Steckerlfischfiasko - Rita Falk - E-Book

Steckerlfischfiasko E-Book

Rita Falk

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Beschreibung

»Was glaubens, was hier los ist, wenn die Presse Wind davon kriegt?« Wegen dem Golfclub ist Niederkaltenkirchen eh schon gespalten wie ein Holzscheit, aber jetzt liegt auch noch der Steckerlfischkönig höchstselbst und mausetot in der clubeigenen Spa-Landschaft. Der Franz ermittelt unter dubiosen Volksfestclans und golfenden Schickimickiarschlöchern, während seine Susi ganz andere Pläne hat: Sie kandidiert als Bürgermeisterin, was beim aktuellen Dorfoberhaupt hochgradig nervöse Zuckungen auslöst … Der Eberhofer macht das Dutzend voll und muss wieder alles geben!

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Über das Buch

Lieber Gott, sei gnädig und lass es einfach einen simplen Herzinfarkt sein! Oder einen Gehirnschlag. Oder ein multiples Organversagen meinetwegen. Aber keinen Mord! Nicht auf dem beschissenen Golfplatz! Und nicht ausgerechnet heute. Heut geht’s mir nämlich irgendwie gar nicht gut. Keine Ahnung weswegen. Bin einfach nicht fit und schlecht ist mir auch noch, und zwar ziemlich. Und da käm halt jetzt so ein unnatürlicher Todesfall gar nicht so günstig …

 

Leider werden die Gebete vom Franz nicht erhört und deshalb hat der jetzt plötzlich einen Haufen Scheißdreck am Hals. Warum muss die Leich denn unbedingt im Spa-Bereich von diesem saublöden Golfclub liegen. Und dann flippt auch noch die Möchtegern-Bürgermeisterin Susi aus, weil er den Pauli nicht zum Ballett bringen mag. Zwischen Golfern und anderen Volldeppen muss der Franz jetzt außerdem nach einem Mörder suchen. Na, bravo!

Rita Falk

Steckerlfischfiasko

Ein Provinzkrimi

Kapitel 1

Es gibt denkbar wenige Dinge, die mich auf die Palme bringen. Unser Golfplatz aber ist auf dem besten Weg, mich in den Wahnsinn zu treiben. Von Anfang an war das so. Seit es ihn praktisch gibt. Im Grunde genommen auch schon davor. Also noch vor der Grundsteinlegung, könnte man sagen. Da war nämlich Niederkaltenkirchen quasi bereits mitten im Ausnahmezustand und gespalten wie ein Holzscheit. Weil halt die eine Hälfte unserer Eingeborenen hier teilweise aus wirtschaftlich-lukrativen oder aber auch dynamisch-sportlichen Interessen für den Bau dieses dämlichen Golfplatzes war und die andere, die war somit dagegen. Und zwar vehement. Die war vielmehr der Ansicht, dass unser dorfeigener Kindergarten dringend renoviert und erweitert werden müsste, und das möglichst schleunigst. Weil der erstens schon eine ganze Weile lang an allen Ecken und Kanten dem sicheren Ruin entgegenschrammt und obendrein längst aus den maroden Nähten platzt. Ganz offensichtlich scheint unser Neubaugebiet auf ausgesprochen fruchtbarem Boden zu stehen. Ja, und da waren sie dann, die zwei Lager. Denn um beide Projekte realisieren zu können, da hat’s eben schlicht und ergreifend am nötigen Etat gefehlt.

