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Du dachtest, es ist vorbei, oder? Du dachtest, du verdienst dieses Happy End mit all dem Kitsch und den süßen Worten darin, aber du hast dich geirrt. Du verdienst es nicht. Ich beobachte dich seit einer Ewigkeit und ich weiß, dass du dieses Endes nicht würdig bist. Der Tod wäre noch zu gnädig. Du suchst deine Mutter. Aber fragst du dich gar nicht, ob sie nicht einen Grund hatte, dich wegzugeben? Sie wird dich niemals lieben können, ebenso wenig wie die zwei Männer, die dich umgeben. Sie lieben dich nicht. Sie lieben mich. Und es wird leicht sein, dir das zu beweisen. SISTERS ist die in sich abgeschlossene Fortsetzung zum DARK-ROMANCE-Bestseller BASTARDS von J. S. Wonda. Band 1 und 2 dieser Reihe sind jeweils in sich abgeschlossen, allerdings sollte Band 2 auf keinen Fall vor Band 1 gelesen werden.
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SISTERS
Bastards 2
SISTERS ist ein kleines Special für all diejenigen, die nicht genug von den Brüdern und Jade bekommen können.
Neuauflage 2023
Copyright: J. S. Wonda, 2018, Deutschland
Bildmaterial: Shutterstock
Gute Fee: Iris Gierga
Korrektorat: Claudia Matheis
Zweitkorrektur: Veronika Schlotmann-Thiessen
Bestellung und Vertrieb: Nova MD GmbH, Vachendorf
Alle Rechte vorbehalten.
Jane S. Wonda
Am Himmelkamp 10
30890 Barsinghausen
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Instagram: @janes_wonda
TikTok: @janes.wonda
www.wondaversum.de/shop
Soundtrack
Erinnerung
Jade
Landon
Caleb
Jade
Landon
Caleb
Jade
Caleb
Jade
Caleb
Landon
Caleb
Jade
Landon
Jade
Caleb
Landon
Jade
Jade
Caleb
Jade
Jade
Caleb
Jade
Caleb
SMS
Deleted Scene
Feel It Still
Portugal. The Man
Katchi (Ofenbach vs. Nick Waterhouse)
Ofenbach, Nick Waterhouse
African Fire
Soldier's Heart
In the Mood for Noune
N'to
Die vollständige Playlist gibt es auf Spotify.
Vielen Dank an die Musiker und Künstler.
Für alle, deren Liebe stärker ist.
Caleb Carmack und Landon Mulvaney sind Zwillinge, die eigentlich auf die Namen Jack und Gil Loyster getauft wurden.
Um ihre Umgebung auszutricksen, haben sie von klein auf immer wieder ihre Rollen getauscht.
Caleb und Landon sind Kunstfiguren, die sie mithilfe von falschen Ausweisen und Urkundenfälschung erfunden haben. Caleb hat unter Silva Baresi für die Mafia gearbeitet und Landon beim FBI mit Susan Carpenter, Jades Mutter, als Vorgesetzte.
Die Brüder glaubten lange Zeit, Silva Baresi und Susan Carpenter seien schuld an dem Tod ihrer Eltern und hätten deren Mord vertuscht. Sie glaubten auch, Baresi und Susan würden zusammenarbeiten, um die Geschäfte der Mafia vor dem FBI/dem Staat New York zu verbergen, sodass beide Seiten profitieren.
Allerdings sind Baresi und Susan in Wahrheit die Eltern der Zwillinge und haben sie als Säuglinge weggegeben, um ihr Verhältnis zu vertuschen. Damit wegen der Schwangerschaft keine Fragen aufkommen, adoptierte Susan die halbasiatische Jade.
Susan und Baresi haben jahrelang im Geheimen dafür gearbeitet, die Stadt New York besser zu machen. Susan ist nie über den Verlust ihrer Söhne, die sie in ein Waisenhaus gab, hinweggekommen und hat daher Jade lieblos aufgezogen.
BASTARDS endete damit, dass Jade, Caleb und Landon Richtung Kalifornien aufgebrochen sind, um dort nach Jades leiblicher Mutter zu suchen. Allerdings sind ihnen möglicherweise die Branco-Brüder auf der Spur, deren dritter Bruder Giu von Caleb in New York erschossen wurde.
Landon ließ die Reisetasche fallen und blickte sich im Motelzimmer um. »Zwei Betten?«, fragte er.
