So getragen bist du -  - E-Book

So getragen bist du E-Book

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Beschreibung

Ein christliches Trostbuch für Frauen, die ihr Kind durch eine Fehlgeburt oder eine Todgeburt verloren haben von Bestsellerautorin Anne Löwen. Mit Ermutigungstexten, persönlichen Geschichten und konkrete Hilfestellungen für trauernde Sternenkind-Mamas. Bestsellerautorin Anne Löwen weiß, wie es ist, Kinder viel zu früh verabschieden zu müssen. Sie hat selbst zwei Babys in der Schwangerschaft verloren. In ihrem neuen Buch will sie Frauen, die eine oder mehrere Fehlgeburten erlebt haben, in ihrer Trauer begleiten. In tröstlichen Texten erzählt sie davon, wie kostbar das fehlgeborene Kind auch in Gottes Augen ist und dass er allen Schmerz, alle Wut und alles Unverständnis verstehen kann. Durch ihre einfühlsame Art schenkt Anne Löwen Ermutigung, Trost und neue Hoffnung. Weitere persönliche Geschichten von betroffenen Frauen (und Männern) ermutigen und zeigen, wie sie mit dieser schmerzvollen Situation umgegangen sind und was ihnen in ihren Fragen, in ihrer Ehe und in ihrer Beziehung zu Gott geholfen hat, um Heilung für ihr zerbrochenes Herz zu finden. Mit Beiträgen von: Inka Hammond, Nelli Bangert, Regina Neufeld u.a.m.

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Bibelzitate folgen, wo nicht anders angegeben, dem Bibeltext der Neuen Genfer Übersetzung – Neues Testament und Psalmen. Copyright © 2011 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Ferner wurden verwendet:

Psalm 139,15-16; Psalm 43,5: Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Verwendet mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers Fontis.

1. Korinther 10,13: Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.

Jesaja 55,8-9; Jeremia 29,11: Bibeltext der Schlachter. Copyright © 2000 Genfer Bibelgesellschaft. Wiedergegeben mit freundlicher Genehmigung. Alle Rechte vorbehalten.

Römer 12,2; Psalm 92,14: Elberfelder Bibel. © 1985/1991/2006 SCM R.Brockhaus in der SCM Verlagsgruppe GmbH Witten/Holzgerlingen.

© 2023 Brunnen Verlag GmbH Gießen

www.brunnen-verlag.de

Lektorat: Konstanze von der Pahlen

Umschlagfoto: Adobe Stock

Umschlaggestaltung: Daniela Sprenger

Satz: Brunnen Verlag GmbH

ISBN Buch: 978-3-7655-3633-5

ISBN E-Book: 978-3-7655-7673-7

Für Elisa und Micha

Wir lieben euch von ganzem Herzen

und können es kaum erwarten,

euch endlich in die Arme zu schließen,

wenn wir uns wiedersehen.

INHALT

Vorwort: Du bist nicht allein

„Es ist nicht alles in Ordnung!“

Du darfst jetzt erst mal trauern

Der Tag, an dem alles anders wurde − Inkas Geschichte

Dein Schmerz ist berechtigt

Fehlende Erinnerungen − Reginas Geschichte

So kannst du die Erinnerung lebendig halten

Es gibt echten Trost für dich

Aus Bitterkeit wird Freude − Lois’ Geschichte

Du bist eine Mama

Ich habe dein Kind gesehen

Treu − Ronjas Geschichte

Danke, dass du mich verstehst

Ist es meine Schuld?

Auch ich habe meinen Sohn verloren

Schönheit aus Asche − Kerstins Geschichte

Du darfst auf deine Art trauern

Ich habe dich immer geliebt

Du bist bei mir

Hosea heißt Erlösung − Ellis Geschichte

Warum lässt Gott Leid zu? von Nikolai Löwen

Wenn da immer ein Platz frei ist − Sarahs Geschichte

Wie rede ich mit den Geschwisterkindern?

