Simplizitas - Marie von Olfers - E-Book

Simplizitas E-Book

Marie von Olfers

0,0

Beschreibung

Marie von Olfers war Ende des 19. Jahrhunderts eine der wenigen ernsthaften Vertreter literarisch-moderner Prosadichtung. Ihr episches Gedicht "Simplizitas" überzeugt durch seine anmutige, schalkhafte und ernste, aber nie die Weiblichkeit verleugnende Poese.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 178

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Simplizitas

Marie von Olfers

Inhalt:

Simplizitas

Einleitung.

I.

II.

III.

IV.

V.

VI.

VII.

VIII.

IX.

X.

XI.

XII.

XIII.

XIV.

XV.

XVI.

XVII.

XVIII.

XIX.

XX.

XXI.

XXII.

XXIII.

XXIV.

XXV.

XXVI.

XXVII.

XXVIII.

XXIX.

XXX.

XXXI.

XXXII

XXXIII.

Simplizitas, M. von Olfers

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

ISBN:9783849643140

www.jazzybee-verlag.de

www.facebook.com/jazzybeeverlag

[email protected]

Simplizitas

Einleitung.

Nacht war's im Wald ... er stöhnt im Sturmeswehn; Könnt ihr das Feuer wohl darinnen sehn? Gespenstisch kämpft es mit der dunklen Nacht Und sinkt und stirbt und hebt sich neuerwacht.

Alt ist das Weib, das dort am Feuer haust, Wild hat die Zeit an ihr herumgezaust Und jedes Jahr an dem die Alte trug, Das lag auf ihrem Haupte wie ein Fluch.

Kennt ihr sie nicht? es kennt sie jedes Kind; Schnell schlägt's ein Kreuz und läuft davon geschwind, Doch ist's erst sicher vor der Alten Wuth, Dann schreit es: Hexe! Schlange! Teufelsbrut!

Wild ohne Kraft, des Kindes Spiel und Spott, Alt ohne Hoffnung, ohne Trost und Gott. So steht sie da, noch düstrer als die Nacht Und zornig, wie die Gluth, die sie entfacht.

Doch neben ihr, gleich einem Sonnenstrahl, Ein Mädchen. – Kind und Jungfrau allzumal; Die Wange rund – ein lächelnd Augenpaar. Jetzt halb versteckt vom goldig blonden Haar, Der Mund, als kämen nur die frömmsten Worte, Den Engeln gleich aus dieser Himmelspforte. So lag sie da, als wär' sie aus der Welt; Noch mehr, als wär' die Welt für sie bestellt. Der Mutter Dräuen störte sie nicht mehr, Als, wenn die Hummel honigschwer, Die Blume streift, daß sie darüber nickt Und hebt ihr Haupt zufrieden ungeknickt.

Eng zieht die Alte jetzt das Kind heran, Scheu blickt es auf; doch hart läßt sie es an: »Wir zwei sind eins, du bist mein Kind, mein Blut, Bist meines Hasses Schatz und Liebesgut, Dich send ich aus zu jener eitlen Welt, Wo nur die Schönheit Recht auf Glück behält; Mit deinen rosigrothen Wangen Sollst du es dort, für mich erlangen. –

Sie rissen das Herz mir, mit giftigem Dorn Und brannten es aus, bis der Grimm und der Zorn D'rin nisteten wie zwei verdurstete Schlangen, Die nimmermehr rasten, noch Ruhe erlangen.

Lieblich sollst du sie umstricken, Jeden wird es süß erquicken Dir in's schöne Aug zu blicken. Fluch dem Blick! Gieb als Tod ihn ihm zurück!

Sie stahlen mein Wissen mit List und mit Lug Und schrieen dann »Seht es ist Teufelsbetrug!« Und Elend und Krankheit und Noth ohne Gleichen, Das nannten die Grausamen, höllische Zeichen.

