich einmal damit anzufangen, mehr an mich selbst zu denken. Ausgerechnet mir!

***

Angefangen hatte es mit einer gemeinsamen Arbeit.

Als freie Journalisten hatten wir beide den Auftrag für eine Recherche zum Thema„Rechtsradikalismus bei Jugendlichen“ angenommen.

Schon beim ersten Konzeptionsgespräch in der Redaktion war uns klar geworden, dass dieses Thema eine unangenehme,weltanschaulich herausfordernde Arbeit werden würde, der wir uns mit größtem Engagementstellen mussten.

Schon wenige Stunden nach diesem Gespräch saßen wir im Auto und fuhren nach Norden. Wir hatten unsere Reiseroute in der Tasche und wollten gründlich vorgehen. Während er sicher und ruhig über die Autobahn preschte, war ich bereits inGedanken an der „Front“. Diese jungen Menschen, die sich politisch soverirrt hatten, wollte ich sehen, riechen, mit ihnen reden und wennnötig auch streiten. Ich hatte meine Überzeugung, ich wollte untersuchen und berichten. Ich war wie besessen, weil ich es nicht wahrhaben wollte, dass über 70 Jahre nach Hitler wieder ein brauner Sumpf kochte.

Ich sprach über meine geplante Vorgehensweise und meine Zielvorstellung, nicht nur dieinzwischen allgemein bekannten Vorkommnisse zu dokumentieren, ich wollte an die Wurzel des Übels, ich wollte bei den Familien anfangen, die Mütter sehen und sprechen, bei denen diese jungen Menschenlebten. Und die Väter! Die wollte ich mir genau anschauen! Denndort zu Hause und nicht auf der Straße, nicht amStammtisch wurde dieses menschenfeindliche Saatgut gesät. Davon war ich fest überzeugt.

Irgendwann hielt er an einer Tankstelle und batmich, nun das Steuer zu übernehmen. „Gern“, sagte ich. „Aber vorhermusst du dir eine Pause gönnen“, fügte er hinzu. Er befürchtete, ich sei ja schon so sehr in diese Reportage „verstrickt“, dassich die Story schreibe, bevor die Recherche angefangen habe.

Ich erschrak bei seiner Unterbrechung meines Monologs. Tatsächlich,ich war so aufgewühlt bei diesem Thema, dass ein Außenstehenderannehmen musste, ich sei voreingenommen und in meiner bevorstehenden Arbeit schonso festgelegt, dass man mir eine unabhängige Leistung nicht mehr abnehmen könne. Dieses Erschrecken hatte aber noch etwas anderes,bisher nicht Gekanntes bei mir ausgelöst: Die Art und Weise, wie er mich zum Einhalt und zur Pause aufgefordert hatte, war einmir bisher unbekannter Ton. Ein ganz neuer Duktus stand dahinter! Es lag nichts Bestimmendes, nichts Forderndes, nichts Herrschendes, nichts Nehmendes in seinem Vorschlag. Obwohl ich doch tatsächlich in den letzten Stunden sehr ichbezogen monologisiert hatte. Ich spürte, diese Bitte war ausgesprochen worden, weil der Kollege offenbar wirklich Sorge hatte, mir würde schon vor der eigentlichen Arbeit die Kraft ausgehen. Diese Feststellungbemerkte ich in einer eigenartigen Emotion. Das, wie er es gesagthatte, löste etwas in mir aus, von dem ich nicht sagen konnte, was es war.

Erst alswir die nächste Ausfahrt zu einer Raststätte erreichten bemerkte ich, dass wir schon in der Lüneburger Heide waren. Da wurde mir klar, wie sehr ich ihn genervt haben musste, denn wir waren schon mehr als fünf Stunden gefahren, und ichhatte es gar nicht gemerkt – so sehr war ich diesem Thema verfallen. Unser erstes Ziel war Stade in Niedersachsen, schonin gut zwei Stunden würden wir dort sein, und erst jetzt war die erste Pause angesagt. Ich schämte mich für meine Rücksichtslosigkeit, vor allem aber auch deshalb, weil er seine Bitte um Fahrtunterbrechung eben in diesem „seltsam weichen Ton“ ausgesprochen hatte. Ich war einem solchen Tonfall inmeinem Umfeld bislang nicht begegnet. Die Männer, die Kollegen, mitdenen ich sonst zu tun hatte, reagierten anders. Genau dieser Unterschied war mir vorhin aufgefallen!

