Sonne meines Herzens - Rita de Monte - E-Book

Sonne meines Herzens E-Book

Rita de Monte

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Beschreibung

Aurelia wächst in einem Kloster auf. Durch einen Brief, den ihre Mutter ihr hinterlassen hat, erfährt sie, dass ihr Großvater auf einem Araberpferde Gestüt lebt. Sie nimmt Kontakt mit ihm auf. Auch er hat bisher nichts von seiner Enkelin gewusst. Überglücklich lädt er das Mädchen auf sein Gestüt ein und bildet sie als seine Nachfolgerin aus. Doch als der Franzose Raoul de Toussant das Gestüt besucht, verliebt sie sich Hals über Kopf in den attraktiven Mann, nicht wissend, dass er bereits eine Geliebte hat. Nach der Hochzeit folgt sie ihm auf sein heimatliches Gestüt nach Südfrankreich. Aurelia bemerkt immer mehr, dass Raoul sie aus Berechnung geheiratet hat. Als Raoul ihren edlen Zuchthengst Djamal verkaufen will, flüchtet sie. Der tunesische Stallbursche Tarek hilft ihr dabei. Die Reise führt, über Algerien und Tunesien, nach Alexandria. Dort warten weitere Abenteuer auf die junge Frau und die Liebe ihres Lebens. Wieder zurück auf dem heimatlichen Gestüt schmieden Aurelia und ihr neuer Gefährte neue Pläne, immer in der Angst vor Rache. Für alle Pferde- und Abenteuerfreunde ist dieser spannende Roman ein absolutes Muss. Dieses Buch beinhaltet Band 1,2 und 3 der Aurelia-Reihe.

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Inhaltsverzeichnis

Die schöne Laura

Hoher Besuch

Kind der Sünde

Der Brief

Gestüt Dorner Hof

Raoul de Toussant

Sarlat-de-Canéda

Die Botschaft

Die weiße Stadt

Wüstenschiffe

Unter Feinden

Die Begegnung

Sturmwind

Baden-Baden

Der kleine Hengst

Rennstall Gerber

Ein strammes Baby

Alexander der Kleine

Neue Pläne

Die Rennbahn

Joaquin

Oliv mit orangefarbenen Sternen

Asyl

Reifeprüfung

Schloss Chantilly

Das Unglück

Paris-Auteuil

Paris-Saint-Cloud

Raoul de Toussant

Ein Ehrenmann

Winterzeit

Kati und Joaquin

Hochzeit im Schnee

Neuankömmling

Neue Pläne

Rotschopf Willi

Hoppodrom Paris

Starlight

Das erste Rennen

Liebe auf den ersten Blick

Ein Geheimnis

Baby Jacqueline

Baden-Baden

Joaquins Heimkehr

Eine neue Ära

Katis Aufbruch

Bittere Wahrheit

Die schöne Laura

In dieser wunderschönen Silvesternacht funkelten die Sterne am klaren Himmel, als hätte man sie für diesen Anlass poliert und auf schwarzen Samt gebettet.

Die Glocken im Klosterturm läuteten bereits das neue Jahr 1813 ein. Man lebte in unruhigen Zeiten, denn Napoleon hatte 1812 bereits die erste Niederlage im Russlandfeldzug erlitten und Deutschland war gerade dabei Allianzen gegen Frankreich zu schließen. Trotzdem feierten und tanzten die Menschen ausgelassen in den Straßen des kleinen Dörfchens im Süden Deutschlands, vielleicht weil sie wussten, dass jeder Tag der Letzte ihres Lebens sein konnte.

Oben am Fenster der kargen Klosterzelle stand ein junges Mädchen und starrte unglücklich auf das bunte Treiben, welches sich unterhalb des Hügels abspielte. Sie hatte andere Sorgen in dieser Nacht.

Das Kloster, welches erhaben über dem kleinen Dörfchen Sießen thronte, gehörte zum Orden der Dominikanerinnen. Es hatte eine bewegte Vergangenheit hinter sich, denn bereits im Jahr 1260 hatte Ritter Steinmar von Sießen-Strahlegg den Dominikanerinnen seinen Hof in „Suessen“ – so hieß das kleine Örtchen damals – geschenkt. Später – im Jahr 1386 – baute man die Wendelinuskapelle neben dem Gehöft. Leider wurde es dann 1632 von den Schweden niedergebrannt und erst zwischen 1716 bis 1729 von dem Vorarlberger Baumeister „Franz Beer von der Au“ im Barockstil wieder aufgebaut. So hatte das Kloster einiges hinter sich und sicher auch noch eine bewegte Zukunft vor sich, denn die einfachen Menschen waren war von den Launen seines jeweiligen Herrschers abhängig.

Die achtzehnjährige Laura war vor Kurzem von zu Hause weggelaufen und hatte in ihrer Not dieses Kloster angesteuert. Wo sollte eine alleinstehende Frau auch Rückhalt und Unterkunft finden, wenn nicht bei den wohlgesonnenen Nonnen, die auch mit der Heilkunst vertraut waren.

Wie wohl ihr Vater Georg von Dorner ihr Verschwinden aufgenommen hatte? Sie war furchtbar traurig, dass sie es nicht übers Herz gebracht hatte, ihrem Vater alles zu erzählen. Aber es schien ihr in ihrer Situation das Beste zu sein, wenn er zunächst nichts davon erfahren würde. Ihr Vater war ein sehr angesehener Mann und sie wollte ihm nicht zumuten, dass er ins Gerede kam. Sie war seine einzige Tochter und Sie wollte keine Schande über ihre Familie bringen. Außerdem schämte sie sich so sehr und deshalb hatte sie sich zu diesem drastischen Schritt entschlossen. Lieber sollte er denken sie sei weggelaufen oder sogar tot. Laura redete sich ein, dass er damit wohl besser abschließen könnte.

Ein fremder Mann hatte ihr Gewalt angetan und nun trug sie dessen Kind unter dem Herzen. Das Kind konnte nichts dafür. Sie liebte dieses kleine ungeborene Wesen, welches in ihr heranwuchs, bereits. Aber die Umstände und die Situation, in welcher es gezeugt worden war, war einfach erniedrigend und traumatisch für sie gewesen und als unverheiratete Frau wäre es schwierig. Sie wäre dem Gespött der Leute hilflos ausgeliefert gewesen und ihr Vater auch. Dies wollte sie ihm auf keinen Fall zumuten.

Laura stammte aus einer sehr angesehenen Familie. Ihr Vater – Georg von Dorner – hatte sein Pferdegestüt, den Dorner Hof, bereits von seinem Vater übernommen. Dieser züchtete damals noch schwere, große Schlachtrösser für den König und seine Ritter. Im Krieg wurde immer Pferdenachschub benötigt und so war dies ein recht einträgliches Geschäft gewesen. Doch dann hatte Georg – auf seinen Reisen in den Orient - seine Liebe zu den Araberpferden entdeckt. Er war überwältigt von diesen wunderschönen und ausdrucksstarken Vollblütern und ihrer Ausdauer. Deshalb war sein Gestüt das erste seiner Art hier im Süden Deutschlands, welches sich auf Araberpferde spezialisiert hatte. Er hatte inzwischen eine eigene Blutlinie aufgebaut. Auch der jetzige König Friedrich August I. benötigte ständig Pferdenachschub. Georg erzielte sehr gute Preise und war inzwischen sehr wohlhabend geworden. Da die Ritter inzwischen leichtere Rüstungen trugen, konnte er den König und seine Einkäufer davon überzeugen, dass seine wendigen Vollblüter wesentliche Vorteile boten, auch in einer Schlacht.

Die Araberpferde waren zwar kleiner, aber unglaublich ausdauernd, zäh, schnell und wendig. Dies brachte in einer Schlacht oft entscheidende Vorteile. Außerdem waren sie vielseitiger im Gebrauch. Sie konnten nicht nur im Krieg sondern auch als Kutschpferde oder als Reitpferde eingesetzt werden. Erst neulich war der deutsche Züchter wieder aus Ägypten zurückgekehrt und hatte einige schöne Tiere mitgebracht.

Georg war selbst erstaunt über die Ausdauer und Kraft dieser kleinen Pferde. Auch unter widrigsten klimatischen Bedingungen waren die Araberpferde die besten der Erde. Das jedenfalls war seine ureigene Meinung. Dieses Mal war es ihm gelungen drei wunderschöne weiße Stuten aus den ältesten und reinsten Stammlinien mitzubringen. Solche Verhandlungen waren jedes Mal ein sehr abenteuerliches Unterfangen und erforderten große Diplomatie und viele Goldstücke. Dies machte die Reise nicht ungefährlicher und er war schon einige Male überfallen worden auf seinen Reisen. Doch er war nie schwer verletzt worden und hatte seither immer eine Schar gut ausgebildeter Söldner dabei, die er vor jeder Reise sorgfältig auswählte.

Eine Legende besagt, dass alle Araberpferde, man nennt sie auch die „Trinker der Lüfte“ von den sieben Stuten des Propheten Mohammed abstammen. Dies stimmt so zwar nicht ganz, doch war Mohammed zu seiner Zeit bereits einer der ersten großen Araberpferdezüchter.

