Sommer im kleinen Glückscafé - Susanne Hanika - E-Book
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Sommer im kleinen Glückscafé E-Book

Susanne Hanika

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Beschreibung

Miriam will sich endlich ihren großen Traum erfüllen: ein Cupcake-Café im beschaulichen Örtchen Lerchenbach. Doch dieses Vorhaben ist schwieriger als gedacht. Denn die alteingesessenen Dorfbewohner wollen lieber Kännchen statt Cappuccino, lieber Streuselkuchen statt Schwarzwälderkirsch-Cupcakes.

Und nicht nur das lenkt Miriam davon ab, konzentriert durchzustarten. Eines Tages steht ein kleiner süßer Welpe vor ihrer Tür, durch den sie den noch süßeren Tierarzt Marius kennenlernt. Aber dann taucht plötzlich Leon, ihre große Jugendliebe, in Lerchenbach auf. Alles etwas viel? Das findet Miriam auch. Was soll sie denn jetzt machen? Ihr Herz hört nicht auf ihren Kopf - und ihr Kopf nicht auf ihr Herz.

Ein wunderbarer Feel-Good-Roman mit viel Liebe, Leben und Herzlichkeit - und natürlich süßen Cupcakes und niedlichen Welpen - im idyllischen bayrischen Städtchen Lerchenbach.

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Inhalt

CoverWeitere Titel der AutorinÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Epilog

Weitere Titel der Autorin

Lerchenbach-Liebesroman:

Glückstage auf dem kleinen Mühlenhof

Sophia und die Hirschgrund-Morde:

Der Tod kommt mit dem Wohnmobil

Der Tod sonnt sich im Campingstuhl

Der Tod hält keine Mittagsruhe

Der Tod macht keine Schneeballschlacht

Der Tod braucht keine Sonnencreme

Der Tod versteht auch Dialekt

Der Tod kriegt niemals kalte Füße

Der Tod braucht keinen Brötchendienst

Der Tod liegt unterm Sonnenschirm

Der Tod ist heut in Quarantäne

Der Tod singt laut O Tannenbaum

Der Tod taugt nicht als Bräutigam

Der Tod schläft heut im Pferdestall

Über dieses Buch

Miriam will sich endlich ihren großen Traum erfüllen: ein Cupcake-Café im beschaulichen Örtchen Lerchenbach. Doch dieses Vorhaben ist schwieriger als gedacht. Denn die alteingesessenen Dorfbewohner wollen lieber Kännchen statt Cappuccino, lieber Streuselkuchen statt Schwarzwälderkirsch-Cupcakes.

Und nicht nur das lenkt Miriam davon ab, konzentriert durchzustarten. Eines Tages steht ein kleiner süßer Welpe vor ihrer Tür, durch den sie den noch süßeren Tierarzt Marius kennenlernt. Aber dann taucht plötzlich Leon, ihre große Jugendliebe, in Lerchenbach auf. Alles etwas viel? Das findet Miriam auch. Was soll sie denn jetzt machen? Ihr Herz hört nicht auf ihren Kopf – und ihr Kopf nicht auf ihr Herz.

Ein wunderbarer Feel-Good-Roman mit viel Liebe, Leben und Herzlichkeit – und natürlich süßen Cupcakes und niedlichen Welpen – im idyllischen bayrischen Städtchen Lerchenbach.

Über die Autorin

Susanne Hanika, geboren 1969 in Regensburg, lebt noch heute mit ihrem Mann und ihren vier Kindern in ihrer Heimatstadt. Nach dem Studium der Biologie und Chemie promovierte sie in Verhaltensphysiologie und arbeitete als Wissenschaftlerin im Zoologischen Institut der Universität Regensburg. Die Autorin kennt das Landleben aus eigener Erfahrung, ist begeisterte Camperin und hat bereits zahlreiche Bücher veröffentlicht.

Susanne Hanika

Sommerim kleinenGlückscafé

Ein Lerchenbach-Liebesroman

Originalausgabe

»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG

Dieses Werk wurde vermittelt durch die agentur literatur gudrun hebel.

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Clarissa Czöppan

Covergestaltung: Guter Punkt, München unter Verwendung von Motiven © bluejayphoto/Getty Images; FooTToo/Getty Images; saiko3p/Adobe Stock; jorgeantonio/Getty Images; David Carillet/Adobe Stock; Eriklam/Getty Images; thawats/Getty Images

eBook-Erstellung: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-0262-1

be-ebooks.de

lesejury.de

Kapitel 1

Miriam

Die Luft war erfüllt vom Duft von Holunder und dem Surren der Insekten. Ein hellblauer, wolkenloser Himmel spannte sich über die weiten Felder und kündigte wieder einen heißen Tag an. Hoch über den Wiesen schwebte, nur als winziger Punkt zu sehen, eine Feldlerche, die den Mühlenhof mit ihrem Gesang beschallte.

Für einen Moment legte Miriam ihren Kopf in den Nacken und versuchte die Feldlerche in dem unendlichen Blau auszumachen, dann atmete sie einmal tief den wunderbaren fruchtigen Geruch ein und sah wieder nur die Blüten vor sich. Wie immer, wenn sie auf dem Mühlenhof war, fühlte sie sich vollkommen losgelöst von ihren Alltagsproblemen. Das Einzige, was sie interessierte, waren der Korb in ihrer Hand und die Holunderblüten vor ihrer Nase. Alle ihre Probleme schienen sich in Luft aufgelöst zu haben. Eine Bachstelze lief an ihr vorbei, mit wippenden Schwanzfedern, und flatterte dann davon. Wie friedlich es hier war! Aus dem kleinen Wäldchen unterhalb des Hofes, das schattige Kühle verströmte, hörte man das selbstvergessene Flöten einer Singdrossel.

Als sie behutsam die nächste Blüte abzwickte und eine Marienkäferlarve herausnahm, stupste jemand ihren Hintern an.

Ilvy, das kleine weiße Pony ihrer Freundin Bell, war anscheinend schon wieder aus der Koppel ausgebrochen – oder eines der vier Kinder von Bell hatte es freigelassen – und sah nun nach, was Miriam hier trieb. Und natürlich musste es erst einmal kurz testen, ob es nicht doch etwas zu fressen gab. Vielleicht in den Hosentaschen oder etwa im Korb.

Bevor es dort die weiße Nase hineinstecken konnte, packte Miriam schnell das Halfter und zog den Kopf des Ponys nach oben.

»Nein, nein, nein«, sagte sie streng, als würde sie mit einem Schüler sprechen. »Das kommt nicht infrage!«

»Pass nur auf«, informierte die 9-jährige Franzi sie, die plötzlich aus dem Nichts auftauchte. »Sie leckt ein paarmal über deinen Hintern, und dann beißt sie zu.« Dabei öffnete das Mädchen den Mund und ließ ihn zuschnappen, als wäre sie ein hungriges Pony.

Erschrocken trat Miriam einen Schritt zur Seite und spürte Brennnesseln an ihren nackten Beinen. Mist! Vielleicht hätte sie doch keine Hotpants anziehen sollen. Sie hörte die Stimmen von zwei Erwachsenen, Bell und ihrem Mann, die gerade um die Ecke kamen. Robert mit dem kleinen Poopy auf dem Arm. Niemand nannte ihn Philip. Denn er war zur Welt gekommen, als sein Vater auf einer Dienstreise in Amerika gewesen war, und der hatte ständig nur nach seinem kleinen Scheißerchen gefragt.