Dich zu herzen, dich zu küssen Wird man keinen zwingen müssen; Bitter sollen sie es büßen. Fluch dem Kuß! Gift sei ihnen der Genuß.«

Das Mädchen saß dem Feuer zugewandt Und lächelte dem Schein auf ihrer Hand; Allein die Alte riß die Hand empor, Schrie ihr die Worte scharf in's Ohr: »Schwör mir den Schwur! schwör mir die Rache zu! Mein Eigenthum, mein Glück bist du!« Und wie die Alte sprach, so sprach sie's nach, Wer weiß was sie sich dabei denken mag. Es war ein wilder Schwur, darauf ein Fluch, Sie betet's nach als wär's ein Bibelspruch. Was sie versprochen, ahnt sie nicht, Verschleiert lag der Seele junges Licht, Gefangen wie der Keim, der über Nacht Zum vollen Glanz erwacht.

I.

Am Morgen, als der Thau noch schwer Im Grase hing, da ging darüber her Das Mädchen, fröhlich wie der junge Tag, Erfrischt vom Schlaf, dem sie im Schooße lag; Und mit ihr ging die Sonne durch den Wald Umspielend ihre liebliche Gestalt. Zerrissen war der Rock und arm an Farben, Doch als die goldnen Strahlen ihn umwarben, Erschien sie hochgeschmückt, denn Dürftigkeit Wird hoher Schönheit Schmuck und Ehrenkleid. Unwissend ging sie hin in ihrer Schöne Nicht ahnend welch ein Glanz sie kröne. –

Und als der heiße Tag zum Mittag sich gewandt, Lag hinter ihr der Wald und vor ihr freies Land Mit einem Erlenbusch und einem klaren Bach, Darüber einer Mühle gastlich Dach. Sie wandte sich dorthin – sie stand dort an der Thür, Bis eine Frau hinaustrat, – trat zu ihr Und frug: Wen sucht ihr denn? kommt doch nur mit hinein. Denn freundlich machte sie so hoher Schönheit Schein.

Bald saß sie an dem Tisch, dem weißgedeckten, Die Kinder kamen vor, die scheu versteckten, Und alle grüßten froh den holden Gast. Doch nach dem Essen, nach der Rast Da spricht die Frau »nun müßt ihr weiter gehn«. Allein das Mägdlein blieb ganz züchtig stehn Und bat »Ach nehmt mich an als Magd! Ich bin geschickt, wie meine Mutter sagt, Will fleißig sein, will aufstehn eh es tagt. Nur schickt mich nicht so weit, Mich armes Kind, gewiß es thut euch leid!« Und mit ihr baten zwei der schönsten Sterne Die durch die halbgesenkten Wimpern schienen, Von Thränen naß und doch nicht gar zu ferne Dem Sonnenschein; ihr mußte alles dienen Und alles sich mit ihr verbinden. Denn reizend spiegelt jegliches Empfinden Sich in den holdbewegten Mienen. –

So blieb sie da ... Der Müller runzelte die Stirne. »Was soll die hergelaufne Dirne?« Allein hier war die Frau der Mann, Und auf sein Schelten kam nichts an. Als er Simplizitas gesehn, Da mußt er doch der Müllerin gestehn Sie säh' im Ernst gar lieblich aus Und schmücke jeden Platz und jedes Haus. –

Jetzt ging das Leben ruhig wie die Mühle; Simplizitas lag nicht auf weichstem Pfühle, Doch liebt sie ihrer Herrschaft Kinderpärchen, Ein Mädchen und ein Bübchen, licht von Härchen. Sie wäscht die Kleine, zieht sie an. – Die Kinder waren ihr von Herzen zugethan. Denn selbst ein Kind, ward sie ihr Mitgespiele, Und Kinder sind oft einsam bei den Großen, Vom Kinderparadiese ausgestoßen Und ungern aufgenommen von der Welt, Wo keines ihrer Schätze Werth behält.

