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Eine brandneue Geschichte, die während der DS9-Fernsehserie spielt und in deren Mittelpunkt die Trill Jadzia Dax steht. Jadzia Dax ist seit zwei Leben mit Etom Prit, dem Handelskommissar der Trill, befreundet. Als Etom Deep Space Nine mit der Bitte besucht, seine eigensinnige Enkelin Nemi zu zügeln, kann Dax kaum Nein sagen. Es scheint ein einfacher Auftrag zu sein: Sie soll während eines Landurlaubs ein Resort-Casino besuchen und dann ihre alte Freundin Nemi nach Hause bringen. Doch bei ihrer Ankunft muss Dax feststellen, dass Nemi sich im Laufe der Jahre auf erschreckende Weise verändert hat … Die Suche nach der Ursache wird Dax kopfüber in ein Jahrhundert voller Geheimnisse und Lügen stürzen!
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Seitenzahl: 495
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Historische Anmerkung
1. Verschwunden
2. Erhaben
3. Landurlaub
4. Messwerte
5. Totenwache
6. Kommission
7. Hausgäste
8. Zusammentreffen
9. Beschaffungsmaßnahme
10. Mak’ala
11. Todeshaus
12. Verdammnis
13. Ende mit Schrecken
14. Schichtwechsel
15. Pfad des Himmels
16. Duplikat
17. Netz aus Licht
18. Nachforschungen
19. Trennungsangst
20. Einsatzzentrale
21. Doppelschlag
22. Vermächtnis
DANKSAGUNGEN
Die in diesem Buch geschilderten Ereignisse finden im Jahr 2372 statt, nachdem der Angriff der Klingonen auf Deep Space 9 abgewehrt werden konnte (STAR TREK – DEEP SPACE NINE»Der Weg des Kriegers«) und kurz bevor sich Major Kira Nerys auf den Weg macht, um die Überlebenden der abgestürzten Ravinok zu suchen (STAR TREK – DEEP SPACE NINE»Indiskretion«).
»Was ist mit dem da?«, fragte Jadzia Dax.
Jake Siskos fröhliches Grinsen zog sich in die Breite. »Kemocit-Schmuggler.«
Der Sohn des Captains war ein schlaksiger, dunkelhäutiger Teenager und immer auf der Suche nach einem neuen Abenteuer. Vielleicht begegnete ihm Dax deshalb ständig auf der oberen Ebene des Promenadendecks von Deep Space 9, von wo aus er Passanten beobachtete. Jeder an Bord der Station kam hier früher oder später vorbei und nirgendwo war die bunte Vielfalt der Stationsbewohner augenfälliger.
Die Wissenschaftsoffizierin kniff die Augen zusammen. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass er im Replimat arbeitet.«
»Das macht er nur, um von seinen kriminellen Aktivitäten abzulenken«, erwiderte der Junge. »Wählen Sie jemand anderen aus.«
»Na schön, die dort.« Dax deutete auf eine bajoranische Frau in Robe, die unter ihnen vorbeilief.
»Sie befindet sich auf geheimer Mission, denn sie hat … isolineare Stäbe bei sich, auf denen sich …«, er stockte und seine Augen funkelten, während er angestrengt nachdachte, »… die Namen cardassianischer Doppelagenten befinden.«
Dax musste lachen. »Eine Bajoranerin?«
»Deshalb wären Sie auch nie darauf gekommen.« Jake tippte sich gegen die Schläfe.
»Oh, natürlich, wie konnte mir das bloß entgehen?«
»Über solche Sachen muss man sich Gedanken machen, wenn man Krimis schreiben will.«
Dax verschränkte die Arme und lehnte sich gegen das Geländer, um nach dem nächsten interessanten Ziel Ausschau zu halten. »Ich dachte, du schreibst Gedichte.«
»Sicher«, erwiderte er mit leichtem Zögern. »Aber es schadet nie, sich in anderen Genres auszuprobieren. Was, wenn meine Gedichte nicht gut sind?«
»Dieses Schicksal würdest du mit vielen Dichtern teilen.«
»Verstehen Sie mich nicht falsch, ich mag Gedichte, aber ich finde einfach, dass es, nun ja, mehr Spaß macht, sich Geschichten auszudenken.«
»Dann zeig mir mal, was du draufhast.«
Unter den beiden ergoss sich eine Besuchermenge auf die Promenade – die Passagiere eines Schiffs, das am Ring der Station angedockt hatte. Sie trugen elegante Kleidung, die Mode erinnerte an Dax’ Heimatwelt. Einige der Neuankömmlinge wandten sich einander zu, um ein Gespräch anzufangen, froh, sich endlich die Beine vertreten zu können. Dabei bemerkte Dax, dass einige von ihnen Fleckenmuster am Hals trugen. Es handelte sich um Trill, ihre Leute.
Jake deutete auf einen Mann in der Mitte der Gruppe, einen blassen Trill mit silbergrauem Haar, der in ein edles Faltengewand gekleidet war. Er wirkte wie ein Diplomat, die Verkörperung von Anstand und Eleganz.
»Dieser Kerl da drüben«, sagte Jake. »Er sucht nach jemand Wichtigem und ich wette, es ist …«
»Etom!«, rief Dax nach unten. Der Mann drehte sich zu ihr um. »Etom Prit!«
Die Züge des älteren Mannes hellten sich auf, als er sie erkannte. »Sieh mal einer an! Jadzia Dax! Ich hatte gehofft, dich hier zu treffen!«
»Ich komme zu dir runter.« Und mit einem Blick zu Jake fügte sie hinzu: »Du hattest recht: Er suchte wirklich nach jemand Wichtigem.«
Jake zuckte grinsend mit den Schultern. »Nennen Sie es Intuition des Künstlers.«
»Sei brav, Jake«, sagte Dax. »Ich muss einem alten Freund Hallo sagen.«
»Na klar. Wir sehen uns.«
Die Läden ringsum begannen sich zu füllen und Dax musste sich durch eine kleine Traube von Besuchern kämpfen, um zu Prit zu gelangen. Als sie ihn erreichte, konnte sie es kaum glauben.
Es war mehr als fünf Jahre her, seit sie den Mann gesehen hatte, aber Prit hatte sich kein bisschen verändert. Seine dunklen Augen wirkten noch immer klar und scharfsinnig, und nicht nur sie, sondern auch die Mundwinkel zierten Lachfältchen. Sein Gewand saß absolut tadellos und weder an seiner Frisur noch an seinem kurzen weißen Kinnbärtchen tanzte auch nur ein Haar aus der Reihe.
»Etom!« Sie schlang die Arme um ihn und er drückte sie kurz, bevor er einen Schritt zurücktrat. »Was eine unglaubliche Überraschung! Was führt dich nach Deep Space 9?«
Prits sanfte, altersraue Stimme wärmte ihr das Herz. »Oh, das hier ist Deep Space 9? Wir müssen irgendwo falsch abgebogen sein!«
Seine Begleiter quittierten die Worte mit leisem Lachen.
»Darf ein Mann nicht seiner Lieblings-Dax einen Besuch abstatten?«, fragte er.
»Ich weiß nicht, ob das Curzon gefallen würde, dich so reden zu hören.«
»Nein, vermutlich nicht. Er war nie zufrieden damit, die zweite Geige zu spielen.« Er stieß sie mit dem Ellbogen an. »Aber er ist nicht hier!« Dann wandte er sich seiner kleinen Gruppe zu. »Freunde, ich möchte Ihnen allen Lieutenant Commander Jadzia Dax vorstellen. Wir kennen uns seit einer Ewigkeit. Jadzia, das sind die Mitglieder des Rats der Schiffbauer von Trill. Wir sind gekommen, um mit der bajoranischen Regierung über eine mögliche Zusammenarbeit zu sprechen, die für beide Seiten von Vorteil wäre.«
Offiziell war Prit der Handelskommissar, dem die Aufgabe zufiel, die Wirtschaftspläne der Trill-Regierung zu überwachen. Seine Arbeit war mit viel Stress und hohem Druck verbunden und fand überwiegend auf der Heimatwelt statt. Sich in gewöhnliche Außenhandelsmissionen einzumischen gehörte ganz sicher nicht dazu.
Dax schüttelte jedem Mitglied der Delegation die Hand. Es war eine seltsame Truppe, die überwiegend aus älteren Trill bestand, aber auch ein paar Männer und Frauen mittleren Alters waren mit von der Partie. Obwohl ein paar von ihnen aussahen, als täte es ihnen gut, mal etwas häufiger den Sitzungssaal zu verlassen, machten sie alle einen recht zugänglichen Eindruck.
Dax legte den Kopf schief. »Du führst eine Delegation an?«
»Man ist nie zu alt, um sich hinaus ins Feld zu wagen!«, erwiderte Prit und breitete die Hände aus. »Wo wir gerade davon sprechen: Dich hat es auch ziemlich weit in die Ferne verschlagen!«
»Was meinst du?«
»Man fühlt sich hier draußen wie am Rande des Universums. Mitten im Nirgendwo, findest du nicht?«
»Mitten im Nirgendwo kann eine Menge passieren.« Benjamin Siskos kraftvoller Tenor übertönte den Lärm des Promenadendecks.
Dax drehte sich um und sah ihren kommandierenden Offizier näher kommen. Ein breites Grinsen zeichnete sich auf seiner Miene ab. Wie üblich war er in seine Uniform gekleidet, die absolut makellos aussah. Er war zupackender als die meisten Captains, wusste allerdings auch Etikette zu schätzen und machte stets einen vorbildlichen Eindruck.