»Hinter der Scheune sind noch zwei Holunderbüsche«, sagte Bell. »Ist ein bisschen spät für die Holunderblüten-Ernte, die verblühen schon …«

In dem flirrenden sommerlichen Gegenlicht sah sie sehr majestätisch aus, so hochschwanger, wie sie war, der riesige Bauch wölbte sich gegen das leichte Sommerkleid. Energisch packte sie das Pony am Halfter. »Und du darfst gerne wieder auf die Koppel. Wer hat dich denn schon wieder freigelassen?«

Ihre Tochter Franzi machte eine unschuldige Miene.

»Der Wind, der Wind, das himmlische Kind«, sagte die dreijährige Tilli. Das Kind hörte sich wie Tind an. Miriam verkniff sich das Grinsen.

Bell atmete einmal tief ein und sagte dann: »Ich geh mal schnell mit der Sense auf die Koppel und mach ein paar Brennnesseln weg. Tilli, du bleibst bei Miriam, bis ich fertig bin …«

»Und ich?«, fragte Robert.

»Du fängst zu kochen an«, kommandierte Bell ihn herum.

Miriam wischte sich den Schweiß von der Stirn, bemerkte aber trotzdem den kurzen Blick, den die beiden wechselten. Er hatte so etwas vertrautes, liebevolles, dass Miriam ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.

»Ist das gut für eine hochschwangere Frau?«, fragte Miriam, während sie den Gedanken wegschob, dass sie noch nie einen Mann kennengelernt hatte, der ihr so einen Blick zugeworfen hatte. Sie stellte ihren Korb vor Tilli, die eine Holunderdolde herausnahm und sich selbst auf den Kopf legte, als wäre sie eine Krone.

»In zwei Wochen ist der errechnete Termin«, antwortete Bell ziemlich grummelig und sah Robert hinterher, der gerade Poopy auf den Boden abgestellt hatte, ihn an die Hand nahm und mit ihm Richtung Wohnhaus ging. »Da bin ich wochenlang gelegen, und jetzt tut sich gar nichts mehr. Wahrscheinlich kommt das Baby nun nicht zu früh, sondern zu spät …«

»Und du meinst, wenn du eine Weile Brennnesseln mähst, dann ist das geburtsbeschleunigend?«, fragte Miriam grinsend. »Willst du das nicht Robert machen lassen?«

Bell bekam große Augen, sie senkte die Stimme, als sie sagte: »Du willst nicht wissen, wie Robert mäht. Ich kann froh sein, wenn das Sensenblatt danach noch heil ist, so oft, wie er damit in den Boden haut …«

»Ich hab’s gehört«, rief Robert zurück. »Ich bin nicht schwerhörig.«

Bell grinste. »Andere Frauen putzen dann Fenster«, berichtete sie. »Oder das Badezimmer. So viel anders ist das auch nicht. Das nennt man Nestbautrieb.«

Miriam hob zweifelnd eine Augenbraue.

»Übrigens, wenn du noch einen Kaffee haben willst, ich werde nicht stundenlang mähen …«

»Ich glaube, ich muss danach nach Hause«, antwortete Miriam. »Holundersirup ansetzen und Kaffee für die Dorfbevölkerung kochen …« Sie sah Bell hinterher. Das Pony ging brav neben ihr, so als könnte es kein Wässerchen trüben, und Franzi lief voran. Hin und wieder machte sie einen kleinen Hopser, der so viel Lebensfreude ausdrückte, dass Miriam das Herz aufging.

In solchen Momenten fühlte sie sich wunderbar mit sich im Reinen, gesegnet mit so vielen Menschen, die sie liebte. Seit sie wieder in Lerchenbach wohnte, in dem Ort, in dem sie aufgewachsen war, war das mit dem Geliebt sein zwar manchmal etwas viel. Denn hier wohnten nicht nur ihre Eltern und ihre zwei Brüder, sondern auch jede Menge Verwandtschaft, die in den unpassendsten Momenten auftauchte und sich in ihr Leben einmischte. Und natürlich gab es noch ihre neue Freundin Bell mit ihren vier Kindern. Aber wenn sie am Abend in ihre Wohnung ging, war sie trotzdem manchmal froh, die Tür hinter sich schließen zu können.

Im nächsten Moment tauchte Franzis Bruder Fynn auf, und mit der Lebensfreude seiner Schwester war es offensichtlich vorbei, denn sie verschwanden schreiend hinter der Scheune. Miriam lachte und sah auf Tillis Kopf hinunter, sie hatte sich brav neben Miriam auf die Erde gesetzt. Wieder schnupperte Miriam an einer Dolde und lächelte glücklich. Die Feldgrillen auf der Wiese zirpten so laut, das klang nach Sommer und Hitze, und eigentlich auch nach Freizeit. Vor ihrem inneren Auge sah sie die weißen Dolden schon zusammen mit den saftigen gelben Zitronenscheiben in dem großen Steinguttopf schwimmen.

Sie würde Holunderlimonade in ihrem Café anbieten. Und Holunderkuchen. Oder Holunderparfait. Ein Windhauch strich ihr sanft über die nackten Arme, und sie hörte mit einem Lächeln zu, wie Tilli zwei Dolden miteinander sprechen ließ, als wären sie zwei Personen. Anscheinend wohl Geschwister, denn sie fingen an sich zu streiten, und Tilli schlug die zwei Dolden so heftig aneinander, dass einzelne Blüten durch die Luft wirbelten.

Nachdem sie einen Korb voller Blüten geerntet hatte, stellte sie ihre duftende Beute auf den Beifahrersitz ihres Lieferwagens und setzte Tilli direkt daneben. Im ersten Überschwang hatte sie mit einer Polymerfolie den Schriftzug Momos Feenbäckerei an den alten Wagen geklebt. Inzwischen konnte sie darüber lächeln. Ihr erster Traum war gewesen, eine Cupcakery zu eröffnen und die Landbevölkerung mit Cupcakes glücklich zu machen. Leider hatten die Cupcakes nicht so viel Anklang gefunden wie erhofft, und da sie gerne im direkten Kontakt mit ihren Kunden war, hatte sich auch der Plan zerschlagen, übers Internet Cupcakes zu liefern. Aber dadurch hatte sie gemerkt, was sie eigentlich wollte: Leute in einem kleinen Café glücklich zu machen, mit leckeren, selbst gebackenen Kuchen, Torten und Cupcakes. An guten Tagen wie heute hatte sie den Eindruck, dass es durchaus möglich war, in Lerchenbach ein Café zu eröffnen, das nicht nur von ihrer eigenen Verwandtschaft besucht wurde. An schlechten Tagen hätte sie sich am liebsten den ganzen Tag in ihrem Bett verkrochen und die Küche nie wieder betreten. An den Tagen, an denen nicht einmal ihre Verwandtschaft kam nämlich, und weit und breit kein Gast zu sehen war.