Laura war auf diesem Gestüt aufgewachsen. Einem wunderschönen Fleckchen Erde im sonnigen Süddeutschland, in der Nähe von Überlingen am Bodensee. Eine breite Kastanienallee führte an weitläufigen Pferdeweiden vorbei, welche an drei große Stallgebäude angrenzten. Die Stallgebäude waren wie ein U, rund um einen großen Innenhof angebaut. Die Allee ging in einen breit gekiesten Weg über, der bis zum Gutshaus hinaufführte, welches etwas am Hang lag. Vor dort hatte man einen wunderschönen Blick auf den Bodensee, der bei schönem Wetter, glitzernd da lag und das Herz erfreute. Das Gutshaus wirkte nicht sehr groß und strahlte sofort eine Art heimeliges Willkommen aus. Vielleicht weil es ein Holzhaus war, gebaut aus behauenen Rundstämmen. Es fügte sich vollkommen in seine grüne Umgebung ein. Die einzigen Farbtupfer waren die vielen orangefarbenen Kletterrosen, die von Juni bis November ihre Blütenpracht über die Fassade des Hauses ergossen und die grün gestrichenen Fensterläden. Vor dem Haus stand eine kleine, ebenfalls im gleichen Farbton grün gestrichene Bank, auf der man einen wunderschönen Blick über die gesamte Anlage hatte.

Da sie auf einem Gestüt aufgewachsen war, konnte Laura natürlich auch perfekt reiten. Sie war schon mit drei Jahren auf ein kleines Pony gehoben worden und saß wie angewachsen im Sattel. Ihr Vater Georg war so stolz auf sie gewesen und hatte ihr dies auch immer wieder gesagt. Als sie zehn Jahre alt gewesen war starb ihre Mutter durch einen Reitunfall und das Mädchen war der einzige Lichtblick in Georgs Trauerzeit gewesen. Damals hatte er sich nur aufgerappelt, um weiterzuleben, weil er seiner Tochter gegenüber so ein großes Pflichtgefühl hatte und er sie fast schon abgöttisch liebte. Sie war sein Sonnenschein, den er ständig überbehütet hatte und nun war sie einfach weggelaufen und hatte ihn mit seinem Kummer allein gelassen.

Schwere Schuldgefühle plagten sie und sie durfte gar nicht darüber nachdenken, was sie ihm wohl mit ihrem Verschwinden antat. Laura seufzte und dachte an den verhängnisvollen Tag, der Schuld an ihrer jetzigen Misere war.

Es war damals ein wunderschöner, frühsommerlicher Apriltag gewesen. Die Sonne schien schon warm, gelbe Löwenzahnköpfchen sprossen zwischen dem grünen Gras, welches nun schnell wuchs und das sanfte, hügelige Gelände des Gestüts mit gelben Blüten durchzog. Die Pferde durften nun schon stundenweise hinaus auf die Koppeln und es war ein sanftes und friedliches Bild das sich ihr bot. Man spürte mit jedem Atemzug wie sich die Kraft der Natur wieder voll entfaltete, ein ewiger Kreislauf des Lebens.

Auch damals hatte Laura an einem Fenster gestanden, hatte auf das erwachende Leben draußen geblickt und sich unbändig auf den Empfang gefreut, den ihr Vater am Abend geben wollte. Hier in der trostlosen Provinz gab es selten Festivitäten, deshalb freute sich Laura ganz besonders darauf. Natürlich war noch viel vorzubereiten, aber dafür hatten sie genügend zuverlässiges Personal und so blieb ihr nur noch die schwere Frage nach dem passenden Kleid, dem passenden Schmuck und ihrer Frisur. Es lagen schon einige Kombinationen auf dem Bett, aber noch konnte sie sich nicht entscheiden. Zum wiederholten Mal nahm Laura das grüne Seidenkleid und hielt es vor sich hin. Sie entschied sich dafür dieses wunderschöne Kleid zu tragen, denn es passte wundervoll zu ihren grünen Augen. Dazu die passenden schönen Schuhe die ihr Vater ihr aus Mailand mitgebracht hatte und das edle Smaragdcollier ihrer verstorbenen Mutter.

Heute Abend erwartete man einen Abgesandten des spanischen Königs Ferdinand des VII., welcher selbst Besitzer von unzähligen wunderschönen Pferden war. Er hatte vom Zuchterfolg Georgs gehört und wollte einige Tiere für seine Zuchtlinie erwerben. Deshalb musste heute Abend alles perfekt sein, denn generell wurde an einem Königshof viel geredet und nur gute Mundpropaganda brachte neue Kunden mit sich.

Aufgrund des hohen Besuches, der nun bald eintreffen sollte, war Georg selbst sehr aufgeregt und eilte höchstpersönlich durch seine Stallungen, um nach dem Rechten zu sehen. Er kontrollierte ob die Ställe gemistet, die Pferde gestriegelt und deren Fell auf Hochglanz gebracht worden war.

Die Sättel, Schabracken und Zaumzeuge wurden eingefettet und poliert und glänzten in der Sonne und sahen aus wie neu. Genauso wie die jungen Stallburschen, welche in ganz neuen grünen Uniformen steckten.

Als er mit der Inspektion der Stallungen und seines Personals zufrieden war, ging Georg den breiten, gekiesten Weg zum Haus hinauf. Obwohl es ein recht einfaches Blockhaus war, so hatte es doch ein paar bauliche Besonderheiten. Georgs Frau Anna war sehr kreativ gewesen und hatte auf vier runde Erker bestanden. Sie sahen aus, wie kleine Türmchen und je eines blickte nach Osten, Süden, Westen und Norden. Die Fenster der Türmchen waren mit orientalischen Rundbögen versehen und wurden von schönen Holzverzierungen geschmückt. Die doppelflügelige Eingangstür war mit geschnitzten Reiterszenen verziert und wurde umrahmt von zwei hölzerne Rundsäulen, bepflanzt mit wunderschönen orangefarbenen Kletterrosen, die allerdings jetzt im Frühling noch nicht in ihrer vollen Blüte standen. Nur vereinzelt bildeten sich schon die ersten Knospen. Alles wirkte sehr gepflegt und gemütlich.

„Maria“ rief Georg und eilte in die riesige Küche mit dem großen Herd. An der Wand hingen Kupferpfannen und Töpfe, die wie neu glänzten. Das Zimmermädchen Sara hatte beim Polieren helfen müssen. Im großen Regal standen unzählige Tassen, Teller und Krüge. Man sah, dass die ehemalige Hausherrin Rosen geliebt hatte, denn auch auf den Tongefäßen waren überall Rosenmotive aufgemalt.

Als er zurück ins geräumige Esszimmer kam, bewunderte er die hübsche Blumendekoration aus allerlei Wiesenblumen, die mit duftenden Kräutern gemischt waren und trotz ihrer Einfachheit entzückend wirkten und rochen. Maria hatte sich wirklich bemüht eine gemütliche Atmosphäre zu schaffen. Er war froh, dass sie nach dem Tod seiner Frau bei ihm geblieben war.

„Hast Du Sara die besten und hellsten Gästezimmer fertig machen lassen Maria? Dieser Abend ist enorm wichtig für mich und es darf nicht der kleinste Fehler passieren. Don Carlos hat weitreichende Kontakte ins Königshaus und kann somit weitere Kunden vermitteln.“

„Keine Angst Herr von Dorner. Lassen Sie mich nur machen. Am besten gehen Sie hinaus und genießen den schönen Frühlingstag. Hier habe ich alles unter Kontrolle,“ meinte Maria belustigt. Sie hatten nun schon so oft hohe Gäste bewirtet. Doch jedes Mal benahm sich der Hausherr wie ein nervöses Huhn, das sein Nest nicht mehr findet. Dabei hatte bisher immer alles reibungslos funktioniert und es hatte nie Klagen gegeben.

Georg, der inzwischen begriffen hatte, dass er nur störte, setzte sich seinen Hut auf und ging nach draußen. Vor der Tür sog er die frische Frühlingsluft ein und blickte über seinen weitläufigen Besitz.

An welch schönem Ort er doch wohnen durfte. Das war ihm schon immer bewusst gewesen.

Unterhalb des Wohnhauses lagen die Stallungen und im großzügigen Innenhof standen einige Pferde, die gerade von den Stallburschen gestriegelt wurden. Von jedem Stallkomplex ging ein doppelflügeliges, großes Tor nach draußen in diesen Hof und es herrschte tagsüber ein reges Treiben. Dort wurden die Tiere geputzt und anschließend ging es an die tägliche Arbeit mit ihnen. Der große Sandplatz wurde meistens von einem oder sogar zwei Stallburschen benutzt, welche die Pferde longierten. Sie mussten täglich bewegt werden. Außerdem war es viel Arbeit ein Pferd Halfter führig zu machen und als Reit- oder Kutschpferd auszubilden. Er verkaufte selten rohe, unausgebildete Pferde, denn ein gut ausgebildetes Pferd brachte sehr viel mehr Geld.

Anton und Vinzenz, zwei seiner ältesten Mitarbeiter, waren gerade dabei die Stuten mit den noch kleinen Fohlen auf die Mutter-Kind-Weide zu bringen. Dazu legte Anton der Leitstute und ihrem Hengstfohlen das Halfter an, nahm die Stute am Führstrick und ging voraus in Richtung Weide. Ihr kleines Fohlen folgte ihr.

Vinzenz und der große deutsche Schäferhund bildeten die Nachhut und sorgten dafür, dass die anderen Stuten artig folgten. Es war jedes Mal ein großes Spektakel, wenn über zwanzig Pferde nach draußen getrieben wurden.

Die Fohlen hüpften und sprangen vor Übermut und auch den Müttern war die Freude anzusehen nach einem langen, kalten Winter endlich wieder auf die Weide zu dürfen – auch wenn es zunächst nur ein paar Stunden waren, um Koliken vorzubeugen, denn das frisch wachsende Gras war sehr eiweißhaltig und die Umstellung von Heu auf frisches Gras gelang nicht immer ohne Komplikationen. Da solch eine Kolik auch tödlich enden konnte wollte man dem natürlich vorbeugen, indem man die Pferde langsam wieder an das frische, saftige Gras gewöhnte.