»Etom«, sagte Dax, »darf ich dir Captain Benjamin Sisko vorstellen? Captain, dies ist der Trill-Handelskommissar Etom Prit. Er ist ein Freund von mir – und Curzon.«
Der Captain schüttelte Etoms Hand. »Sie kannten den alten Mann ebenfalls?«
»Es war ein gemischtes Vergnügen.« Prit zwinkerte ihm zu und handelte sich einen Klaps von Dax gegen den Arm ein.
»Jeder Freund von Dax ist auch mein Freund.« Sisko verschränkte die Hände hinter dem Rücken und nickte. »Willkommen auf DS9, Handelskommissar! Sicher wird der Commander Sie herumführen. Sie werden feststellen, dass dieser Ort spannender ist, als es auf den ersten Blick scheint.«
Prit nickte. »So muss es wohl sein, sonst hätte Jadzia schon längst das Interesse daran verloren.« Er drehte sich zu ihr um. »Was machst du hier draußen?«
»Ich bin Wissenschaftsoffizierin«, erwiderte sie. »Und ich kann dir versichern, dass wir uns hier nie langweilen.«
Prits Lachen versetzte sie um Jahre in die Vergangenheit zurück. »Daran habe ich keinerlei Zweifel.«
»Hast du Zeit, um dich ein wenig umzuschauen?«, fragte sie.
»Wir müssen uns erst einmal einrichten und die Gespräche vorbereiten, aber später komme ich gern auf dein Angebot zurück.« Er deutete in die Richtung, aus der er gekommen war. »Mein Schiff, die Steadfast, ist nicht zu verachten und hat einen ausgezeichneten Koch an Bord.«
»Ah.« Sisko hob einen Finger. »Ich kann mich nicht erinnern, es je erlebt zu haben, dass Dax zu einer guten Mahlzeit Nein gesagt hätte.«
Sie zwinkerte Prit zu. »Es ist schwer abzulehnen, wenn dein Captain darauf besteht, für dich zu kochen.«
»Sie haben sich über mein Gumbo noch nie beschwert«, sagte Sisko.
»Und ich würde es auch nicht wagen.« Abwehrend hob Dax die Hände.
Prit runzelte die Stirn. »Was ist Gumbo?«
»Wenn du nicht den ganzen Tag hier verbringen willst, ist das die zweitschlechteste Frage, die du Captain Sisko stellen kannst«, sagte sie.
Sisko stemmte die Hände in die Hüften. »Und die schlechteste?«
Dax zuckte mit den Schultern. »Was ist Baseball?«
Prits Delegation setzte sich in Bewegung und winkte dem Handelskommissar zu, ihnen zu folgen. »Ich muss nun wirklich los, doch ich würde wirklich gern mehr über dieses Gumbo hören. Captain, vielleicht möchten Sie sich uns anschließen?«
»Wissen Sie was …?« Das verschmitzte Lächeln auf Siskos Lippen verriet Dax, dass sie sich auf einen sehr langen Abend einstellen musste. »Ich denke, das werde ich.«
An diesem Abend aßen und tranken sie, sprachen über Philosophie, Politik, Literatur und – natürlich – Baseball. Die Steadfast war genauso schön wie versprochen, elegantes Trill-Design offenbarte sich an jeder Ecke. Und das Essen gefiel nicht nur Jadzia, sondern auch Dax’ vorherigen Wirten durch eine Fülle an nostalgischen Geschmackserlebnissen. Es gab mehrere von Curzons Lieblingsgerichten und auch einige von Torias’ und Emonys.
Nachdem er voller Begeisterung die Baseball World Series aus dem Jahr 1959 hatte Revue passieren lassen, erhob sich Sisko und wünschte Dax und Prit eine gute Nacht.
»Hier«, sagte Prit und reichte Dax eine Flasche mit sirupartiger violetter Flüssigkeit zusammen mit einem Glas. »Lidashk. Hilft bei der Verdauung.«
Dax widerstand dem Drang, ihren übervollen Magen zu tätscheln, und nahm den Alkohol entgegen, um sich ein Glas einzuschenken. »Meine Güte! Das Zeug habe ich nicht mehr gesehen, seit ich das letzte Mal meinen Onkel besucht habe.«
»Was glaubst du, wo ich ihn herhabe? Als Handelskommissar unterstütze ich besonders gern Kleinunternehmen.«
Nachdem sie sich beide ihren Lida-Fruchtlikör eingeschenkt hatten, prosteten sie sich zu und tranken. Der Schnaps erfüllte Dax’ Mund mit einer kräftigen Süße, die im Abgang einen Anflug von gerösteter Vanille aufwies.
»Die Lehrstunde in Baseball war unterhaltsam«, meinte Prit. »Ich habe gar nicht gewusst, dass es einen Sport für Statistiker gibt.«
Dax lachte. »Wenn man das Ganze in echt erlebt, ist es doch etwas anders. Ich bin mir sicher, dass Benjamin etwas für dich in der Holosuite vorbereiten könnte – falls du noch ein weiteres Jahrhundert hier verbringen willst.«
»Leider habe ich schon kaum die Zeit gefunden, um an dieser Handelsmission teilzunehmen. Ich bin dieser Tage wirklich sehr beschäftigt.«
»Du bist schon mein ganzes Leben lang sehr beschäftigt – und den Großteil von Curzons ebenfalls.«
Prit seufzte und ließ sich auf seinem Stuhl mit der hohen Lehne zurücksinken. »Da hast du recht. Ich habe nie genug Zeit für die Dinge übrig, die wirklich wichtig sind. Das muss ich dringend ändern, bevor es mich erwischt.«
Dax stellte ihr Glas auf den Tisch. Zwei Dinge wusste sie über Etom Prit: Sein Herz war ein Quell der Güte und er hatte stets einen Hintergedanken, wenn er etwas tat. Nie und nimmer wäre seine Anwesenheit bei einer derart unbedeutenden Mission erforderlich gewesen.
»Ich habe mich so von der Freude, dich wiederzusehen, überwältigen lassen, dass ich beinahe vergessen hätte zu fragen …« Sie faltete die Hände auf dem Schoß. »Wie geht es deiner Familie?«
»Aus diesem Grund bin ich gekommen.« Ein gequältes Lächeln umspielte seine Lippen. »Es geht um Nemi.«
Es hatte in Dax’ langem Leben sowohl Triumphe als auch Tragödien gegeben und Prits Enkelin Nemi Prit gehörte in beide Kategorien. Früher hatte sie sich immer in seinem Büro herumgetrieben, ein lebhafter Teenager, der darauf brannte, das Universum kennenzulernen. Es war Nemi gewesen, die Jadzia ermutigt hatte, Geschichte zu schreiben und sich erneut zu bewerben, nachdem man sie aus dem Kandidatenprogramm für zukünftige Vereinigte herausgeworfen hatte. Sie hatte Jadzia dazu gedrängt, Curzons Beurteilung zu überwinden. Nemi hatte davon geträumt, in Jadzias Fußstapfen treten zu können und eines Tages selbst vereinigt zu werden.
Leider hatte Nemi dem Druck nicht standgehalten, als sie an der Reihe gewesen war. Es hatte Dax das Herz gebrochen, ihr Versagen zu beobachten, und als Nemi für ihre erneute Bewerbung eine Empfehlung gebraucht hatte, war Dax ihr gern zur Seite gesprungen. Doch als sie zum zweiten Mal ausgesiebt worden war, ließ sich nichts mehr machen. Nemi Prit, die sich mehr als alles andere gewünscht hatte, vereinigt zu sein, würde diese Erfahrung niemals erleben.
In den folgenden Jahren hatten ihre Beziehung gelitten. Nemis Verhalten war zunehmend sprunghaft geworden. Ihr Versagen hatte sie schwer getroffen und sie ertrug es einfach nicht, durch ihre Nähe zu der vereinigten Trill Jadzia fortwährend daran erinnert zu werden.
»Sie ist verschwunden.« Prits Worte rissen Dax aus ihren Erinnerungen.
»Etom, ich …« Ihr Herzschlag beschleunigte sich. »Hast du die Behörden informiert? Gibt es irgendwelche Spuren?«
Er bedachte sie mit einem säuerlichen Blick. »Erfreulicherweise ist es kein solches Problem. Nein, meine Enkelin hat sich die Familienjacht geschnappt und stellt mit ihren neuen Freunden unseren Reichtum zur Schau.«
»Neuen Freunden?«
»Ja«, sagte Prit. »So eine Art Klub. Sie nennen sich die Kael’tach oder so ähnlich. Nemi hat diese Leute durch Bekannte getroffen, die es … die es ebenfalls nicht durch das Trainingsprogramm geschafft haben. Ich dachte, es würde sich um eine Selbsthilfegruppe handeln, aber die scheinen auf ihr Versagen beinahe stolz zu sein.«
»Was machen sie?«
Er zuckte mit den Achseln. »Sie bemitleiden sich gegenseitig, schätze ich.«
»Das hat sie dir alles erzählt?«
Prit stieg ein Hauch von Röte ins Gesicht. »Nun, nein … aber als sie verschwunden ist, habe ich auf ihre Tagebucheinträge zugegriffen. Schau mich nicht so an, Jadzia. Ich konnte sie nicht finden und ich war am Verzweifeln.«
»Aber du weißt, wo sie sich jetzt aufhält?«
»Ja. Wir haben die Jacht verfolgt. Sie hat den Planeten verlassen und befindet sich im Avendawn. Die Mitarbeiter haben bestätigt, dass sie dort Gast ist.«
»Was ist das?«, fragte Jadzia.