Caleb ging an ihm vorbei und ließ sich auf eine der beiden King-Size-Matratzen fallen. »Ich dachte, so hast du mal deine Ruhe, während ich mich mit Jade richtig ausbreiten kann.« Er streckte die Hände nach oben und dehnte sich. »Ich brauche den Platz nach der langen Fahrt.«
»Na, dann gehört das Bett natürlich ganz dir und Jade kommt zu mir.«
Caleb schloss entspannt die Augen. »Vergiss es.«
»Halloho«, erinnerte ich die beiden Brüder daran, dass sie mich wieder mal übergingen. »Ich habe dieses Zimmer ausgesucht. Denn ich will mein King-Size-Bett für mich. Ihr könnt euch eines teilen, so wie es sich für eine Königin und ihre Diener gehört.«
Die Männer fuhren mit ihren Köpfen in meine Richtung. »Was hat sie gerade gesagt?«
Ich ließ mich seufzend auf Bett zwei fallen und breitete Arme und Beine aus. »Ihr habt mich schon verstanden.« Gott, es tut so gut, sich nach zwanzig Stunden im Auto strecken zu können.
Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Caleb sich aufsetzte und Landon einer Salzsäule gleich im Zimmer erstarrte.
»Ich bin es nun mal gewohnt, alleine zu schlafen«, erklärte ich ihnen liebevoll. »Niemand, der mich mit seinem Atem nervt oder mir ständig den Platz wegnimmt, da liegt, wo ich gerne mein Bein hin ausstrecken möchte, oder mich daran hindert, mich im Bett hin- und herzudrehen, wie und wann ich es möchte.«
»Keiner, der deinen Nacken küsst«, begann Landon brummend.
»Oder deine samtweiche Haut streichelt«, ergänzte Caleb.
»Oder dich mit seiner Zunge in deiner Pussy aufweckt.«
»Eben!«, sagte ich fröhlich und wusste, wie wütend ich sie damit machte. »Ganz viel Ruhe nur für mich.«
Caleb trat an Landons Seite. Beide hielten die Arme vor der Brust verschränkt und glichen sich damit wie die zwei Enden einer Wurst. Zwei unglaublich attraktive Enden. »Ich glaube, sie will uns ärgern«, sagte Caleb.
»Ja«, sagte Landon knapp. »Sie will unser Interesse wecken und unsere Wut, ganz eindeutig.«
»Sie will spielen.«
»Und glaubt, zu gewinnen.«
»Egal, was wir tun, sie muss immer die Oberhand haben.«
»Als wäre sie für uns mehr als unser kleines Spielzeug.«
»Richtig, Bruder. Ich glaube sogar, sie denkt, wir wären ihr Spielzeug.«
»Abgefahren. Unsere Süße hat sie nicht mehr alle.«
»Scheint so. Auch wenn ich tierisch Bock hätte, sie gerade jetzt durchzuficken …«
»Während sie mir königlich einen bläst …«
»Und sie kaum zu Atem kommt, weil wir beide so tief in ihr drin stecken …«
»Sollten wir sie lieber in ihrem Bett in Ruhe lassen.«
»Sie braucht ihren Schlaf.«
»Hat sie ja gerade so schön zusammengefasst«, sagte Landon zufrieden.
»Was meinst du? Zwölf Stunden? Das dürfte reichen, oder?«
»Machen wir dreizehn.«
»Dreizehn Stunden Schönheitsschlaf.« Caleb lächelte. »Bock auf ein Bier?«
»Und Football? Heute spielen die Yankees.«
»Das hätten wir beinahe verpasst, wenn wir uns um unsere Prinzessin gekümmert hätten.«
»Wir sind einfach zu sehr auf sie fixiert gewesen.«
»Nerven wir sie nicht weiter.«
Die beiden nickten sich zu und wandten sich ab.
»Ihr spinnt doch!«, rief ich ihnen belustigt hinterher, aber sie reagierten nicht. »Ihr werdet jetzt nicht wirklich gehen, oder?«
Sie warfen sich einen amüsierten Blick zu und öffneten die Tür.
Ich richtete mich auf, als sie nach draußen verschwanden.
»Hey!«, rief ich ihnen hinterher und warf ein Kissen nach Caleb, der als Letzter über die Türschwelle trat.
»Ob wir sie einschließen?«, fragte Caleb gespielt nachdenklich.
»Gute Idee, dann wird sie niemand stören«, hörte ich Landon antworten.
