SpooKI: Ins Netz gegangen - Ruth Rahlff - E-Book

SpooKI: Ins Netz gegangen E-Book

Ruth Rahlff

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Beschreibung

Jetzt schlägt's Geisterstunde!  Das war knapp! Aber zusammen mit Isabella und Lorenzo hat Robert die KI Medusa "ausschalten" können und seine Geisterfamilie ist wieder in Sicherheit. Zumindest dachte er das. Denn dann häufen sich mit einem Mal merkwürdige Vorfälle in seiner Klasse und immer führt alles zu einem mysteriösen Handyspiel namens "Reality Crash". Ob dahinter auch wieder Medusa steckt? Für Robert, Isabella und Lorenzo ist klar, dass sie der Sache auf den Grund gehen müssen. Und bald schon stellen sie fest, dass sie die KI komplett unterschätzt haben ...   "Eine spannende Abenteuerreihe voll absurder Szenen, die Gespenstergeschichte und alles rund um Künstliche Intelligenz, KI, kombiniert – darum der Titel "SpooKI". Das lockt auch lesefaule Jungs an." NDR Der zweite Band der actionreichen SpooKI-Abenteuerreihe um eine KI und jede Menge Geisterspuk: perfektes Lesefutter für Jungs und Mädchen ab 9 – mit magischem Buchumschlag, der im Dunkeln leuchtet! Alle Bände der SpooKI-Reihe: - SpooKI. Den Geist aufgeben gibt's nicht (Bd. 1) - SpooKI. Ins Netz gegangen (Bd. 2) - SpooKI. Der Spuk geht weiter (Bd. 3) - SpooKI. Ausgespielt (Bd. 4)

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Ruth Rahlff:SpooKI - Ins Netz gegangenMit Bildern von Timo Grubing

Geheimcode: Geisterstunde!

Das war knapp! Aber zusammen mit Isabella und Lorenzo hat Robert die KI Medusa "ausschalten" können und seine Geisterfamilie ist wieder in Sicherheit. Zumindest dachte er das. Denn dann häufen sich mit einem Mal merkwürdige Vorfälle in seiner Klasse und immer führt alles zu einem mysteriösen Handyspiel namens "Reality Crash". Ob dahinter auch wieder Medusa steckt? Für Robert, Isabella und Lorenzo ist klar, dass sie der Sache auf den Grund gehen müssen. Und bald schon stellen sie fest, dass sie die KI komplett unterschätzt haben …

Wohin soll es gehen?

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Viten

VOR UNGEFÄHR ZWÖLFEINHALB JAHREN

»Ophelia! Diese verfluchte Katze von gegenüber hat schon wieder Junge geworfen!«, brüllte Sir Wilmington und hämmerte mit dem Spazierstock energisch gegen die Kellerdecke.

Doch weder seine Schwiegertochter Ophelia noch sein Sohn Henry reagierten. Einzig der Hund kam angetrottet und legte einen schmuddeligen Teddy mit angekauten Ohren vor den Sarg, auf dem Sir Wilmington es sich gerade gemütlich gemacht hatte.

»Unfug, ich will jetzt nicht spielen«, knurrte er. Anscheinend interessierte sich niemand in dieser Familie dafür, dass das durchdringende Jammern dort oben ständig seinen Film unterbrach.

»Um alles muss man sich hier selbst kümmern«, schimpfte Sir Wilmington und rückte seinen Kopf auf dem Rumpf zurecht. »Hör zu, Katze, es gibt exakt zwei Möglichkeiten. Entweder du verschwindest auf der Stelle oder du wirst Teil meines Bestiariums.« Er schwebte die Kellertreppe hinauf und glitt durch die geschlossene Haustür. »Wie entscheidest du di-?« Er stockte. »Teufel noch eins, das ist ja gar keine Katze. Das ist ein … OPHELIA!«

Zwei Minuten später waren alle im Salon versammelt.

Mit zitternden Fingern berührte Henry das Weidenkörbchen. Darin lag ein Baby und blickte mit großen Augen um sich.

»Das ist unglaublich«, murmelte er. »Das ist einfach …«

»… unglaublich, ja, ja«, unterbrach ihn Sir Wilmington.

»Es ist wunderschön«, hauchte Ophelia. Sie streckte den Zeigefinger aus und strich zärtlich über die Wange des Kindes. Dann kitzelte sie die winzigen Zehen. »Seht mal, seine Füßchen.«

Henry zog einen Zettel zwischen den Kissen hervor. »Hier steht etwas.«

»Nun lies schon vor«, knurrte Sir Wilmington und wippte ungeduldig auf den Fußballen.