Wenn der Mann so ganz anders trauert − Nikolais Geschichte, Teil 1

Wenn die dreifache Schnur zu reißen droht − Rainers Geschichte

Die Herausforderung in der Ehe als Chance sehen

In guten wie auch in schweren Zeiten − Nikolais Geschichte, Teil 2

Es ist okay, wenn du wütend bist

Du darfst dich auf ein neues Baby freuen

Bei Gott bist du geborgen

Echter Trost in Leid-Momenten − Nellis Geschichte

Weil du mich trägst

Von Herzen Danke schön

VORWORT

Du bist nicht allein

Meine Liebe,

es tut mir von Herzen leid, dass du dich viel zu früh von deinem kleinen Baby verabschieden musstest. Ich weine mit dir und kann deinen Schmerz so gut verstehen. Auch wir mussten durch die furchtbare Situation gehen, zwei ungeborene Kinder zu verlieren. Dadurch haben wir einige Tiefen durchschritten und die beiden fehlen uns auch jetzt noch. Immer wieder holt uns die Trauer ganz plötzlich und unerwartet ein.

Leider wird über das Thema Fehlgeburt viel zu wenig gesprochen. Aber warum soll darüber geschwiegen werden, wenn man um sein ungeborenes Baby trauert, das man nie kennenlernen durfte? Warum soll man mit dieser schrecklichen Situation allein zurechtkommen? Und sich dadurch auch so allein damit fühlen?

Ich wünsche mir so sehr, dass du durch die Texte und persönlichen Geschichten in diesem Buch wirklich fühlen kannst, dass du mit deiner Trauer nicht allein bist. Ich und viele andere Frauen, die das erlebt haben, können so gut nachempfinden, wie herzzerreißend der Tod dieses kleinen Menschen in deinem Bauch für dich ist. Deshalb ist dieses Buch entstanden: um dir Trostgedanken in deiner Trauer und deinem Verlust anbieten zu können. Um dir zu sagen: Du bist nicht allein.

In diesem Buch nehme ich dich in meine Erlebnisse und Gedanken mit hinein und auch einige andere wundervolle Frauen teilen hier ihre leidvolle Erfahrung mit dir. Auch in ihren Geschichten ist so viel Trost zu finden. So viel Einblick, wie Gott gute und segensreiche Wege mit uns geht, selbst dann, wenn wir das Gefühl haben, dass alles zerbricht. Lerne sie durch diese Seiten kennen. Du bist nicht allein. So viele Frauen stehen neben dir. Verstehen dich so gut.

Vielleicht kannst du dir dieses Buch wie ein gemeinsames Treffen vorstellen: Wir sitzen zusammen auf dem Sofa und weinen über dieses kostbare kleine Leben, das tragischerweise nicht mehr dort ist, wo es sein sollte – bei dir in deinem Bauch. Wir erzählen uns von unseren Kindern, die wir viel zu früh loslassen mussten. Und während wir unsere Tränen abwischen, uns gegenseitig trösten und in den Arm nehmen, gesellen sich immer wieder andere trauernde Mütter und Väter zu uns, die ihre Geschichten mit uns teilen. Gemeinsam ermutigen wir uns und versuchen uns an Gott festzuklammern – mitten im tiefsten Leid. Das ist mein größtes Herzensanliegen, dass du hier immer wieder neu erfährst: Jesus ist da. Er ist da, um dich in seine liebenden Arme zu schließen und dir das zu geben, was du gerade jetzt in dieser herausfordernden Situation so sehr brauchst. Er versteht dich, wie niemand sonst dich verstehen könnte. Nur bei ihm wird dein Herz wirklich zur Ruhe kommen können.

Diese tröstende Wahrheit haben wir erfahren dürfen.

Übrigens sind die Trostgedanken und persönlichen Geschichten angeordnet wie ein Weg, auf den ich dich behutsam mitnehmen möchte. Aber natürlich kannst du dir auch Themen herauspicken und zuerst die Dinge lesen, die dich am meisten ansprechen.

Gerne kannst du auch deinen Mann zum Lesen dazunehmen. Es ist so wichtig, dass ihr diese schmerzvolle Zeit als Ehepaar gemeinsam bewältigt. Umso mehr freue ich mich darüber, dass auch zwei Männer (einer davon mein Ehemann) einige Texte aus ihrer Perspektive geschrieben haben, um deinen Mann zu unterstützen. Und natürlich, um uns Frauen zu helfen, die trauernden Papas besser zu verstehen.