Letztendlich war es dann doch die Golffraktion, die das Rennen gemacht hat, und seither haben wir praktisch unsern Scheißdreck. Weil dann nämlich exakt das gekommen ist, was viele schlaue Köpfe bereits vor dem Startschuss befürchtet haben. Und zwar, dass sich seit der rauschenden Eröffnungsfeier im vorletzten Frühjahr sämtliche Schickimicki-Arschlöcher aus dem gesamten Landkreis nun hier bei uns im Dorf einfinden und mit ihren fetten Porsches und SUVs unsere ganzen Straßen verstopfen und die Luft verpesten. Und das alles nur, um mit ihren depperten Eisen irgendwelche depperten Kugeln von einem depperten Loch zum nächsten zu schubsen. Und das über Stunden, Tage und Wochen hinweg. Geht’s eigentlich noch? Haben die wirklich nichts Besseres zu tun? Gehen die keiner geregelten Arbeit nach, oder was? Dafür muss man erst einmal Zeit haben und sich das auch leisten können. Und als ob das nicht schon genug wär, kommt da noch erschwerend hinzu, dass meine zwei ältesten – ich nenn sie jetzt einfach mal lapidar – Freunde, dass die inzwischen ebenfalls voll angefixt sind und diesem fragwürdigen Vergnügen nachhecheln. Allerdings bin ich nicht sicher, ob nicht aus reiner Berechnung heraus. Weil halt der Simmerl tagtäglich und mit schneeweißer Schürze dieses stinknoble Clublokal mit seinem frischen Fleisch- und Wurstsortiment beliefert. Freilich alles bio, regional und aus Offenstallhaltung, versteht sich, und damit auch dementsprechend teuer. Da dürfte er gut und gern das Doppelte verlangen, verglichen damit, wenn die Oma bei ihm einkaufen geht. Ja, und Verräter Nummer zwei in meinen eigenen Reihen ist der Flötzinger, seines Zeichens Gas-, Wasser- und Heizungspfuscher, und zwar in dritter Generation. Und der ist bei diesem Golfclub auch auf seine Kosten gekommen. Weil er denen nämlich den gesamten Spa- und Nassbereich ausgebaut hat und die exorbitante Küche gleich noch dazu. Unser Bürgermeister hat ihm dabei ein bisschen unter die sanitären Arme gegriffen. Und im Gegenzug, da hat ihm der Flötzinger hinterher und freilich aus purer Nächstenliebe heraus, versteht sich, sein Gästeklo für komplett umsonst nagelneu gemacht. Eine Hand wäscht ja bekanntlich die andere, sozusagen. Doch andererseits, wenn man einmal ehrlich ist, dann hat unser Flötz diesen Auftrag schon auch ganz gut vertragen können. Weil es ihm grad schon ziemlich nass reinkommt. Immerhin muss er für seine geschiedene Frau und die drei Kinder ja den gesamten Unterhalt stemmen. Da kann man schon eine Schnappatmung kriegen, frag nicht. Ja, so eine Scheidung ist kein Zuckerschlecken. Also schon rein aus finanziellen Aspekten heraus. Erschwerend kommt dann noch dazu, dass er ja gleich bis nach England rübermuss, wenn er sie mal sehen will, also seine Ex-Familie praktisch. Weil sie dort wohnen. Ich glaub ja, die Mary, die hat sich hier nie wohlgefühlt. Und dann irgendwann, nach geschätzten tausend Versuchen, da hat sie einfach die Schnauze voll gehabt. Hat die Schnauze voll gehabt von Niederbayern und den diversen amourösen Abstechern von ihrem Gemahl. Hat den Ignatz-Fynn, die Clara-Jane und die Amy-Gertrud eingepackt und ihren ganz persönlichen Brexit gemacht. Ja.

Nein, was ich eigentlich sagen wollte, dass ich schon ziemlich angepisst bin von meinen beiden Amigos. Denn anstatt dass wir einträchtig beim Wolfi am Stammtisch hocken und einfach ganz geschmeidig über diese elitäre Parallelwelt herziehen, da haben diese zwei Pharisäer nichts Besseres im Sinn, als ganz offensichtlich die Fronten zu wechseln. Und latschen jetzt selber in dubiosen Klamotten und mit lächerlichen Käppis auf ihrem Holzkopf über ein Grün, das gepflegter gar nicht sein könnte. Wassermangel hin oder her. Und wenn es der durch die neue Sportart hervorgerufene Freizeitmangel dann doch mal erlaubt und sie es zum Wolfi schaffen, dann gibt’s auch kein anderes Thema mehr als irgendwelche dämlichen Hölzer, Eisen oder Handicaps. Dabei fallen dann auch Wörter, die ich noch niemals gehört hab, und wenn die beiden koreanisch sprechen täten, dann würd ich vermutlich dasselbe verstehen.