Sie startete den Motor und fuhr den schmalen Weg an der Koppel entlang. Natürlich war ihr klar, dass man nicht nach zwei Wochen entscheiden konnte, ob ein Café ein Erfolg werden würde! Bell stand mit einem großen Strohhut und ihrem Sommerkleid auf der Weide und mähte mit gleichmäßigen Bewegungen an einzelnen Stellen Brennnesseln ab. Als sie sah, dass Miriam wegfuhr, hörte sie damit auf und winkte ihr zu. Miriam hielt neben der Koppel an und half Tilli dabei, aus dem Lieferwagen zu klettern.

Dann sah sie zu, wie Tilli unter dem Zaun durchschlüpfte und über die Koppel auf ihre Mutter zurannte. Als sie hinfiel, blieb sie einfach liegen und ließ sich den leichten Abhang hinunterkullern. Miriams Blick blieb an dem süßen kleinen Häuschen hängen, das etwas unterhalb des Bauernhofs lag. Dort wohnten seit Neuestem Bells Schwester Charly mit ihrem Freund Luca. Momentan waren die beiden allerdings nicht da, denn Charly begleitete Luca gerade auf einer Dienstreise nach Amerika. Die Glücklichen!

Miriam drückte kurz auf die Hupe, dann fuhr sie weiter, in den schattigen Wald hinein. Durch das offene Fenster roch sie den Kiefernadelduft und hörte einen Buchfinken sehr laut schmettern.

Es war definitiv nicht so, dass sie auf Bell neidisch wäre. Die hatte ganz schön viel zu tun, die vier Kinder, und jetzt noch mal schwanger … Ihr Mann meist auf Dienstreise, und sie schmiss zu Hause den Laden. Im Gegensatz zu ihr ließ sich Bell auch nie hängen, vermutlich, weil man sich mit Kindern auf keinen Fall hängen lassen durfte und immer Souveränität und Besonnenheit ausstrahlen musste.

Gerade fuhr Miriam mit ihrem Lieferwagen aus dem Wald heraus. Die schattige grüne Kühle wurde abgelöst durch trockene, heiße Luft, die ein wenig nach Gras und nach Kräutern roch. Das Gerstenfeld rechts sah so bewegt aus wie das Meer, die langen Grannen wiegten sich, und der Wind ließ Wellen durch das Feld laufen, glänzend bogen sich die Halme. Ein kleines weißes Wölkchen trieb über dem idyllischen Lerchenbach. Von hier aus sah man die alten Häuser, die sich um den Burgberg schmiegten, und die alte Burgruine, die über Lerchenbach thronte. Ein Bussard kreiste über dem Turm und ließ sich von den Aufwinden nach oben heben.

Sie bremste ab, als sie das Postauto entgegenkommen sah – in Lerchenbach waren die Gässchen schmal und verwinkelt, und sie selbst war schon ein paarmal mit dem Spiegel des Lieferwagens an einer Hausfront entlanggeschrammt. Die Postbotin winkte ihr fröhlich zu und hielt direkt neben ihr an.

»Hab ein Päckchen vor die Tür gestellt«, meinte sie lachend. »Auf Eiskaffee und Streuselkuchen hätte ich auch total Lust. Vielleicht komme ich später noch mal vorbei!«

Dann gab sie wieder Gas, und Miriam fragte sich, wie sie auf die Idee mit dem Eiskaffee kam. Den hatte sie gar nicht im Angebot. Aber wie auch immer, das Wetter war so schön heiß, da hatte wohl jeder Lust auf Eiskaffee!

Oder einen Affogato, dachte Miriam plötzlich beschwingt. Wenn sie nach Hause kam, würde sie Affogato auf ihr Klappschild schreiben! Das schwarze Schild hatte sie auf einem Flohmarkt erstanden, und jedes Mal, wenn sie etwas mit Kreide darauf schrieb, dachte sie an ein voll besetztes Café und fröhliche Gäste, die sich über alles, was sie ihnen kredenzte, freuten! Auch wenn es bis jetzt noch nie richtig voll geworden war und hauptsächlich ihre kritische Verwandtschaft aufkreuzte.

Nachdem sie mit dem Lieferwagen langsam über die alte Brücke, die über den Lerchenbach führte, getuckert war, am roten Rathaus vorbei mit dem schiefen Türmchen, tauchte ihr Café vor ihr auf.

Wie wunderbar. Bells Schwester Charly und deren Freund Luca hatten ihr geholfen, das Haus neu zu streichen, schwedenrot. Als sie die weißen Sonnenschirme auf ihrer winzigen Terrasse sah, hatte sie plötzlich das Gefühl, wirklich nach Hause zu kommen. Es war doch etwas anderes, wenn man dort wohnte, wo man Leute kannte. Wo die Postbotin abbremste und einem sagte, wohin sie das Paket gestellt hatte. Da fühlte man sich einfach aufgehoben!

Na gut. Und wenn man nach Hause kam und die Terrasse schon belebt aussah, obwohl man gar nicht zu Hause war und das Café noch gar nicht geöffnet hatte!

Tatsächlich hatte sie schon Gäste, die anscheinend geduldig auf ihre Ankunft warteten. Seufzend blickte sie auf die Uhr des Lieferwagens. Eigentlich öffnete sie ab halb zwei, und es war erst kurz nach elf. Das war diesen Gästen offensichtlich schnurzpieps.

Als sie sah, wer es war, wusste sie auch wieso.

Tante Rosa und Tiktak!

Langsam rangierte sie mit ihrem riesigen Lieferwagen rückwärts in die Einfahrt vor die Garage – richtig hineinfahren konnte sie nicht, denn dazu war sie viel zu niedrig. Sie nahm den Korb mit den Blüten vom Beifahrersitz und quetschte sich dann aus dem Wagen, dessen Fahrertür sich nur halb öffnen ließ.

Dass Tante Rosa hier saß, verwunderte sie nicht weiter, denn eigentlich gehörte das Haus ihr. Hin und wieder – und in letzter Zeit hatte sich das Hin und Wieder in ein Täglich-mindestens-einmal verwandelt – kam sie vorbei, um ihr kluge Ratschläge zu geben. Meistens hatte es damit etwas zu tun, wie Miriam ihr kleines Café endlich zum Laufen bringen könnte. Ihrer Meinung nach müsste sich Miriam traditionellen Backwaren widmen, dann würde der Erfolg des Cafés nicht lange auf sich warten lassen. So etwas Modernes wie Cupcakes würde in einem Lerchenbach, in denen das Durchschnittsalter der Bevölkerung ungefähr bei achtzig Jahren lag, niemals Anklang finden!

Tiktak war im selben Alter wie Tante Rosa, also schon ein paar Jährchen über achtzig, sie hatten sogar in der Grundschule nebeneinander gesessen und sich vermutlich damals schon den ganzen Vormittag gestritten. Gerade saß sie Seite an Seite mit ihrer alten Mitschülerin und sah ihr wie diese entgegen.

»Gut, dass du kommst«, sagte Tiktak mit ihrer knarzigen Stimme und runzelte die Stirn, als hätte Miriam etwas ganz massiv verbockt.