Ich wünsche dir ganz viel Segen und dass du wirklich Trost in diesen Seiten finden kannst. Und vor allem, dass dich dieses Buch dazu inspiriert, mit deinem Schmerz zu Jesus zu gehen. Denn wahren Trost findest du nur bei ihm allein.

Von Herzen

deine Anne

„ES IST NICHT ALLES IN ORDNUNG!“

„Es ist nicht alles in Ordnung!“ Wie der Blitz trifft mich dieser Satz. Bitte was? Gerade noch saß ich voller Vorfreude und Hoffnung im Wartezimmer der Frauenarztpraxis und freute mich darauf, mein Babychen durch den Ultraschall wiederzusehen. War gespannt, wie es sich in den letzten Wochen entwickelt hatte. Wie groß es jetzt ungefähr war. Wie viel Kilo ich schon wieder zugenommen hatte. Und sowieso.

Seit Wochen schwebe ich auf Babywolke 7 und bin einfach nur glücklich über dieses kleine Wunder in meinem Bauch. Und jetzt: „Es ist nicht alles in Ordnung“? Das kann nicht sein. Das darf nicht sein. Es muss alles in Ordnung sein. Wir reden doch hier von meinem Baby!!!

Voller Schock starre ich die Ärztin an, die routinemäßig ihr Programm abspult. Der Boden unter mir scheint sich bedrohlich tief zu öffnen. Ich falle. Und werde verschluckt von dieser plötzlichen Dunkelheit. Dunkelheit, die mir die Luft zum Atmen rauben will.

„Ich muss Sie in ein Krankenhaus überweisen. In welches wollen Sie gehen?“ Die gleichgültige und gefühlskalte Frage der Ärztin trifft mich wie ein Schlag in die Magengegend. Passiert das wirklich oder werde ich gleich endlich aus diesem Albtraum aufwachen? Wieso Krankenhaus? Wieso „nicht alles in Ordnung“? Es war doch vor zwei Minuten noch alles in Ordnung.

Ich fühle mich kaum in der Lage, etwas zu sagen. Die Dunkelheit scheint mich immer mehr einzuhüllen. Mit zitternder Stimme versuche ich zu antworten und meine Fragen zu stellen. Die unterkühlte und abgeklärte Art der Ärztin verletzt mich wie tausend Messerstiche. Versteht sie überhaupt, was sie sagt? Hat sie nicht gerade einer Mutter mitgeteilt, dass ihr Kind verstorben ist? Ihr geliebtes Baby? In ihrem eigenen Bauch? Wie konnte das nur passieren? Sollte es da nicht sicher sein?

Wobei: Eigentlich hat die Ärztin nichts dergleichen gesagt. Es ist keine Rede von einem Kind, sondern nur von „Es ist nicht alles in Ordnung“. Auch im weiteren heruntergespulten Gespräch werde ich nur darüber informiert, dass „das Schwangerschaftsgewebe“ nun entfernt werden müsse. Ich solle mich schnellstmöglich auf den Weg ins Krankenhaus machen.

Ich falle weiter und tiefer in dieses gähnende schwarze Loch unter mir. Alles scheint sich zu drehen. Zu drehen um diesen einen furchtbaren Gedanken: Mein Baby ist tot. Mein Baby, auf das wir gewartet haben. Mein Baby, das wir uns so gewünscht haben. Mein Baby, das wir seit Wochen lieben. Für das wir beten. Über das wir uns so sehr freuen. Mein Baby.

Ich kann diese Schreckensnachricht nicht fassen. Und warum soll jetzt mein Baby aus meinem Bauch gerissen werden? Genau dort gehört es doch hin! Ich will nicht, dass es jemand von mir nimmt. Ein Baby gehört doch zu seiner Mutter. In ihre Arme, in ihren Körper.

Und auf einmal trifft mich der Blitz erneut: Es ist nicht mehr da! Ich bin leer. Diesen Gedanken halte ich kaum aus. Mein Kind ist nicht mehr da. Es ist von mir gegangen. Ich trage es nicht mehr in mir. Was ich noch in mir trage, ist nur sein toter Körper. Noch nie habe ich mich so leer gefühlt …

Ich bin erleichtert, als ich dieses schreckliche Arztzimmer endlich verlassen kann. Nur noch weg von dieser Kälte. Dieser Härte. Einfach nur weg. Im Schutz unseres Autos angekommen, breche ich zusammen. Die Stille des kleinen Autoraumes füllt sich mit meinem Schluchzen. Tränen strömen unkontrolliert über mein Gesicht und tropfen auf meinen kleinen Bauch.