So weit also der Status quo. Und jetzt? Jetzt gibt’s auch noch einen Toten dort, und zwar ausgerechnet in den Duschkabinen vom Flötzinger seinem Spa-Bereich. So zumindest hat mir das der Anrufer grad mitgeteilt, der ausgesprochen aufgeregt war, um nicht zu sagen hysterisch. Und er will, dass ich gleich komme. Und zwar pronto, sozusagen. Und weil es sich halt vermutlich bei so einem Toten um mein Aufgabengebiet handelt, drum muss ich jetzt notgedrungen mein Kaffeehaferl exen, die Haxen vom Schreibtisch nehmen und mich auf den Weg zum Streifenwagen machen.

Lieber Gott, sei gnädig und lass es einfach einen simplen Herzinfarkt sein. Oder einen Gehirnschlag. Oder auch ein multiples Organversagen meinetwegen. Aber keinen Mord. Tu mir das nicht an. Nicht auf diesem beschissenen Golfplatz. Und bitte auch nicht ausgerechnet heute. Heut geht’s mir nämlich irgendwie gar nicht gut. Keine Ahnung weswegen. Bin einfach nicht fit und schlecht ist mir auch noch, und zwar sogar ziemlich. Und da käm halt momentan so ein unnatürlicher Todesfall gar nicht so gelegen.

Gut, vielleicht hätt ich gestern Nacht, oder sollen wir besser heut früh sagen, nicht gleich bis Viertel nach vier beim Wolfi rumhängen sollen … Das hätt’s wahrscheinlich gar nicht gebraucht. Aber immerhin hat der blöde Wirt eben auch nur einmal im Jahr Geburtstag. Und somit seine Spendierhosen an. Und wenn man ihm schon das liebe lange Jahr hindurch einen ganzen Haufen Geld in sein schäbiges Wirtshaus trägt, da will man dann schließlich auch mal hinlangen, wenn’s endlich einmal etwas für umsonst gibt. Oder etwa nicht?

Grad wie ich jetzt die Einfahrt zum Golfplatz reinfahr, da läutet mein Telefon und reißt mich aus meinen Gedanken heraus. Es ist die Susi, die anruft, und ich würd jede Wette eingehen, dass sie mir gleich einen Einlauf verpasst. Weil ich so spät heimgekommen bin und Pipapo.

Aber nix. Stattdessen trällert sie mir in den Hörer.

»Guten Morgen, lieber Franz«, kann ich sie vernehmen.

Jetzt aber Obacht! Nachtigall, ich hör dir trapsen …

»Guten Morgen, liebe Susi«, antworte ich, während ich mich rein mental schon mal für den Gegenangriff wappne.

»Und, gut geschlafen?«, kommt es retour.

»Mei, so lala.«

»Na ja, zumindest ist es nicht besonders lang gewesen, gell«, kichert sie jetzt übertrieben lustig und dürfte somit zum Schlag ausholen. »Aber geschnarcht hast du, mein lieber Oschi. Ganze Wälder hast du abgesägt, Franz. Das kannst du mir glauben.«

»Allerhand«, murmle ich so in die Muschel.

»Aber was anderes, Franz. Könntest du … könntest du vielleicht heute Nachmittag den Paul vom … vom Ballettunterricht abholen?«, sagt sie und der Klang ihrer Stimme verrät prompt, wie schwer ihr dieser Satz über den hübschen Schmollmund kommt.

»Nein«, sag ich wahrheitsgemäß, während ich nun den Wagen einparke.

»Weil?«, fragt sie völlig überflüssigerweise, mittlerweile in einem deutlich schärferen Ton, und eigentlich müsste sie meine Antwort längstens schon kennen. Schließlich ist es nicht das erste Mal, wo wir eine ganz ähnliche Diskussionsrunde haben.