Georg wollte zum Stall der Ein- bis Dreijährigen, um nochmals zu überprüfen, ob alle wirklich auf Hochglanz gebracht worden waren, denn schließlich war es hauptsächlich diese Altersgruppe der Vollblüter, die durch ihren Verkauf damit halfen, das Gestüt zu unterhalten.

Obwohl er sich in dieser Hinsicht keine sentimentalen Gefühle erlauben durfte, tat es immer doch auch ein bisschen weh, wenn eines seiner „Pferdekinder“ das Gestüt verließ. Nach dem frühen Tod seiner Frau Anna, hatte er sich sehr intensiv der Pferdezucht gewidmet und sie war wahrlich ein fast vollkommener Ersatz für ihn geworden. Er konnte sich nicht vorstellen noch einmal zu heiraten, denn er hatte seine Frau abgöttisch geliebt. Nur die Liebe zu seinen Pferden war damit vergleichbar. Manchmal schlief er sogar in einer Pferdebox bei einer niederkommenden Stute, um ihrem Fohlen auf die Welt zu helfen. Die Liebe zu den edlen Tieren teilte seine Tochter Laura mit ihm und er war froh, dass er seine Tochter hatte. Er liebte sie sehr und wollte seinen Besitz für sie erhalten. Dies war sein größter Wunsch und trieb ihn tagtäglich an.

Inzwischen war Georg bei den Junghengsten angekommen. Wie immer war er überwältigt von der Schönheit dieser speziellen Pferderasse. Sie schienen vor Kraft und Vitalität zu strotzen. Er ging auf die Box seines Lieblingsnachwuchses zu. Ein vielversprechender dreijähriger Schimmelhengst namens Estawan Ibn Al Rashid. Was würde dieser Hengst einmal für Nachkommen zeugen. Er war einfach perfekt und wunderschön. Für kein Geld der Welt würde er diesen Hengst verkaufen, denn so ein Ausnahmepferd kam nur alle paar Jahre auf die Welt.

Zufrieden betrachtete er Karim bei seiner Arbeit. Er hatte Karim vor ein paar Jahren aus Ägypten mitgebracht. Der junge Mann hatte eine besonders einfühlsame Art mit Pferden umzugehen. Er war niemals gewalttätig, sondern behandelte die Tiere immer vorsichtig und mit Geduld, aber nie unterwürfig. Er strahlte den Tieren gegenüber eine natürliche Dominanz aus und sie deshalb respektierten ihn. Dies war Georg sehr wichtig, um sie an den Sattel und ihren zukünftigen Reiter zu gewöhnen. Georg hielt nichts davon die Tiere zu „brechen“ so wie viele andere Züchter es taten. Allerdings stand er mit dieser Meinung allein da.

Karim war gerade dabei Estawan sein Halfter anzulegen und klickte danach den Führstrick in den dafür vorgesehenen Ring ein. Er führte den Schimmelhengst hinaus auf den Sandplatz, um ihn an der Longe zu arbeiten. Als der junge Mann mit der Zunge schnalzte, fiel der Araberhengst sofort in die nächste Gangart, einen weichen Trab.

Georg war begeistert. Es war einfach faszinierend, wie diese Pferde ihre edle Abstammung zur Schau trugen. Der Schimmelhengst fiel nun in einen langsamen Galopp. Den Schweif stolz erhoben wie eine wehende Fahne, den Hals zur Brust gebeugt, den kleinen wunderschönen Kopf mit den glänzend schwarzen großen, lang bewimperten Augen hochmütig umherblickend, galoppierte der Junghengst fast, ohne dass man merkte, dass seine Hufe den Boden berührten. Als ob er schweben würde. Ein zierliches Muskelpaket mit faszinierender Grazie.

Er würde bald überlegen müssen, mit welchen Stuten er diesen wundervollen Hengst verpaaren sollte, um ein entsprechendes Zuchtergebnis zu erhalten.

Georg schlenderte weiter zu den Althengste und - stuten. Die meisten erhielten hier ihr Gnadenbrot und bald würden auch sie den Frühling, Sommer und Herbst auf der Weide verbringen, um die letzten Jahre ihres Lebens zu genießen. Das hatten sie sich verdient, denn sie hatten ihren Beitrag zum Erhalt des Gestüts geleistet, indem sie vielen großartigen Nachkommen zur Welt gebracht hatten.

Er wünschte, seine Frau wäre bei ihm und könnte diesen Tag an seiner Seite verbringen. Er hatte lediglich einmal einem Pferd das Leben genommen, nämlich dem Pferd seiner Frau, das den tödlichen Sturz verursacht hatte. Er wollte es nicht mehr in seinem Stall haben, denn es hätte ihn nur ständig an das Unglück erinnert.

Er war heute furchtbar sentimental, schalt er sich in Gedanken selbst. Die Stimme seiner Tochter Laura schreckte ihn auf. „Papa, wo bist Du denn die ganze Zeit? Meinst Du das grüne Kleid ist das Richtige für heute Abend? Irgendwie kann ich mich nicht entscheiden.“

Georg lachte. „Hallo mein Schatz, das überlasse ich allein Dir. Du siehst in allen Kleidern wunderschön aus.“ Er nahm ihre beiden Hände in seine und schaute sie an. „Du siehst Deiner Mutter so ähnlich. Sie wäre sehr stolz Dich so zu sehen.“

Laura hatte ein feines Gesichtchen mit wunderschönen, smaragdgrünen Augen und vollen, fast schon herzförmigen Lippen. Ihre rotblonden Haare hatte sie hochgesteckt und man konnte ihre kleinen, süßen Ohren erkennen, an denen bereits die Smaragdohrringe ihrer verstorbenen Mutter baumelten. Georg redete weiter. „Ich verspreche mir sehr viel von diesem Besuch. Schließlich haben wir in den letzten Jahren wundervolle Tiere herangezogen. Da ist sicher auch für den spanischen König etwas dabei.“ Laura hakte sich bei ihrem Vater unter und gemeinsam gingen sie ins Haus.

Maria, das alte Mädchen, wuselte derweilen immer noch durchs Haus und herrschte mit einem unnachgiebigen Kommando das das Zimmermädchen Sara an. Nichts schien ihr gut genug zu sein. Georg war froh, dass sie all die Jahre, die Laura ohne ihre Mutter hatte aufwachsen müssen, bei ihm geblieben war. Was hätte er nur ohne seine Köchin Maria angefangen.

Georg kam sich mit seinen zweiundfünfzig Jahren sowieso zu alt vor, um nochmals auf Freiersfüßen zu wandeln. Dies würde er Laura überlassen und sich auf seine Enkelkinder freuen. Schließlich war das Mädchen schon achtzehn Jahre alt und es wurde so langsam Zeit für sie einen passenden Mann zu finden. Er hatte da auch schon Jemanden ins Auge gefasst. Ludwig war ein hübscher Bursche von einem der benachbarten Höfe. Sein Vater und er kamen gut miteinander zurecht, man half sich aus und die Familie war ebenfalls etwas wohlhabend. Außerdem verstand Ludwig auch etwas von Pferden und könnte somit mit Laura zusammen sein Lebenswerk – dem er so viele Jahre gewidmet hatte - fortführen. Er würde diesen jungen Mann demnächst einmal zum Abendessen einladen und ihm Laura vorstellen in der Hoffnung, dass sich zarte Bande entwickeln würden. Er seufzte wehmütig. Wie schnell die Zeit doch verging. Um sich die Zeit zu vertreiben, setzte er sich ins Kaminzimmer, sein ureigenes Refugium und vertiefte sich in die Süddeutsche Zeitung. Diesen Luxus gönnte er sich so oft es ging. Vinzenz musste sowieso immer ins nahegelegene Überlingen reiten und frische Lebensmittel einkaufen, also schickte er ihn immer die neueste Wochenzeitung mitzubringen, um über die Vorkommnisse im Land Bescheid zu wissen. Das konnte nie schaden.

Allmählich beruhigte sich das hektische Treiben und langsam kehrte Ruhe auf dem Hof ein. Man wartete nun gespannt auf die Ankunft der Gäste. Alles war vorbereitet.

Hoher Besuch

Es war bereits später Nachmittag, als eine sechsspännige, geschlossene Kutsche, geziert mit einem Wappen, die Breite von gerade wunderschön blühenden Kastanienbäumen gesäumte Allee, heraufgefahren kam und vor dem Haus hielt. Georg, der wartend auf der Bank vor dem Haus gesessen hatte, eilte seine Gästen sofort entgegen, um sie zu begrüßen.

„Herzlich Willkommen auf Gestüt Dorner Hof, meine Herren, meine Dame.“ Georg verbeugte sich und zog seinen Hut. Er reichte der älteren Dame die Hand und half ihr galant beim Aussteigen.

Der Abgesandte des Königs stellte sich als dessen jüngerer Bruder Don Carlos de Fernandez vor. Er lebte ebenfalls am königlichen Hof in Madrid und fungierte als Einkäufer des Königs oder wurde mit anderen wichtigen Geschäften beauftragt.