Ja, mein kleiner Bauch. Ich bin erst in der achten Woche schwanger, aber dieses kleine Bäuchlein verriet schon seit kurzer Zeit etwas von unserem Glück. Ich bin schwanger. Oder muss ich jetzt sagen: Ich war schwanger? Ich halte diesen Schmerz einfach nicht aus. Er zerreißt mein Inneres.

Ich sehne mich danach, mit meinem Mann zu sprechen. Will mit meinen Gedanken nicht mehr allein sein. Hab das Gefühl, unter dieser schrecklichen Nachricht zu zerbrechen. Zittrig nehme ich mein Handy. Als ich die vertraute Stimme meines Mannes am anderen Ende höre, bricht alles aus mir heraus und ich versuche ihm das Unmögliche zu erklären. Meine ganze Verzweiflung prasselt auf ihn ein wie ein Monsunregen.

Den Weg nach Hause fahre ich wie in Trance. Dort angekommen, kann ich meinem Mann nur noch schluchzend in die Arme fallen. Obwohl auch er schockiert über diese furchtbare Nachricht ist, übernimmt er sofort das Ruder. Ich bin so dankbar, dass er sich um alles kümmert, was jetzt nötig ist: unseren Ältesten vom Kindergarten abholen. Die Oma anrufen und sie bitten zu kommen, damit wir ins Krankenhaus fahren können. Ich bin zu nichts mehr fähig. Außer Tränen über Tränen zu vergießen.

Die traurigen Augen meiner zwei süßen Jungs kann ich nicht ertragen. Sie sind enttäuscht, dass es jetzt doch kein Geschwisterchen für sie gibt. Mein Großer erzählt mir bekümmert, dass er doch eins seiner Kuscheltiere, ein kleines weißes Schäfchen, dem Baby schenken wollte. Mein Magen zieht sich zusammen. Die Tränen schießen mir erneut in die Augen. Ich kann diesen betrübten Jungen nicht trösten. Ich finde selber keinen Trost. Ich bin eingehüllt von Trauer und Schmerz.

Nachdem alles organisiert und die Oma eingetroffen ist, machen mein Mann und ich uns auf den Weg zum Krankenhaus. Ich bin immer noch wie gelähmt. Gedanken wirbeln mir durch den Kopf. Das sind die letzten Stunden, in denen ich den Körper dieses Kindes noch in mir tragen darf. Bald wird es fort sein.

Im Krankenhaus geht es weiter mit Untersuchungen und Vorbereitungen für den bevorstehenden Eingriff. Mir wird erklärt, dass eine Ausschabung gemacht werden müsse. Ich fühle mich ähnlich wie in der Arztpraxis am Morgen. Das Verständnis für eine Mutter, die um ihr verstorbenes Kind trauert, scheint auch hier zu fehlen. Keiner spricht von unserem Baby als Menschen. Der Begriff „Schwangerschaftsgewebe“ fällt erneut. Obwohl ich dem Krankenhauspersonal gegenüber klar sage, dass mein Baby gestorben ist, habe ich nicht den Eindruck, dass mir wirkliches Mitgefühl entgegengebracht wird.

Es scheint mir, dass alle eher denken, was für eine hysterische Möchtegernmutter ich doch sei. Klar, die Schwangerschaft ist vorbei, aber so ist das halt. Passiert doch vielen Frauen. War ja noch am Anfang. Warum also so eine Verzweiflung? Ich kann kaum sagen, wie mich diese Abgebrühtheit verletzt. Warum versteht denn niemand, dass es hier um einen Menschen geht? Mein Baby …

Ich bin dankbar, als alles endlich so weit ist und ich in den OP gefahren werde. Die Wartezeit war einfach furchtbar. Die Nervosität steigt. Gleich werde ich in Vollnarkose gelegt und jemand wird mein totes Baby von mir nehmen. Ich habe Angst vor dem Eingriff.