Komisch, dachte ich, während ichihn beim gemeinsamen Imbiss das erste Mal näher betrachtete. Er war für sein Alter, ich schätzte ihn auf Mitte 30, von seinen Gesichtszügen her ein jugendlicher Typ, wirkte aber durch seine stattlicheKörperfülle eher männlich, bierbauchig und grob. Sein Äußeres passte nicht zu der Art, wie er sprach; wie zuvorkommend ersich mir gegenüber verhielt. Für kurze Zeit vergaß ich mein beruflichesAnliegen und entdeckte in mir den Wunsch, mehr über diesen Kollegen erfahren zu wollen.

***

Wir hatten uns in verschiedenen Pensionen in Stade eingemietet und dabei verheimlicht, dass wir als Journalisten gekommen waren.Natürlich wollten wir nicht als Undercover-Agenten operieren, aber wir hattenden Plan, uns dem Milieu durch ein unverfängliches äußeres Erscheinungsbild zu nähern. Das hieß: keine Videokamera, nur das Diktiergerät und die kleine Digitalkamera waren in unseren Jeansjacken griffbereit.

In den ersten beiden Tagen war Bestandsaufnahme angesagt. Wir zogen getrennt um die Häuser, besuchten die einschlägigen Kneipen und fanden bald auf die von uns verfolgte Spur.

Nach drei Tagen machten wirdie erste gemeinsame Bestandsaufnahme und trafen uns dazu in einem kleinen Bistro. Wir hatten vereinbart, unsere Beobachtungen in einem Dokument schriftlich zusammenzuführen und festzuhalten, unseren Bericht als Gemeinschaftsarbeit zu deklarieren. Unsere Einblicke,unsere Recherchen, die in den ersten drei Tagen dazu geführt hatten, dass wir vor allem nachts sehr lange unterwegs gewesen waren,zeigten bei uns erste Auswirkungen. Wir waren übermüdet undangewidert von der Szene, in die wir eingetaucht waren. Nachdem der Hunger gestillt, das zweite Glas Wein anfing, Wirkung zu zeigen, versuchten wir, unseren Frust ein wenig mit privatem „Kennenlernen“ wegzuschieben. Natürlich war uns klar,dass jeder Mensch sein eigenes Päckchen zu tragen hat, aber wir spürten, dass ein Geheimnis in der Luft lag, dass uns irgendwie aneinanderbinden würde.

Ich war sehr redselig an diesem Abend. Sprach über die Probleme, die ich mit meinem Elternhaus hatte. Dass ich den Weg heraus noch nicht gefunden hatte. Ich lehnte die Unterstützung ab, die ich von meinen Eltern bekam, hatte ich doch meinen Beruf,mein eigenes Einkommen. Dennoch konnte ich nicht nein sagen. Der Vater war in seinem Beruf als Finanzmakler erfolgreich gewesen und hatte nach einem arbeitsreichen Leben keine Perspektive fürdie Rentenjahre. Er hatte es versäumt, sich auf das Alter vorzubereiten, hatte Tag und Nacht gearbeitet, erwies sich nun als völlig unselbständig und machte dadurch seiner Frau das Leben zum Martyrium. Jede Krankheit, die ein Mensch haben kann, bekamer jetzt – er, der im Berufsleben immer vor Energie gestrotzt, gut gelaunt und gesund der Öffentlichkeit zur Verfügung gestanden hatte.

Ja, es war wohl das Mitleidmit der Mutter, das mich daran hinderte, mich abzunabeln. Ich konnte die Mutter nicht mit diesem Mann allein lassen!

Aber wann sollte dann eigentlich mein eigenes Leben anfangen?

Ich bemerkte, dassich mich wieder einmal in Rage geredet hatte–und er warnicht nur ein verständnisvoller Zuhörer, er hatte sogar immer wiederFragen gestellt, wirkliches Interesse gezeigt. Ich empfand seine Gesellschaft als beruhigend, fühlte mich in seiner Nähe sicher und geborgen. Er war mir so vertraut, als würden wir uns schon Jahre kennen.