König Ferdinand VII. war erst 1813 wieder zum König gekrönt worden, nachdem er einige Jahre als Napoleons Gefangener, zusammen mit seinem Bruder Don Carlos, im Exil im Talleyranschen Schloß Valencay in Frankreich gelebt hatte. Als Zweitgeborener hatte Don Carlos allerdings seinem Bruder und Herrscher zu dienen und war, unter anderem, für den reibungslosen Ablauf im Zuchtbetrieb des Königs zuständig sowie für den Einkauf von Zuchtmaterial. Bei der Pferdezucht war es wichtig, immer wieder neue Blutlinien einzukreuzen, um leistungsstarke und gesunde Pferde zu erhalten.

„Es ist mir ein Vergnügen endlich ihre Bekanntschaft zu machen Herr von Dorner. Man erzählt sich viel über Sie in Züchterkreisen und am Hofe. Ihren Pferden eilt inzwischen ein gewisser Ruf voraus. Darf ich Ihnen meine werte Frau Donna Isabella und meinen Sohn Don Pedro vorstellen?“

Georg verbeugte sich abermals vor Donna Isabella, einer etwas herb wirkenden, schlanken, älteren Dame, die ihre besten Jahre schon hinter sich hatte. Allerdings war sie exquisit und nach der neuesten Mode gekleidet. „Sehr erfreut Donna Isabella, ich hoffe es gefällt Ihnen in unserem Haus. Wir leben hier sehr bescheiden.“

Er reichte Don Pedro die Hand und wandte sich wieder Don Carlos zu. „Sie übertreiben Don Carlos. Man tut nur sein Bestes und da ich diese Pferderasse sehr verehre, kommt es von ganzem Herzen, was ich tue. Diese edlen Pferde machen es einem nämlich sehr leicht sie zu lieben. Aber nun gehen wir besser ins Haus. Meine Tochter Laura möchte Sie ebenfalls gerne kennenlernen.

Im Haus wartete Laura bereits gespannt auf die fremdländischen Gäste. Als die kleine Gruppe nacheinander durch die Tür trat, knickste sie artig. „Herzlich Willkommen bei uns. Wir werden versuchen ihren Aufenthalt hier so angenehm wie möglich zu gestalten. Kommen Sie doch bitte herein. Ich bin Laura, die Tochter des Hauses von Dorner.“ Sie schüttelte die Hände der Gäste. Die sich ihr ebenfalls vorstellten.

Laura nahm die Umhänge der Gäste entgegen und gab sie an Maria weiter, die leise dazu getreten war. Zu der Dame gewandt sagte Laura: „Wenn Sie bitte mit mir kommen möchten Donna Isabella, dann zeige ich Ihnen ihre Räumlichkeiten. Dort können sie sich erfrischen und etwas ausruhen von der langen Reise.“

Donna Isabella de Fernandez hob ihren weiten Rock etwas an und schritt hinter Laura die geschwungene Treppe hinauf. Als sie ihr Zimmer sah brach sie in Entzücken aus. „Oh welch himmlisches Interieur. Das hätte ich gar nicht erwartet als ich dieses einfache Holzhaus sah. Diese hübschen Vorhänge und das schöne Himmelbett mit den verzierten Stangen. Einfach traumhaft. So einfach gestaltet und doch so entzückend. Am spanischen Hof ist alles sehr formell und luxuriös, deshalb genieße ich solche Reisen immer ganz besonders, weil man der noblen Etikette etwas entkommen kann.“

Laura freute sich sehr, dass Donna Isabella zufrieden war. „Dann wünsche ich einen wunderschönen Aufenthalt. Wenn Sie etwas wünschen, dann scheuen Sie bitte nicht nach Maria oder mir zu rufen. Dann lasse ich Sie jetzt erst einmal allein. Sie wollen sich sicher etwas auszuruhen. Um acht Uhr gibt es dann Abendessen im Speisezimmer. Maria wird sie abholen.“ Das Mädchen zog die Tür hinter sich zu und war froh, der Gastgeberrolle erst einmal entschlüpft zu sein.

Als sie jedoch die Treppe herunterkam rief ihr Vater bereits nach ihr: „Laura, leiste uns doch ein bisschen Gesellschaft. Die Herren haben nach Dir gefragt.“

Folgsam gesellte sich das Mädchen zu den Herren ins Kaminzimmer. Diese saßen in den schweren Ledersesseln und nippten an ihren Cognacgläsern. Die beiden Edelmänner machte eine angedeutete Verbeugung als Laura eintrat. „Schön, dass sie sich zu uns gesellen,“ säuselte Don Carlos. „Mein Sohn Don Pedro ist auch ganz verrückt danach ihre Pferde zu sehen.“

Pedro nickte leicht und mustere sie mit einem intensiven, fast schon unverschämten Blick als sei sie eine seiner Zuchtstuten.

Sie fand Don Pedro sehr attraktiv, wie er so in seinem Sessel vor ihr saß. Mit seinen kinnlangen, schwarzen Haaren und den glutvollen braunen Augen, die von dichten, dunklen Wimpern gesäumt waren und sie intensiv musterten. Sein Mund war allerdings etwas gerade geraten und die Lippen wirkten alles andere als sinnlich, eher etwas hart. Vermutlich war er nicht sehr viel älter als sie selbst. Aber irgendwie hatte dieser Mann etwas aalglattes und Undurchschaubares an sich. Obwohl sie zugeben musste, dass sie bisher noch keinerlei Erfahrung mit den Herren der Schöpfung gesammelt hatte und deshalb sicher keine Expertin war. Sie war deshalb sehr erleichtert, als ihr Vater vorschlug nun hinunter zu den Stallungen zu gehen, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen.

„Für was interessieren Sie sich den besonders Don Carlos?“ fragte Georg auf dem Weg.

„Ach, ich dachte an ein paar tragende Stuten von einem ihrer Spitzenhengste. Wir hatten letztes Jahr ziemliches Pech mit den Fohlen. Viele Stuten verwarfen oder die Fohlen wurden tot geboren. Es grassierte eine Seuche unter den Tieren. Vielleicht wurde sie auch eingeschleppt von einem anderen Gestüt. Wir wissen es nicht genau. Ein herber Rückschlag für den König. Da wir in unruhigen Zeiten leben, braucht er dringend Nachschub für die Kavallerie und seine berittenen Leibwächter.

Ich habe gehört, ihre Pferde sollen besonders schnell und leistungsstark sein. Sie haben sicher davon gehört, dass Napoleon uns fast fünf Jahre im Exil hielt. Mein Bruder wurde vor kurzem zwar wieder als Regent eingesetzt, doch da er ein sehr absolutistischer König ist und die Inquisition eingeführt hat, befürchtet er natürlich ständig Aufruhr und Krieg, denn nicht Jedermann ist mit seinem Führungsstil einverstanden. Vor allem die einfachen Leute sind immer etwas aufrührerisch und da muss er ständig durchgreifen.“

Georg lief ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Er hatte schon von der Inquisition und deren grausamen Taten gehört. Doch hinsichtlich seiner Pferde genoss er das erhaltene Kompliment sichtlich. „Ja, das stimmt. Diese Vollblüter haben ja von Haus aus schon sehr vielversprechende Veranlagungen. Aber wir züchten hier nur mit den besten Tieren, um diese Leistungen noch zu verbessern. Wussten Sie, dass man Araberpferde so abrichten kann, dass sie einen im Krieg verwundeten oder gefallenen Soldaten nach Hause bringen? Das ist schon eine beachtliche Leistung.“

Sie hatten inzwischen die Stallungen der Junghengste erreicht und gingen nun von Box zu Box.

Pedro de Fernandez blieb vor der Box des Hengstes Estawan stehen und hielt den Atem an. „Was für ein wundervolles Tier Vater. Schau nur, den muss ich unbedingt haben.“

Bevor Don Carlos etwas erwidern konnte, sagte Georg: „Es tut mir leid meine Herren, aber dieses Tier steht nicht zum Verkauf. Es gehört meiner Tochter Laura und ist der Stammvater unseres zukünftigen Nachwuchses. Wir haben noch andere wundervolle Hengste zur Auswahl und natürlich viele wunderschöne, bereits tragende Stuten von Estawan. Insofern könnten sie mit seinen Blutsnachkommen weiterzüchten.“

Don Pedros Augen wurden hart, aber er schwieg. Don Carlos, dem die unwirsche Stimmung seines Sohnes nicht entgangen war, legte Pedro beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Entschuldigen Sie Herr von Dorner. Es gibt hier noch jede Menge andere wunderschöne Pferde. Bestimmt finden wir das Passende.“

Sie gingen weiter zu den Jungstutenstallungen und zu den Mutter-Kind-Weiden, auf der die Pferde zufrieden an den Grashalmen knabberten. Es war ein wundervolles und friedliches Bild, welches sich ihnen bot und Laura beruhigte sich innerlich wieder etwas, denn auch sie hatte das innerliche Aufbrausen Don Pedros bemerkt. Sie fand ihn inzwischen hochtrabend und arrogant.

„Kennen Sie die Legende von der Stute mit dem Blutmal?“ fragte Georg.

Beide Edelmänner schüttelten die Köpfe und baten Georg zu erzählen.

„In den Zelten der Beduinen erzählt man sich die folgende Geschichte einer ganz besonderen Stute.

Vor langer, langer Zeit lebte einmal in der arabischen Wüste ein Scheich der Shammar, der eine ganz besondere Araberstute besaß, mit der er in den Kampf zu reiten pflegte und der er sein Leben anvertraute. Ihr Verhältnis zueinander war ein Besonderes, geprägt von Vertrauen, Liebe und gegenseitigem Respekt. Jeder von Beiden hätte für den anderen sein Leben gegeben, ja, das Band zwischen ihnen war so stark, dass die Stute oft die Gedanken ihres Herrn zu lesen schien, indem sie genau zur richtigen Zeit das Nötige tat, wodurch er viele Kämpfe bestand, und den Neid und die Bewunderung der anderen Beduinenstämme gewann.