»Das ist nicht euer Ernst!« Aber bevor ich aufspringen und sie davon abhalten konnte, die Tür von außen zu schließen, war das Schloss bereits eingerastet. Ich rüttelte am Türknauf. »Ihr seid solche Wichser!«, brüllte ich und glaubte, sie lachen zu hören.
Die können was erleben, wenn sie es wagen, zurückzukommen. Dreizehn Stunden ohne mich würden sie es sowieso nicht aushalten.
Eine Stunde allerdings schon. Nachdem ich das gesamte Fernsehprogramm durchforstet hatte, warf ich die dämliche Fernbedienung wütend aufs andere Bett. Warum hatte ich mich ausgerechnet in zwei Sadisten verlieben müssen? Sie genossen es, dass mich die Langeweile quälte. Mein Smartphone hatten sie mir schon vor einer Ewigkeit abgenommen, nachdem sie mich dabei erwischt hatten, wie ich meinen Aufenthaltsort bei Instagram geteilt hatte. Ja, ja, wir sollten vorsichtig sein und so weiter und so fort, aber ich vermisste es nun mal, der Star in meiner Clique zu sein und meine dreißigtausend Follower zu unterhalten. Wozu hatte ich mir das alles aufgebaut, wenn ich es jetzt nicht mehr nutzte?
Aber das war ihnen natürlich egal. Wie alles meine Bedürfnisse Betreffende. Wenn sie wollten, konnten sie mir jeden verschissenen Wunsch von den Lippen ablesen, aber häufig genug wollten sie das eben nicht. Fast kam es mir so vor, als versuchten sie, mich zu erziehen.
Und sie genossen es.
Bastarde.
Wären sie nicht so verdammt anziehend, hätte ich sie längst verlassen. Aber wann kam man schon in den Genuss von zwei Männern, die wussten, was sie taten? Allein bei der Vorstellung, was sie mit mir tun würden, wenn sie endlich zurückkamen, spielte etwas zwischen meinen Beinen verrückt … Die Lust in Form eines sehnsuchtsvollen Ziehens verschwand nicht, und ich wusste, dass meine Hand keine Abhilfe schaffen konnte.
Ich lächelte bei dem Gedanken daran, wie schön es mit Caleb und Landon war und was für ein verdammtes Glück ich hatte. Auch wenn es mich unendlich ärgerte, dass sie mich eingeschlossen hatten, sehnte ich mich nach ihnen und entschied, es ihnen zu zeigen, wenn sie zurückkamen. Sie wollten mit mir spielen und dachten dabei nur an ihre Egos und Schwänze?
Ich werde sie an ihren Herzen packen und sie werden niemals wieder freiwillig gehen wollen …
Ich kam gerade von der Toilette, als ich endlich Geräusche an der Tür hörte. Grinsend setzte ich mich auf mein Bett und wartete darauf, dass sie vor mir auftauchten. Mir lagen ein paar Sprüche auf den Lippen und ich war gespannt, wie sie darauf reagieren würden, aber ich schob diese beiseite, als sie länger brauchten als erwartet.
Die Geräusche klangen nicht nach einem gewöhnlichen Schlüssel. Es war mehr ein Schaben und Kratzen. Ein ungeduldiges Schaben und Kratzen.
Shit.
»Landon?«, fragte ich. »Cal?«
Sie antworteten nicht, obwohl sie an meiner Stimme hören mussten, wie nervös ich wurde, und in Anbetracht der Tatsache, dass uns jederzeit die Branco-Brüder, die zusammen mit Caleb für die Mafia gearbeitet hatten, auflauern konnten, würden sie es nicht wagen, mir Angst einzujagen.
»Landon?«, rief ich noch einmal und rutschte vom Bett, als keine Antwort kam. Ich blickte mich um, suchte nach einer geeigneten Waffe oder Pistole, aber die trugen die Brüder natürlich bei sich. Wieso haben sie mich allein gelassen?!
Die einzige Waffe, die sich mir bot, war die Nachttischlampe. Ich zog den Stecker, nahm sie in die Hand und bückte mich hinters Bett, als die Person hereinplatzte.
Es war nicht Landon.
Es war nicht Caleb.
Und damit war ich vollkommen am Arsch.
»Hallo?«, rief der Fremde. Seine Stimme zitterte ängstlich. »Ist hier wer? Hallo? Jade Carpenter?«
Ich richtete mich hinter dem Bett auf. Der Mann klang nicht danach, als würde er mich im nächsten Moment kaltblütig niederschießen wollen.
