Sommergras 142 - Haiku-Gesellschaft e. V. Deutsche (Hrsg.) - E-Book

Beschreibung

SOMMERGRAS ist die alle drei Monate erscheinende Zeitschrift der Deutschen Haiku Gesellschaft (DHG). Die SOMMERGRAS-Ausgabe 142 (September 2023) enthält viele ausgewählte Haiku, Tanka, Haibun, Kettengedichte und Haiga unserer Mitglieder. Sechs Haiku-Bücher werden Ihnen vorgestellt, und wir informieren Sie über zahlreiche Neuerscheinungen. Fünf neue Mitglieder stellen sich mit je zwei Haiku vor. Wie immer schaut SOMMERGRAS aber auch über den Tellerrand hinaus und nimmt Sie in dieser Ausgabe mit nach Frankreich, Italien und Japan. Lassen Sie sich überraschen!

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Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.

Die Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V.1 unterstützt die Förderung und Verbreitung deutschsprachiger Lyrik in traditionellen japanischen Gattungen (Haiku, Tanka, Haibun, Haiga und Kettendichtungen) sowie die Vermittlung japanischer Kultur. Sie organisiert den Kontakt der deutschsprachigen Haiku-Dichter untereinander und pflegt Beziehungen zu entsprechenden Gesellschaften in anderen Ländern. Der Vorstand unterstützt mehrere Arbeits- und Freundeskreise in Deutschland sowie Österreich, die wiederum Mitglieder verschiedener Regionen betreuen und weiterbilden.

1Mitglied der Federation of International Poetry Associations (assoziiertes Mitglied der UNESCO), der Haiku International Association, Tokio, Ehrenmitglied der Haiku Society of America, New York.

Anschrift

Deutsche Haiku-Gesellschaft e. V., z. Hd. Stefan Wolfschütz, Jungmannstr. 11, 24768 Rendsburg

Vorstand

Info/DHG-Kontakt und Redaktion

Horst-Oliver Buchholz,

[email protected]

Redaktion

Eleonore Nickolay,

[email protected]

Kassenwartin

Petra Klingl,

[email protected]

Website

Stefan Wolfschütz,

[email protected]

Claudia Brefeld,

[email protected]

Internationale Kontakte

Klaus-Dieter Wirth,

[email protected]

Tony Böhle,

[email protected]

Peter Rudolf,

[email protected]

Frank Sauer,

[email protected]

Bankverbindung:

Landessparkasse zu Oldenburg, BLZ 280 501 00, Kto.-Nr. 070 450 085 (BIC: SLZODE22XXX, IBAN: DE97 2805 0100 0070 4500 85)

Inhalt

Editorial

Eleonore Nickolay: Die Haiku-Agenda 2024

KreAktiv

Aufruf

Haiku-Kaleidoskop

Klaus-Dieter Wirth: Das Haiku in Italien

Eleonore Nickolay: Französische Ecke

Moritz Wulf Lange: Zwei Haiku – ein Gedanke

Stefan Wolfschütz: Nachruf auf Ingrid Töbermann

Neue DHG-Mitglieder

Haiga von Claudia Brefeld und Christof Blumentrath

Kompak

t

Claudia Brefeld: Seijaku

Auswahlen

Haiku-Auswahl

Tanka-Auswahl

Sonderbeitrag von René Possél

Mitgliederseite

Haibun

Haiga von Gabriele Hartmann

Tan-Renga

Kettengedichte

Bücher

Claudia Brefeld: Der Geruch von Harz. 20 Haiku von Deborah Karl-Brandt

Brigitte ten Brink: Ein internationales Haiku-Projekt zu den Gemälden des Genter Altars

Haiga von Christof Blumentrath und Claudia Brefeld

Rüdiger Jung: Gespiegelte Welt von Ingo Cesaro

Rüdiger Jung: Haiku schreiben – Ein Weg, der nie endet von Traude Veran

Claudia Brefeld: WinterPark von Frank Sauer

Reinhard Dellbrügge: Origins von Jacob D. Salzer

Haiga von Angelika Holweger

Berichte

Gisela Doi: Erstes Vereinstreffen in Nara oder East meets West

Moritz W. Lange: Ein Haiku-Workshop mit Sabine Sommerkamp

Mitteilungen

Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

von der ersten bis zur letzten Seite unserer Septemberausgabe 2023 werden Sie feststellen: Das Haiku erfreut sich größter Beliebtheit. In der Haiku-Agenda 2024 sind 72 Autoren und Autorinnen vertreten, für die Haiku- und Tanka- Auswahl erreichten unseren Koordinator Peter Rudolf dieses Mal 200 Haiku. Sechs Haiku-Bücher werden Ihnen vorgestellt, und wir informieren Sie über zahlreiche Neuerscheinungen. Übrigens gehen in der SOMMERGRAS-Redaktion zunehmend Haibun ein. Fünfzehn davon haben wir für Sie ausgewählt. Den Mitgliedern der Deutschen Haiku-Gesellschaft unter Ihnen sei noch verraten, dass die Mitgliederzahl stetig steigt. Fünf neue Mitglieder stellen sich mit je zwei Haiku vor. Und notieren Sie sich doch bitte jetzt schon den Termin für unsere Mitgliederversammlung am 4. Mai 2024 in Osterode am Harz.