Henry räusperte sich und faltete das zerknitterte Papier ein wenig umständlich auseinander.

Liebe Unbekannte! Voller Verzweiflung wenden wir uns an Sie. Bitte helfen Sie uns! Wir sind gezwungen, umgehend das Land zu verlassen. Es geht um Leben und Tod. Und wäre unser geliebter Sohn Robert nicht in höchster Gefahr, wenn wir ihn mitnähmen, würden wir ihn auch niemals zurücklassen. Doch dies ist die einzige Möglichkeit, sein Leben zu schützen und darauf zu hoffen, dass er unversehrt bleibt. Wir sehen einfach keinen anderen Ausweg! Daher flehen wir Sie an: Kümmern Sie sich um unseren kleinen Robert, als wäre er Ihr eigenes Kind. Bitte! Sobald es uns möglich ist, kehren wir zurück. Wir danken Ihnen zutiefst und aus ganzem HerzenNorma und Vasco Cornetto

Henry wurde noch eine Spur blasser, als er es ohnehin schon war. Er lächelte seine Gattin zaghaft an. »Sie haben uns ihr Kind anvertraut.«

Ophelia strahlte. »Ein Baby. Für uns! Henry, nach all der Zeit werden wir doch noch Eltern.«

»Das hätte ich niemals für möglich gehalten, meine Liebste«, erwiderte Henry mit rauer Stimme und ergriff Ophelias Hand.

»Ein Menschenkind? Und ihr wollt es wirklich behalten?«, fragte Sir Wilmington entgeistert. »Wisst ihr, was das bedeutet? Die schmutzigen Windeln und dazu das Geschrei – und zwar zu jeder Tages- und Nachtzeit! Glaubt mir, ich spreche hier aus Erfahrung.« Er warf seinem Sohn einen bedeutungsvollen Blick zu. »Also, ich bin strikt …«

»Arthur!«, warnte Ophelia ihn. »Denk gut darüber nach, was du als Nächstes sagen willst.«

Sir Wilmington öffnete den Mund und wollte gerade lospoltern, da kam aus dem Inneren des Körbchens ein leises Quäken. Sein Blick traf den des Babys.

Als er wieder aufsah, schaute Ophelia ihn abwartend an. Sie hob die Augenbrauen.

Sir Wilmington seufzte. Der Kleine war ja wirklich ein ganz niedliches Kerlchen … Auch wenn er sich lieber die Zunge abgebissen hätte, als das laut zu sagen.

»Na schön, er bleibt hier.« Er richtete sich auf. »Aber ihr wisst, was das bedeutet«, fügte er streng hinzu.

Ophelia schrak zusammen. »Oh Arthur! Muss das wirklich jetzt schon sein? Er ist doch noch so klein!«

Sir Wilmington schüttelte sachte den Kopf. »Es gibt keine andere Möglichkeit, das weißt du. Nicht, wenn er bei uns überleben will.«

Ophelia nickte langsam. »Du hast recht. Es muss sofort geschehen.«

»Ausgezeichnet«, brummte Sir Wilmington zufrieden. »Henry! Flieg bitte zu meinem Schreibtisch und öffne das Geheimfach. Wir brauchen das Messer mit der Silberklinge.«

KAPITEL 1

»Warte, Robert!« Mama kam hinter mir den Flur entlanggeschwebt und dirigierte mich dann schnell in ihr Zimmer.

»Ich muss zur Schule«, protestierte ich. »Ich bin schon viel zu spät dran! Unfug hat meine Sneakers zerkaut und ich musste ewig die alten Turnschuhe suchen.«

Mein für normale Menschen unsichtbarer Irischer Wolfshund wedelte freudig mit dem Schwanz, als hätte er eine besonders überragende Leistung vollbracht. Immerhin hatte er mir eben beim Suchen geholfen.

»Du wirst schon pünktlich kommen.« Mit Schwung zog Mama ein lilafarbenes Samttuch von einer Kugel aus schwarzem, schimmerndem Stein.

Ich stöhnte innerlich. Seit Kurzem hatte Mama ein neues Hobby. Sie versuchte sich ständig an irgendwelchen nebulösen Weissagungen – was Opa, Papa und mich völlig fertigmachte. Einzige Ausnahme: mein Geistercousin Lorenzo. Im Gegensatz zu uns war er total begeistert und konnte von Mamas schrägen Prophezeiungen gar nicht genug bekommen.