An jener Wiese Blüthenhag Da saßen sie wohl Tag für Tag. In Blumen wuchsen Freuden rings umher, Und pflückten sie die Wiese heute leer, So wuchsen morgen desto mehr. Hier war ein Schutz vor jedem rauhen Winde, Hier sprach nur Freundlichkeit gelinde In Liebesworten zu dem Kinde ... Wem würde nicht das Auge helle Auf solcher friedlich frohen Stelle, Wer liebte nicht sich auszusonnen Dem Streit und dem Verdruß entronnen, Wo heiter, gleich dem stäten Sommertag, Ein ewig blauer Himmel lag.

Nie war's im Hause so ... dort schien das Leben Ein wirres mühvolles Bestreben Dem Tage Last auf Last zu geben. Wohl ist die Arbeit unser Segen, Doch während wir die Hände regen, So soll die Seele wie ein Friedensengel Darüber schweben mit dem Lilienstengel. –

Für ihre Kinder hat die Mutter niemals Zeit. Sie hört es kaum, wenn eines nach ihr schreit, Mit Knechten, Mägden stets in Noth und Streit. Sie glaubt sich ihnen nah und ist wer weiß wie weit.

Dem Mann ist manches Mal zuviel der Schelterei, Da schlüg er lieber drein, doch steht es ihm nicht frei; Sie hat zur Eh' den Reichthum mitgebracht, Der Frau gehört das Geld und also auch die Macht. Oft wurmt es ihn so schweigend zuzusehn, Doch da er nichts im Hause konnte hindern, Ließ er zuletzt die Sache gehn Und lebte froh bei seinen frohen Kindern; Er sucht sie auf in jeder freien Stunde Und mit Simplizitas steht er im Bunde.

Ein Feiertag war heut ... ein Sonntagsmorgen So recht zum ausruhn von der Woche Sorgen – Jedoch die Hausfrau kannte keine Ruh Und doppelt lärmend ging es bei ihr zu. Die Wirthschaft war ihr Heil und ihre Ehre – Sie schalt und zankte, meinte sie ernähre Unnütze Dirnen, Tagediebe, Doch wer in ihrem Dienste bliebe, Dem wolle sie es schon vergällen, Die Faule an den Pranger stellen! Der einen Magd riß die Geduld Sie blieb mit nichts in ihrer Schuld, Wie Funken flog das böse Wort, Entflammend hier und zündend dort.

Doch plötzlich wird es still – ganz still ... Was hat die Hanne wohl der Frau gesagt, Das scheu das Blut aus ihren Wangen jagt, Und keine Antwort kommen will?

Sie ging umher und ordnete das Essen, Besorgte selbst was ihr die Magd vergessen, Und ihre zornig wilde Weise Schien wie erstarrt zu Eise. Als alles fertig war und wohl bereit, Da schlich sie aus der Thür zum Wiesengrün. – Der Kinder Lachen drang von Zeit zu Zeit Wie rufend zu der Mutter hin Und durch die Lüfte schickt der Schlehdornhag Den süßen Duft, der auf den Blüthen lag. – Stumm schlich sie all den frohen Zeichen nach, Verbarg sich in dem Grün und lauschte. Der Tag war schwül – kein Blättchen rauschte Und nur ihr Herz schlug angstvoll laut. Sehn muß sie ob die Hanne recht geschaut!

Sie sah den Vater bei den Kindern stehn Und neben ihm, gar lieblich anzusehn, Simplizitas ... – der Schönheit Glanz Umgab, umleuchtete sie ganz Als wär's ihr Reich, als wär's ihr Recht zu glänzen, Die Pflicht der Welt, ihr Wonne zu kredenzen. Zu ihren Füßen lag der wilde Klaus Heut sah er sanft, wie Gottes Engel aus, Die kräft'ge Hand so leicht zur Faust geballt Voll Blumen jetzt aus Feld und Wald.