Wie immer schaut SOMMERGRAS aber auch über den Tellerrand hinaus und nimmt Sie in dieser Ausgabe mit nach Frankreich, Italien und Japan. Lassen Sie sich überraschen!

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen

Ihre Eleonore Nickolay

Die Haiku-Agenda 2024

Ein Bericht der Koordinatorin Eleonore Nickolay

Das DHG-Haiku-Agenda-Team bedankt sich herzlich bei den 57 Autoren und Autorinnen, die sich in diesem Jahr am DHG-Wettbewerb für die Haiku-Agenda 2024 beteiligt haben.

Alle Einsendungen nahm Eleonore Nickolay in Empfang und anonymisierte sie für die Juroren Horst-Oliver Buchholz, Petra Klingl und Klaus-Dieter Wirth, die jeweils 1 bis 3 Punkte vergeben konnten.

In Gedenken an unser verstorbenes DHG-Mitglied Werner Buschmann baten wir seine Gattin, Gabi Buschmann, den Juroren einige seiner Fotos zur Auswahl zur Verfügung zu stellen. Die Wahl der Jury fiel auf den Bläuling, der nun die neue Agenda ziert.

Wir gedenken ebenfalls unserem DHG-Mitglied Ingrid Töbermann, die im April dieses Jahres verstarb. Ihr Herbst-Haiku befindet sich auf einer Kalenderwochenseite.

Laternenumzug

die alten Lieder spiel ich

auf dem Xylophon

Es mussten mindestens 4 Punkte erreicht werden, um mit einem Haiku auf einer Kalenderwochenseite vertreten zu sein.

Das Sommer-Haiku von Angelica Seithe erreichte 7 Punkte:

Springbrunnen –

zu Füßen der Nymphe

badet der Mond

6 Punkte erreichten:

kehrwoche

durch kastanienblüten fegt

der wind

Tobias Tiefensee

Im Kühlschrank

der Geschmack des Sommers

Honigmelonen

Deborah Karl-Brandt

Pfingstmesse

die Hände der Bettler

mit Licht gefüllt

Gabriele Hartmann

Sommerwind

ein Gedanke verliert sich

im Weizenfeld

Stefanie Bucifal

Tagundnachtgleiche –

altes Pärchen lachend

auf der Wippe

Angelica Seithe

5 Punkte erreichten 17 Haiku von 15 Autoren und Autorinnen.

4 Punkte gingen an 29 Haiku von 20 Autoren und Autorinnen.

Insgesamt sind 30 Wettbewerbsteilnehmer und -teilnehmerinnen mit einem Haiku auf einem der Kalenderwochenseiten vertreten. Eleonore Nickolay nahm die Auswahl und Verteilung auf die Kalenderwochenseiten vor. Um alle 53 Kalenderwochen den Jahreszeiten entsprechend füllen zu können, griff sie auf 23 Haiku aus vorangegangenen Haiku-Auswahlen von SOMMERGRAS zurück.

Ein besonderer Dank gilt auch in diesem Jahr Ramona Linke für ihre Tuschezeichnungen, die weitere 19 Jahreszeiten-Haiku unserer DHG-Mitglieder zieren.

Somit sind in der neuen Agenda insgesamt 72 Autoren und Autorinnen vertreten. Allen sei herzlich gratuliert!

Ein herzliches Dankeschön auch an Stephanie Mattner (Satz) und Petra Klingl, die sich um die verlegerischen Belange kümmerte.

Der DHG-Vorstand wünscht viel Freude mit der neuen Haiku-Agenda 2024. ISBN: 978-3-75782-980-3

KreAktiv

Sommerzeit, viel Leben findet im Freien statt. Und so hatten wir Sie eingenladen, ein Haiku zum Sommer zu schreiben, nicht zuletzt auch eine Referenz an die Tradition, da die Haiku-Dichtung doch tief in der Jahreszeitendichtung verwurzelt ist. 32 Dichtende machten sich ans Werk und schickten uns ihre Haiku. Vielen Dank!