»Ich weiß nicht, warum Menschen glauben, man könne aus einer simplen Glaskugel die Zukunft vorhersagen«, wunderte sich Mama.

Eben! Genau meine Meinung.

»Das einzig Wahre ist schwarzes Vulkangestein.« Liebevoll strich sie über die Kugel. »Aber das Geheimnis des Obsidians werde ich wohl mit ins Grab nehmen.«

»Das hast du bereits«, erinnerte Opa, der gerade an der offenen Tür vorbeisegelte, sie trocken.

Mama ignorierte ihn und wandte sich mir zu. »Also, was der Tag dir bringen wird …«

Ich trat von einem Fuß auf den anderen. »Mama! Ich muss jetzt wirklich los!«

»Gleich, mein Lieber, gleich.« Mama beugte sich über die schwarze Kugel und fuhr mit dem Zeigefinger über die Oberfläche. Sofort leuchtete sie hellrot auf wie glühende Kohle, in die der Wind fährt.

»Hm, hm«, machte Mama und runzelte die Stirn.

Wieder leuchtete die Kugel, diesmal aber war der Farbton eher dunkel und ähnelte geronnenem Blut.

Das war garantiert kein so gutes Zeichen.

In diesem Moment platzte Lorenzo durch die Wand herein.

»Aaah, du weissagst wieder, Tante Ophelia! Darf ich mitmachen? Bitte!!! « Sein rundes Gesicht strahlte vor Begeisterung.

»Ach, dann braucht ihr mich ja nicht mehr.« Ich griff meinen Rucksack und wandte mich zur Tür, während Lorenzo sich schon voller Vorfreude die Hände rieb.

»Nein, Lorenzo, du bist nachher dran. Raus mit dir!«

Mama scheuchte ihn energisch weg und mit einem enttäuschten PLOPP löste sich Lorenzo in Luft auf.

Mist!

Ich seufzte und stellte den Rucksack wieder ab.

Mamas blasses Gesicht leuchtete jetzt fast so intensiv wie die Kugel. »Du wirst einen wunderbaren Tag haben«, verkündete sie mir. »Meine Weissagung für ihn lautet …«

Eine Gänsehaut überlief mich und ich kniff kurz die Augen zusammen.

»Ein gleißender Lichtstrahl in einem Meer aus Verderben.« Sie strahlte mich an. »Und? Was sagst du?«

Mir verschlug es die Sprache. Das war ja noch schlimmer, als ich befürchtet hatte! Am besten ging ich direkt in mein Zimmer und verbrachte den Rest des Tages im Bett. Wobei mir auch das schon ziemlich riskant erschien.

»Freust du dich denn gar nicht?«, fragte Mama geknickt.

»Die Frage ist, worüber?« Ich versuchte mich zu beruhigen: Wann war in den letzten Tagen eine, auch nur eine einzige von Mamas Voraussagen eingetroffen? Genau. Nie.

»Hast du denn nicht zugehört? Ein Lichtstrahl!«

»In einem Meer aus Verderben? Na danke schön!« Ich suchte nach den richtigen Worten. »Müssen deine Weissagungen immer so … gruselig sein?«

»Ach, du übertreibst.« Mama warf das Tuch zurück über die Kugel, die darunter allerdings weiterglühte. Was erst recht wie ein schlechtes Omen aussah.

Ich bückte mich und griff endgültig nach meinem Rucksack. »Wir werden ja sehen. WENN wir uns nachher wiedersehen, heißt das.«

»Robert, nun sei doch ein bisschen zuversichtlicher«, rief Mama mir nach.

Ich tat, als hätte ich sie nicht gehört. Wenn ich mich jetzt nicht beeilte, würde das Meer des Verderbens bereits über mir zusammenschlagen, kaum dass ich den Fuß ins Klassenzimmer setzte.

KAPITEL 2

Zumindest in einem Punkt hatte Mama recht gehabt: Ich schaffte es tatsächlich pünktlich zur Schule und erwischte sogar noch Isabella am Eingang, ohne dass mir Damon oder seine Gefolgsleute auflauerten.

»Ich muss schnell die Daten für Medusa eingeben. Das habe ich heute Morgen nicht mehr geschafft«, erklärte ich Isabella, sobald wir uns in der Klasse auf unsere Plätze gesetzt hatten.