Der Vater hielt die Kleine hoch empor Und hielt sie spielend dann der Jungfrau vor, Erfreut, wenn schon im Vorgenusse Von solchem holden Liebeskusse Das Kind sein Mäulchen aufgesperrt ganz weit, Und jauchzt und zappelt voller Seligkeit.

Es war ein harmlos heitres Spiel; Doch ach der Mutter sagt es schon zu viel, Erzählt von tausend frohen Stunden, Wie sie noch keine je gefunden, Die hier in Freuden hingeflossen, Wie sie noch keine je genossen.

Stumm steht sie da – wie ausgeschlossen. Das sah sie wohl, die Magd war falsch berichtet, Doch wahr das Glück, wenn auch die Schuld erdichtet. – Ihr war das Glück, ihr war's entwendet; Ihr Reichthum wurde dort verschwendet – Ein Schatten war ihr Leben, trügerisch und hohl. Wie sehr sie sich auch ihrethalben plagte, Sie hatte keinen Theil an ihrer Kinder Wohl, Und das, wonach sie rastlos jagte, So unablässig mühevoll, Wonach ihr Herz in Sehnsucht schwoll, Das fiel der Schönen in den Schooß, Wie eine Frucht vom Baume los. –

Da drang in ihre Seele, schwül Ein giftiges Gefühl. Ihr war, als ob man ihre einz'ge Waffe, Die eigne Liebe ihr entraffe; Und Liebe nur kann um die Liebe streiten, Die Liebe aber stirbt in solchen Zeiten.

Der Tag ging hin ... es kam die zwölfte Stunde Die Mittagsglocken klangen in der Runde; Sie rief den Kindern rauh zu kommen. Als sie die Kleine aufgenommen, Hat sie dem Kinde weh gethan, Und hülfesuchend und erschreckt Hält's nach Simplizitas die Aermchen ausgereckt ... Doch desto fester drückt's die Mutter an, Da senkt's das Köpfchen trauervoll und blaß, Denn solche Liebe dünkt ihm Haß; Es trägt es, wie es kann, den Zorn gewohnt, Blieb selten doch ein Tag von bösem Wort verschont. Der Vater meint: »Ist auch die Mutter hart Gut ist sie dennoch; edler Art, Denn gleich dem Schatz liegt tief in ihr versenkt, Wenngleich sie selten holdes Wort verschenkt, Ein glühendes Gefühl für ihre Lieben.« –

Doch heute scheint nur Asche ihr geblieben. – Weh! allen Herzen die so goldne Gaben Verbergen und vergraben; Nur in der Unsern treuen Händen Wird keiner uns den Schatz entwenden, Dort mehrt es sich an allen Enden; Sie werden dann die Helfer senden, Die mit den reichen Herzensspenden Uns stützen in der Zeit der Noth, Die Liebe wahrend vor dem Tod.

II.

Vergangen war des Sommers Pracht. Tief lag der Schnee, kalt war die Nacht. Der Winter trieb die Menschen eng zusammen Und schürte heller ihres Heerdes Flammen.

Es war schon spät. Doch in der Mühle brannte Licht; Es strahlte freundlich wie die lieben Sterne Und lockte Wandrer schon von ferne; Ach den für den es brannte – den nur nicht. – Die Frau und Jungfrau saßen beieinander dicht Und spannen stumm. – Simplizitas Gesicht, Dem Lichte gleich an heller Freundlichkeit, Die streicht die Haare fort von Zeit zu Zeit Und lächelt, wenn sie Eines eingesponnen Recht wie ein Kind, das ohne Grund in Wonnen. Die Frau spinnt fort ... in einem fort. Das waren schwere Tage, schwere Stunden, Die ihr die böse Zunge festgebunden ... Seit jenem festlichen, der ihr enthüllt, Wie wenig Glück ihr Dasein füllt, Da war kein Frieden mehr mit ihr zu halten; Nur Zorn und Zank ließ sie im Hause walten. Sie nahm dem Manne jede Freude Und was sie konnte, that sie ihm zu leide. Fort soll die Jungfrau! auf der Stelle fort! Der Müller sprach, »das Mädel bleibt am Ort! Sonst geh ich auch ... ich hab es satt, Dein Knecht zu sein ... der Spott der Stadt.« So ward Simplizitas ein Grund zu jedem Streit; Der Stein der willenlos die Schärfe leiht, Die Schneiden scharf genug zu wetzen, Um tief und sicher zu verletzen. –