»Ein Casino-Hotel auf Argelius II.«
Dax rümpfte die Nase. »Oh. Das klingt nicht gut …«
»Nein. Sicher nicht der beste Ort, um dort seine Zeit zu verbringen, wenn man von Zorn und Versagen begleitet wird.«
»Wie schlimm ist es?«
»Ich habe keine Ahnung. Es ist ihr Latinum. Sie hat ihre eigenen Konten.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist bloß … Dieses Geld sollte eigentlich ihre Zukunft sichern und jetzt wirft sie es in einem Anfall von Trotz zum Fenster hinaus.«
Diese Beschreibung gefiel Dax nicht. Nemi war vieles, aber trotzig konnte man sie nicht nennen. Prit hatte immer eine Schwäche für seine Enkelin gehabt und sie bis weit in ihre Teenagerjahre wie ein Kind behandelt – im Guten wie im Schlechten. Er hatte ihr üppige Geschenke gemacht, jedoch stets verbunden mit strengen Restriktionen. In dieser Hinsicht beneidete Dax Nemi nicht.
»Sie hat eine Menge durchgemacht«, sagte Dax.
»Das verstehe ich und ich bin bereit, alles zu tun, was auch immer nötig ist, um ihr dabei zu helfen, ihre Dämonen zu bezwingen. Ich habe ihr Zugang zu den besten Therapien verschafft, die es gibt. Ich habe sie zurück an die Universität geschickt.«
»Wie ist es gelaufen?«
»Sie hat das Studium abgebrochen.«
»Das tut mir leid.«
»Zweimal. Es … war nicht leicht. Ihre Eltern hätten das besser hingekriegt; mögen sie in Frieden ruhen!«
Dax goss sich ein weiteres Glas Lidashk ein. Prit war zwanzig Jahre jünger als Curzon. Der griesgrämige Mann vor ihr hingegen schien unvorstellbar alt zu sein, seine diplomatische Fassade wirkte brüchig und verbraucht. Das Leben mit Nemi musste noch schwieriger geworden sein, seit sie aufgehört hatte, mit Dax zu reden.
»Etom«, sagte sie. »Ich weiß, das klingt hart, aber sie ist eine erwachsene Frau. Du und Curzon, ihr habt eine Menge Unsinn angestellt, als ihr in ihrem Alter wart.«
»Genau davor fürchte ich mich!« Ein wenig Flüssigkeit schwappte aus seinem Glas und er fluchte leise. »Sie ist seit Wochen fort und will einfach nicht auf meine Nachrichten antworten.«
»Aber es geht ihr gut?«
»Ja. Ich konnte einen der Angestellten bestechen, sie ein bisschen im Blick zu behalten.« Etom hatte sein kontrollierendes Verhalten also leider nicht verloren.
Dax verbarg ihre Reaktion, indem sie einen Schluck von ihrem Drink nahm. »Sie muss das mit sich selbst ausmachen.«
»Kannst du nicht hinfliegen und mit ihr reden?«
»Ich …? Etom, ich habe meine Arbeit hier. Doktor Bashir und ich betreuen mehrere laufende Experimente, die ich nicht einfach allein lassen kann. Warum fliegst du nicht hin?«
»Sie will mich im Moment nicht sehen.«
»Aber mich sollte sie sehen wollen? Eine vereinigte Trill?«
Unbehaglich verlagerte er das Gewicht. »Es gibt weitere Gründe, warum ich jemand anderen schicken muss. Das Avendawn ist kein Ort, an dem sich ein Handelskommissar einfach so herumtreiben kann. Der Besitzer ist berüchtigt und wir mussten ihn mit Sanktionen belegen. Ich muss an meinen Ruf denken. Selbst die Anwesenheit von Nemi dort …«
Ah, dein Ruf. Darum geht es also.
»Darum hast du dich auf diese Handelsmission begeben, nicht wahr?«, fragte Dax. »Um mich zu überreden, Nemi zurückzuholen?«
»Nein! Nun … na schön, ja, aber nur aus Sorge um ihr Wohlergehen. Sie ist eine leicht zu beeinflussende junge Frau.«
»Du redest über sie, als wäre sie noch immer ein Kind.«
Auf einmal fand Prit seinen Lidashk unglaublich interessant. »Natürlich tue ich das. Sie ist meine Enkelin.«
»Wie alt ist sie jetzt?«
»Einundzwanzig.«
Und nach wie vor an der kurzen Leine. Dax und Curzon kannten Etom Prit beide als wunderbaren Kerl, aber in mancherlei Hinsicht konnte er wirklich völlig unvernünftig sein. Für Curzon war er wie ein Bruder gewesen – hatte sogar sein Unternehmen genutzt, um bei Spionageaktionen und Staatsgeschäften zu helfen, wenn nötig –, doch er hatte seine Macken. Oft versuchte er, Leute nach seinen Vorstellungen zu formen. Nemi bildete hier ganz eindeutig keine Ausnahme. Vermutlich hatte sie die Chance gewittert, ihm zu entrinnen, und sie prompt ergriffen.
Dax sah ihm in die Augen und versuchte, so viel Mitgefühl wie möglich aufzubringen. Er bemühte sich ja wirklich, aber wenn er seine Macht weiter ausnutzte, um Nemi herumzuschubsen, würde das langfristig nicht funktionieren. Dax wusste besser als jeder andere, dass man Nemi nicht dazu bringen konnte, aus Scham ein Gefühl für Verantwortung zu entwickeln.
»Etom, hör mir zu. Du kannst niemanden davor bewahren, einundzwanzig zu sein.«
»Also … wirst du nicht hinfliegen?«
»Nein. Es tut mir leid.«
Er lächelte. »Ich verstehe, dass du sehr beschäftigt bist. Gewiss hast du recht. Nun, lass uns zu Ehren deines Onkels diese Flasche Lidashk leeren.«
»Ich wünsche, ich könnte dir und Nemi helfen.«
»Vergiss es. Ich habe den weiten Weg auf mich genommen, um dich zu sehen. Vielleicht könnten wir morgen gemeinsam zu Mittag essen, bevor ich wieder aufbreche?«
»Sehr gern.«
Dax verließ Prit an diesem Abend mit leicht benebeltem Kopf und einem warmen Gefühl der Nostalgie im Herzen. Sie waren lange aufgeblieben und hatten über die alten Zeiten gesprochen, bis Prit irgendwann fast eingeschlafen wäre. Sie erinnerte sich daran, wie es sich anfühlte, achtzig Jahre jung zu sein. Sie vermisste es nicht.
Der stille Korridor von Deep Space 9 erstreckte sich vor ihr, eine letzte Herausforderung, die es zu überwinden galt, bevor sie zu Bett gehen konnte. Sie war nicht so betrunken, dass sie taumelte, und ganz sicher nicht so sturzbesoffen wie ein Klingone, doch der Alkohol zerrte an ihren Gliedern und weckte in ihr den Drang, sich den weichen Laken und völliger Dunkelheit hinzugeben.
Sie dachte an Nemi und seufzte. Prit war so gut zu Jadzia gewesen, als sie ihn gebraucht hatte. Er hatte sie nach dem Rauswurf aus dem Kandidatenprogramm durch Curzon bei sich aufgenommen. War es falsch gewesen, ihm die Hilfe zu verweigern?
Er war einfach nur paranoid. Das war alles. Letzten Endes würde Nemi diese Phase überwinden und ihren Platz im Leben finden. Sie war jung und begabt, wenn auch ein klein wenig launenhaft. Und forsch. Und ungestüm.
Curzon hätte sie ohne jeden Zweifel ausgesiebt.
Zu ihrer Schande musste sich Dax eingestehen, dass sie gewusst hatte, dass Nemi es nicht schaffen würde, als sie sie für einen zweiten Anlauf im Kandidatenprogramm empfohlen hatte. Im Grunde war Nemi einfach nicht für eine Vereinigung gemacht, dennoch hatte Dax gehofft, sie irgendwie inspirieren zu können. Bedauerlicherweise hatte sich das als falsch herausgestellt.
Das Geräusch von Schritten unterbrach ihre Gedanken und sie schaute sich nach der Quelle um, konnte aber niemanden entdecken. Vielleicht hatte sie es sich nur eingebildet oder der Lidashk war stärker, als sie angenommen hatte. Curzon war ein Trinker gewesen, eine schlechte Angewohnheit, die Jadzia hin und wieder in Schwierigkeiten brachte.
Erneut vernahm sie Schritte, die an ihr vorbeistapften, und Dax zuckte erschrocken zusammen. Die Geräusche kamen eindeutig aus diesem Gang, schienen ihren Ursprung nur wenige Zentimeter von ihr entfernt zu haben. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und sie wünschte sich, einen Phaser zu haben – auch wenn sie dann Gefahr gelaufen wäre, in ihrem betrunkenen Zustand versehentlich jemanden zu betäuben.
Sie berührte ihren Kommunikator. »Dax an Sicherheit.«
»Sprechen Sie, Commander«, meldete sich der Wachoffizier.
»Registrieren Sie irgendwelche Lebensformen an meiner Position?«
»Negativ, Sir.«
Das beruhigte sie leider kein bisschen. Auf Deep Space 9 konnten seltsame Dinge geschehen: Prophetische Visionen, Subraumstörungen oder auch Zeitgeister waren durchaus alle im Rahmen des Möglichen.
Dax atmete gleichmäßig ein und aus und entspannte bewusst die Hände. Wenn etwas nicht stimmte, würde sie bereit sein, sich ihm zu stellen. Ein paar Sekunden vergingen und nichts passierte. Sie tadelte sich dafür, so schreckhaft gewesen zu sein. Sie hatte schon eine Menge heikle Situationen erlebt. Schritte in einem Korridor zu vernehmen gehörte nicht dazu.
Sie lief weiter in Richtung ihres Quartiers und ihr Herzschlag beruhigte sich wieder. Eine Mütze Schlaf würde ihr guttun – Erschöpfung konnte durchaus dazu beitragen, dass man Dinge hörte, die nicht da waren. Ihr Dienstplan morgen sah relativ entspannt aus, sodass sie länger im Bett bleiben, Tee trinken und vielleicht ein Buch lesen könnte. Jake hatte ihr einige Werke empfohlen.