Die Jahre vergingen und eines Tages, in einer blutigen Schlacht wurde der Scheich schwer verwundet. Er verlor das Bewusstsein und hing über dem Hals und Nacken seiner geliebten Stute. Obwohl der Scheich ohne Besinnung war und sie sich viele Stunden entfernt von den heimatlichen Zelten befanden, brachte die Stute ihren Herrn nach Hause, indem sie ihn vorsichtig auf ihren Schultern balancierte. Sie verbrachte Tage ohne Futter und Wasser um den Scheich zu seinem Stamm zu bringen. Doch als die mutige Stute endlich erschöpft und entkräftet das Lager erreichte, war ihr Herr gestorben.

Die Angehörigen des Scheichs hoben seinen Leichnam vorsichtig von der Stute und sahen, dass das Blut des Scheichs auf der Schulter des Pferdes ein tiefrotes Mal hinterlassen hatte. Obwohl sie ihren Führer verloren hatte, war die Sippe der Beduinen der Stute aus tiefsten Herzen dankbar, denn sie hatte den Leib ihres Anführers heimgebracht. Sie wussten, wie beschwerlich der lange Weg für das tapfere Pferd gewesen war, und sorgten sich um die Stute, besonders, da sie wussten, dass sie trächtig war.

Als die Zeit des Fohlens herangekommen war, nahmen alle Beduinen großen Anteil an dem berühmten Schlachtross. Und schließlich wurde das Fohlen geboren und es war gesund, kräftig und von ungewöhnlicher Schönheit. Aber auf seiner Schulter sah man das gleiche Blutmal, das die Mutter vom Blut ihres Herrn getragen hatte. Da erkannte der ganze Stamm, dass Allah, ihr Gott der Barmherzige, diese Stute und ihre Familie für ihre Standhaftigkeit, ihre Treue und Tapferkeit belohnt hatte und das Blutmal auf der Schulter ein Zeichen seiner Gunst war.

Seit dieser Zeit sind viele hundert Jahre vergangen, aber hin und wieder gibt es unter den besten arabischen Pferden eine Stute von außerordentlicher Schönheit und hervorragendem Mut, die ein ganz besonderes Fohlen zur Welt bringt, das von Allah, dem Allmächtigen Gott, mit einem Blutmal auf der Schulter gezeichnet ist. Und die Beduinen glauben bis heute, dass es ein besonderes Zeichen der Gunst Gottes ist.“

„Welch eine wundervolle Geschichte Georg, ich darf Sie doch so nennen“, sagte Don Carlos.

„Selbstverständlich,“ erwiderte Georg lächelnd. Auch er liebte die arabischen Legenden, auch wenn sie vielleicht nicht stimmten, denn die blumigen Worte, die man im Morgenland gerne verwendete, waren vielleicht nicht immer detailgetreu übersetzt worden.

„So meine Herren, dann würde ich vorschlagen, dass wir noch einen kleinen Schnaps zu uns nehmen, um den Magen auf das hoffentlich exzellente Menü meiner Köchin Maria vorzubereiten. Sie hat sich sicherlich große Mühe gegeben und ihre Kochkünste sind wahrlich legendär. Morgen können Sie den Pferden bei der Arbeit zuschauen. Sie haben doch gewiss etwas Zeit mitgebracht, denn solch ein Kauf muss ja wohl überlegt sein.“

Während die Herren sich weiterhin ihre Geschichten erzählten und am Esstisch ihren Mirabellenschnaps zu sich nahmen, ging Laura nach oben. Sie wollte sich vor dem Essen noch frisch machen. Maria hatte ihr bereits ein heißes Bad gerichtet, in das sie sich sinken ließ.

Sie spürte dem warmen Wasser nach und die wohlige Wärme beruhigte ihre angespannten Nerven. Als ihre Haut anfing sich zu runzeln seufzte sie und stieg aus der Wanne. Sie trocknete sich sorgfältig ab, schlüpfte in frische Wäsche und zog sich vorsichtig das grüne Seidenkleid über den Kopf. Das Kleid war eng auf Taille gearbeitet und an beiden Seiten geschürt. Dadurch zeigte sich ein beeindruckendes Dekolleté. Aber Laura konnte es sich leisten. Sie war gertenschlank und hellhäutig. Ihre rotblonden Haare würde ihr das Zimmermädchen noch kunstvoll hochstecken. Ihre großen, grünen Augen waren klar und rein wie echte Smaragde. Deshalb passte auch Mutters Smaragdcollier und ihre langen Ohrringe so gut dazu. Nur die vorwitzigen Sommersprossen auf der kleinen Stupsnase störten sie manchmal etwas. Ja, sie sah wirklich hübsch aus. So konnte sie sich sehen lassen und ihr Vater würde stolz auf sie sein.

Auf dem Weg ins Speisezimmer traf sie Maria, die Donna Isabella ins Speisezimmer führte. Gemeinsam betraten sie den Raum und ein Raunen entfuhr den Herren, als sie die schönen Damen sahen, denn auch die Spanierin hatte sich kunstvoll hergerichtet.

Georg von Dorner saß bereits am Kopfende des langen massiven Eichentisches. Jetzt erhob er sich und geleitete Donna Isabella an ihren Platz, wobei er Isabella ihrem Mann gegenüber platzierte und seine Tochter Laura gegenüber von Don Pedro sitzen musste. Das hatte ihr gerade noch gefehlt, dass sie sich mit diesem Lackaffen beschäftigen musste. Aber das gehörte leider zum Geschäft.

Während ihr Vater von ihrem inneren Kampf nichts bemerkte und lebhaft mit seinen Gästen plauderte, musste Laura sich zwingen freundlich zu wirken und an der Konversation teilzunehmen. Das Hauptthema war die Pferdezucht und Georgs viele Reisen ins Morgenland und die damit verbundenen Gefahren, die Georg wegen der Vollblüter auf sich genommen hatte. Überall wo es im Orient Araberpferde gab, war er schon gewesen, um die Edelsten der Tiere zu kaufen. Aber es hatte sich wirklich gelohnt und nun war er der erfolgreichste Züchter im Land, mit guten Beziehungen zu seinem König Wilhelm dem I. der ihm seine Reisen und die Einkäufe teilweise finanziert hatte, natürlich nicht ohne Hintergedanken und Gegenleistungen. Denn Wilhelm wusste natürlich, dass er sich jederzeit die schönsten Pferde von Georg nehmen konnte. Das war der Deal.

Pedro versuchte inzwischen ungeniert Laura zu einem intensiven Blickkontakt zu nötigen. Da sie ihm direkt gegenüber saß war es fast unmöglich sich diesem zu entziehen. Was dachte sich denn dieser ungezogene Jüngling? Sie war nicht zu haben für ihn, auch wenn er am königlichen Hof lebte und vermutlich sehr reich war. Ganz bestimmt hatte er noch nie in seinem Leben selbst eine Mistgabel in der Hand gehalten.

„Sie sehen wunderschön aus Laura. Die Edelsteine und das Kleid betonen die Farbe ihrer wunderschönen Augen“ sagte Pedro. Laura war bemüht ihre Verlegenheit nicht zu zeigen, denn sie war nicht sehr geübt im Umgang mit fremden, jungen Männern. Sie lebten hier ziemlich zurückgezogen und hatten fast nur dann Besuch, wenn Kunden ihres Vaters die Pferde ansehen wollten. Trotz ihrer voraus gegangenen Reserviertheit begann sie mit dem jungen Spanier im Laufe des Abends eine lebhafte Unterhaltung zu führen. Das war vermutlich dem Wein geschuldet, den sie getrunken hatte. Sie vertrug leider gar nicht viel, wie sie einmal wieder bemerken musste.

Auch wenn von diesem Mann etwas Kühles ausging, so hatte er doch sehr viel Charme und ein sehr elegantes Benehmen, das ihr imponierte. Dies trugen hier auf dem Lande kaum Männer zur Schau. Hier gab es viele Bauern, die nicht gerade die besten Manieren in die Wiege gelegt bekommen hatten und eben eher aus einfachen, bescheidenen Verhältnissen kamen. Sie hatten nie gelernt, wie man vornehm wirkte, indem man den kleinen Finger abspreizte, wenn man zur Gabel griff. Wobei die junge Frau das lächerlich fand.

Irgendwann kam Pedro auf ihren Hengst Estawan zu sprechen. „Stimmt es verehrteste Laura, dass dieser wunderschöne Hengst Ihnen gehört?“

Laura hob den Kopf und schaute Pedro in die Augen. „Ja, das ist richtig. Dieser Hengst ist wohl das schönste Pferd hier und es ist für uns sehr kostbar. Wir haben große Ansprüche an die von uns gezüchteten Pferde und deshalb verwenden wir nur die besten Tiere mit den allerbesten Erbanlagen. Als Top Vererber wird er wohl seinen Teil dazu beitragen, dass wir weiterhin erfolgreich sein werden. Da ich die zukünftige Erbin des Gestüts bin, hat mein Vater mir Estawan bereits in vertrauensvolle Hände übergeben. Es gibt aber bereits trächtige Stuten, die von ihm tragen, wie mein Vater bereits gesagt hat.“ Pedro schmeichelte weiter. „Werden Sie mir den Hengst morgen wenigstens noch einmal zeigen? Ich kann mich kaum an ihm satt sehen. Schade, dass sie ihn nicht verkaufen wollen. Wir würden jeden Preis für diesen Hengst bezahlen.“

Laura lächelte höflich. „Tut mir leid Don Pedro, aber es bleibt dabei. Estawan ist unverkäuflich. Aber wenn Sie darauf bestehen, werde ich Ihnen den Hengst morgen an der Longe zeigen. Im nächsten Jahr können Sie bereits einjährige Fohlen von ihm erwerben, oder sie entscheiden sich eben tatsächlich für eine bereits tragende Stute. Sie müssen nur noch ein bisschen Geduld haben.“ Sie bemerkte nicht, dass sein feingeschnittenes Gesicht mit den dunkelbraunen, feurig blitzenden Augen, einen brutalen und enttäuschten Ausdruck annahmen.