Sie wußt es nicht ... sie war nicht klug genug; Und ohne Ahnung welche Last sie trug, Ging sie einher, holdseelig anzusehn, Sie war so schön. Die Kinder hingen ihr am Rock, Wie Bienen an dem Blüthenstock; Es war auch böse Zeit für sie, Die Mutter weinte, schalt und schrie, Der Vater saß im Wirthshaus drüben. Seit jenen Wochen, jenen trüben, Da litt's ihn selten mehr am eignen Heerd; Für ihn, war er des Namens nicht mehr werth. Wer uns vor Andern nahe war, Dem steht das Herz das Unbewehrte offen, Kein Andrer hätte es so gut getroffen Und keinem Andern lag es da so klar.

Doch war er fort, dann kam die bittre Reu, Sie rief ihn tausend Mal auf's Neu Mit ihrer Seele ungehörtem Schrei ... Käm er auch wild und bösgelaunt zurück; Denn gegen solches Elend, schien ihr Glück, Ihn da zu haben, sei es wie es sei.

Das Unglück sagt man käme nie allein; Weil eins das Andre zeugt, wird das so sein. Die Wirthschaft brach zusammen und das Haus Sah wie ein Ort für böse Geister aus. Fort waren alle seine Hüter, Zerstreut des Friedens goldne Güter. Sie mochte keinen Finger rühren, Das zu verdienen, was der Mann vertrank, Und böse Worte statt dem Dank. Und er ... was hat er zu verlieren Er giebt sich auf ... an ihm ist nichts gelegen, Nur sterben kann er unter solchen Schlägen; Versinken gleich dem Schiff, das Mast und Kiel verloren. So kräftig an Gemüth sind Wenige geboren, Daß sie sich noch zu retten streben, Wenn neben mühevollem Leben Und harter Arbeit Last und Noth, Ein Leiden ihrer Seele droht. Wie oftmals trägt uns durch recht schwere Müh' Ein froher Geist, dem Glück die Flügel lieh.

Heut war zum ersten Mal, seit Wochen, Der Mann in Frieden fortgegangen. Die Christnacht war's, er hatte ihr versprochen, Als sie mit Zagen und mit Bangen Die letzten Groschen gab, für seine Kleinen Ein Brod zu bringen, denn ihr hungrig Weinen Rief selbst des Vaters Herz noch wach, Das sonst wie todt im Schlafe lag.

Jetzt kommt er. – Horch! ... sein Lachen klang Die stille heil'ge Nacht entlang; Und wieder ... horch! – jetzt tritt der Vater ein; Die Kinder wachen auf ... sie schrei'n: Simplizitas! als könne nur allein Simplizitas noch ihre Rettung sein.

Starr sieht die Mutter auf den trunknen Mann; Mit blödem Auge kommt er dicht heran, Und lacht und schwankt und spricht sie an Und sucht in langvergeßnen Zärtlichkeiten Die Arme nach ihr auszubreiten. –

Bleich weicht sie aus bis an die Wand, Jetzt steht sie ganz in seiner Hand, Sie fühlt den Kuß und länger hält sie's nicht: Jäh wie der Blitz die Wolkenwand durchbricht, Ballt sie die Faust und schlägt sein Angesicht. Dumpf brüllt er auf. – Er faßt sie wie der Tod; Ein Messer blitzt in seiner Rechten, Er scheint beseelt von düstren Mächten, Schon färbt die Hand ein dunkles Roth. – Sie schreit und lärmt in ihrer Noth. Von allen Seiten dringt das Volk herein. Sie fassen ihn, sie schreien auf ihn ein.