Während sie über ihre nächste Lektüre nachdachte, prallte sie beinahe frontal mit Nemi Prit zusammen.
Es war drei Jahre her, seit Dax sie das letzte Mal gesehen hatte, sie hatte sich jedoch kaum verändert. Ihr platinblondes Haar war am Hinterkopf zu einem Knoten zusammengebunden, nur zwei lose Strähnen fielen ihr in die Stirn, auf der sich Flecken von Sonnenlicht abzeichneten. Ihre eisblauen Augen hatten sich kein bisschen verändert und ihre Lippen waren zu einem wissenden Lächeln verzogen. Sie trug ein weißes Kleid, das sanft ihren Körper umwallte.
»Nemi!« Dax blinzelte. »Was machst du … ich, äh …«
Ihre Freundin lächelte, doch nun war das Licht fort. Nemis Blick schien geradewegs durch Dax hindurchzugehen, die Hände an ihren Seiten öffneten und schlossen sich. Ihr rechtes Auge begann zu zucken und ein einzelner Blutstropfen trat daraus hervor, der ihr über die Wange lief. Nemi wankte, dann fiel sie rückwärts und ihr Kleid blähte sich auf wie der fahle Schirm einer Qualle.
Dax sprang vor, um sie zu packen, doch ihre Finger griffen ins Leere. Nemi war fort. Dax stand im Korridor, allein und verwirrt.
»Du hast bereits etwas verloren, das dir viel bedeutet hat«, sagte eine leise Männerstimme.
Dax drehte sich um und erblickte einen Mann, der wie ein böser Windhauch auf sie zurauschte. Das zurückgekämmte blonde Haar, die ernste Stirn und diese raubtierhaften Augen hätte sie überall wiedererkannt. Ihre Eingeweide verkrampften sich bei seinem Anblick und sie wich einen Schritt zurück. Dax hatte nie wieder etwas mit diesem Mann zu tun haben wollen. Sie wollte nicht einmal an ihn denken.
Joran Dax – der Mörder und ehemalige Wirt ihres Symbionten.
»Was willst du?«, verlangte sie zu wissen.
»Eine Erinnerung.« Seine Stimme hallte durch die Korridore der Raumstation.
Die Lichter ringsum fingen an zu flackern und mehrere von ihnen gingen aus. Schatten erfüllten den Gang, erst weiter entfernt, aber sie kamen stetig näher. Blanke Furcht erfüllte Dax, doch sie blieb standhaft. Joran war nicht real. Er konnte ihr nichts tun.
Das sanfte Brummen der Station wurde schriller, wandelte sich zu einem Heulen, einem schrecklichen Geräusch wie von einem Bohrer. Joran lächelte, als die Dunkelheit sie beide umfing. Geisterhaftes Flüstern wehte durch die Luft, unverständlich, aber sehnsüchtig, und griff nach Dax wie die Hände Ertrinkender.
Dann war der Spuk vorbei – Dax stand wieder allein im leeren Gang.
Sie wartete, bis sich ihr zitternder Atem beruhigt hatte, und schluckte, bevor sie sich straffte und ihre Uniform glatt strich. Joran Dax war ein Teil von ihr, aber tot – ein böser Traum, eine Erinnerung. Es gab nichts, wovor sie sich fürchten musste …
… solange sie wach war.
Statt bis zum nächsten Morgen zu warten, begab sich Jadzia Dax sofort auf die Krankenstation. Sie wollte sich nicht durch eine Nacht ohne Antworten quälen, zumal Halluzinationen ein Anzeichen ernsthafter gesundheitlicher Probleme mit möglicherweise tödlichen Nebenwirkungen sein konnten.
»Commander Dax!«, entfuhr es der verschlafen wirkenden bolianischen Schwester, als Dax sich in die Krankenstation schleppte. »Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Was führt Sie her?«
»Ich brauche eine Überprüfung meiner Isoboramin-Werte«, erwiderte sie. »Ich fühle mich nicht so gut.«
Isoboramin war ein Neurotransmitter und dafür verantwortlich, dass ihr Körper im Einklang mit dem Symbionten blieb. Trill, deren Isoboramin-Werte gefährlich abfielen, litten oft unter Halluzinationen. Einmal war der Wert bei ihr dermaßen niedrig gewesen, dass der Symbiont fast hätte entfernt werden müssen – was ihren Tod bedeutet hätte.
»In Ordnung«, sagte die Schwester. »Wir schauen uns die Werte mal an und ich lasse den Doktor wissen, dass Sie hier sind.«
Dax zog die Augenbrauen zusammen. »Wir müssen ihn nicht aufwecken. Julian weiß seinen Schlaf sicher zu schätzen.«
Auf dem blauen Gesicht der Schwester erschien ein Lächeln, das durch den schmalen Kamm, der vertikal von der Stirn bis zur Kehle verlief, geteilt wurde. »Unsinn. Das ist schließlich sein Job. Wir werden es ihm leichter machen, indem wir Ihre Messwerte bestimmen, bevor er herkommt.«
Die Schwester führte Dax zu einem Biobett, nahm einige Einstellungen vor und schickte dann Doktor Julian Bashir eine Nachricht. Seit die Sternenflotte für die Bajoraner das Kommando über Deep Space 9 übernommen hatte, war er ein enger Freund von Dax und machte jedes Mal einen Wirbel um sie und ihren Zustand, wenn etwas mit ihr nicht stimmte. Manchmal waren seine beruhigenden Worte genau das, was sie brauchte, manchmal fand sie sie ziemlich nervtötend.
Im Augenblick schienen ihre Halluzinationen noch recht harmlos zu sein. Sie hatte schon Schlimmeres erlebt – vor ihrer Zhian’tara, als sie von Jorans Existenz erfahren hatte. Aufgrund der damaligen Isoboramin-Fluktuationen hatte sie unter Wutausbrüchen und wiederkehrenden Visionen gelitten. Sie war nur deshalb darüber hinweggekommen, weil sie den Mörder als Teil von sich selbst akzeptiert hatte – auch die Anteile von ihm, die sie hasste, wie seine Wut.
Eine einzelne Vision war eigentlich kein Grund, das Ganze wie einen medizinischen Notfall zu behandeln, aber höchstwahrscheinlich würde Bashir trotzdem wieder großes Aufheben darum machen. Und wie erwartet kam er aus seinem Quartier herbeigeeilt und betrat schnellen Schrittes die Krankenstation, so als wäre er auf dem Weg zu einer Notoperation.
Bashir war für einen menschlichen Mann eher klein und schlank, mit olivfarbener Haut und sorgsam frisierten Haaren. Er war schlau und schrecklich aufmerksam, und in seinen mitfühlenden braunen Augen funkelte das Licht wie auf Juwelen.
»Wissen Sie was? Ich hatte gerade den wunderschönsten Traum«, verkündete er, als er neben das Biobett trat, auf dem sie lag.
»Tut mir leid, Sie geweckt zu haben.« Dax setzte sich auf und legte die Ellbogen auf die angewinkelten Knie.
Er lächelte. »Schon gut. Ich wollte ohnehin einen Blick auf unsere Experimente werfen.«
»Mitten in der Nacht?«
»Sie sind hier. Ich bin hier. Was hält uns auf?«
»Ein sehr bald einsetzender Kater«, erwiderte sie.
»Also ein ganz gewöhnlicher Mittwochabend für Sie. Was für Probleme haben Sie sonst noch?«
Dax berichtete von ihrer Vision, beginnend mit ihrer Mahlzeit an Bord der Steadfast. Bashir lauschte ihr konzentriert und machte sich gelegentlich Notizen auf seinem Padd. Er schien sich für jede Einzelheit zu interessieren. Entsprechend ausführlich fiel seine Befragung aus.
»Nun«, sagte er schließlich und ließ seinen Handscanner über ihre Stirn gleiten. »Ihr Isoboramin-Wert ist ein wenig gesenkt, aber nicht sehr stark. Offen gestanden mache ich mir eher Sorgen um ihren Blutalkohol.«
»Haha, Julian.«
»Das meine ich nicht als Scherz. Angesichts ihres Neurotransmittermangels könnte der Lidashk eine Rolle bei Ihrer Vision gespielt haben. Er enthält mehrere halluzinogene Stoffe, die sich gegenseitig verstärkt und miteinander reagiert haben könnten.«
Sie war bereits erschöpft und die Richtung, in die dieses Gespräch gerade ging, klang noch ermüdender. »Ich habe mich schon mit Klingonen betrunken.«
»Das mag sein, aber wir werden Sie trotzdem ein paar Stunden zur Beobachtung hierbehalten. Ich will nichts Wichtiges übersehen.« Gedankenverloren tippte er sich gegen das Kinn. »Und ich denke, ich werde Ihnen eine Dosis Benzozyatizin verabreichen, um ihre Werte zu stabilisieren.«
Ihre Miene verdüsterte sich. »Ein paar Stunden?«
»Sie liegen doch schon auf dem Bett. Nutzen Sie die Zeit einfach, um etwas Schlaf zu bekommen. Sie kriegen nie genug davon und das ist für Ihre Gesundheit nicht gerade förderlich.«
»Ich habe bereits zu viel geschlafen, als ich ein alter Mann war.«
Er dämpfte das Licht. »Anordnung Ihres Arztes. Ich bin in ein paar Stunden wieder da, um nach Ihnen zu schauen. Rufen Sie die Schwester, wenn Sie etwas brauchen.«
Sie nickte und fühlte sich ein wenig enttäuscht, weil sie immer noch keine echten Antworten hatte. »Meinetwegen. Danke, Julian.«
»Es wird alles wieder gut werden.«
Sie fühlte sich kaum besser, nachdem er fort war. Das Bild von Nemi wollte ihr einfach nicht aus dem Kopf gehen. Ebenso wenig konnte sie sich die profunde, wabernde Dunkelheit erklären, die sie in ihrem Inneren spürte. Als die Müdigkeit sie schließlich übermannte, fiel sie in einen tiefen Schlaf.