Isabella nickte zustimmend. »Das kriegen wir locker vor dem Klingeln hin.«

Ich holte mein Smartphone aus dem Rucksack und öffnete die App mit dem großen M. Das M stand für den Superrechner Medusa oder – vielleicht passender – für Monster. Isabella hatte die App extra für mich entwickelt. Damit konnten wir sämtliche Informationen über meine vermeintlichen Bestellungen im Internet direkt an Medusa weiterleiten.

Zuerst klickte ich die Seite des Lieferservice an, der uns unser Essen nach Hause brachte. Zumindest sollte Medusa das denken. Wenn man bei einer KI überhaupt von »denken« sprechen konnte. Denn dank Isabellas selbst geschriebenem Programm wurden zwar sämtliche Bestellungen an den Superrechner weitergeleitet, aber sie gingen nicht an die Lieferdienste raus. Wichtig war nur, dass wir Medusa weismachten, wir wären ein ganz normaler Haushalt wie jeder andere auch.

»Puh, also in den letzten Tagen hatten wir Nudeln, Fischstäbchen und drei verschiedene Tiefkühlpizzen. Was soll ich denn jetzt nehmen?«

»Noch mal Nudeln?«, fragte Isabella.

»Hm … Fällt das nicht auf, wenn wir schon wieder Nudeln bestellen?« Ich war skeptisch.

Isabella überlegte weiter. »Also, Herr Smirnow hat gestern Erbsensuppe gekocht.« Sie verzog das Gesicht. »Das hat vielleicht gestunken!«

»Erbsensuppe? Klingt aber schön normal, das nehmen wir.«

Dann gab ich über die App noch ein paar Extrainfos über unseren Energieverbrauch zu Hause ein – allesamt natürlich komplett erfunden – und drückte auf Senden.

»Erledigt. Demnächst muss ich wohl auch mal ein paar Klamotten aussuchen. Socken für Opa, eine Jogginghose für Papa und ein paar T-Shirts für Mama vielleicht.« Auch wenn sie das natürlich niemals angezogen hätten. »Deine App ist echt Gold wert.«

Isabella grinste zufrieden. »Man tut, was man kann.«

Sie war tatsächlich meine Rettung gewesen. Denn vor einigen Wochen hatte dieser seltsame Superrechner namens Medusa begonnen, meine Familie und mich zu Hause auszuspionieren. Und damit war mein schlimmster Albtraum wahr geworden.

Bisher hatte ich immer vollkommen unbehelligt inmitten meiner Geisterfamilie gelebt und es war niemandem in den Sinn gekommen, dass bei uns zu Hause etwas nicht stimmen könnte. Doch dann war wie aus dem Nichts Medusa aufgetaucht und hatte angefangen, Daten über uns zu sammeln: was wir gern aßen (nämlich nichts – jedenfalls, was den Rest meiner Familie betraf), wie hoch Opas Blutdruck war (den es natürlich nicht mehr gab, weil Opa schon seit Ewigkeiten tot war) und welchen Energieverbrauch wir hatten (bei so technikfeindlichen Eltern wie meinen war der leider auffällig gering).

Es war also nur eine Frage der Zeit gewesen, bis man auf uns aufmerksam geworden wäre und es Probleme gegeben hätte. Ich mochte mir gar nicht ausmalen, was passieren würde, wenn herauskam, dass ich ganz allein bei einer Geisterfamilie lebte.

Aber zum Glück waren Isabella, Lorenzo und ich Medusa auf die Schliche gekommen und seitdem fütterte ich sie mit ausgedachten Daten über meine Familie und mich. Und hoffte, sie uns so vom Hals zu halten.

Zufrieden legte ich das Handy beiseite.

»Loretta, gib mir mal Mathe.« Damon legte sich mit dem Oberkörper halb über den Tisch und streckte die Hand in ihre Richtung aus. Dabei sah er sie noch nicht mal an, sondern redete stumpf weiter mit Ava und Justus.

Isabella und ich tauschten einen Blick.

»Oh Mann!« Isabella verdrehte die Augen.

Dem konnte ich nur beipflichten. Damon gehörte zu den Leuten, die davon ausgingen, das komplette Universum sei ihr Revier.

Ich lehnte mich im Stuhl zurück und ließ mich nach hinten gegen die Wand kippen, um gemütlich beobachten zu können, was nun geschah. Auch wenn ich es bereits ahnte.

Wie erwartet zischte Loretta »Vergiss es!« und wandte Damon demonstrativ den Rücken zu.

Der winkte bloß träge mit der Hand. »Los, Mathe!«

Jetzt griffen Ava oder Justus gewöhnlich in ihre Rucksäcke, holten die Hausaufgaben heraus und ließen Damon alles abschreiben.