Ernüchtert steht er – theilnahmlos daneben, Als fühl er kaum sein Elend und sein Leben; Auf seiner Stirne glüht der Sünde Zeichen, Ein Merkmal für die Reinen, auszuweichen.

Sie weint und schreit und kann kein Ende finden, Ihr Elend vor den Leuten zu entfalten, Wie viel sie jüngst gelitten, ausgehalten, Bei solchem Mann und seinen vielen Sünden.

Simplizitas, erschreckt, verstört, Begreift nicht was sie sieht und hört. Ihr armer Geist bemüht sich klar zu sehn, Doch nimmermehr wird sie die Welt verstehn. Sie küßte, streichelte das Kleine, Bekümmert daß es dennoch weine; Verlegen lächelt sie es an, Wie sie es oft am frohen Tag gethan. –

Jetzt führen sie ihn fort – er folgt den Leuten stumm; Er sieht sich nicht einmal nach seinem Jungen um. Dem war er doch so herzlich gut, So stolz auf seinen frohen Muth. – Der Junge aber trägt das nicht, Er reißt sich los, er klammert sich ihm an, Bedeckt mit Küssen ihn und spricht »Simplizitas, wie kannst du sehn, Daß ihm so Unrecht heut geschehn; Der Vater ist nicht Schuld daran!«

»Ja rufe nur die Hexe«, schreit die Frau, »Daß sie das Elend recht beschau, Sie hat den Schaden angericht' Mit ihrem glatten, lockenden Gesicht!« Und forschend sieht das Kind zum Vater auf. Der giebt ihm bitter höhnend Antwort d'rauf: »Wenn es die Mutter sagt, die wird es wissen!« Da hat sie ihm ihr Kind entrissen Und hinter ihm schließt sich die Thüre zu. –

Sie sind allein – die Leute sind zur Ruh ... Die Frau, das Mädchen stehn sich gegenüber; »Geh!« sagt die Frau; »je ehr, je lieber! –« Es will die Freundliche erbarmen Das Kind schon wieder aufzuwecken, Nach all den Thränen, all dem Schrecken. »Geh!« sagt die Frau, »was bleibst du stehn? Du thust mir weh, wie eine Wunde Und wirst du nicht von selber gehn, So hetz ich dich mit meinem Hunde –« Da macht Simplizitas die Händchen los Und legt das Kind der Mutter in den Schooß Und lächelt, weil es dennoch nicht erwacht Und wendet sich und geht dieselbe Nacht.

III.

Wild stürmend zieht der März heran! Fängt so der milde Frühling an? Das Gräschen scheu hervorgewagt, Es stirbt im Elend, eh es tagt.

Zur Mutter war Simplizitas gegangen, Doch heim zur Mühle trieb sie das Verlangen; Sie schleicht sich hin mit leisem Beben Und sucht das frohe Kinderleben.

Dort stehn die Kleinen, hart am Mühlenrad. Sie mochten in vergangner Zeit so gerne lauschen, Wenn sich's im Sonnenschein, mit wonnevollem Rauschen Aufblitzend, tropfend umgewendet hat – Zerbrochen war es nun ... ein falber Schein Umspielte geisterhaft den todten Stein; Zog um die Kinder lichte Kreise; Die standen da wie kleine Greise, Es drang kein Glanz in ihre Herzen ein. Simplizitas der Sonnenhellen Erscheinen räthselhaft die Spielgesellen. Blüht nicht die Welt von neuem auf Und tausend Freuden keimen mit herauf? Umsonst versucht sie mit des Waldes Schätzen Die armen Kinder zu ergetzen – Die Blüthen, wilder Kluft entnommen, Die Beere, einsam roth erglommen, Der Käfer mit den goldnen Decken, Nichts will die alte Liebe wecken,