»Weil ich, wie du ja langsam wissen dürftest, unseren Paul gerne vom Fußballtraining abhole. Oder vom Karate. Vom Kugelstoßen oder vom Ringen. Meinetwegen auch vom Schafkopfen oder Bungeejumping. Aber ich hol ihn nicht vom Ballett und ich fahr ihn auch nicht hin. Definitiv nicht. Never ever, nie im Leben, also quasi nur über meine Leiche. Sonst noch was?«

»Kannst du mir vielleicht endlich mal deine blöde Macho-Scheiße ersparen, Franz? Immerhin ist es nicht auf meinem Mist gewachsen, diese Geschichte mit dem Ballett. Der Paul hat das so entschieden, und zwar für sich selber. Und schließlich und endlich ist es auch dein Sohn, der sich das so ausgesucht hat.«

»Was ein DNA-Test vermutlich widerlegen würde.«

»Haha, sehr witzig. Übrigens …«

»Apropos übrigens, das ist mein Stichwort, Susi«, muss ich sie hier unterbrechen. »Weil es übrigens bei mir grad ganz schlecht ist. Ich bin nämlich tierisch im Stress. So wie’s ausschaut, da hab ich gleich einen Mord an der Backe.«

Aus den Augenwinkeln heraus und durch die Windschutzscheibe hindurch kann ich nun einen Kerl wahrnehmen, der einen Blaumann trägt und vom Eingang des Clubhauses her schnurgerad auf mich zueilt.

»Du hast einen … was? Du hast einen Mord? Und das ausgerechnet jetzt, wo ich dich bitte, deinen Sohn vom Ballett abzuholen? Du hast doch eine Meise. Ha, dir ist wohl gar nichts heilig, Franz. Und nichts, rein gar nichts, keine einzige Ausrede ist dir dabei zu schäbig … Es ist doch nur Ballett, Franz. Nur Ballett. Weißt du, was du bist? Du bist … Boah, du bist einfach nur eine … eine glücklicherweise aussterbende Spezies von Männern. Nur, dass du das weißt.«

»Das kann schon gut sein, aber ich werde diesen Posten auch bis zum letzten Atemzug hin verteidigen«, sag ich und muss grinsen. Exakt in dem Moment kommt der Blaumann einen knappen Meter vor mir zum Stehen und schnauft wie ein Walross. Wir nicken uns kurz zu.

»Du bist einfach nur erbärmlich, Franz. Weißt was, fahr zur Hölle oder iss was Giftiges. Ich fass es einfach nicht. Ach ja und by the way, den Sex kannst du knicken, mein Freund. Und zwar für Wochen!«, zischt sie jetzt noch durch die Muschel und damit kann sie mir noch einen finalen Grinser entlocken. Dann hängt sie ein.

Lieber Gott, sei gnädig und lass es einen Mordfall sein!

»Wir zwei, wir haben gerade telefoniert, nehm ich mal an?«, sag ich beim Aussteigen.

»Ja, ich … äh, also ich bin der Hauswart hier. Bufka. Marek Bufka«, entgegnet der Blaumann, während er noch einen Schritt auf mich zukommt, und irgendwie scheint er noch immer außer Atem zu sein.

»Bond. James Bond«, entgegne ich, was offenbar nicht so ganz seine Art von Humor ist. Also ich persönlich, ich könnt mich grad wegschmeißen wegen dieser Bond-Geschichte, aber die Geschmäcker sind halt verschieden. Oder es liegt möglicherweise doch daran, dass ich noch ein bisschen besoffen bin. Wer weiß?

»Herr Eberhofer? Sie sind doch der Kommissar Eberhofer«, fragt er mich anschließend mit schief gelegtem Kopf und wirkt tatsächlich ein bisschen verwirrt. »Sie sind doch ein Polizist, oder?«

»Wonach sieht’s denn aus?«, frag ich retour und deute mit dem Kinn auf das Blaulicht vom Streifenwagen.

»Dann war das nur ein Spaß. Also das mit dem Bond. James Bond«, mutmaßt er nun so mehr vor sich hin und schüttelt kurz das kahle Haupt. »Wissen Sie, mit Spaß, da kann ich grad gar nix anfangen. Da liegt ein … ein Toter oben in den Duschen.«

»Richtig. Deswegen bin ich ja hier. Also auf geht’s. Dann schauen wir uns den halt einmal an.«

»Ich hab ihn mir ja schon angeschaut, Herr Kommissar. Sonst hätt ich Sie ja gar nicht erst angerufen«, sagt er und wir machen uns auf den Weg Richtung Eingang.

Mein lieber Herr Gesangsverein, was ist denn mit dem los? Geht’s eigentlich noch komplizierter?