Diesmal kamen wir aber nur bis zu dem Rucksackteil. Plötzlich piepten nämlich mehrere Handys gleichzeitig, auch Isabellas und meins.

»Endlich!«, jubelte Preeti und holte ihr Smartphone aus der Tasche. »Ich dachte schon, ich bekomme es nicht.«

»Was bekommst du nicht?« Ich griff nach meinem Handy.

»Hey, was ist das denn?« Isabella schaute mit gerunzelter Stirn auf ihr Display. »Eine neue App?! Die habe ich aber gar nicht heruntergeladen.«

»Du meinst Reality Crash?« Ich blickte zu ihr hinüber und vergewisserte mich, dass auch sie das kleine, blutrote Quadrat mit dem merkwürdigen Kringel auf dem Display hatte.

»Merkwürdig! Ich auch nicht. Was ist das überhaupt?«

»Keine Ahnung«, murmelte Isabella. »Aber prinzipiell mag ich nichts auf meinen Geräten, was ich nicht selbst installiert habe.«

»Bei mir war es schon letzte Woche auf dem Handy und ich hab seitdem die ganze Zeit gespielt«, sagte Ahmed.

»Ihr habt echt was verpasst«, erklärte Ava und zupfte einen unsichtbaren Fussel von ihrem makellos gebügelten Shirt. »Ich spiele auch schon seit Freitagabend.«

Was war das denn für eine App? Neugierig berührte ich das Icon und sofort poppte ein Fenster auf. Zuerst musste man seinen Character auswählen, danach irgendwelche Waffen.

Weiter kam ich nicht, denn da piepten, summten und klingelten mit einem Mal sämtliche Smartphones um mich herum.

Jetzt öffneten auch alle anderen die App.

»Ah, es wurde ein Update installiert«, stellte Justus fest.

»Wow, das ist ja stark! Ich hab mit meinem Character das zweite Level erreicht«, rief Ahmed. »Wer seid ihr eigentlich?«

»Der Mindhacker natürlich«, prahlte Damon. »Definitiv der Coolste.«

»Komisch, wieso haben die das Spiel fast alle schon bekommen?«, fragte ich Isabella. »Und wir erst jetzt?«

»Keine Ahnung. Vielleicht wird es erst nach und nach auf allen Handys installiert?« Isabella öffnete ihre Einstellungen. Drei Sekunden später hatte sie die App gelöscht.

»Das solltest du auch schleunigst machen«, forderte sie mich mit eindringlichem Blick auf.

»Ist doch nur irgend so ein Spiel.«

»Aber eins, das wie aus dem Nichts auf unseren Handys auftaucht, ohne dass wir wissen, woher«, beharrte sie. »Gerade du solltest da besonders misstrauisch sein.«

»Wieso ich?«

Sie zog eine Augenbraue hoch.

»Halt! Denkst du etwa, Medusa steckt wieder dahinter?« Für einen kurzen Moment bekam ich Gänsehaut.

»Fällt sie dir denn nicht als Erstes ein – nach allem, was wir neulich erlebt haben?!«

Sie nahm mir das Handy aus der Hand und arbeitete sich so schnell durch die Einstellungen, dass ich ihr kaum folgen konnte.

»Hm«, machte sie, und dann: »Hm. Hm. Hm.«

»Geht das auch in Worten?«

»Ich finde auf die Schnelle nichts, das auf Medusa hinweist«, gab sie widerstrebend zu. »Vielleicht ist es auch nur so ein aufdringlicher Werbescheiß.«

»Na also.«

Sie stieß mich in die Seite. »Man kann nicht vorsichtig genug sein.« Sie reichte mir das Handy wieder.

Bevor ich dazu etwas sagen konnte, wurde die Tür zur Klasse aufgezogen und Frau Watanabe kam herein.

»Packt eure Handys weg«, sagte sie, stellte ihre Tasche aufs Pult und schaltete das Smartboard ein. »Und stellt sie vorher auf lautlos!«, fügte sie hinzu, als aus Avas Ecke eine kurze Glöckchenmelodie erklang.

»Oh, mein Character hat gerade seine zweite Mission bestanden«, flüsterte Ava beglückt.

Frau Watanabe guckte streng. Hastig warf Ava das Handy in ihren Rucksack und dann bombardierte Frau Watanabe uns mit so vielen Fragen zu den verschiedenen Membranen der Mitochondrien, dass niemand sich weiter Gedanken über die neue App machen konnte.