Als er mich wahrnahm, riss er die Augen auf. Er sah über seine Schulter, dann zog er die Tür schnell hinter sich zu. »Wo sind Caleb und Landon?«, fragte er mich panisch.
»Wieso?«
»Warum sind sie nicht hier?« Er kam gebeugt auf mich zu, als fürchtete er einen Schmerz, wenn er sich aufrichten würde. »Wo sind sie?«
»Sie kommen jeden Moment wieder. Du bist hier eingebrochen, das ist dir klar, oder?«
»Sie kommen gleich wieder?«, fragte er panisch. »Sie dürfen dich nicht alleine lassen! Niemals! Sie dürfen nicht!«
»Was?!«
»Ihr müsst zurück nach New York!« Die Augen des Mannes traten hervor. Er wirkte wahnsinnig, wie ein Tier, das man zu häufig geschlagen hatte. Über sein Gesicht zogen sich Narben, seine Lippen waren dicker als gewöhnlich, sein Haar bestand aus ein paar Strähnen, die sich über die blanke Kopfhaut spannten, und seine Fingernägel waren dreckig und zu lang. Alles in allem wirkte er also definitiv angsteinflößend, aber aus irgendeinem merkwürdigen Grund schien er noch mehr Angst vor mir zu haben. »Ihr müsst zurück nach New York!«, wiederholte er. Seine Iriden irrten umher, flossen wie Wasser über mein Gesicht, fanden keinen Ruhepunkt. »Ihr dürft hier nicht bleiben! Und sie dürfen dich nicht alleine lassen! Niemals! Bleibt immer zusammen! Immer!«
»Was zur Hölle soll das alles?«, fragte ich beunruhigt und stand langsam auf.
Er wich zurück. »Komm nicht näher! Komm nicht näher!«
»Okay, okay!«
»Ich kann das nicht mehr. Ich werde es nicht tun. Du musst zurück nach New York. Nach New York.«
»Wer bist du? Vor wem hast du Angst?«
»Ich habe immer alles getan«, er begann mit dem Bettpfosten zu sprechen, »ich habe immer alles getan für dich, aber das geht zu weit. Ich werde sie nicht töten. Ich werde nicht töten. Ich kann nicht töten. Sie müssen zurück nach New York. Ich muss es ihnen sagen. Ich werde es ihnen sagen! Ich gehöre dir nicht mehr! Ich gehöre dir niemals mehr!«
»Warum sollen wir zurück nach New York?«, hakte ich hilflos nach. »Ist etwas mit meiner Mutter, das wir nicht erfahren dürfen?«
»Deine Mutter?«, fragte er verwirrt. Plötzlich blieb sein Blick an der Deckenleuchte hängen. »Ah, deine Mutter. Ihre Mutter. Nicht! Nicht, vergiss es! Ihr müsst nach New York und ihr müsst zusammenbleiben!«
»Was ist denn in New York?! Was ist passiert?« Machte es Sinn, ihn zu fragen? Er schien nicht in der Lage zu sein, mir eine konkrete Antwort geben zu können.
»In New York? Nichts! Aber ihr müsst dahin! Denn ich werde nicht töten.« Tränen quollen aus seinen Augen und er wich wieder zur Tür zurück.
Sollte ich ihn gehen lassen?
»Doch«, murmelte er, entschlossener als zuvor, »ich werde töten, aber nicht, wie du glaubst. Nicht sie.«
»Bleib hier, meinst du nicht, dass ich dir helfen kann?« Ich machte einen vorsichtigen Schritt auf ihn zu und er hob wie aus dem Nichts eine Waffe.
»Komm nicht näher!«, schrie er und stieß gleichzeitig an die Tür in seinem Rücken. »Komm nicht näher, sonst muss ich schießen! Wir werden beobachtet. Die ganze Zeit. Du wirst beobachtet! Sie wird es ausnutzen, dass du getrennt von ihnen bist! Such sie! Such Caleb und Landon! Aber sag ihnen nichts! Sag nicht, dass ich hier war, sie dürfen mich nicht verraten … Und vergiss deine Mutter! Fahr nach New York zurück! Rette dein Leben!«
»Mein Leben? Aber wieso …«
Der Fremde öffnete die Tür, huschte hindurch und verschwand.
Ich lauschte in die Stille hinein, ob er zurückkommen würde, aber alles blieb ruhig.
Erst jetzt spürte ich mein Herz wild schlagen.