Ein ungewöhnlicher Gedanke kommt mir: Wenn ich jetzt sterbe, dann bin ich wieder bei meinem Kind. Irgendwie beruhigt mich das. Denn irgendwie scheint mir alles auf einmal so egal. Ich will nur noch mein Baby zurück …

Als ich einige Zeit später wieder aufwache, bin ich irgendwie erleichtert. Es ist vorbei. Dieser furchtbare Tag in meinem Leben geht zu Ende. Die Anspannung vor dem Eingriff ist vorbei. Die Trauer und der Schmerz allerdings nicht …

DU DARFST JETZT ERST MAL TRAUERN

Wie kann ich nur ohne mein Baby weiterleben? Diese Frage hämmerte nach diesem schmerzlichen Verlust in meinen Gedanken. Und vielleicht quält sie auch dich genauso. Diese neue Realität zu verstehen, in der wir uns so plötzlich befinden, den Schmerz auszuhalten, mit dem Gedanken- und Gefühlschaos zurechtzukommen – das alles scheint wie ein unüberwindbares Hindernis. Genauso, wie irgendwie in den „neuen Alltag“ zu finden und ihn zu überstehen.

Alles, was ich in dieser Situation denken konnte, war: mein Baby. Es war nicht dort, wo es sein sollte. Es sollte in meinem Bauch, in meinen Armen sein. Dort war doch sein Platz. Es war noch nicht einmal geboren, da musste es schon wieder gehen. Das konnte doch unmöglich richtig sein. Es sollte hier sein – bei mir. Oder etwa nicht?

Ich konnte und wollte nicht mein Ja zu so etwas geben. Dazu, dass mein Kind schon von dieser Welt gegangen war, bevor es überhaupt richtig dort angekommen war. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, als würde ich meine Zustimmung dazu geben, wenn ich zulassen würde, getröstet zu werden. Es kam mir vor, als würde ich damit ausdrücken, dass der Verlust meines Kindes doch nicht so schlimm sei. Denn beinhaltet Sich-trösten-Lassen nicht genau das? Ein „sich mit der Situation arrangieren“? Frieden schließen mit dem, was ist? Sein Ja zu Gottes Wegen finden?

Doch genau das alles konnte ich nicht. Und ich glaube, ich wollte es auch nicht.

Ich war eine zutiefst erschütterte Mutter, die in einem der größten Stürme ihres Lebens steckte. Ich war eine Mutter, die gerade erst erfahren hatte, dass ihr geliebtes Kind nicht mehr lebte. Eine Mutter, der immer mehr bewusst wurde, dass sie ihr Kleines auf dieser Welt niemals erblicken würde. Niemals in die Arme schließen konnte. Nie würde es einen Kuss auf die Wange geben. Nie ein Schlaflied. Nie zusammen lachen oder Eis essen. Kein Schnürsenkel-binden-Lernen. Kein erster Schultag.

Nicht einmal die herausfordernden Seiten des gemeinsamen Lebens würden wir haben können. Keine gestörten Nächte, keine Tränen beim Zahnen, keine dreckigen Windeln und auch keine Wutanfälle. Keine Diskussionen über das Grüne auf dem Teller oder darüber, dass man zuerst die Hausaufgaben macht, bevor man draußen spielen geht. Nichts von all dem. Sondern nur ein leerer Bauch, eine leere Wiege und ein leeres Herz.

Ich war innerlich zerbrochen vor Trauer und wollte diese einfach nur in die Welt hinausbrüllen. Mein Schmerz musste raus. Alle sollten erfahren, dass so ein schreckliches Unglück passiert war und dass es allen Grund zur Trauer gab. Es gab keinen Grund für Trost, sondern es gab nur Grund für Schmerz, Trauer und unendlich viele Tränen.

Liebe Mami, es ist okay, wenn du dich gerade nicht trösten lassen willst. Wenn du all die gut gemeinten, aber überhaupt nicht hilfreichen Worte einfach nicht hören möchtest. Es ist in Ordnung, wenn du einfach nur weinen, weinen und nochmals weinen kannst und willst. Und es ist auch in Ordnung, wenn du im Moment einfach nicht mit jemandem reden möchtest, der versuchen will, dich zu trösten.