KAPITEL 3

»Wollen wir vielleicht in den Park?«, fragte ich nach der Schule.

»Gern! Ich hole nur eben Celeste«, antwortete Isabella. »Sie kann ein bisschen Auslauf im Grünen vertragen.«

Celeste war Isabellas Schildkröte. Sie hatte sie aus Kalifornien mitgebracht, wo Isabella vorher mit ihrer Mutter gelebt hatte.

»Prima, dann gebe ich noch Lorenzo Bescheid und nehme Unfug mit.«

Zufrieden schlenderte ich die Zwieselgasse hinauf. Von wegen »ein Meer aus Verderben« … Danach sah der Tag nun wirklich nicht aus!

Isabella, Lorenzo und ich suchten uns ein abgelegenes Plätzchen am Rand des Parks und streckten uns im Schatten einer alten Steinstatue aus. Während Unfug eifrig zwischen den Bäumen herumschnüffelte, wanderte Celeste im Zeitlupentempo durchs Gras und kaute an den Löwenzahnblättern herum, die Isabella ihr hinhielt.

»Wollt ihr wissen, wie weit ich mich aufpusten kann?«, fragte Lorenzo. Ohne eine Antwort abzuwarten, fing er an, sich aufzublähen. »Das habe ich heute früh geübt, als ihr in der Schule nutzloses Zeug eingetrichtert bekommen habt.«

»Lass sehen, Kugelfisch.« Isabella stützte das Kinn in die Hände.

»He!«, beschwerte sich Lorenzo beleidigt. »Nenn mich nicht …«

»Meinst du, du schaffst die Größe von dem Luftballon da drüben?«, lenkte ich ihn schnell ab.

Lorenzo schnaubte verächtlich. »Du machst Witze, oder? Nichts leichter als das.«

Ich grinste nur und er begann sich aufzupumpen. Schon sprangen die ersten Knöpfe von seiner Jacke und zischten als knallgrüne Funken an uns vorbei. Er blähte sich immer weiter auf und schwebte bereits knapp einen halben Meter über der Wiese.

»Gleich platzt du«, sagte Isabella und legte Celeste die Hand über die Augen. »Das soll sie nicht mitansehen müssen.«

»Unfug!«, blaffte Lorenzo.

Unfug schaute auf.

»Du bist diesmal nicht gemeint«, beruhigte ich ihn. Je mehr Lorenzo sich aufblähte, umso durchsichtiger wirkte er. Allmählich wurde es wirklich spannend. Er schien nur noch aus einer hauchdünnen Haut zu bestehen und von seinem Gesicht war kaum mehr etwas zu erkennen.

»Kannst du sprechen?«, fragte ich.

»Yep«, presste er hervor.

Wie ein Zeppelin wogte Lorenzo sachte über die Wiese. Unfug legte den Kopf in den Nacken und fing jämmerlich an zu heulen.

»Wie fühlt sich das an?«, rief Isabella.

»Geeeeht sooo.« Lorenzo schnaufte. »Jetzt wird es …« Er stieß ein gequältes Grunzen aus. »… ein bisschen anstrengend.«

Ich blickte mich um. Gut, dass niemand außer uns ihn sehen konnte. Aber der Park war sowieso leer. Da nahm ich plötzlich eine Bewegung wahr. Doch ein paar Meter entfernt von uns stand nur eine alte Steinstatue und die konnte sich ja schlecht … Ich schüttelte den Kopf und blinzelte. Wahrscheinlich eine optische Täuschung.

Etwas stupste an mein Knie. Celeste war an mich herangekrochen. Ich legte die Hand auf ihren Panzer, der von der Sonne ganz warm geworden war. Als ich wieder aufsah, schüttelte die Statue gerade ihre Finger aus.

Ähm … So viel zum Thema optische Täuschung. Aber seit wann bewegten sich Steinfiguren?

Ich stieß Isabella an. »Guck mal, da vorn. Die Statue.«

»Bestimmt einer dieser silbern angemalten Typen aus der Fußgängerzone, die immer so stocksteif herumstehen«, überlegte sie.

»Also, neulich war der definitiv noch aus Stein«, wandte ich ein.

Gespannt beobachteten wir, wie der Alte jetzt vom Sockel kletterte und mit staksigen Schritten auf uns zuwankte. Dabei streckte er die Arme nach uns aus und klapperte mit den Zähnen. Was zum Teufel sollte das?

»Ist das jemand aus deiner Familie?«, fragte Isabella neugierig.