Es war ein wunderschöner Tag auf dem Prit-Anwesen, ideal dafür geeignet, um über das eigene Versagen zu brüten – hell und klar und ohne nennenswerte Termine.
Jadzia hatte den Vormittag auf der hinteren Veranda verbracht, um sich zu sonnen und an den vorbeiziehenden Schäfchenwolken zu erfreuen. Sie hatte sich einen Badeanzug und eine Sonnenbrille repliziert, gemeinsam mit einem großen Glas Fruchtsaft. So faulenzte sie auf einem wellenförmigen Liegestuhl, wobei sie immer wieder eindöste.
Etom Prits Anwesen hatte eine Aussicht, die man nur als perfekt bezeichnen konnte. Vor ihr befand sich ein Schwimmbecken mit kristallklarem Wasser, dahinter erstreckten sich sanfte Hügel, auf denen Getreide wuchs. Am Horizont erhoben sich schneebedeckte Berge, die von einem Streifen dichten Waldes gesäumt waren. Auf der anderen Seite des Hauses konnte man die Lichter der fernen Hauptstadt ausmachen, die dazu verlockten, sich all den Aktivitäten hinzugeben, die sie sich während ihrer Zeit als Kandidatin verwehrt hatte.
Das letzte Jahr als Angestellte von Etom Prits Handelsgesellschaft war gut gelaufen und als Belohnung für all ihre harte Arbeit hatte er sie eingeladen, seine Familie während ihres Urlaubs zu besuchen. Prit hatte ein persönliches Interesse an Jadzia; er konnte seinen väterlichen Instinkten einfach nicht widerstehen. Manchmal störten sie seine Vernarrtheit und seine Einmischung, doch sie versuchte es als Kompliment aufzufassen, dass er sie wie eine zweite Enkelin behandelte. Sie war hoch angesehen, wurde wertgeschätzt und konnte etwas bewirken – drei Dinge, die sie während ihrer furchtbaren Zeit im Kandidatenprogramm nicht verspürt hatte.
Ein Programm, das im Begriff war, zum zweiten Mal ein Urteil über sie zu fällen.
Es war dumm gewesen, sich erneut zu bewerben. Es war sinnlos. Niemand war jemals erneut zugelassen worden, und selbst wenn man sie aufnahm: Wollte sie überhaupt dorthin zurück? Das erste Mal war eine derart zermürbende Quälerei gewesen, dass sie eigentlich gar nicht erpicht darauf war, sich das Ganze abermals anzutun. Andererseits konnte sie sich auch nicht vorstellen, den Wunsch aufzugeben, vereinigt zu werden.
»Jadz!«, rief eine jugendliche Stimme aus dem Inneren des Hauses.
Sie schloss die Augen. Jadzia wollte nicht aufgemuntert werden und sie war auch nicht in der Stimmung für eine weitere feurige Motivationsrede von der fünfzehnjährigen Nemi.
Seit Jadzia angefangen hatte, in Prits Büro zu arbeiten, war dessen Enkeltochter zu ihrem Schatten geworden. Nemis Eltern waren vor ein paar Jahren verstorben und sie hatte nur wenig Freunde, deswegen suchte die junge Frau bei Jadzia nach Gesellschaft. Sie gingen zusammen campen oder im nahen Wald auf Erkundungstour; Jadzia brachte ihr bei, wie man essbare Pilze erkannte und in der Wildnis überlebte. Nemi hatte sich praktisch über Nacht voll und ganz auf sie fixiert.
Ebendiese Nemi hatte sie auch dazu getrieben, sich erneut beim Kandidatenprogramm zu bewerben. Auf ihr Drängen hin hatte Jadzia jede Menge Zeit darauf verschwendet, einmal mehr Anträge auszufüllen und Vorgespräche über sich ergehen zu lassen. Natürlich hatte nichts davon irgendeinen Wert, denn die Symbiosekommission würde sie ablehnen. Es wäre töricht gewesen, etwas anderes anzunehmen. Dass Curzon Dax sie beim letzten Mal persönlich abgewiesen hatte, war eine deutliche Aussage darüber gewesen, dass sie nichts Besonderes war.
»Jadz …«, erklang Nemis Stimme direkt hinter ihrem Liegestuhl.
»Ja?«, fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.
»Hast du mich nicht rufen gehört?«
»Doch.«
»Und du bist trotzdem liegen geblieben?«
»Ja.«
»Wolltest du nicht wissen, warum ich dich gerufen habe?«
Jadzia lächelte angesichts Nemis hörbarem Unmut. »Doch.«
»Und wie hattest du vor, das herauszufinden?«
»Mein Plan war, einfach hier liegen zu bleiben und abzuwarten, bis du nach draußen kommst und es mir erzählst. Hat geklappt. Ich bin ein Genie.«
»Zieh dich an«, sagte Nemi. »Ich habe eben mit Großpapa gesprochen. Wir gehen heute Abend essen.«
Jadzia atmete tief ein. Sie genoss die frische Bergluft. »Könnt ihr zwei nicht einfach ohne mich gehen?«
»Du schmollst.«
»Es geht mir gut.«
»Du schmollst, seit du hergekommen bist.«
»Ich denke, das habe ich mir verdient.«
»Hast du nicht, solange du nicht erneut abgelehnt worden bist.«
»Ich habe diese verdammten Vorgespräche über mich ergehen lassen und die Vierteljahresprognosen für deinen Großvater erstellt. Jetzt habe ich Urlaub.« Geistesabwesend tastete sie auf dem Beistelltisch nach ihrem Drink. »Keine Macht auf diesem Planeten wird mich dazu bringen, diesen Stuhl zu verlassen.«
Nemi hob die Liege von hinten an und Jadzia rutschte mitsamt den Kissen in den Pool.
Eiskaltes Wasser umfing sie und raubte ihr den Atem. Ihre sonnengewärmte Haut wurde so kalt, dass sie praktisch aus dem Becken schoss. Prustend durchbrach sie die Wasseroberfläche, während Nemi in schadenfrohes Gelächter ausbrach.
»Du kleines Monster!« Jadzia spritzte Wasser in ihre Richtung, aber die Jugendliche zog den Kopf ein und hüpfte außer Reichweite.
Nemi trug kurze Hosen und eine bauschige, cremefarbene Bluse – nicht gerade Badekleidung. Jadzia sprang aus dem Wasser und rannte mit grimmigem Lächeln auf dem Gesicht auf sie zu. Kreischend floh Nemi vor ihr. Sie würde dieses Balg ordentlich nass machen.
Jadzia jagte sie durch Prits Statuengarten, in den Wintergarten und am Arbeitszimmer vorbei. Nemi, die Schuhe anhatte, war deutlich schneller, aber Jadzia war entschlossen, sich zu rächen. Nemi stieß die Küchentür auf und Jadzia hetzte ihr schlitternd hinterher.
Bunte Kreppspiralen hingen von der Decke und ein riesiger roter Kuchen stand auf der Kochinsel. Herzlichen Glückwunsch! war mit Zuckerglasur daraufgeschrieben worden.
»Überraschung!«, rief Etom Prit und Jadzia wäre vor Schreck um ein Haar auf dem Hintern gelandet.
Sie schlang die Arme um den nassen Oberkörper und blickte sich zitternd und verwirrt um. Es musste um ihre Bewerbung gehen, das konnte allerdings nicht sein. Es war ein verrückter Traum. Nur Kinder wie Nemi glaubten an so etwas.
»Was ist hier los?«, wollte Jadzia wissen.
Strahlend umfasste Nemi ihre Schultern. »Sie haben deine Bewerbung akzeptiert. Du hast es geschafft!«
»Habe ich?« Sie wollte es beinahe nicht glauben. Das hier war zu groß, zu wunderbar, um in ihrer Realität wahr zu werden. »Wie … wie habt ihr es erfahren?«
»Ich habe so meine Möglichkeiten. Computer, Handtuch, warm.« Prit zog ein flauschiges Tuch frisch aus dem Replikator und legte es Jadzia um die Schultern.
Die Wärme kam fast so überraschend wie die Kälte zuvor und riss eine Mauer in ihr nieder. Sie hatte sich das so lange gewünscht. Sie hatte gekämpft und gekämpft, und als Curzon Dax es ihr genommen hatte, hatte sie aufgegeben. Irgendwie hatte sich Jadzia von einem Kind, das keine Grenzen kannte und davon träumte, an der uralten Weisheit eines Symbionten teilhaben zu dürfen, in eine graue Büromaus verwandelt. Es war ein sanfter Albtraum, einer, der sie bis ans Ende ihrer Tage hätte verfolgen können.
Doch nun blickte sie in Nemis strahlende Augen, sah ihr überschwängliches Lachen – und endlich war sie wieder wach. Ihr Leben war zurechtgerückt worden und Jadzia fühlte sich überwältigt von der Chance, die man ihr gewährt hatte.
Sie versuchte zu sprechen, konnte jedoch kein Wort über die bebenden Lippen bringen. Sie wollte so sehr, dass es tatsächlich wahr war.
Als hätte Nemi ihre Gedanken gelesen, nickte sie. »Es ist wahr.«
Prit klopfte ihr durch das Handtuch sanft auf den Rücken. »Na, na. Kein Grund zu weinen.«
Jadzia wollte ihm sagen, dass sie gar nicht weinte, aber alles, was sie zustande brachte, war ein abgehacktes Schluchzen und ein Schniefen. Nemi umarmte sie ganz fest, presste ihre Wange gegen die von Jadzia und ihre Tränen vermischten sich miteinander.