»Cappuccino gefällig? Oder Affogato?«, fragte Miriam, auch ohne Gruß, und wohl wissend, dass die beiden Alten, wenn, dann nur Kaffee mit Kaffeesahne trinken würden. Aber immerhin gaben sie dann normalerweise großzügig Trinkgeld. Ihr Blick blieb an der kleinen schwarzen Tafel hängen, auf die Miriam ihre Speisekarte schrieb. Ihre Schrift war weggewischt worden, und stattdessen stand da jetzt Eiskaffee und Streuselkuchen. Quasi das Gegenteil von Cappuccino und Schwarzwälder-Kirsch-Cupcakes, was Miriam heute früh dort angeschrieben hatte!

Immerhin verstand Miriam nun, was die Postbotin damit gemeint hatte, dass sie Lust auf Eiskaffee habe.

Ihr Blick wanderte nach unten auf den Boden vor dem Klappschild. Direkt davor saß nämlich ein winziger schwarzer Hund mit riesigen Pfoten. Die rechte Pfote war weiß, und als er sie sah, sprang er auf und riss das Schild um, an dem er festgebunden war. Ein dunkler nasser Fleck unter ihm zeigte an, dass er gerade Pfützchen gemacht hatte.

Miriam seufzte. Auf so eine Idee konnten auch nur zwei ältere Damen kommen!

»Das Schild ist nicht dafür geeignet, Hunde daran festzubinden«, stellte Tiktak kopfschüttelnd fest, so als hätte Miriam den Hund dort angebunden.

Miriam stellte ihren Korb voller Holunderblüten auf den Nachbartisch und presste kurz die Lippen aufeinander. Das Schild rappelte laut über den Steinfußboden, so sehr zerrte der Welpe an dem Teil.

»Hast du jetzt einen Hund, Tante Rosa?«, fragte sie.

Keine der alten Damen hatte anscheinend Lust einzugreifen, denn sie blieben beide sitzen und sahen nur zu, wie Miriam den kleinen Hund davon abhielt, das nun liegende Schild über die Terrasse zu schleifen. Miriam befreite ihn von dem Schild, was große Begeisterung bei dem Kleinen auslöste. Der Welpe sprang an Miriam hoch, als würde er sie kennen, fiepte und warf sich schließlich auf den Rücken. Man konnte praktisch nichts anderes machen, als ihm sein nacktes süßes Bäuchlein zu kraulen. Sich einen Hund anzuschaffen hätte sie Tante Rosa niemals zugetraut. Die alte Schreckschraube war allem, was klein und süß war, ziemlich abgeneigt.

»Um Himmels willen«, sagte eben jene alte Schreckschraube prompt. »Ich wurde mit sieben Jahren von einem Hund gebissen. Seitdem bin ich traumatisiert.«

Tiktak lachte meckernd.

»Ah, dann ist das deiner?«, wollte Miriam an Tiktak gewandt wissen.

»Um Himmels willen«, äffte Tiktak die Worte von Tante Rosa nach und traf auch ziemlich gut deren Tonfall. »Natürlich nicht.«

»Auch gebissen worden?«, fragte Tante Rosa mitfühlend.

»Nein. Aber der letzte Hund, den ich hatte, wurde so von den Katzen geärgert, das war nicht mehr schön.« Die Stimme von Tiktak klang immer so, als hätte sie die letzte Nacht durchgesoffen. Aber heute war es besonders schlimm.

»Ich würde gerne den Eiskaffee mit dem Streuselkuchen haben«, wechselte Tante Rosa abrupt das Thema. »Den von der Tageskarte.«

Miriam schloss kurz die Augen und versuchte sich geistig zu sammeln. Eigentlich war sie sich ziemlich sicher, dass das auf dem Schild Tante Rosas Schrift war, und dass sie natürlich haargenau wusste, dass Miriam keinen Streuselkuchen gebacken hatte.

»Und wem gehört jetzt der Hund?«, ignorierte sie die Bestellung. »Wenn er euch nicht gehört?«

Der Welpe war wieder aufgesprungen und schleckte enthusiastisch über die Hand von Miriam.

»Keine Ahnung«, sagte Tante Rosa und bleckte ihre riesigen Zähne. »Ich dachte, das ist deiner.«

Als würde Miriam Hunde an Klappaufstellern anbinden und danach einfach wegfahren!

»Ich kann ihn jedenfalls nicht mitnehmen«, sagte Tiktak und stand auf. »Ich habe jede Menge Katzen. Weiß nicht, ob er das überleben würde. Muss jetzt auch weiter, hab noch einiges zu erledigen, bevor ich das Zeitliche segne!«

Tante Rosa rollte etwas genervt mit den Augen.

»Das Café hat leider noch nicht geöffnet, das dauert jetzt auch, bis die Kaffeemaschine warm ist«, seufzte Miriam.

»Ich würde mit ihm zum Tierarzt fahren«, gab Tiktak noch Regieanweisungen. »Du weißt nie, ob der Vorbesitzer das Tierchen entwurmt hat. Kann mir nicht vorstellen, dass ein so verantwortungsloser Typ, der einen Hund aussetzt, diesen vorher entwurmt hat.

»Der Vorbesitzer?«, fragte Miriam misstrauisch, denn es klang verdächtig so, als wäre sie die neue Besitzerin.

»Na ja, irgendjemand muss sich ja um den armen Hund kümmern. Ich habe Katzen und Rosa eine posttraumatische Belastungsstörung«, erklärte Tiktak tatsächlich, während sie schon zügig die Stufen zu Straße hinunterging. »Bleibst ja nur du übrig. Schließlich bist du jung und gesund.« Wieder lachte sie meckernd, als wäre das alles unglaublich lustig.

Bevor Miriam »Moment« sagen konnte, stand auch Tante Rosa auf.

»Es gibt bestimmt auch Tierheime«, wandte diese ungehalten ein.

»Tierheime«, grollte Tiktak und wartete nun doch auf Rosa. Die beiden stritten sich, während sie die Straße entlangschritten, und Miriam hörte noch, wie Tiktak fragte: »Was ist mit dir los, dass du einen Welpen ins Tierheim geben willst? Siehst du nicht, wie süß er ist?«

»Also, wenn du mich fragst, ich finde das ausgesprochen eigenartig! Kann mich nicht erinnern, dass früher Hunde vor Cafés ausgesetzt worden sind. Zu unserer Zeit waren das immer Autobahnraststätten«, erklärte Tante Rosa resolut.

»Na, und?«, fragte Tiktak mit grimmiger Stimme.

»Er ist bestimmt nicht ausgesetzt, sondern nur vergessen worden«, fügte Tante Rosa noch hinzu.

»Woher willst du das wissen?«, fragte Tiktak und lachte dann wieder meckernd. »In Lerchenbach werden doch nie Hundewelpen vergessen, das wüsste ich! Wenn du es nicht gemacht hast …«

Rosa schnaubte, und Tiktak drehte sich noch einmal um und zeigte mit dem knochigen Finger auf Miriam: »Ich würde gleich einen Termin ausmachen, beim Tierarzt! Um die nötigen Impfungen für das arme Hundchen zu bekommen! Das ist sehr wichtig! Das kann schlimm enden, wenn man das nicht alles rechtzeitig erledigt!«

»Miriam ist eine angehende Geschäftsfrau, die im Moment keine Welpen brauchen kann«, erklärte Tante Rosa sehr bestimmt. »Welpen bedeuten eine große Verantwortung und viel Zeit für die Erziehung.«

»Sie hat keine Kinder, sie hat keinen Mann. Da wird sie sich doch um einen kleinen Welpen kümmern können.«

»Ja, und daran muss sich was ändern!«, stieß Tante Rosa triumphierend hervor. »In ihrem Alter ist das nur eine Frage der Zeit, bis sie total vertrocknet, ihre Brüste hängen und ihre Eierstöcke nicht mehr funktionieren, und bis dahin sollte sie einen Mann finden.«

Wie bitte? Miriam runzelte die Stirn und sah hinunter auf ihr Dekolleté. Ihrer Meinung nach hing da noch überhaupt nichts!