Wir schweigen, während wir Seite an Seite den imposanten Empfangsbereich durchqueren. Rechts liegt der Eingang zum Lokal und zur Linken ein weiterer, der zu einem Golfshop führt. Beide Türen sind noch geschlossen, weil der passionierte Golfspieler an sich offenbar nicht dazu neigt, vor zehn Uhr morgens shoppen oder essen zu gehen, und es ist grad mal halb neun. Herrgott, bin ich müde. Am Ende der kleinen Halle ist das Treppenhaus, das uns in die erste Etage führt. Und da müssen wir hin, weil sich dort oben sämtliche sanitären Heiligtümer befinden, die dieses Haus aufzuweisen hat. Ich kenn diese Örtlichkeiten alle bereits, da es sich der Flötzinger nicht nehmen ließ, mir seine fachmännischen Aktivitäten zu präsentieren. Und freilich war er auch zur Eröffnungsfeier eingeladen und hat eine Begleitperson mitnehmen dürfen. Dieses fragwürdige Vergnügen hab dann, in Ermangelung einer Partnerin, ich abgekriegt. Normalerweise hätten mich ja keine zehn Pferde dort hingebracht, aber ehrlich gesagt war es dann schon ein bisschen die Neugier, die mich hingetrieben hat. Was da wohl für Leute kommen? Und was es alles zu essen gibt? Und zu trinken? Außerdem, und das darf man nicht abtun, hat’s ja auch alles aufs Haus gegeben. Essen und Getränke bis zum Abwinken quasi und freilich alles vom Feinsten. Die Oma, die hat mir zuvor sogar noch zwei von ihren Tupperschüsseln mitgegeben. Zwei von den mittelgroßen, man muss es ja nicht gleich übertreiben.

Grad wie wir nun die sanitäre Dreifaltigkeit, also den Sauna-, Dusch- und Relaxbereich, betreten wollen, da bleibt der Bufka plötzlich ganz abrupt im Türrahmen stehen und dreht sich zu mir um.

»Ich glaube … also ich befürchte, dass er umgebracht wurde, Herr Kommissar«, sagt er mit zittriger Flüsterstimme, während er mit dem Ärmel vom Blaumann über seine Stirn wischt.

»Ja, schauen wir mal.«

»Es ist … es ist kein schöner Anblick, Herr Kommissar. Machen Sie sich auf einiges gefasst.«

Also mach ich mich auf einiges gefasst. Wir müssen den Raum mit den Spinden durchqueren, ehe wir den Nassbereich erreichen. Und dort kann ich ihn auch schon sehen, unseren Toten. Er ist splitterfasernackt, was allerdings in Anbetracht der Örtlichkeit auch durchaus im Bereich des Möglichen ist. Und er liegt auf dem Bauch. Die Beine sind gespreizt in den Raum gestreckt, der Kopf ruht an der Fliesenwand. Schöne Kacheln, das muss man schon sagen, und 1a verlegt. Tipptopp, wirklich. Ich trete mal näher und geh in die Hocke. Kein Tropfen Blut ist zu sehen. Dafür aber ist der Boden tropfnass.

»Ist die Dusche gelaufen?«, muss ich jetzt wissen.

»Ja«, nickt der Bufka mit einem sehr käsigen Zinken. »Ich hab sie dann abgestellt, als ich … als ich ihn eben vorher aufgefunden hab. Zuerst dachte ich ja, dass er vielleicht nur verletzt ist. Vielleicht bloß ausgerutscht und womöglich gestürzt ist. Ausgerutscht und gestürzt. Einfach nur verletzt oder so was halt. Wissen Sie? Einfach nur verletzt … Aber dann … dann, wie ich mich runtergebeugt und ihn angefasst hab, da war es gleich klar. Ich mein, er ist ja schon eiskalt gewesen. Er muss wohl …«

»Er muss was?«, frag ich, nachdem sich die rhetorische Pause etwas in die Länge zieht.

»Na ja, er muss wohl die ganze Nacht über hier gelegen haben«, entgegnet er schließlich fast tonlos.

»Weil?«, frag ich weiter, obwohl ich sofort erkenne, dass sich die Hautbeschaffenheit des Toten durchaus mit Bufkas Aussage deckt.