»Ich bin so stolz auf dich!«, schluchzte sie. »Du hast es geschafft! Du hast Geschichte geschrieben!«
In den Armen ihrer Freundin sank Jadzia langsam zu Boden. Nemi hielt sie fest, flüsterte Aufmunterungen und lächelte, bis sie schließlich begriff …
Sie würde es schaffen. Ganz egal, wie: Jadzia würde vereinigt werden.
Als Jadzia Dax die Augen öffnete, dachte sie als Erstes an Etom und Nemi Prit. Der Handelskommissar hatte wirklich Angst um seine Enkelin. Es war falsch von ihr gewesen, ihn abzuweisen.
Der morgendliche Lärm des lebhaften Treibens auf der Promenade drang schwach bis in den Behandlungsraum und sie setzte sich erschrocken auf. Wie lange hatte sie geschlafen? Es fühlte sich für sie an, als wäre überhaupt keine Zeit verstrichen.
»Willkommen zurück!«, sagte Bashir, griff nach seinem Scanner und gesellte sich zu ihr. »Ich habe mir die Ergebnisse der letzten Nacht angeschaut und es gab keine ungewöhnlichen Werte. Sie haben tief und fest geschlafen.«
Dax’ Mund fühlte sich wie ausgetrocknet an und ihr Schädel schien mit Watte gefüllt zu sein – typische Anzeichen eines Katers. »Ich war völlig weggetreten. Wie spät ist es?«
»Beinahe Mittag. Ich habe Sie schlafen lassen.«
»Julian!«
»Sie haben es gebraucht«, verteidigte er sich. »Und ich hatte dadurch die Gelegenheit, die Daten der Biomaterie-Proben zu ordnen, die wir angesetzt haben.«
»Ich dachte, die würden wir uns zusammen anschauen.«
»Jadzia, Sie müssen sich ausruhen. Sie halsen sich mehr Aufgaben auf, als Sie schaffen können. Ich habe den Captain kontaktiert und er hat Ihnen Urlaub genehmigt.«
»Warum sollte er auch nicht? Heute ist mein freier Tag.«
»Ich sage ja nur, dass Sie es mir überlassen sollten, mich in der nächsten Zeit um die Proben zu kümmern. Ich bin dankbar für unsere Zusammenarbeit, gar keine Frage – aber ich möchte, dass Sie sich im Moment ein wenig um sich selbst sorgen.«
Unter den Menschen gab es den Ausdruck, dass »jemand es zu gut mit anderen meinte«, und Doktor Bashir war definitiv ein Paradebeispiel dafür. Wenn er sich erst einmal auf eine Person eingeschossen hatte, konnte er unerträglich sein. Sie brauchte gar nicht erst anzufangen, mit ihm zu diskutieren, sonst würde sie den ganzen Tag hier verbringen, also sagte sie das, was sie immer sagte, wenn sie wollte, dass er zu reden aufhörte.
»Also schön. Sie haben mich überzeugt.«
»Sehr gut.«
»Waren Sie die ganze Nacht hier?«, fragte sie.
»Einen Teil davon. Ich hatte Probleme, wieder einzuschlafen, und hatte gehofft, dass ein bisschen Programmierung mir helfen könnte.« Er zuckte mit den Achseln. »Leider war das nicht der Fall. Nun ja.«
Er mochte zwar behaupten, dass er hier gewesen wäre, um nach dem Experiment zu schauen, aber Dax kannte ihn zu gut, um ihm das abzukaufen. Er hatte eine Schwäche für sie und bedachte sie in jeder Hinsicht mit zu viel Aufmerksamkeit. Wenn sie in einem Behandlungsbett lag, war er garantiert nicht weit weg.
»Doktor Bashir«, drang die Stimme der Schwester aus seinem Kommunikator.
»Sprechen Sie«, erwiderte er.
»Hier draußen steht ein Herr, der fragt, ob Commander Dax bei uns ist. Sein Name ist Etom Prit.«
Dax fluchte leise. Sie hatte Prit nicht mitgeteilt, dass sie es nicht zum Mittagessen schaffen würde.
»Bitte lassen Sie ihn rein«, sagte sie.
Prit kam zur Tür hereingestürmt. Er trug seine Geschäftskleidung und seine Miene wirkte sorgenvoll. »Jadzia!«
»Es tut mir so leid, Etom«, sagte sie. »Wie hast du herausgefunden, wo ich bin?«
»Ich habe mir Sorgen gemacht, als du nicht zu unserer Verabredung gekommen bist.« Während er sprach, knetete er unwillkürlich seine Hände. »Da wir uns um die Ecke zum Mittagessen treffen wollten, dachte ich mir, ich schaue mal in der Krankenstation vorbei – und hier bist du! Was ist passiert? Geht es dir gut?«
Sie schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. »Ja, danke. Ich bin … bloß erschöpft, das ist alles.«
Prit zog die Augenbrauen zusammen. »Es tut mir so leid. Ich hätte dir niemals diesen Unsinn mit Nemi erzählen sollen. Du hast genug um die Ohren. Ganz sicher hast du recht und meine Enkelin wird schon wieder vernünftig werden.«
Jorans Stimme wisperte in ihren Erinnerungen: Du hast bereits etwas verloren, das dir viel bedeutet hat.
»Etom, ich …«, fing Dax an, während sie versuchte, sich darüber klar zu werden, wie sie ihm ihre Vision erklären sollte. Joran war ein Geheimnis, das nur wenige kannten, und so sollte es auch bleiben. Noch schlimmer war, dass in ihrer Vision ein Gefühl von Gewalt, von etwas Bösem mitgeschwungen hatte. Sie durfte ihm nicht erzählen, was sie erlebt hatte, sonst könnte er sich womöglich zu unbedachtem Handeln hinreißen lassen.
»Ich mache mir Sorgen um Nemi«, sagte Dax. »Ich glaube, ich möchte doch losfliegen und nach ihr schauen.«
»Das musst du nicht tun«, versicherte ihr Prit. »Ich bin nicht hergekommen, um dich mit Schuldgefühlen zu belasten, und außerdem bist du krank.«
»Ich habe das Gefühl, dass Nemi …«
Prit musterte sie mit eindringlichem Blick und sie entdeckte einen Anflug seines alten Feuers darin.
»Sie könnte vermutlich eine Freundin brauchen«, beendete Dax ihren Satz. »Ich bereite alles vor, um dem Avendawn einen Besuch abzustatten. Mir wurde gerade etwas Urlaub genehmigt.«
»Hallo! Doktor Julian Bashir«, warf der Arzt ein und schüttelte Prits Hand. »Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich kurz mit meiner Patientin allein spreche?«
»Äh, nein, überhaupt nicht.« Prit deutete in Richtung Tür. »Soll ich draußen warten?«
Bashir faltete die Hände. »Ja, vielen Dank. Es dauert nur einen Moment, dann gehört sie wieder ganz Ihnen.«
Kaum dass Prit den Raum verlassen hatte, wandte sich Bashir an Dax. »Nemi war das Mädchen aus Ihrer Vision, oder? Von dem Sie mir erzählt haben.«
»Ja.«
»Halten Sie es wirklich für klug, einer … Halluzination nachzujagen?«
Sie sah ihm in die Augen und wünschte sich, sie könnte ihm erklären, wie es war, vereinigt zu sein und Wahrheiten zu kennen, die aus mehreren anderen Leben stammten. »Julian, ich muss es tun. Irgendetwas geht da vor sich und ich könnte es mir nie verzeihen, eine Warnung nicht beachtet zu haben.«
»Woher wissen Sie, dass das alles zusammenhängt und es nicht bloß Ihr Unterbewusstsein ist, dass aus verschiedenen Stimuli etwas erzeugt hat?«
Er mag recht haben. Es könnte sich um Trugbilder gehandelt haben, ausgelöst durch den Alkohol und beeinflusst von den jüngsten Ereignissen. Sie fühlte sich schuldig, weil sie Prits Bitte abgelehnt hatte. Schließlich schuldete sie Prits Familie so viel.
Doch sie konnte diese Träume nicht ignorieren. Sie musste dem Ganzen auf den Grund gehen. Als Wissenschaftsoffizierin vertraute Jadzia Dax auf Fakten, eine vereinigte Trill maß allerdings auch Visionen eine gewisse Bedeutung bei. Sie brauchte keine hieb- und stichfesten Beweise, um der Sache nachzugehen. Die Warnung von Joran genügte. Bashir musste das verstehen.
»Wahrscheinlich steckt rein gar nichts dahinter«, fuhr er fort. »Als Ihr Doktor muss ich Einwände gegen diese Vorgehensweise erheben.«
Sie warf ihm einen kühlen Blick zu, die Lippen zu einem schmalen, verärgerten Strich zusammengepresst. »Julian, ich möchte einen Urlaubsort mit einem Casino-Hotel besuchen. Sie haben mir gesagt, ich solle mir eine Auszeit nehmen. Wie die auszusehen hat, können Sie mir nicht vorschreiben.«
»Aber …«
»Außerdem haben Sie ja selbst gesagt: Sie brauchen meine Hilfe nicht, was die Betreuung der Proben angeht. Sie können sich selbst darum kümmern.«
»Das ist nicht ganz das, was ich meinte, als ich …«
»Wünschen Sie mir Glück.« Sie lächelte und drückte seine Schulter, bevor sie vom Bett sprang. »Und ›wahrscheinlich steckt rein gar nichts dahinter‹, nicht wahr?«
Ohne ihm die Gelegenheit zu weiteren Widerworten zu geben, verließ Dax energischen Schrittes die Krankenstation. Prit stand etwas verloren draußen im Gang neben einer Wandkonsole. Erwartungsvoll zog er die Augenbrauen hoch.