»Ach«, machte Tiktak nur und hustete rauchig.

»Ja.«

»Und wo findet sie hier in Lerchenbach einen anständigen Mann?«, fragte Tiktak, die seit langer Zeit hier wohnte und noch keinen gefunden hatte. Ihre Stimme klang nach ehrlichem Interesse.

Miriam hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst. Ob ihre Eierstöcke vertrockneten oder nicht, das ging ja nur sie persönlich was an!

»Ich habe gehört, der Zellweger Leon will wieder hier wohnen«, erzählte Tante Rosa.

»Der war jetzt nur zweimal da, weil sein Vater ins Krankenhaus musste«, korrigierte Tiktak diese Darstellung. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass der sich hier niederlässt.«

»Da habe ich was anderes gehört«, widersprach Tante Rosa. »Ich denke, sobald die zwei sich treffen, wird Miriam kein Single mehr sein. Und das ist auch gut so.«

Miriam kniff die Augen zusammen.

»Der Zellweger«, stieß Tiktak hervor und hustete. Ob das ein Lachen oder Raucherhusten war, konnte man nicht sagen. »Ich glaube nicht, dass einer von den Zellwegers der richtige Mann für Miriam ist.«

Miriam sah zu dem kleinen Hund zu ihren Füßen hinab, der sich auf den Rücken gewälzt hatte und mit seinen spitzen Welpenzähnen in ihre Turnschuhe biss. Als sie sich nach ihm bückte, blitzten seine Augen kohlschwarz und ziemlich vergnügt, so als hätte er sich schon die ganze Zeit gewünscht, ein paar Schuhe zu ruinieren.

Zellweger Leon! Will wieder hier wohnen! Miriam merkte, dass ihr Gesicht heiß wurde bei dem Gedanken an Leon, und vor allen Dingen bei der Vorstellung, er könnte wieder hier wohnen und ihr ständig über den Weg laufen. Zornig richtete sie sich auf. Mit dem Welpen auf dem Arm sah sie den zwei alten Damen nach, die noch immer erregt diskutierend in der nächsten Seitengasse verschwanden.

Zellweger Leon war ein blöder Mistkerl, mit dem sie ganz sicher nicht mehr zusammenkommen würde! Schließlich war sie jetzt eine erwachsene, vernünftige Person, die sich ganz rational dafür entscheiden konnte, dass sie mit keinem Mann zusammenkam, mit dem schon immer nur die Fetzen geflogen waren! Der ein arroganter Schnösel war. Und der ein fettes Beziehungsproblem hatte. Zumindest, wenn es darum ging, sich auf nur eine Frau zu beschränken.

Gedankenverloren kraulte sie dem Hund die Ohren, der sofort seinen Kopf an ihre – vermutlich demnächst hängenden – Brüste drückte. Leon war genau wie sie selbst nach der Schulzeit aus Lerchenbach weggezogen. Aber tatsächlich war er ihr vor ein paar Wochen bei dem Hoffest von Bell über den Weg gelaufen … eilig versuchte sie die Gedanken daran zu verscheuchen. Damals hatte Leon auch erzählt, dass es seinem Vater gesundheitlich nicht gut gehe und er ein paar Tage bei ihm wohne.

Ein paar Tage!

Von sich hier sesshaft machen war nicht die Rede gewesen!

Ihre Mutter hatte ihr erzählt, dass Leon in New York arbeitete. Oder war es Mailand gewesen? Oder Paris? In so ein verschlafenes Nest zurückzuziehen konnte sie sich tatsächlich bei jemandem wie Leon nicht vorstellen. Denn sein Vater war unglaublich reich und einflussreich und hatte seinen Söhnen bestimmt den Weg in eine glänzende Zukunft geebnet.

Jahrelang hatte das ganze Dorf darauf gewartet, dass es wieder eine Frau Zellweger geben würde. Nachdem Leons Mutter vor Jahren an Krebs gestorben war, hatte eigentlich jeder damit gerechnet, dass Zellweger senior bald wieder eine neue Frau an seiner Seite haben würde. Aber bis jetzt hatte sich nichts in diese Richtung getan. Und wenn einer der Zellweger-Söhne hier wohnen würde, würden vermutlich alle Frauen im heiratsfähigen Alter nach ihm geiern. In der Hoffnung, sich den reichen Erben zu angeln.

Eine Welle von Scham und Begehren schoss ihr in die Brust, als sie an die letzte Begegnung mit Leon denken musste, damals auf dem Mühlenhof. Und sie versuchte diese Gefühle beiseitezuschieben.

Sie setzte den Welpen wieder auf den Boden und nahm stattdessen den Korb in die Hand. Energisch sperrte sie die Tür zu ihrem Café auf. Neben dem Türrahmen stand ein Paket, das sie mit dem Fuß ins Innere des Raums schob. Die Tischdecken, die sie im Internet bestellt hatte! Direkt daneben stand noch eine alte Schachtel, die sich schon aufzulösen drohte. Als sie hineinspähte, erkannte sie einen Fress- und einen Wassernapf für einen Hund, eine Packung Trockenfutter und ein paar Dosen Welpenfutter. Alles schien nagelneu zu sein und ganz frisch gekauft. An den Näpfen klebten sogar noch die Preisschilder! Kopfschüttelnd ließ sie das stehen. Wer machte denn so etwas? Einen Hund zusammen mit der Grundausrüstung auszusetzen?

Und was um Himmels willen machte man mit einem Hund, den man gefunden hatte?

Als sie ins Café trat, blieb sie kurz stehen. Noch immer erschien es ihr unglaublich, dass sie es in den letzten Wochen geschafft hatte, aus der alten, beengten Bäckerei ein lichtes Café zu machen! Ihr hatte schon länger der Shabby-Chic-Stil gefallen, und das passte auch total gut zu ihrer Vorgehensweise … von all den Tanten und Großtanten Möbelstücke einzusammeln und in einem altertümlich wirkenden Cremeweiß zu streichen. Dazu der helle, schlichte Holzboden, und der kleine Raum wirkte plötzlich groß und lichtdurchflutet. Besonders gut gefiel ihr die alte Geschirrvitrine ihrer Großmutter, die in dem ursprünglichen dunklen Braun monströs gewirkt hatte, jetzt in Weiß mit dem geerbten Geschirr sah sie modern und schick aus.

Sie warf einen kurzen Blick in einen der Spiegel, die sie aufgehängt hatte, und sah eine zerzauste Rothaarige darin, deren Wangen blutrot angelaufen waren. Das erinnerte sie wieder an Leon. Sie seufzte, als sie den Spruch auf ihrem T-Shirt im Spiegel las. Et voilà: la réalité.