Die Jury hat wieder gelesen, gewogen und gewichtet, und schließlich war es ein Haiku von Angelica Seithe, das die meisten Punkte bekam. Wir gratulieren herzlich! Das Haiku lautet

so vieles

was mich überragt

Junigräser

Ein äußerlich kurzes Haiku, doch weit ist es in seinem Beziehungsreichtum, und tief ist es auch. Zunächst eine lakonische, sehr persönliche Feststellung, „so vieles / was mich überragt“. Nun gut, das kann man erstmal so sehen und stehen lassen, wobei es auch schon einer gewissen Einsicht und – möglicherweise altersbedingten – Souveränität bedarf, um diese Äußerung, dieses „Sich-Kleinermachen“, in einem Gedicht öffentlich zu machen. Chapeau. Diesem Persönlichen, und hier nimmt das Spannungsfeld seinen Anfang, wird die Natur gegenübergestellt, Mensch – Natur oder besser vielleicht: der Mensch in der Natur. Hier sind es die „Junigräser“. Ein Kunstgriff! Sind Gräser im Juni doch zumeist noch nicht sehr hoch gewachsen, aber in ihrer Wirkung im frühen Sommer vielleicht schon überragend. Einerseits. Und andererseits fühlt sich die Dichterin – hier spekulieren wir ein wenig, aber die Deutung ist zulässig – angesichts der Gräser überragt von der Schönheit einfacher Dinge im Sommer. Denn es sind keine Rosen, keine stolzen Blütenkelche, es sind einfache Gräser, die überragen. Diese schönen, einfachen Dinge sind es, die über die Betrachtung zur Einsicht führen. Hier findet sich der Mensch, die Dichtende in der Natur. Kunstvoll auch deshalb gemacht, weil keinerlei vordergründige sprachliche Verbindung hergestellt wird zwischen der einleitenden Äußerung der Zeilen eins und zwei sowie dem Bild in Zeile drei. Im Gegenteil, sie sind durch eine recht schroffe Zäsur nach Zeile zwei getrennt, stehen scheinbar unverbunden gegeneinander. Doch das Verbindende, wohl schon spiritueller Natur, wird dennoch erfahrbar: die noch jungen Junigräser, die reife Einsicht möglich machen. Das ist Kunst. Kunst im Wort, in der Dichtung.

Kommentiert von Horst-Oliver Buchholz

Sieben weitere Haiku hat die Jury für gelungen befunden, die wir hier gerne vorstellen. Alle übrigen Einsendungen veröffentlichen wir wie immer auf der DHG-Website, www.haiku.de/sommergras-142.

auf Schattensuche

unter dem wilden Wein

die Wespe und ich

Brigitte ten Brink

tiefe Wasser

wir segeln in die vier

Winde

Gabriele Hartmann

vertrocknetes Gras

die bunten Blumen

ihres Badeanzugs

Birgit Heid

im Waldteich

Seerosen und Mondsplitter

deine Hand ein Traum

Ruth Karoline Mieger

Wochenlang Sonne -

beim Wässern des Gartens

ein Regenbogen!

Willemina Preiß

der Garten verlassen -

die Taglilien am Zaun

orange-rot wie einst

Angela Schmitt

Sommertag

die Wohnung kalt

ohne sie

Friedrich Winzer

Aufruf: ein Haiku zu einem Foto

Der Herbst klopft an, da kann es schon mal neblig werden. Wohin führen unsere Wege, mag man sich fragen angesichts dieses Bildes. Entstanden ist es auf São Miguel, der Hauptinsel der Azoren. Was löst das Bild bei Ihnen aus, welche Gedanken, Emotionen oder Erinnerungen? Dichten Sie ein Haiku zum Foto! Wir fügen eines der eingesandten Haiku dann mit dem Bild zu einem Haiga zusammen, das im kommenden Heft veröffentlicht wird. Wir freuen uns auf Ihre Einsendungen:

[email protected]

Stichwort: Haiku KreAktiv

Einsendeschluss: 15. Oktober 2023

Haiku-Kaleidoskop

Klaus-Dieter Wirth

Das Haiku in Italien1

Am Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert verbreitete sich auch in Italien ein gewisses Interesse für die japanische Kultur. 1915 erschien eine der ersten Übersetzungen, Note di Samisen2, eine Sammlung japanischer Gedichte (Haiku und Tanka) von Mario Chini (1876–1959), Literat, Lehrer und Kunsthistoriker. Die Übersetzung war dem damaligen Geschmack entsprechend in Reimform gehalten und jedes Gedicht hatte einen Titel.

Agonia del mondo

sopra un ramo seccato

un corvo s’è posato

e s’è stretto nell’ale

in questo scolorato

vespero autunnale

Matsuo Bashō

Agonie der Welt

auf einen trockenen Ast

hat sich ein Rabe gesetzt

und die Flügel zusammengeschlagen

an diesem farblosen

Abend im Herbst

Mario Chini war Autor von zahlreichen Übersetzungen aus dem Lateinischen, Chinesischen und Japanischen sowie von eigenen Gedichten, die postum unter dem Titel Attimi (Augenblicke) – Haikai/Haiku veröffentlicht wurden.

Meriggio

Tutto riposa

in una stessa inerzia

la luce e l’ombra

Mittag

Alles ruht

in der gleichen Trägheit

Licht und Schatten

Eine der ersten Begegnungen mit der japanischen Dichtung in Italien bot die Literaturzeitschrift L’Eco della Cultura