»Etom«, sagte sie. »Ich werde mit Nemi sprechen. Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe, deine Bitte abzulehnen. Du hättest mir gegenüber nie so gehandelt.«
»Oh, meine Liebe, ich weiß das aufrichtig zu schätzen, aber wirst du wirklich zurechtkommen?«
»Ja, außerdem habe ich nicht vor, unvorbereitet dort aufzutauchen. Ich möchte mit ihren Freunden, diesen Kael’tach, sprechen. Weißt du, wer sie sind?«
Er holte tief Luft und nickte dann mit neuer Entschlossenheit. »Ich schicke dir alles zu, was ich an Informationen über sie gesammelt habe.«
Dax’ Kabine an Bord des Passagierkreuzers Amity war alles andere als komfortabel. Es gab gerade genug Platz, um auf dem Bett zu sitzen und zu lesen. Es existierten keinerlei Annehmlichkeiten, da es kaum echte Vergnügungsschiffe gab, die von Deep Space 9 ablegten. Das Schlimmste war der schwache Geruch von Metall und den Körperausdünstungen vorheriger Gäste. Sie vermisste schon jetzt ihr Quartier an Bord der Station.
Sie hatte sich für leichtes Gepäck entschieden, nur eine Reisetasche mit ein paar Kleidern zum Wechseln, einem Padd, ihrem Trikorder und einem Phaser. Sie hoffte, dass sie die Waffe nicht brauchen würde, doch eine Sache hatte sie die Zeit bei der Sternenflotte gelehrt: Einen Phaser mitzuführen war nie verkehrt.
Um nach Argelius II zu gelangen, würde sie später in ein anderes Transportmittel umsteigen müssen, im Augenblick blieb ihr jedoch nichts weiter übrig, als abzuwarten und sich die Zeit zu vertreiben. Also aktivierte Dax ihr Padd und rief die Informationen auf, die ihr Prit über die Kael’tach geschickt hatte.
Oder in der Gemeinsprache: die Erhabenen.
Dax wusste nicht genau, was sie an dem Begriff störte, aber irgendwie hatte er einen synästhetischen Effekt auf sie, so als würde ihr jemand mit einem kalten Finger den Rücken hinauffahren. Allein wenn sie darüber nachdachte, kam ihr alles düsterer vor und sie versuchte sich vorzustellen, was für eine Gruppe von Leuten wohl unter solch einer Bezeichnung zusammengefunden haben mochte.
Dax besuchte die Onlinepräsenz der Kael’tach, sah dort jedoch lediglich ein Logo, das aus einem stilisierten Auge und einer Feder bestand. Nichts, was sie versuchte, brachte sie an den Sicherheitsschranken vorbei. Ohne entsprechende Legitimation war es ihr unmöglich, auf legale Art und Weise weiter vorzudringen. Da Dax im Auftrag eines Freundes Informationen über die Kael’tach suchte und nicht als Sternenflottenoffizier, waren ihr hier die Hände gebunden.
Unter dem Logo befand sich ein kleines Motto: Neues Leben. Volles Potenzial.
Es klang wie ein Rekrutierungsbüro. Prit hatte berichtet, dass die Mitglieder alle aus dem Kandidatenprogramm ausgeschlossen worden seien. Dax stellte sich vor, wie es für sie gewesen wäre, auf diese Gruppe zu stoßen, nachdem sie von Curzon abgelehnt worden war. Sie war damals so verbittert und gebrochen gewesen. Sie hatte sich durch all diese traumatischen Erfahrungen mit der Symbiosekommission und dem Kandidatenprogramm gekämpft, nur um rausgeworfen zu werden. Aus reinem Verlangen hatte Curzon versucht, sie der Verwirklichung ihres Potenzials zu berauben. Sie konnte sich noch immer an den Ausdruck der Scham auf seinem Gesicht erinnern, an das Schuldbewusstsein, als er seine Motive im Rahmen ihrer Zhian’tara zugegeben hatte.
»Sie waren einfach bezaubernd …«
Er hatte sie bevormundet, gescholten, ihre Selbstachtung zerstört, und das alles, weil er sie »geliebt« hatte. Curzon mochte das nicht für sexuelle Belästigung gehalten haben, doch er hatte ihr die Chance ihres Lebens genommen, nur weil er sich nicht hatte zusammenreißen können. Jadzia hatte keine anderen Worte dafür. Wenn sie damals die Wahrheit gekannt hätte, wäre sie, ohne zu zögern, in die Arme der Kael’tach gerannt. Vielleicht handelte es sich um eine Art Selbsthilfegruppe?
Ihr Padd enthielt die vorläufigen Dossiers, die Prit über Nemis Freunde zusammengestellt hatte: grundlegende, öffentlich zugängliche Daten, allerdings ausgesprochen gründlich recherchiert. Prit war ein Verbündeter von Curzon gewesen und hatte mehr als einmal seine Firmen und Verbindungen im Dienste staatlicher, diplomatischer Intrigen genutzt. Genau wie Curzon kannte auch Prit Leute, die an jede Art von Information gelangen konnten.
Dax ging die Bilder von Nemis Freunden durch. Aia Keteel war eine vielversprechende Studentin der Biomedizin, die auf dem besten Weg zu ihrem Doktortitel war. Seval Geps Name ließ sich mit einem unbedeutenderen Durchbruch auf dem Feld der Warpdynamik in Verbindung bringen. Er träumte davon, ein Schiffsentwickler zu werden. Bani Moxern war ein erfahrener Soldat, der von der Föderation eine Tapferkeitsauszeichnung bekommen hatte.
Diese jungen Leute waren aufstrebende Sterne, Musterschüler auf ihrem jeweiligen Gebiet, so wie Jadzia Dax es in ihrem Bereich war. Man musste einem besonderen Personenschlag angehören, um ein Kandidat zu werden, daher war es kaum eine Überraschung, dass sie alle einiges an Verdiensten aufweisen konnten. Selbst aus dem Kandidatenprogramm Ausgeschlossene wurden häufig von prestigeträchtigen Institutionen angeworben – die Symbiosekommission verfügte sogar über eine eigene Karriereberatungsstelle, um dabei zu helfen, den Schmerz des Versagens zu lindern. Dort hatte Jadzia Prit kennengelernt, bevor sie vereinigt worden war – er hatte Curzons Ausschussware für sein Unternehmen eingesammelt.
Weiter gingen Prits Dossiers nicht. Sie verrieten nicht, auf welche Weise Nemis Freunde versagt hatten oder wann und warum. Sie enthielten bloß ein paar ehemalige Adressen, Kontaktinformationen und Beschäftigungsnachweise. Irgendwoher hatte Prit Aia Keteels Studienbuch aufgetrieben, was Dax ein wenig beunruhigend, wenn auch nicht gänzlich überraschend fand. Der Mann wusste, wie man Informationen zum Vorschein brachte.
Von Zeit zu Zeit hatte Dax als Fachdozentin gearbeitet und Kandidaten evaluiert, so wie es Curzon zuvor getan hatte. Ein Versagen bedeutete für gewöhnlich, dass ihre Chancen, vereinigt zu werden, zerstört worden waren. Ihre Entscheidung konnte die gesamte Zukunft der Kandidaten bestimmen, daher stattete die Symbiosekommission ihre Dozenten mit sämtlichen Mitteln aus, die sie brauchten, um die Kandidaten gründlich zu durchleuchten.
Diesen Fachdozentenzugang hatte Dax noch. Genau genommen war sein Einsatz nicht gegen die Regeln.
Sie loggte sich in die Datenbank ein, um nachzuschauen, ob sie den Grund für die Ablehnung der drei finden konnte. Seval Gep hatte sich an seine Dozentin rangemacht und Bani Moxern hatte einen Selbstmordversuch unternommen – ein sofortiger Ausschlussgrund für jemanden, dem ein anderes Leben anvertraut werden sollte. Aia Keteel war nicht durch einen Dozenten aussortiert worden. Wie es den Anschein hatte, bestand die Möglichkeit, dass eine körperliche Anomalie in ihrer Bauchhöhle eine erfolgreiche Vereinigung verhindern könnte. Dax wusste bereits, warum Nemi abgelehnt worden war – sie hatte zu Drogen gegriffen, um sich einen Vorteil im Wettbewerb zu verschaffen.
Als Dax zu dem Feld kam, das ihren gegenwärtigen Status auflisten sollte, fand sie es bei allen leer vor. Es gab keinerlei Einträge zu aktuellen Beschäftigungsverhältnissen und auch keine Hinweise auf psychiatrische Nachsorgetermine.
Für Jadzia war es schrecklich gewesen, von Curzon abgelehnt zu werden, und nur die Hilfe, die ihr zuteilgeworden war, hatte diese Zeit für sie erträglich gemacht. Etom und Nemi hatten ihr das Leben gerettet. Keiner von Nemis Freunden schien irgendeine Art von Unterstützung erhalten zu haben.
Über ihrem Kopf flackerte das Licht und Jorans kalter Zorn sickerte in ihre Gedanken.
Kael’tach.
Erneut rief sie deren Seite auf ihrem Padd auf und betrachtete das Logo. Das Auge und die Feder weckten keinerlei Erinnerungen. Der Name allerdings beunruhigte sie. Je länger sie darauf blickte, desto mehr staute sich eine Mischung aus Zorn und Empörung in ihr auf. Sie war sonst immer so ruhig. Warum gelang es ihr nicht, ihre Gefühle im Zaum zu behalten?
Erneut flackerte die Beleuchtung und unterbrach ihre Gedanken.