Genau.

Willkommen in der Realität, liebe Miriam! Energisch ging sie in die Küche und schnappte sich ein Geschirrtuch. In der Luft hing noch der Geruch von dem flaumigen Biskuit und dem schokoladigen Rührteig, die sie heute in der Früh gebacken hatte. Das Backwerk stand noch immer auf dem großen Holztisch in der Küche, um dort auszukühlen. Den Biskuit wollte sie mit den saftigen knallroten Erdbeeren belegen, die sie heute früh gekauft hatte, und jetzt wollte sie eigentlich das Topping für die Schwarzwälder Kirsch-Cupcakes zubereiten.

Energisch drehte sie den Wasserhahn auf und hielt das Geschirrtuch in den eiskalten Strahl, um sich danach damit ihr Gesicht zu kühlen. Ihre heiße Haut fühlte sich an, als müsste das nasse Tuch zischen, während sie es sich auf die Haut drückte. Dabei versuchte sie, nicht an ihre letzte Begegnung mit Leon beim Hoffest zu denken. Himmel! Nur weil Bells Schwester Charly ihren Platz verlassen hatte, hatte er sich direkt ihr gegenüber an den Tisch gesetzt. Dabei hatte sie schon so viel Chardonnay getrunken gehabt, dass sie sich nicht nur einen verbalen Schlagabtausch geliefert hatten. Energisch schloss sie die Augen und versuchte dieses Erlebnis komplett aus ihrem Gehirn zu streichen. Was hatte sie sich dabei gedacht? Als sie ihren Lieferwagen hinter der Scheune eingeräumt hatte, hatte ihr Leon noch eine Kuchenform nachgetragen, und statt ihm diese einfach zu entreißen, in den Lieferwagen zu werfen und schleunigst Gas zu geben, hatte sie nichts Besseres zu tun gehabt, als sich in seine Arme ziehen zu lassen.

Gut, sie hatte ziemlich viel von dem Chardonnay getankt gehabt. Das zu ihrer Rechtfertigung. Es wäre unverantwortlich gewesen, in diesem Zustand Auto zu fahren.

Sie erinnerte sich nur noch an seinen intensiven Blick und an das Gefühl seiner Lippen auf den ihren, und dass sie einfach an gar nichts mehr gedacht hatte, als dass er damit bitte schön nicht aufhören sollte! Und dass wer weiß was passiert wäre, wenn nicht Tiktak mit ihrem Pick-up angehalten hätte, lautstark gehupt und zu ihr hinübergerufen hätte: »Braucht jemand eine Mitfahrgelegenheit?«

Natürlich hatte sie eine Mitfahrgelegenheit gebraucht, schließlich hatte sie zu viel getrunken gehabt. Und als sie im Auto von Tiktak gesessen hatte, hatte sie nicht mehr gewusst, was sie denken sollte. Sich freuen, dass sie dem elenden Zellweger entgangen war? Sich ärgern, weil sie, wenn Tiktak nicht gekommen wäre, beim Zellweger hätte mitfahren müssen? Und was wäre dann gewesen? Sie war in einem Zustand gewesen, in dem sie nicht hätte ausschließen können, dass sie Leon mit ins Haus gebeten hätte. Und so wie Leon damals gewirkt hatte, hätte er sich auch nicht zweimal bitten lassen!

Wie auch immer, dachte sie, setz es auf deine Liste von Erlebnissen, die es zu vergessen gilt, und hake es ab! Sie hängte das feuchte Geschirrtuch über einen Heizkörper und beschloss, in nächster Zeit einfach nichts mehr zu trinken. Sicherlich der Garant dafür, dass ihr Ähnliches nicht mehr passieren würde!

Hinter sich hörte sie das Geräusch von Hundepfoten auf Fliesenboden und einer schleifenden Hundeleine, und sie drehte sich zu dem Kleinen um. Er schnupperte gerade neben dem Mülleimer und begann an einer Stelle zu schlecken, an der es vielleicht nach Teig schmeckte. Oder nach Zuckerguss. Seufzend bückte sie sich nach dem Welpen und befreite ihn von der Leine, danach holte sie ihr Handy aus der Hosentasche und gab »Hund gefunden« bei Google ein.

Aus den Augenwinkeln sah sie, dass der Kleine plötzlich zielstrebig durch die Küche auf die offene Speisekammertür zurannte und anscheinend eine wunderbare neue Freizeitbeschäftigung gefunden hatte.

»Moment!«, rief sie ihm nach, und der Welpe stoppte seinen rasanten Lauf und schlitterte über den glatten Boden. Verdutzt sah er zu ihr, und sie musste über die gerunzelte faltige Stirn lachen und über die Schlappohren, die er zu spitzen versuchte.

Sie googelte das nächste Tierheim und seufzte, als sie sah, dass die beiden, die infrage kamen, über dreißig Kilometer entfernt lagen.

»Vielleicht sollte ich mit dir tatsächlich zum Tierarzt?«, überlegte sie laut. »Der wird schon wissen, was ich zu machen habe.« Mit diesen Worten kniete sie sich auf den Boden und grübelte, ob der Tierarzt den Welpen gleich behalten würde. Mit tapsigen Sprüngen kam der Kleine auf sie zugedüst und schlitterte wieder den letzten Meter. Miriam setzte sich nun bequem in den Schneidersitz, um die Telefonnummer des Tierarztes herauszusuchen. Dessen Praxis war nämlich nur etwa zwei Kilometer entfernt. Der Welpe kletterte auf ihren Schoß und rollte sich zusammen. Während sie ihm die Ohren kraulte, hörte sie auf die Bandansage des Tierarztes. »Sie sind mit der Tierarztpraxis Marius Lucescu verbunden. Unsere Sprechzeiten sind Montag bis Donnerstag Nachmittag von …« Miriam legte auf. Der Welpe sah sie mit schief gelegtem Kopf und einem Blick an, der ihr Herz zum Schmelzen brachte.

»Okay. Bis morgen darfst du bleiben«, informierte sie den Welpen.

Leon

Die Sonne ließ das kupferrote Haar glänzen, und er ging vom Gas, als er die Frau sah, die gerade die Tür des Cafés aufsperrte und nach drinnen ging. Natürlich erkannte er sie auch von hinten, nicht nur wegen ihrer auffälligen Haarfarbe. Sie trug ausgewaschene Hotpants, die aussahen, als hätte sie sie selbst abgeschnitten, und die ihre kurvige Figur betonten. In ihrer Armbeuge baumelte ein Korb, und er spürte ein eigenartiges Ziehen in seiner Herzgegend. Was hatte ihn auf dem Willkommensfest beim Mühlenhof nur geritten, Miriam zu ihrem Lieferwagen nachzugehen, um ihr anzubieten, sie nach Hause zu fahren? Natürlich war sie etwas betrunken gewesen und hätte nicht mehr fahren können. Aber im Grunde war ihm klar gewesen, dass sie nicht auf ihn angewiesen war und auch andere Lerchenbacher sie hätten mitnehmen können. Genau genommen hatte er von Anfang an gewusst, wozu dies führen würde. Nämlich, dass er sie in seine Arme ziehen würde und nicht mehr aufhören könnte, sie zu küssen. Wahrscheinlich genau derselbe Grund, weshalb er auch jetzt das Gefühl hatte, eine Vollbremsung machen zu müssen, aus dem Auto zu springen und ihr nachzulaufen. Nur um ihr Lachen zu hören. Oder die gerunzelte Stirn zu sehen, wenn sie sah, dass er schon wieder da war. Jedenfalls lauter Gefühle, die er ihr gegenüber nicht haben sollte.