Nach dem Abendessen verabschiedete sich Laura bald und ging zu Bett. Fast unmittelbar glitt sie in einen tiefen Schlaf und träumte, wie sie mit ihrem weißen Hengst durch die heiße Wüste jagte.

Als Laura am nächsten Morgen erwachte, war die Sonne bereits aufgegangen und es herrschte reges Treiben in den Stallungen. Sie hörte das vertraute Hufgeklapper und beeilte sich aufzustehen. Schnell zog sie ihren rotbraunen Reitdress an und eilte die Treppe hinunter.

Unten am Tisch saß nur noch Donna Isabella beim Frühstück und teilte ihr mit, dass die Herren bereits zu den Stallungen hinuntergegangen seien.

Laura schlang ihr Frühstück schnell hinunter und eilte zur Junghengststallung, um ihren Hengst zu putzen und für das Longieren fertig zu machen. Mit kräftigen Strichen striegelte sie sein makelloses weißes Fell, legt ihm das Halfter an, nahm die Longe und führte in hinaus auf den Sandplatz. Sie ließ ihn einige Runden im Schritt gehen, um ihn aufzuwärmen und als sie sah, dass die Herren auf sie zukamen, ließ sie Estawan in einen langsamen Galopp fallen. Er trug seinen edlen Kopf hoch erhoben und stellte seinen Schweif fast waagrecht nach hinten, wie eine wehende Fahne.

„So ein wundervolles Pferd. Sehen Sie sich nur dieses Muskelspiel und die geschmeidigen Bewegungen an. Georg, ich biete Ihnen das fünffache seines Wertes in Gold an“ stieß Don Pedro hervor. Er wollte noch nicht aufgeben.

„Tut mir sehr leid Don Pedro. Ich habe ihnen und ihrem Vater ja gestern schon gesagt, dass das Pferd unverkäuflich ist. Absolut unverkäuflich.“ Georg drehte sich zu Pedros Vater um. „Don Carlos kommen Sie bitte? Dort hinten ist die Weide mit den tragenden Jungstuten. Ich zeige Ihnen welche von Estawan tragend sind. Vielleicht kommen einige von ihnen in Frage.“

Laura war zornig. Sie kochte innerlich förmlich. Dieser Pedro. Er dachte wohl, dass man für funkelndes Gold alles kaufen konnte. In seinen Kreisen war das vielleicht so. Aber ihr Hengst war nicht verkäuflich und würde es niemals sein. Ihn würde er niemals bekommen. Sie führte den Hengst – der kein bisschen Müdigkeit zeigte – wieder in seine Box und nahm ihm das Halfter ab. Sanft stupste der Schimmelhengst sie mit seiner weichen Nase an, als ob er sagen wollte, war das heute schon alles? „Heute habe ich leider nicht viel Zeit für Dich. Aber das werden wir nachholen,“ flüsterte ihm Laura in die gespitzten Ohren.

Da Laura den Männern für eine Weile entfliehen wollte, beschloss sie zu ihrer Lieblingsstute Taranee zu gehen. Sie legte ihr eine Trense an und sattelte sie, dann ritt sie gemächlich im Schritttempo den Hügel hinauf, am Gutshaus vorbei in Richtung Wald. Sie sog den Duft nach Fichtennadeln und frisch keimenden Blättern ein, lauschte dem Vogelgezwitscher und nach einer halben Stunde kam sie auf ihre spezielle Lichtung. Es war einer ihrer Lieblingsplätze. Hierher zog sie sich oft zurück, um nachzudenken oder einfach ein bisschen abzuschalten.

Neben dem Weg lagen ein paar umgestürzte Baumstämme. Sie stieg ab, band Taranee an einen Ast und setzte sich auf einen der Baumstämme. Das Leben ist doch so schön. Und es wäre noch schöner, wenn es keine solch selbstgefälligen, oberflächlichen Menschen geben würde, wie diesen Pedro die dachten, sie könnten alles kaufen. Aber sie musste höflich bleiben und ihre Gefühle für sich behalten, denn schließlich waren es gute Kunden mit weitreichenden Kontakten. Also immer freundlich bleiben.

Nach einer Weile stieg sie wieder auf und ritt in einem scharfen Galopp in Richtung des Gestüts. Die letzten paar hundert Meter ließ sie die Stute im Schritt gehen damit sie etwas abkühlen konnte. Das hatte ihr gutgetan. Lauras Zorn war komplett verraucht.

Don Pedro sah sie erst wieder beim Abendessen. Es schien ihm leid zu tun. „Ich wollte Sie heute Vormittag nicht kränken. Aber dieser Hengst ist absolut das Schönste – außer Ihnen natürlich – was ich bisher gesehen habe. Es macht mich fast verrückt, ihn nicht zu bekommen. Das bin ich nämlich nicht gewohnt. Würden Sie mir die Ehre erweisen morgen mit mir auszureiten bevor wir abreisen? Wir haben uns für fünf wunderschöne Stuten entschieden und sind schon gespannt auf die Fohlen, die sie auf die Welt bringen werden. Das ist immer eine besondere Vorfreude.“

Ihr Instinkt sagte Laura zwar, dass sie das nicht tun sollte, aber sie wollte nicht unhöflich sein und die Herrschaften würden am Tag danach sowieso wieder abreisen. Dann würde wieder Ruhe auf dem Gestüt einkehren und Georg würde sich freuen, so gute Geschäfte gemacht zu haben. Sie konnte ihren Vater nicht enttäuschen, indem sie sich unhöflich verhielt.

„Also gut. Kommen Sie nach dem Frühstück zu den Stutenstallungen. Ich werde Ihnen Kaya vorbereiten lassen. Jetzt würde ich mich jedoch gerne zurückziehen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden.“ Pedro war zufrieden. Wenn er schon nicht den Hengst bekommen konnte. Sie würde er bekommen. Ob sie wollte oder nicht.

Kind der Sünde

Nach einem späten Frühstück ging Laura mit ihrem Gast zu den Stallungen hinunter. Laura zeigte Don Pedro die Box von Kaya und bat den Stallburschen Karim darum, die Stute für den jungen Mann zu satteln. Sie selbst machte sich daran Taranee zu satteln. Als die beiden Stuten bereit waren, führten sie die Pferde hinaus auf den Hof und stiegen auf.

„Kommen Sie Don Pedro, wir reiten hier entlang. Ich habe uns ein paar Brote einpacken lassen. Dort hinter dem Wäldchen ist ein kleiner See. Da können wir rasten und eine Kleinigkeit essen,“ rief Laura, die schon im flotten Trab den Hügel hinaufritt.

Pedro schloss mit seiner Stute zu ihr auf und im Schritttempo ritten sie weiter über die saftigen Wiesen und durch das kleine Wäldchen bis sie, nach etwa einer halben Stunde, einen kleinen idyllischen See sahen. Das Wasser glitzerte und spiegelte die Sonnenstrahlen wider. An drei Seiten wurde der kleine Weiher umgeben von dem tiefgrünen Mischwald, der fast direkt an das Gestütsgelände angrenzte und den darin lebenden Tieren ausreichend Schutz bot. Man konnte manchmal einen Fuchs, Wildhasen oder Rehe dort sehen. Heute rief nur ein Specht nach seiner Partnerin. Es war gerade Paarungszeit in der Tierwelt.

Laura ritt zum Ufer des Gewässers und stieg ab. Nachdem sie ihre Stute an einem Baum angebunden hatte, nahm sie eine Decke aus ihren Satteltaschen und breitete sie aus. Dann kramte sie nach den ganzen Leckereien, die sie mitgenommen hatte und stellte sie auf die Decke, bevor sie sich setzte. Sie hatte auch an eine Flasche Wein gedacht, die sie Pedro nun entgegenstreckte. Sie bat ihn, diesen zu öffnen. Der ließ sich nicht lange bitten. Insgeheim freute er sich, dass Laura Alkohol dabeihatte. Das würde die Sache sicher einfacher machen und gewisse Hemmungen auflösen. Deshalb schenkte er Laura großzügig Wein in das mitgebrachte Glas ein.

Pedro erzählte von dem eintönigen Leben am Hofe des spanischen Königs Ferdinand und wie schillernd und prunkvoll, aber auch dekadent es dort zuging. Dabei wurden seine Blicke immer fordernder. Laura wurde es unheimlich in seiner Nähe. „Kommen Sie Don Pedro, lassen Sie uns zurückreiten. Mein Vater wird mich sicher schon vermissen und mir wird es langsam kühl.“ Sie legte die Decke zusammen, drehte sich zu ihrer Stute um und belud die Packtaschen.