Denn es gibt genug Grund für deine Trauer. Schließlich musstest du gerade eine der schlimmsten Situationen erleben, die man sich als Mama nur vorstellen kann: den Verlust deines Kindes.

Ich verstehe dich so gut. Wenn man tief im Leid steckt, können sich tröstende Worte manchmal eher wie ein Schlag ins Gesicht anfühlen. Auch dann, wenn sie noch so gut gemeint sind. Und dann wünscht man sich, der andere hätte einfach geschwiegen.

Leute in meinem Umfeld haben immer wieder versucht, mich mit den unterschiedlichsten Gedanken zu trösten. Zwei der häufigsten waren wahrscheinlich: „Du bist doch noch so jung. Du kannst doch noch mehr Kinder bekommen.“ Und: „Na ja, wenigstens habt ihr schon zwei Kinder.“ Leider empfand ich beide Gedanken als wenig hilfreich und tröstlich. Klar, natürlich steckte eine Menge Wahrheit darin. Ich war ja tatsächlich froh, dass es recht wahrscheinlich war, dass ich noch einmal schwanger werden könnte. Zweimal hatte es gut geklappt. Bestimmt könnte es irgendwann noch einmal so sein.

Und ja, natürlich war ich unendlich dankbar für meine zwei kleinen süßen Jungs, die ich in meine Arme schließen konnte. (Und wahrscheinlich jetzt fester als jemals zuvor …) Aber dennoch empfand ich diese vermeintlich tröstenden Worte eher als verletzend. Es traf mich tief, dass jemand so leichtfertig über den Tod meines Kindes sprach. Man würde doch auch keiner anderen Dreifach-Mama sagen, die eins ihrer (zur Welt gekommenen) Kinder verloren hat: „Na ja, wenigstens habt ihr noch zwei andere.“ Oder beim Tod eines Großvaters sagen: „Oh, wie schade, aber gut, dass du noch einen anderen Opa hast.“

Genauso steht es mit dem Alter. Wer würde einer jungen Witwe, die gerade am Grab ihres Mannes weint, locker tröstend sagen: „Du bist doch noch so jung. Du kannst doch noch einen anderen Mann finden.“ Als ob ein Mensch einfach zu ersetzen wäre … Ein Mensch ist doch nicht deswegen weniger wertvoll, nur weil es mehrere gibt.

Das empfindet Gott übrigens ganz genauso. Er misst uns unendlich viel Wert zu, obwohl es noch Millionen andere von uns gibt. Er sieht und liebt jeden Einzelnen. Wir gehen nicht in der Masse unter, sondern jeder Einzelne sticht durch die Einzigartigkeit hervor, mit der Gott ihn gemacht hat.

Genauso ist auch jedes einzelne meiner Kinder unendlich wertvoll und damit auch wert, dass man darum trauert und sich nicht einfach über seinen Tod hinwegtröstet, weil es ja noch mehr Kinder gibt oder geben könnte. Denn genau dieses Kind, einzigartig geplant und gestaltet von unserem Schöpfer und von mir so sehr geliebt, dieses Kind ist gestorben. Damit ist eine Tragödie in mein Leben getreten. Und damit habe ich auch jedes Recht zu trauern.

Und damit hast auch du jedes Recht zu trauern. Lass dir nicht von anderen einreden, deine Trauer sei nicht angebracht, weil du vielleicht schon ein Kind hast oder noch die Möglichkeit, andere zu bekommen. Sei mutig und trauere um dein Kind, selbst dann, wenn andere es für übertrieben halten.

Denn Mut gehört dazu. So absurd das eigentlich scheinen mag. Ich bin immer wieder entsetzt, wie locker-flockig manche Nicht-Betroffene mit dem Thema Fehlgeburt umgehen. Eigentlich sollte es doch das Normalste der Welt sein, dass man am Boden zerstört ist, wenn das Baby im eigenen Bauch aufhört zu leben. Warum ist es gesellschaftlich oft immer noch so wenig verstanden und ein Tabuthema?

Es ist unglaublich, was man sich als trauernde Mutter zum Teil anhören kann. Dass man sich für seine Trauer fast rechtfertigen muss. Das Krasseste, was man mir doch tatsächlich gesagt hat, waren die Worte: „Shit happens!“