Miriam und ihn verband eine ziemlich wechselvolle Geschichte. Genauso wechselhaft wie seine Beziehung zu dem idyllischen Örtchen Lerchenbach, in dem er aufgewachsen war. Vermutlich hatte er hier die schönsten Erlebnisse seines Lebens gehabt, aber gleichzeitig auch die schlimmsten. Nicht nur aus diesem Grund hatte er den Ort in den letzten Jahren gemieden, soweit es möglich gewesen war.

Trotz seiner ambivalenten Empfindungen musste er sich eingestehen, dass er das Gefühl hatte, nach Hause zu kommen, immer wenn er hierherkam. Während er vor wenigen Minuten über die alte Brücke über den Lerchenbach gefahren war – der eigentlich kein Bach, sondern ein Fluss war –, hatte er den vertrauten Anblick der ehemals bunten Häuserfronten in sich aufgesogen. Der knallblaue Himmel hatte sich im Lerchenbach gespiegelt. Und wie immer waren eine Truppe Enten und ein Schwan gemächlich auf dem Wasser herumgepaddelt. Noch immer gab es das dichte grüne Schilfufer und die alten Holzkähne, die bei der Brücke vertäut lagen. Sofort waren tausend Kindheitserinnerungen aufgeblitzt. Das Angeln mit seinen besten Kumpels, das Schwimmen im Fluss und das Knutschen mit Miriam an den versteckten Ufern direkt vor dem großen Wehr.

Genau. Miriam.

Lerchenbach war irgendwie untrennbar mit der quirligen Miriam verbunden.

»Wirklich idyllisch«, sagte die Frau auf dem Beifahrersitz mit einer betont munteren Stimme und riss ihn aus seinen Überlegungen. Der Satz war weniger an ihn gerichtet als an das Kind, das auf der Rückbank saß und nichts sagte. »Schau doch mal raus, Greta! Was für ein toller Fluss!«

Von der Rückbank kam keine Antwort. Aber im Rückspiegel konnte er sehen, dass Greta den Blick brav nach draußen wandte. Seit dem Autounfall hatte Karla nur davon gesprochen, dass sie fort mussten aus ihrem alten Leben, und irgendwo einen Neuanfang wagen. Auch wenn Leon nicht an dem Unfall schuld gewesen war, wollte er sie in allem unterstützen, was sie vorhatte.

»Hast du den Schwan gesehen? Ich glaube, die Enten hatten Küken dabei … eines war sogar ganz weiß. Die müssen wir uns unbedingt demnächst ansehen! Vielleicht können wir sie mit Brot füttern …«

Das klang verdächtig nach einer Mutter, die sich sicher war, dass es ihr Kind einfach nur furchtbar finden würde, und die krampfhaft nach Dingen suchte, die die Kleine glücklich machen könnten.

Er parkte direkt gegenüber von Miriams Café am Straßenrand unter einem großen Kastanienbaum.

»Hier sind wir auch schon. Das ist ein uralter Gasthof, den gibt es schon seit dreihundert Jahren«, erzählte er mit Märchenerzählerstimme. »Hier haben schon Prinzessinnen genächtigt …« Vielleicht war Prinzessinnen nicht das richtige Wort, aber immerhin waren es Adelige gewesen, die nach einer unbequemen Fahrt in einer Kutsche hier gespeist und übernachtet hatten. »Du kannst dir dein Zimmer aussuchen, denn ihr seid momentan die einzigen Gäste.« Er stieg aus, Karla und er warfen sich über das Autodach hinweg einen Blick zu. »Ihr müsst ihn nur aus seinem Dornröschenschlaf aufwecken«, sagte er ins Auto hinein und sah, dass Greta noch immer aus dem Fenster blickte, allerdings auf der Seite, auf der Miriams Café lag. Sie konnte das alte Gasthaus also gar nicht sehen.

»Es sieht traumhaft aus«, sagte Karla schließlich, als er sich wieder aufrichtete.

»Es sieht heruntergekommen aus«, entschuldigte er sich und ärgerte sich ein wenig über seinen Vater. Die meisten Häuser hier gehörten seinem Vater, und seit seine Mutter gestorben war, hatte er sich um überhaupt nichts mehr gekümmert, die Häuser waren am Zerfallen, die Mieter zogen aus, und an neuen Mietern hatte er anscheinend kein Interesse.

»Ich habe mir letzte Woche angesehen, was noch zu reparieren ist – aber Wasser, Strom und Heizung funktionieren. Und es muss dringend gelüftet werden, nehme ich an. Ich habe zwar letzte Woche die Fenster mal aufgerissen, aber das reicht einfach nicht.«

»Willst du nicht doch mit einziehen?«, sagte Karla bittend, wich aber danach gleich seinem Blick aus. »Das Haus ist doch riesig.« Wir könnten uns aus dem Weg gehen, sollte das wohl heißen.

»Ich glaube nicht, dass das so gut wäre«, sagte er ausweichend. »Ich werde die nächsten Tage bei meinem Vater wohnen. Das ist nicht weit weg, wenn ihr etwas braucht …«

Sie nickte, und das schlechte Gewissen machte ihm Magendrücken.

Das Schlimmste ist, dass es kein Wir mehr gibt, hatte ihm Karla vor ein paar Tagen gesagt, dass ich mit meinen Entscheidungen nun alleine bin.

»Du bist ja nicht alleine«, versprach er ihr deswegen noch einmal. »Ich werde alles für Greta tun, damit sie sich wohlfühlt.«

Das reicht nicht, schien ihr Blick zu sagen, aber sie zwang sich zu einem Lächeln und nickte. Er bückte sich, um zu der Kleinen ins Auto zu sehen.

»Wollen wir mal reingehen und für dich ein Zimmer aussuchen?«, fragte Karla, während sie die Autotür öffnete und Greta aufforderte herauszukommen. Eine Weile blieb sie mit ihrer Tochter an der Hand vor dem alten Wirtshaus stehen, und die beiden wirkten klein und verloren, als würden sie hier nicht her passen.

Wieso bemerke ich das erst jetzt, dachte Leon etwas frustriert. Denn erst jetzt fiel ihm auf, dass das Haus deprimierend groß für eine Frau und ein kleines Kind war. Dass es vermutlich Karla daran erinnern würde, was sich verändert hatte. Aber jetzt war es zu spät, um diese Entscheidung rückgängig zu machen. Und er konnte und wollte nicht mit einziehen. Das war der falsche Weg, da war er sich sicher.

Er drückte ihr den Haustürschlüssel in die Hand und ging dann um das Auto herum zum Kofferraum.