Plötzlich wurde sie um die Taille gefasst und herumgerissen. Pedro hielt sie fest im Griff, ein hämisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht. „Du bist so wunderschön Laura, fast so schön wie Dein Hengst. Aber den kann ich ja nicht bekommen. Doch von Dir nehme ich mir einfach, was ich will. Du selbst hast mich zu diesem wunderschönen, romantisch anmutenden Ort geführt. Hier sind wir ungestört. Niemand wird Dich hören und glauben wird Dir sowieso Niemand. Schließlich hast Du mich zu einem romantischen Téte à Téte eingeladen. Selbst an Wein hast Du gedacht. Wenn nicht um mich zu verführen.“

Laura war starr vor Entsetzen und vollkommen unfähig sich zu wehren. Sie hatte zwar insgeheim gewusst, dass er kein guter Mensch war, aber dies hatte sie nicht erwartet. Sie war viel zu unschuldig, um solche Gedanken zu hegen.

Pedros Gesicht hatte wieder diesen brutalen Ausdruck angenommen. Seine braunen Augen blickten kalt auf sie herunter. Er riss ihr die Kleider vom Leib, drückte ihr die Hand auf den Mund und betrachtete ihre Nacktheit. „Du bist wirklich wunderschön gebaut. Bin ich der Erste für Dich? Man sagt, Frauen behalten den ersten Mann in ihrem Leben immer in bleibender Erinnerung.“ Er grinste hämisch, drückte sie zu Boden und nestelte an seiner Hose herum, dann drang er brutal in sie ein. Noch nie in ihrem Leben hatte sie einen solchen Schmerz verspürt. Ihr wurde schwarz vor Augen und sie sank in eine kurze, gnädige Ohnmacht.

Als sie wieder zu sich kam hatte er bereits von ihr abgelassen. Er war gerade dabei seine Hose zuzuknöpfen und seine Kleidung wieder in Ordnung zu bringen. Als er bemerkte, dass sie ihn geradewegs anschaute, zischte er: „Versuch ja nicht mir etwas anzuhängen. Meine Eltern würden Dir eh nicht glauben. Falls Du es doch versuchen solltest, dann ist Dein Estawan ein totes Pferd und außerdem hat doch jeder bemerkt wie schmachtend Du mich angeschaut hast. Nun hast Du bekommen, was Du haben wolltest und ich auch,“ fügte er diabolisch grinsend hinzu. Lachend stieg er auf sein Pferd und ritt in gestrecktem Galopp davon.

Laura blieb noch eine Weile weinend liegen. Sie war noch immer benommen und konnte nicht wirklich begreifen, wie das hatte passieren können. Ihres Wissens hatte sie ihm nie Avancen gemacht. Sein klebriges Zeug rann an ihren Schenkeln hinunter und jede Faser ihres Körpers tat ihr weh. Sie raffte sich auf und wusch sich etwas am See. Dann richtete sie ihre Kleidung so gut es ging und legte ihren leichten Umhang um, so dass keiner die zerrissene Bluse sehen konnte. Dann ritt sie im Schritttempo nach Hause, sorgfältig darauf bedacht, dass Niemand sie in ihrem Zustand sah, denn sonst hätte sie sicher geweint und jeder hätte bemerkt was passiert war.

Zum Glück waren auch die Hausangestellten beschäftigt und sie traf keine Menschenseele in der Eingangshalle. Leise schlich sie sich in ihr Zimmer und riss sich die beschmutzten und zerrissenen Sachen vom Leib. Sie wusch sich so lange bis ihre Waschschüssel fast leer war und schrubbte so fest sie konnte. Doch immer noch fühlte sie sich innerlich und äußerlich beschmutzt und dreckig. Doch als sie in den Spiegel sah, konnte sie keinerlei Verletzungen erkennen.

„Nur gut, dass man die Seele nicht sehen kann,“ sagte sie zu sich selbst. Ihr blieben noch fast zwei Stunden bis zum Abendessen. Bis dahin musste sie sich gefangen haben und ein Lächeln aufsetzen. Sie legte sich auf ihr Himmelbett und ließ ihren Tränen freien Lauf.

Kurz vor dem Abendessen wusch sie sich nochmals sorgfältig das Gesicht und zog sich um. Sie machte sich sorgfältig zurecht und hoffte inbrünstig, dass ihr Vater nichts bemerken würde. Sie wollte die Sache nur vergessen und hoffte, dass ihr dies auch gelingen würde. Morgen würde der Besuch abreisen und Niemand würde etwas bemerken. Sie konnte doch das Leben ihres Hengstes nicht in Gefahr bringen. Schließlich war er einer der Hoffnungsträger der Zucht und die Zukunft auf, die ihr Vater baute. Und ihrem Vater wollte sie diesen Vorfall auch nicht erzählen, sie schämte sich viel zu sehr und außerdem wollte sie Aufregung vermeiden. Außerdem stand ihr Wort gegen das Pedros. Seine Eltern würden sicher zu ihrem Sohn halten. Es gab also viele Gründe zu schweigen.

Ihr Vater war sich mit Don Carlos einig geworden und ein paar hübsche Stuten und ein vielversprechender Junghengst würden für viele Goldstücke den Besitzer wechseln. Damit wäre das Überleben des Gestütes wieder für eine Weile gesichert.

Laura brachte das gemeinsame Abendessen mit Bravour und undurchdringlicher Maske hinter sich. Sie war ein bisschen stolz auf sich, dass sie so unnahbar erscheinen konnte. Ihr Vater schien nichts bemerkt zu haben und war sehr zufrieden über den Verlauf seiner Geschäfte. Den wissenden Blicken Don Pedros entgegnete Laura mit einem höflichen, unverbindlichen Lächeln und nachdem alle gespeist hatten, zog sie sich – Kopfschmerzen vortäuschend – zurück.

Als Laura am nächsten Morgen erwachte und blinzelnd die Augen öffnete, dämmerte gerade der neue Morgen herauf. Das rötliche Licht der aufgehenden Sonne hatte sich über die Möbel gelegt und Staubkörner flimmerten im Licht. Sofort wurde ihr bewusst, was Pedro ihr angetan hatte. Ihr Körper schmerzte noch mehr als gestern direkt nach der Tat, doch das würde wieder vergehen. Die seelischen Wunden würden nicht so einfach verheilen. Sie schämte sich so sehr. Vielleicht war es doch ihre Schuld gewesen und sie hatte ihm unbewusst Hoffnungen gemacht? Trotz allem musste sie irgendwie vermeiden, dass Jemand bemerkte, wie schlecht es ihr ging. Sie nahm sich zusammen und betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Äußerlich war ihr nach wie vor nichts anzusehen. Sie goss kaltes Wasser in ihre Waschschüssel und rieb sich gründlich ab, dann holte sie tief Luft und ging hinunter zum Frühstück. Nachdem der hohe Besuch sich verabschiedet hatte, ging das Leben auf dem Gestüt seinen gewohnten Gang und keiner bemerkte, dass aus dem lebensfrohen, immer zu Scherzen aufgelegten jungen Mädchen, eine stille, traurige, in sich gekehrte Frau wurde.

Als Laura nach ein paar Wochen feststellte, dass die Vergewaltigung Folgen haben würde, machte sie jeden Tag lange Ausritte und hoffte das Kind auf diese Art und Weise loszuwerden. Sie aß kaum etwas, half bei den schwersten Arbeiten und trotzdem wurde der Bauch immer runder.

Bald würde es ihr nicht mehr gelingen ihr Bäuchlein zu verstecken, da sie ja eigentlich gertenschlank war. Die Leute würden über sie und ihren Vater reden und dies galt es nun zu vermeiden. Um ihrem Vater Kummer und Schande zu ersparen war in ihr der Plan gereift weg zu gehen und das Kind heimlich zu bekommen. Danach würde man weitersehen.

Entschlossen packte sie ein paar Habseligkeiten, ihren wertvollen Schmuck und einige Goldstücke in ihren Beutel. Anschließend schrieb sie ihrem Vater einen Brief, in welchem sie alles erklärte und Georg um Verzeihung bat. Nachts als alles schlief und kein Laut zu hören war, schlich Laura leise die Treppe hinunter. Vorsichtig, um ja keine knarrenden Stufen zu erwischen, schaffte sie es aus dem Haus. Sie lief hinunter zur Westseite der Stallungen, wo die Kutschen und Kutschpferde untergebracht waren. Sie spannte eine lammfromme Stute vor einen leichten Einspänner und fuhr in die Finsternis hinaus.

Ihr Ziel war das Dominikanerinnenkloster in Sießen. Vor einiger Zeit hatte Laura einmal ein Gespräch zwischen den Dienstboten belauscht. Sie sprachen über ein Mädchen, das in Schwierigkeiten geraten war und in diesem kleinen Kloster Hilfe gefunden hatte. Sie konnte immer noch ihren kostbaren Schmuck verkaufen und den Einspänner und das Pferd. Damit konnte sie sich erst einmal einige Zeit über Wasser halten und dem Kloster eine großzügige Spende zukommen lassen, damit die Nonnen schweigen würden.

Nach einer einsamen Fahrt durch die schwarze Neumondnacht, sah sie am späten Nachmittag auf einer Anhöhe das Kloster Sießen vor sich auftauchen. Es wirkte etwas düster, fast wie eine Festung. Am liebsten wäre sie umgekehrt. Aber es gab jetzt kein Zurück mehr. Sie war in eine Notlage geraten und würde sich ihrem Schicksal fügen. Hier würde sie ihr Kind zur Welt bringen, vorausgesetzt die Nonnen waren ihr wohlgesonnen.