Was war gerade passiert? Sollte ich dem Fremden folgen? Das könnte eine Falle sein. Hektisch suchte ich in den Sachen der Jungs nach einem Telefon oder einer Waffe. Aber ich fand nichts. Ich schaltete das Licht aus und linste am Vorhang vorbei durchs Fenster. Gegenüber der Straße gab es ein Bistro und von hier aus konnte ich einen Fernseher erkennen, auf dem das Spiel lief, von dem Caleb und Landon gesprochen hatten.
Aber bis ich bei ihnen war, würde ich eine leichte Zielscheibe abgeben. Der Weg dorthin war zu allen Seiten einsehbar.
Ob ich die Polizei rufen sollte?
Nein, das würde zu viele Fragen aufwerfen.
Stattdessen rief ich die Rezeption an.
»Zimmer 201. Der Pub gegenüber, haben Sie dessen Telefonnummer?«
»Nein, sorry.«
»Wie könnte ich denn sonst jemanden dort erreichen? Mein Akku ist leer und mein Mann ist …«
»Lauf doch einfach rüber. Zach is’n korrekter Typ, aber ich hab keine Telefonnummer von ihm.«
»Kann man die googeln?«
»Keine Ahnung.«
»Ich habe kein Internet und kein Handy.«
»Zimmer 201? Von dort haben Sie es doch weiter zur Rezeption hier runter als zur anderen Straßenseite. Ansonsten steht hier ein Computer …«
Ich legte auf. Tolle Hilfe. Wieso schliefen wir in einem billigen Motel?
Im Schutz der Dunkelheit verließ ich das Zimmer und drückte mich im Schatten an die Hauswand. Einmal unten angekommen, würde ich rennen. Ein Scharfschütze hätte Schwierigkeiten, mich zu erwischen, und jemand, der in der Nähe lauerte, wäre vielleicht zu überrascht …
Ich hechtete die Treppe hinunter, verbarg mich so gut es ging im Dunkeln und versuchte, die Lage zu überblicken. Das Motel war langgezogen und lag direkt an der Straße. Neben dem Pub gegenüber befanden sich ein geschlossener Supermarkt und ein flaches Bürogebäude. Die Szenerie wirkte friedlich und die Begegnung mit dem Verrückten gerade eben passte nicht hierher.
Was genau hatte mir der Typ eigentlich sagen wollen? Wir sollten zurück nach New York gehen. Warum? Und ich sollte bei Caleb und Landon bleiben … Er wusste also, wer sie waren. Das allein war schon sehr beunruhigend, denn bis auf meine Mutter und ihren Lover Silva Baresi sollte niemand wissen, dass wir zusammen und die Männer Brüder waren.
Dieser Verrückte wusste also Bescheid.
Woher?
Wenn ich hier herumstand, würde ich die Fragen nicht klären können. Wagemutig lief ich los. Mein Puls raste, aber bis auf meine trabenden Schritte war nichts zu hören. Nicht einmal ein Auto fuhr vorbei. Als ich das Bistro erreichte, ging ich nicht blind hinein. Ich drückte mich an der Hauswand vorbei und versuchte, in eines der Fenster zu schielen.
Caleb und Landon saßen entspannt an einem Tisch. Sie tranken Bier und unterhielten sich. Für ein paar Sekunden wurde meine Angst von einem warmen Gefühl in der Brust überlagert. Als ich die Zwillinge so dasitzen sah, vertraut und ausgelassen, scherzend und lächelnd, wurde mir klar, wie verliebt ich in sie war.
Wie schön es war, ihnen dabei zusehen zu dürfen, wie sie etwas vollkommen Belangloses taten, wie ein Bier zu trinken und ein Spiel anzusehen. Caleb verzichtete im Gegensatz zu Landon seit ein paar Tagen auf eine Rasur und strich sich gerade über den Dreitagebart, während Landon gestikulierend redete.
Caleb musste lachen. Ich hatte ihn selten so befreit erlebt. Immer wieder sah er auf Landons Uhr. Plötzlich löste Landon sie und schob sie Caleb zu. Er neckte ihn, denn im nächsten Moment verengte Caleb die Augen.
Gott, sie sind so wundervoll zusammen!
Und gleichzeitig wurde mir bewusst, dass es unmöglich wäre, zu ihnen hineinzugehen und mich dazuzusetzen. Wenn ich es wagen würde, in der Öffentlichkeit beide zu küssen, wären uns sämtliche Blicke garantiert. Ich wollte aber nicht auf dem Präsentierteller leben. Nicht mit ihnen.