Während die beiden zur Haustür gingen, öffnete er den Kofferraum und überlegte, ob nicht das Haus direkt neben dem Café die bessere Wahl gewesen wäre. Allerdings hatte das kaum Garten, weil es sich direkt an die steile Seite des Burgberges schmiegte. Das hatte ihn dazu bewogen, das alte Gasthaus auszuwählen. Es hatte einen riesigen Garten, voll mit ausladenden Kastanienbäumen, und man hörte stets das Rauschen des Wehres. Schon immer hatte er sich vorgestellt, hier unten am Fluss zu wohnen und vor dem Einschlafen dem gleichmäßigen Rauschen des Wassers oder den Ruf des Graureihers zu lauschen.

Stattdessen tschilpte neben ihm jetzt sehr laut ein Spatz, und vom Café tönte eine Stimme zu ihm herüber. Er schob sich seine Sonnenbrille vor die Augen und sah kurz hinüber. Miriam war eben wieder aus ihrem Café getreten. Anscheinend hatte sie sich ein Telefon zwischen Ohr und Schulter geklemmt und breitete gerade eine Tischdecke auf eines der Tischchen auf der Terrasse. Ihre roten Locken schienen in alle Richtungen abzustehen, und es sah aus, als wären ihre Haare auf einer Seite klatschnass. Im Gegensatz zu Karla und Greta wirkte sie voller Elan und Tatendrang.

Sie hatte sich nicht so viel verändert in den letzten zehn Jahren. Natürlich war sie nicht mehr das spindeldürre Mädchen von damals, ihre Hüften waren breiter geworden, und sie hatte plötzlich Rundungen an genau den richtigen Stellen. Aber ihr Lachen hörte sich genauso an wie damals, als er sie gefragt hatte, ob sie mit ihm auf den Tanzkursabschlussball gehen würde. Sie hatte gelacht, als hätte sie sich gewünscht, er würde sie fragen, aber als hätte sie nie damit gerechnet. Aber sie hatte sofort zugesagt.

In seinem jugendlichen Leichtsinn war er davon ausgegangen, dass die Beziehung nicht schiefgehen konnte. Vielleicht war das auch die Hybris gewesen, die seine Mutter immer bei seinem Vater angeklagt hatte. Dass die Zellwegers immer dachten, dass bei ihnen alles glattgehe. Dass sie immer dachten, die ganze Welt liege ihnen zu Füßen. Aber er war sich damals so sicher gewesen, dass sie ein Paar waren. Vielleicht waren das ja auch nur die Gefühle gewesen, die man beim allerersten Mädchen hatte, in das man sich verliebte. Bei dem man sich sicher war, dass es etwas Ernstes war. Etwas, das länger dauern könnte als nur ein paar verliebte Wochen. Sie war nicht so der Typ gewesen, der Jungs nachlief, sie war sich damals schon selbst genug gewesen, denn sie war fast geplatzt vor eigenen Ideen, hatte ständig etwas vorgehabt. Und dann hatte sie mit einem Brief ihre Beziehung abrupt beendet.

Aus heiterem Himmel, wie es ihm damals erschienen war. Diesen unverschämten Brief, den er jetzt noch vor Augen hatte und der ihn noch immer tiefer traf, als er sich eingestehen wollte. Als sie sich dann beim Ball über den Weg gelaufen waren, und er sich bei ihr ärgerlich nach dem Grund für den bescheuerten Brief erkundigt hatte, hatte sie ihm allen Ernstes eine geknallt und ihm die Limonade über den Kopf geschüttet! Weshalb, das war ihm bis heute ein Rätsel.

»Ich glaube, ich werde selbst Tischdecken nähen«, tönte ihre Stimme gerade über die unbelebte Straße, und es klang ein bisschen so, als würde sie mit ihm sprechen. Während er einen kleinen rosa Mädchen-Koffer aus dem Kofferraum holte, sagte sie: »Irgendwie ist der Stoff nicht wirklich schön.«

Er stellte den Koffer neben eine große Reisetasche. Noch immer löste ihre Stimme in seinem Innersten ein vertrautes, ein wenig wehmütiges Gefühl aus.

»Man muss den einfach mal zwischen den Fingern gehabt haben, um die Qualität zu beurteilen. Fühlt sich ganz schrecklich an … Aber so ein paar Tischdecken sind ja schnell genäht. Wir haben doch noch die alte Nähmaschine zu Hause …«

Eine rot-weiß karierte Tischdecke flatterte vor ihr, als sie diese vom Tisch zog. Er blieb dort stehen, wo er war, und sah zu ihr hinüber, überlegte sich, ob sie sich bewusst war, dass er hier stand. Aber sie schien komplett ins Gespräch vertieft zu sein, denn sie richtete sich auf und stemmte eine Hand in die Seite. »Ach! Musst du alles weggeben?«, fragte sie schlecht gelaunt. »Ihr habt doch ein riesiges Haus. Da fällt doch eine Nähmaschine hin oder her nicht auf.« Noch schien sie ihn nicht gesehen zu haben, denn sie redete einfach weiter, als wäre sie allein in diesem Ort. Was sie wahrscheinlich normalerweise auch war. Das Einzige, was man gerade hörte, war das Tschilpen der Spatzen in den Büschen des alten Gasthauses und das Zwitschern von ein paar Schwalben, die durch die leeren Straßen flogen. Kein Motorenlärm, dachte er sich. Es war so still, weil hier keine Autos fuhren. Das war ihm bis jetzt auch nicht aufgefallen, dass der Ort wie ausgestorben war. Aber eigentlich kein Wunder, es gab hier auch nichts, wohin man unterwegs sein wollte. Vielleicht hatte das Café schon geöffnet, aber sonst gab es nichts außer dem Metzger und dem alten Hannes, der Schrauben und Nägel verkaufte. Denn nachdem seine Mutter gestorben war, hatten die zwei kleinen Galerien geschlossen, in der die örtlichen Künstler ihre Werke hatten ausstellen können, die Buchhandlung war pleite gegangen, und der kleine Schuhladen hatte dicht gemacht. Genauso wie die Eisdiele, der Second-Hand-Laden und der Tante-Emma-Laden, in dem sie früher oft Bonbons oder Kaugummi gekauft hatten.

»Ich glaube nicht, dass das der neueste Trend ist, Mama«, erklärte Miriam eben resolut. »Zurück zur Einfachheit heißt ja nicht automatisch, dass ich meine Nähmaschine herschenken muss … Und ich bin mir ganz sicher, dass es meine Nähmaschine war und nicht deine.«

Er lächelte über den Disput mit ihrer Mutter.

»Du hast doch in deinem ganzen Leben nicht genäht!

Und nein, ich werde nicht Tante Rosa fragen.« Miriam atmete einmal tief ein. »Ja, Mama. Ich liebe euch auch alle.« Sie steckte das Handy in ihre hintere Hosentasche und begann plötzlich zu lachen. Eine ihrer roten Locken flatterte gerade vor ihr Gesicht und nahm ihr anscheinend die Sicht auf das, was auf der anderen Straßenseite geschah. Plötzlich hatte er das Gefühl, genau den richtigen Ort für Karla und Greta ausgesucht zu haben. Allein die Nachbarschaft war einfach unschlagbar! Miriam mit ihrer lebensbejahenden Art konnte bestimmt jeden aus seiner Lethargie reißen. Und ein Café in der Nähe zu haben war kommunikativ und überhaupt …

Leon packte zwei Koffer und ging zur Haustür.

Kapitel 2

Miriam