Nun stand sie vor den alten Klostermauern und klopfte an die schlichte, aber massive Eichentür, die sich kurz darauf knarrend öffnete. Eine alte Nonne steckte den Kopf heraus. „Guten Tag junges Fräulein, was kann ich denn für Euch tun?“

Die völlig übermüdete Laura schluchzte. „Bitte lasst mich ein. Ich erflehe Euren und Gottes barmherzigen Schutz. Es ist mir Böses widerfahren und ich bitte Euch, mir in Euren heiligen Mauern Schutz und Zuflucht zu gewähren.“

Fürsorglich nahm die alte Nonne Laura bei der Hand und führte sie durch das riesige Gebäude mit den unzähligen Gängen. „Wartet hier mein Kind, ich hole die Schwester Oberin. Sie heißt Mutter Ophelia.“

Nach einer kurzen Weile trat eine sanft und mütterlich wirkende ältere Dame ein. „Was genau kann ich für Dich tun mein liebes Kind. Braucht ihr Hilfe und in welcher Form? Was ist passiert. Mein Name ist Schwester Ophelia. Ich bin die Mutter Oberin und Verwalterin dieses Klosters.“

Für Laura war in diesem Moment alles zu viel. Sie sank in sich zusammen und erzählte Ophelia weinend von ihrem Leid. Da die Mutter Oberin eine gute und weise Frau war und bereits viele Schlechtigkeiten der Welt gesehen hatte, versprach sie dem Mädchen zu helfen. „Aber Dein Geheimnis muss erst einmal unter uns bleiben und darf die Klostermauern nicht verlassen. Du bist einfach eine neue Novizin und unter den weiten Nonnengewändern kannst Du Deine Last verbergen.“

Glücklich über diese Fügung küsste Laura dankbar Mutter Ophelias Hand. Diese entzog sich ihr und lächelte bescheiden. „Ich werde alles tun, was ihr verlangt liebe Mutter Oberin,“ sagte Laura.

Eine rundliche Nonne führte die junge Frau in eine karge Zelle. Dort standen ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und eine kleine Kommode. Keinerlei schnick schnack oder Überflüssiges. Doch mit ihren persönlichen Dingen wurde die kleine Zelle gleich etwas gemütlicher werden. Aber sie hatte ja auch nicht vor auf ewig hier zu bleiben. Nur so lange bis sie Gewissheit hatte, was sie tun sollte und das Baby geboren war.

Kurze Zeit später kam eine sehr junge Frau zu ihr in die Zelle. Sie stellte sich als Cornelia vor und brachte ihr das Novizinnen Gewand. Außerdem schnitt die junge Nonne ihr die schönen langen rotblonden Locken ab. Dabei plauderte sie vom Leben im Kloster. „Es tut mir leid meine Liebe, dass ich Euch Eure schönen Haare abschneiden muss, aber ihr werdet sehen, dass das viel praktischer ist. Ihr werdet Euch hier einbringen müssen und einige Aufgaben zugewiesen bekommen. Wir haben hier sehr strenge Regeln. Aber daran werdet Ihr Euch schnell gewöhnt haben.“ Laura schaute traurig auf die langen Locken, die jetzt auf dem Boden lagen. Es schmerzte sie sehr, aber sie musste sich fügen, wenn sie hierbleiben wollte.

Als Laura endlich allein war, versank sie in ihren Gedanken. Sie hatte angefangen das ungeborene Leben, welches in ihrem Schoß heranwuchs, zu lieben. Auch wenn es ein Teil dieses grässlichen jungen Mannes war, der ihr das angetan hatte. Das Kleine konnte nichts dafür. Sie streichelte sich über den Leib, der sich immer mehr rundete. Manchmal konnte sie sogar schon die sachten Bewegungen des Kindes spüren. Seufzend legte sie sich auf ihr hartes, einfaches Bett und schlief sofort ein.

Sie hatte das Gefühl kaum geschlafen zu haben, als es an ihrer Tür klopfte. „Aufstehen Laura,“ rief eine Nonne. „Es ist Zeit für das Morgengebet. Bitte beeil Dich, Gott lässt man nicht warten. Wir treffen uns Punkt sechs Uhr in der kleinen Kapelle im Ostflügel des Klosters. Cornelia wird dich gleich abholen kommen und Dir den Weg zeigen.“

Schnell stand Laura auf und streifte sich das lange, schwarze Gewand und die dazu gehörende Haube über. Es war sehr ungewohnt und sie fühlte sich fast wie verkleidet in dem fremden Habit. Dann machte sie sich zusammen mit der jungen Cornelia auf den Weg in Richtung der kleinen Kapelle, in der das morgendliche Gebet stattfand. Als sie dort eintrafen setzten sie sich leise in die hinterste Reihe. Das junge Mädchen unterdrückte ein Gähnen und lauschte still den Worten der Mutter Oberin, denn diese hielt die Predigt.

Danach ging es in einen großen Saal, in welchem viele einfach gezimmerte Bänke und Tische standen. Cornelia führte sie zu dem ihr zugewiesenen Tisch und bedeutete ihr, sich dort zu setzen. Sie lächelte Laura an und erzählte ihr, dass die Mahlzeiten einige der wenigen Gelegenheiten waren, um sich zu unterhalten. Außer wenn man ein Schweigegelübde abgelegt hatte, dann herrschte absolute Stille.

Laura hatte ihr Frühstück fast beendet, als Ophelia zu ihr trat. „Liebe Laura, bist Du schon fertig? Ich würde Dir gerne Deinen Aufgabenbereich zeigen.“ Obwohl das Mädchen noch Hunger hatte, stand sie folgsam auf.

„Natürlich, zeigt mit bitte, was ich tun muss.“ Ophelia deutete in Richtung des Nordflügels und ging zügigen Schrittes voran.

„Du kannst Dich erst einmal in der Küche nützlich machen. Da brauchen wir immer Hilfe.“ Dort angekommen stellte Ophelia ihr Schwester Paula vor. „Schaut Schwester Paula, das ist Laura. Sie wird Dir helfen.“

Die durch ihre beachtliche Korpulenz mütterlich wirkende Paula streckte Laura ihre Hand hin und lächelte sie freundlich an. „Oh, das ist ja schön, dass ich Hilfe bekomme. Schau Laura. Du kannst hier gleich die Kartoffeln schälen für den Eintopf, den es heute zum Mittagessen gibt,“ sprachs und drückte Laura eine große irdene Schüssel mit vielen Kartoffeln und ein Messer in die Hand.

Laura hatte noch nie in ihrem Leben Kartoffeln schälen müssen, doch nach und nach ging es immer besser. Es war fast eine meditative Arbeit und sie versank in ihren Gedanken. Wie es wohl ihrem Vater zu Hause ging? Er vermisste sie sicher schrecklich. Vielleicht hätte sie sich doch nicht einfach ohne ein Wort aus dem Staub machen sollen. Doch jetzt war es erst einmal zu spät. Wenn sie mit dem Kind auf dem Arm nach Hause kam, dann würde er sie sicher nicht wegschicken. Da war sie sich sicher. So würde sie es machen. Sie stellte sich bereits das Bild vor. Sie mit ihrem Baby auf dem Arm, wie sie nach Hause fuhr, vor den Stallungen hielt und ihr Vater voller Freude auf sie zukam. Vielleicht sollte sie ihm einen Brief schreiben? Doch nach dem Kartoffel schälen, musste sie Karotten schälen, dann gab es Mittagessen und sie musste die gefüllten Teller an die Tische bringen. Danach war sie zum Unkrautjäten im Kräutergarten eingeteilt. Dann noch Abendessen und die Abendpredigt. Als sie endlich in ihre Zelle durfte, wollte sie sich nur noch hinlegen. Sie war körperliche Arbeit in diesem Ausmaß nicht gewohnt und der Rücken tat ihr weh. Sie wollte nur noch schlafen. So verschob sie den Brief gedanklich auf morgen. Aber auch am nächsten Tag kam sie nicht dazu und am übernächsten und allen weiteren Tagen auch nicht.

So verging ein Tag nach dem anderen in monotoner Eintönigkeit. Schlafen, Beten, Arbeiten, Essen. Wobei das Essen immer sehr karg und einfach gehalten wurde. Trotzdem hatte sie drei Mahlzeiten am Tag und im Grund alles, was sie vorerst brauchte. Auch die Nonnen waren alle sehr nett zu ihr. Doch außer Ophelia wusste keine von ihnen von ihrer Schwangerschaft.

Heute jedoch war ein besonderer Tag. Alle Nonnen wuselten geschäftig umher. Sämtliche Fußböden wurden geschrubbt und auf Hochglanz poliert und man hatte den Speisesaal festlich geschmückt und einige Hühner geschlachtet. Schon am Morgen zog frischer Brotgeruch durchs Kloster und das Wasser lief Laura im Mund zusammen. Bereits zum Mittagstisch sollte der Bischof eintreffen.

Endlich war es so weit. Eine zweispännige Kutsche fuhr den staubigen Weg zum Kloster hinauf. Oben angekommen erbat der Kutscher Einlass und hielt im großen Klosterhof an. Er sprang vom Kutschbock und öffnete die mit rotem Samt ausgekleidete Kutsche.

Ein rundlicher Mann mit genauso rundlichem, gutmütigem Gesicht und kleinen Äuglein stieg aus und ging auf Mutter Ophelia zu. „Meine liebe Mutter Oberin, ich freue mich sehr Euch zu sehen. Wie ist denn das werte Befinden? Wir werden ja alle leider nicht jünger.“

Ophelia ignorierte seine Frage und hauchte einen Kuss auf die ihr dargereichte Hand mit dem