Während ich mir schwor, von den Brüdern mein Handy zurückzuverlangen, damit ich sie jederzeit kontaktieren konnte, lehnte ich mich zurück an die Hauswand und atmete tief durch. Was, wenn alles eine Falle war, und jemand im Pub darauf wartete, uns anzugreifen?
Mich fröstelte es, als ich mich nach dem Fremden umsah. Wo ist er überhaupt hingelaufen? Ich hatte kein einziges Auto wegfahren gehört.
Ein weiteres Mal versuchte ich, die Gegend zu überblicken, und horchte in die Stille hinein.
Alles war ruhig, bis ein lautes, kurzes Donnern die friedliche Atmosphäre durchbrach.
Ich zuckte zusammen, mein Herz raste.
Ein Schuss?
Keine Schreie.
Keine weiteren Geräusche.
Oder doch nur ein Auspuff?
So schnell wie möglich drehte ich mich wieder um und gefror noch in der Bewegung.
Die Zwillinge waren verschwunden.
Das Bier nur zur Hälfte geleert.
Die Stühle nicht zurückgeschoben.
Möglicherweise waren sie ja einfach nur gegangen, aber es kam mir viel naheliegender vor, dass ihnen etwas Schlimmes zugestoßen war. Als ich im nächsten Moment eine Hand auf meinem Mund spürte, stieß ich panisch einen erstickten Schrei aus.
»Schschsch«, hörte ich an meinem Ohr und wurde an einen Körper gezogen. »Wir wollen doch niemanden wecken, oder?«
Fuck. Einer der Brüder. An der Stimme konnte ich nicht sofort erkennen, welcher es war.
»Wolltest du uns nur so zum Spaß beobachten oder hatte das System?«, fragte er spielerisch drohend.
»Mhh!«, stöhnte ich in seine Hand und versuchte, mich aus seinem Arm zu drehen.
»Ruhig«, zischte er, sein Griff wurde fester.
Oh Mann. Ich atmete tief durch und übte mich in Geduld.
Der Zwilling schob mich herum, sodass ich Caleb gegenüberstand.
»Was meinst du, Bruder, hatten wir uns das so vorgestellt?«, fragte Landon an meinem Ohr.
Caleb schüttelte dunkel lächelnd den Kopf. »Ich denke nicht, nein.«
»Nicht mal unser Bier können wir in Ruhe trinken.«
»Sie gönnt uns gar nichts.«
»Ob wir ihr etwas gönnen sollten?«
Calebs Blick floss in meinen. »Nein. So verkrampft, wie sie ist, hat sie tatsächlich Angst vor uns. Das gefällt mir.«
Ich verdrehte stöhnend die Augen und versuchte, in Landons Hand zu beißen, damit er mich endlich losließ. Haben sie den Schuss denn gar nicht gehört? Aber Landon wusste mittlerweile, dass ich nicht leicht zu bändigen war, und hatte sich darin geübt, mich festzuhalten.
»Sie sträubt sich ganz schön«, stellte er zufrieden fest.
Können sie endlich mit ihrem Spiel aufhören?!
»Wir gehen jetzt nach oben«, raunte er an mein Ohr, »und sind dabei ganz ruhig. Wir wollen ja keine größere Aufmerksamkeit auf uns ziehen, oder?«
Er griff unter meinen Arm und drehte mich herum, während er endlich die Hand von meinen Lippen nahm.
Aber ich schwieg. Hier auf offener Straße sollte ich sie nicht aufklären, denn der Verrückte konnte hinter jeder Ecke lauern und er hatte mich davor gewarnt, ihnen etwas zu verraten. Wenn er es mitbekommen würde, könnte sonst etwas geschehen. Im Motelzimmer waren wir vorerst ungestört und geschützt und konnten darüber nachdenken, wie wir vorgehen sollten.
Zwischen den Männern fühlte ich mich sicher. Sie waren darin geübt, jederzeit mit einem Angriff zu rechnen, weswegen ich mit ihnen über die Straße gehen konnte und mein Puls sich wieder beruhigte.
Im Zimmer angekommen drehte ich mich zu ihnen um, öffnete den Mund für eine Erklärung und hielt jäh inne. Im Lüftungsschacht über der Tür blitzte etwas Metallenes auf. Eine Linse?
Mir wurde heiß und kalt gleichermaßen, doch bevor ich etwas sagen konnte, wurde mein Mund verschlossen.
Von Calebs Lippen.
Er küsste mich derart ausgehungert, als hätten wir uns Tage nicht gesehen.