»Natürlich nicht! Bei uns gibt es keine Zombies«, erklärte ich entrüstet.

»Robert«, wisperte da eine raue Stimme.

Ich brauchte einen Augenblick, bis ich kapierte, dass das greise Standbild mit mir sprach.

»Robert, bist du bereit?«, fragte es heiser.

Bereit? Was sollte denn der Quatsch?

Der Alte machte einen Satz – erstaunlich sportlich für eine Steinstatue, wenn man mich fragte – und landete direkt neben Unfug. Er packte ihn am Genick und Unfug jaulte auf.

»He! Lassen Sie sofort meinen Hund los!«, brüllte ich empört.

Der Alte grinste hämisch und ließ Unfug wieder fallen.

Jetzt kapierte auch Lorenzo oben in der Luft, dass irgendwas nicht stimmte.

»Alles klar?«, rief er hoch über uns.

Als wir nicht antworteten, seufzte er und schrumpfte in Sekundenschnelle wie ein angestochener Luftballon zusammen.

Endlich bemerkte er den Mann aus Stein und riss die Augen auf.

»Hey, wer bist du denn?«

Der Alte beachtete ihn gar nicht. »Robert, die Inspiritution!«

Äh, bitte was?

»Bist du bereit dafür?« Wieder hob der Typ Unfug am Nackenfell in die Luft.

»Finger weg von Unfug!« Ich stürzte mich auf den Kerl und wollte Unfug von ihm losreißen, aber gegen den eisernen – oder vielmehr steinernen – Griff dieser verrückt gewordenen Statue hatte ich keine Chance.

Unfug winselte und schnappte um sich, doch auch er konnte nichts ausrichten.

Abrupt ließ ihn der Alte erneut fallen und wandte sich wieder an mich. Bevor ich zurückweichen konnte, hatten seine knochigen Finger meinen Hals umschlossen.

»Nein!«, rief Isabella entsetzt.

Sie packte den Steinmann am Arm, während Lorenzo versuchte, ihm den Kopf abzureißen.

»Lass Robert los, du … du … Fels-Fratze!«, schimpfte er.

Das beeindruckte den Alten nur leider nicht im Geringsten.

Seine eiskalten Hände drückten mir langsam die Luft ab. Ich versuchte, seine Finger zu lösen, doch die waren einfach zu stark. Ich konnte mich nicht aus seinem Griff befreien.

Jetzt bekam ich Panik.

»Los, erweise dich der Inspiritution als würdig«, stieß der Alte hervor und schüttelte mich, wie er es eben noch mit Unfug gemacht hatte.

»Robert!«, hörte ich Lorenzo und Isabella schreien.

Aber ich brachte nur ein Röcheln zustande.

KAPITEL 4

»Genug!«

Opa?! Was machte der denn hier? Aber im nächsten Moment prügelte Opa auch schon mit seinem Spazierstock auf meinen Angreifer ein.

»Ist ja gut«, fauchte der Alte. »Jetzt hör schon auf, Wilmington!«

Ich fiel ins Gras und fasste mir an den Hals. Luft! Endlich konnte ich wieder atmen.

Es dauerte allerdings einige Sekunden, bis ich auch wieder halbwegs klar denken konnte. Denn woher kannte die Statue Opas Namen? Und warum war sie überhaupt lebendig?

Mit einem Satz war ich auf den Beinen.

»Was ist hier eigentlich los?«, krächzte ich. »Kann mir das mal jemand erklären?«

Isabella und Lorenzo hoben nur die Schultern. Offensichtlich waren sie genauso ratlos wie ich.

Opa starrte den Alten mit grimmigem Blick an.

Der richtete seinen steinernen Zeigefinger auf mich. »Mein lieber Robert, bis zur Inspiritution hast du aber noch einen Haufen Arbeit vor dir.« Dabei klang er so missbilligend, als hätte ich ihm bereits jede Menge Ärger eingebrockt.

»Äh … was?«

»Halt die Klappe, Jeremy!«, knurrte Opa.

Jeremy? Also kannten die zwei sich wirklich!

Opa packte mich am Arm. »Robert. Wir gehen!«

»Das dürfte wohl das Beste sein«, sagte der Alte hochnäsig und kletterte umständlich zurück auf seinen Sockel.

Von dort nickte er mir herablassend zu. »Deine werte Familie wird dich aufklären, Robert. Wir sehen uns beim nächsten Blutmond wieder.«

Blutmond? Was denn für ein Blutmond? Und außerdem: Was hieß hier »wiedersehen«? Auf keinen Fall wollte ich diesen Typen jemals wiedersehen.