Schweigend wartete Dax darauf, dass die Dinge eine unheimliche Wendung nahmen, doch ihre Umgebung blieb einfach beengt und leicht muffig. Also kehrte sie zu ihrer Recherche zurück und beschäftigte sich damit bis in den späten Abend hinein, wie ihr das Schiffschronometer verriet. Curzon hatte früher Stunden damit zugebracht, sich in die Dossiers diplomatischer Gegner und Interessenvertreter zu vertiefen. Diese Erfahrung brachte sie nun gegen Nemi und ihre Mitstreiter zum Einsatz, während sie versuchte, eine Vorstellung von deren Beziehung untereinander zu bekommen – bis sie schließlich erschöpft war.
Der Raum wurde dunkler und sie glaubte, den fernen Klang eines Klaviers zu hören – Jorans Instrument. Vielleicht handelte es sich in Wahrheit um irgendwelche Störgeräusche der Elektronik. Möglicherweise war sie auch einfach mittlerweile zu lange wach. Eins stand jedoch fest: Dax war nicht in der Stimmung, mit einem Phantom Spielchen zu spielen. Sie holte den kleinen Benzozyatizin-Injektor hervor, drückte ihn gegen ihren Hals und schoss sich eine Dosis in die Blutbahn.
Sie hasste diese Gefühle – ihre Unsicherheit und den Zorn. Joran wusste womöglich überhaupt nichts, doch es machte ihm Spaß, für Ärger zu sorgen. Zu Lebzeiten war er ein bösartiger Manipulator gewesen. Bis vor einem Jahr hatte Dax nicht einmal eine Ahnung von seiner Existenz gehabt. Damals war er durch Halluzinationen und Wutanfälle in ihrem Bewusstsein aufgetaucht. An dem Tag hatte sie erfahren, dass die Symbiosekommission sie belogen hatte.
Dort hatte man seine Existenz verborgen und eine Gedächtnisblockade im Dax-Symbionten eingerichtet, um ihn zum Schweigen zu bringen. Als diese Blockade zu zerfallen begonnen hatte, hatte Jadzia zunächst geglaubt, sie würde den Verstand verlieren. Ihre Unfähigkeit, Jorans Existenz anzuerkennen, hatte sie und ihren Symbionten ins Ungleichgewicht gebracht, mit beinahe tödlichen Folgen. Die Geschichte ihrer Vorgänger zu kennen war für das Überleben des Symbionten ebenso wichtig, wie zu essen und zu trinken. Joran war ein Teil von ihr. Sie hatte gelernt, das zu akzeptieren, ebenso wie sie Curzons Sünden akzeptiert und vergeben hatte.
Binnen Minuten hatte das Benzozyatizin ihren hämmernden Herzschlag beruhigt und sie spürte, wie die Müdigkeit sie zu überwältigen begann. Sie legte das Padd zur Seite. Sie hatte noch eine lange Reise bis nach Argelius II vor sich und es war vermutlich das Beste, ihre Reserven endlich etwas aufzufüllen.
Schließlich sollte das hier doch ein Urlaub sein.
Flirrend nahm die argelianische Hauptstadt Luminox um Dax herum Gestalt an. Um einen spektakulären ersten Eindruck von einem Ort zu bekommen, gab es einfach nichts Besseres, als mit dem Transporter dort einzutreffen. Luminox war ein funkelndes Juwel der Künste – voller Musik, Tanz wie auch weitaus hedonistischerer Vergnügungen – und außerdem ein einladender Hafen, den die Sternenflotte schon lange anflog. Dax stand in der Mitte des Marble Hill Plaza und blickte hinaus auf eine smaragdgrüne Bucht. Auf dem Hang vor ihr erstreckte sich ein blühender öffentlicher Park mit Bäumen und Springbrunnen, dahinter waren die gewundenen Straßen der Stadt auszumachen. Das Avendawn lag fern draußen auf dem Wasser, seine elegante Alabasterfassade von Lichtern erhellt.
Natürlich hatte man sie in den falschen Teil der Stadt gebeamt. Sie hasste es, als Zivilistin zu reisen.
Dax nahm einen tiefen Atemzug frischer Luft, dann schulterte sie ihre Reisetasche und machte sich auf den langen Weg quer durch die Stadt. Die Seebrise weckte ihr müdes Herz, während sie über die kopfsteingepflasterten Straßen in Richtung Wasser lief. Touristen spazierten von einem Geschäft zum nächsten, erfreuten sich an Speisen und Getränken und erfüllten den Abend mit Lachen. Bunte Laternen hingen von Fächerbögen und Dax blieb stehen, um die kunstfertigen Reliefs an den zahlreichen Säulen zu bewundern.
Der ganze Planet schien voller Leben zu sein, von den alabasternen Spielhallen bis zu den romantischen Parks, in denen die schönsten Pflanzen blühten. Dax machte halt, um ein paar argelianische Süßbrötchen zu kaufen. Beim Gedanken an den warmen, mit Honig gefüllten Teig lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Sie hatte sie kaum bezahlt, als sie auch schon in die Tüte griff, um sich eins zu nehmen. Die butterige Zuckerkruste zerbrach auf ihrer Zunge und enthüllte darunter das feuchte, klebrig-weiche Innere. Eigentlich hatte sie die Absicht gehabt, die Teilchen im Verlauf ihres ganzen Marschs zu naschen, doch letztlich kam sie keinen Block weit, bevor das letzte verputzt war. Ein Gefühl von Dankbarkeit wärmte ihr Herz und nun freute sich Dax auf den langen Spaziergang, der in dieser nahezu perfekten Nacht noch vor ihr lag.
Je näher sie dem Wasser kam, desto weniger hatten die Leute an. Badegäste füllten die in Mondschein getauchten Sandstreifen vor den Strandcafés und planschten in den warmen Wasserläufen, die an dieser Stelle in den Ozean zurückflossen. Auf flachen Felsen erhoben sich funkelnde Bars und über flackernden Lagerfeuern drehten sich schwer beladene Spieße. Der Geruch von Grillfleisch hing in der salzigen Luft und Dax verfluchte ihren Magen dafür, dass kein Platz mehr darin war. Die luminoxische Küche lebte besonders von Speisen zum Mitnehmen und vor allem ihre Strandbrote galten als vorzüglich. Dax überlegte noch, ob sie etwas für später einpacken sollte, als sie das prachtvolle Avendawn erreichte.
Aus der Nähe betrachtet vermochte das Casino selbst einen abgebrühten Architekten zu überwältigen. Die Spielhölle war in den Überresten eines alten, gestrandeten Raumfrachters eingerichtet worden, aber man hatte das Gefährt massiv modifiziert. Funkelnde Streifen in Edelsteinfarben verliefen über seine Hülle und schrien nach Aufmerksamkeit. Der Pier zu dem Schiff war mit Laternen jeder Größe geschmückt, in denen echte Kerzen flackerten, und zu beiden Seiten mit Buden gesäumt, die alles versprachen, was das Herz begehrte – von verlockenden Alkoholika bis zu erlesenen Antiquitäten (natürlich zu völlig vernünftigen Preisen).
An diesem Ort zu sein weckte ihre alte Seele. Spätabendliche Runden t’Sang mit klingonischen Freunden waren ein Teil von Curzons Leben gewesen – selbst heute konnte sie nicht widerstehen, wenn sich die Gelegenheit zu einer Partie bot. Nur ein paar der Wirtskörper in Dax’ Vergangenheit hatten dabei Vergnügen empfunden, Geld einzusetzen, aber Jadzia liebte es. Echte Risiken mit echten Konsequenzen verliehen dem Spiel eine Dramatik, der sie sich nur selten entziehen konnte. In der Sternenflotte erlebte man durchaus viele aufregende Dinge, es gab allerdings auch immer Tage und Wochen voller Langeweile. Glücksspiel dagegen verlor nie seinen Reiz.
Dax hatte Latinum und Urlaub. Sie würde hier ihren Spaß haben und Joran konnte ihr gestohlen bleiben.
Sie ließ ihren Blick über den Pier schweifen und ihr fiel auf, dass viele der Feiernden schicke Kleider trugen. Ihre Sternenflottenuniform war bequem, aber deutlich zu funktional in diesem Meer aus Haute Couture. Man würde ihr deswegen nicht den Zugang zum Gelände verwehren – Sternenflottenoffiziere waren auf Argelius stets willkommen –, aber sie wollte an den Spieltischen lieber wie ein wohlhabender Gast behandelt werden.
Ein durchscheinendes Kleid flatterte in einem der Fenster und lenkte ihren Blick auf sich. Bahnen aus hellem, wachsartigem Stoff verblassten zu Violett wie die Blütenblätter einer Enkeela-Blume. Ein eleganter Ausschnitt zog sich hinten tief den Rücken hinunter und die Schultern wurden von zwei Kämmen aus schillernden Federn geschmückt.
Das richtige Kleid konnte einen Dax betören – aus unterschiedlichen Gründen. Emony dachte dabei an die Art und Weise, wie fließend der Stoff wirkte. Für Curzon war eine Frau, die so ein Gewand trug, entweder Rivalin oder Objekt der Begierde oder beides. Jadzia gefiel vor allem, wie sie sich dabei fühlte, wenn sie solche Kleider trug.
Dax ging hinein und unterhielt sich mit der Designerin, während diese das Modell für sie anpasste und replizierte. Das reduzierte ihren Vorrat an Latinum ein wenig, aber nur etwa in Höhe eines Wochengewinns beim Tongo. Nachdem sie sich noch eine passende Handtasche und elegante Schuhe gekauft hatte, bedankte sich Dax bei der Künstlerin und ließ sich das Kleid unter ihrem Namen ins Avendawn schicken.