Der Alte nahm seine ursprüngliche Haltung ein und stützte eine Hand unter das Kinn. In wenigen Sekunden war er wieder zu der Steinfigur geworden, für die ich ihn immer gehalten hatte. Und um die ich in Zukunft einen Riesenbogen machen würde. Das stand schon mal fest.

Opa grummelte leise vor sich hin und scheuchte Lorenzo, Isabella, Unfug und mich über die Wiese des Parks nach Hause.

Isabella hielt Celeste umklammert und flüsterte mir zu: »Was bedeutet das alles?«

Tja, das hätte ich auch zu gern gewusst.

»Robert, Liebling, ist alles gut?« Mama schwebte besorgt auf mich zu, als wir in den Salon marschiert kamen.

»Ich war gerade zur rechten Zeit am rechten Ort.« Opa warf sich in die Brust. »Dieser Knilch Jeremy hatte ihn in seinen schmutzigen Pranken.«

»Wer ist dieser Jeremy überhaupt?«, fragte ich verwirrt, erhielt jedoch keine Antwort.

Mama, Papa und Opa redeten wild durcheinander.

»Die Inspiritution! Dann geht es jetzt also los«, rief Papa, und ich hätte nicht sagen können, ob er sich nun darüber freute oder entsetzt war. Ganz zu schweigen davon, dass ich immer noch keine Ahnung hatte, worum es hier eigentlich ging.

»Beim nächsten Blutmond«, brummte Opa.

Mama schlug die Hand vor den Mund. »Was?! So bald schon?«

Papa legte ihr beruhigend die Hand auf den Arm. »Keine Sorge, meine Liebste. Robert wird bestimmt so weit sein.«

»Ich verstehe gar nichts«, sagte Isabella.

»Geht mir genauso«, meinte Lorenzo. Doch dann hellte sich sein Gesicht plötzlich auf. »Oder ist die Inspiritution etwa das Gleiche wie bei uns die Elevation? So was hatte ich nämlich.«

Papa horchte auf. »Ach, bei euch in Transsilvanien wird es Elevation genannt? Ich nehme an, das kommt von ›élève‹, also Schüler, und ist eine regionale Besonderheit …«

»Henry!«, unterbrach ihn Opa ungeduldig. »Das interessiert doch jetzt nicht. Erklär deinem Jungen lieber, was Sache ist.«

Na endlich!

Betreten schaute Papa zu Mama.

»Inspiritution?«, gab ich ihnen das Stichwort und guckte sie auffordernd an. »Was zum Teufel ist das?«

»Mein Lieber, das ist eine große Ehre«, hauchte Mama.

»Oh ja! Denn es wird Zeit, dass du voll und ganz in die Welt der Geister aufgenommen wirst«, sagte Papa feierlich.

Lorenzo umkreiste uns aufgeregt. Allein vom Hinsehen bekam ich einen Drehwurm. »Und dann wird er zu einem richtigen Geist?«

»Ganz offiziell«, bekräftigte Papa.

Mir war, als hätte ich einen Faustschlag in den Magen bekommen. Auch Isabella sah plötzlich ziemlich blass aus.

»Ich … ich will aber noch nicht sterben«, brach es aus mir heraus.

Mama machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wer redet denn vom Sterben?«

»Und von was reden wir dann?!«

»Jedes Mitglied einer Geisterfamilie muss irgendwann die Inspiritution bestehen«, erklärte Mama. »Das ist … ja, wie drücke ich es am besten aus, das ist … äh …«

»So etwas wie eine Aufnahmezeremonie?«, half Isabella.

»Genau!«, rief Papa. »Robert wird in die Geisterwelt aufgenommen. Also inspirituiert.«

»Das heißt, ich muss nicht sterben, um ein richtiger Geist zu werden?«

»Nein, nein, Robert«, versuchte Mama mich zu beruhigen.

Na, das war ja immerhin etwas. Ob damit der Lichtstrahl aus Mamas Weissagung gemeint war? In das Meer aus Verderben war ich ja wohl schon kopfüber hineingestürzt.

»Aber brauche ich überhaupt eine Inspiritution? Es ist doch alles prima, wie es ist.«

»Du brauchst sie auf jeden Fall«, widersprach Papa. »Nur so wirst du ein vollwertiges Mitglied der Geisterwelt. Und außerdem …«, fuhr er zögernd fort.

Ende der Leseprobe