»Also, das … das ist mir jetzt irgendwie unangenehm, Herr Kommissar. Ich muss … also ich sollte abends immer eine Runde durch alle Räume drehen, bevor ich unten absperre. Jeden Abend, verstehen Sie? Einfach, damit man halt sicher sein kann, dass alles leer ist und niemand versehentlich über Nacht eingesperrt wird. Aber gestern …«

»Gestern haben Sie Ihre Runde nicht gedreht?«, mutmaße ich so und leg meinen Fokus jetzt auf den Kopf unserer Leiche. Man muss kein Hellseher sein, um einen Herzinfarkt auszuschließen. Oder einen Gehirnschlag. Auch multiples Organversagen dürfte komplett durchs Raster fallen. Ebenso wie man auch einen möglichen Unfall komplett ausschließen kann. Dass er meinetwegen tatsächlich nur ausgerutscht wär und sich dabei den Kopf verletzt hätte. Dazu hätte er nämlich gleich mehrmals hintereinander irgendwo dagegenknallen müssen. Es sind nämlich mehrere Wunden schon auf den ersten Blick zu sehen. Nein, zweifelsohne liegt hier ein Gewaltverbrechen vor. Was anderes anzunehmen, wäre völliger Schwachsinn.

»Kennen Sie ihn?«, frag ich und versuche nun, den Leichnam auf den Rücken zu drehen. Der Bufka zuckt mit den Schultern. »Fassen Sie mal mit an.«

»Das … das ist ja der Paulus«, antwortet er dann, kaum, dass wir das Gesicht sehen können. »Mein Gott, ich hatte es ja schon beinah befürchtet. Rein von seiner Statur, wissen Sie.«

»Ich kenn ihn auch«, muss ich jetzt feststellen. »Allerdings nicht persönlich.«

»Ja, ja, den kennt eigentlich jeder hier. Ich mein, er ist ja auch ständig in der Zeitung gewesen, der Paulus. Gott hab ihn selig«, murmelt er nun und bekreuzigt sich dann. »Das wird einen Wirbel geben.«

Ja, das wird es. Und das riecht nach Arbeit. Der Golfplatz muss abgesperrt werden und die Spusi muss her, und zwar relativ zeitnah und auch möglichst diskret, sonst haben wir hier gleich die ganze Presse am Hals. Wenn man es genau nehmen will, dann riecht es sogar nach verdammt viel Arbeit. Mir ist schlecht und mir platzt gleich der Schädel und rein kulinarisch bin ich grad schwer unterzuckert. Ich schnauf einmal tief durch, werf einen Blick auf den käsigen Bufka, hol mal mein Telefon hervor und wähl eine Nummer.

»Servus, Rudi«, sag ich, gleich wie er abnimmt, und bemüh mich um einen unverbindlich lockeren Tonfall. »Und was treibst du grad so?«

Kapitel 2

Der Bürgermeister ist der Erste, der nach einer Vollbremsung auf dem Parkplatz eintrifft, doch er wird nicht der Letzte sein. Grad eben hab ich noch mutterseelenallein vor der clubeigenen Haustür telefoniert, um der Spusi den Status quo durchzugeben, wie er – offenbar durch meinen Streifenwagen aufmerksam geworden – eben spontan auf die Bremse tritt.

»Eberhofer, was ist los? Was machen Sie hier?«, fragt er gleich ganz ohne Einleitung, wie er nun auf mich zueilt.

»Ich telefoniere oder hab es zumindest bis soeben getan«, antworte ich artig und wahrheitsgemäß und steck mein Handy zurück in die Jackentasche.

»Aber ich meine, Sie stehen doch hier nicht zum Vergnügen herum, oder? Sie hassen doch den Golfplatz. Es wird aber doch um Himmels willen nichts passiert sein, oder etwa schon?«, fragt er weiter, während er seinen prüfenden Blick schweifen lässt. Was natürlich für völlig umsonst ist, weil ja hier unten nix ist.

»Rein tendenziell eher schon.«

»Jetzt lassen Sie sich nicht jedes Wort aus der Dings, äh … aus der Nase ziehen. Was haben wir denn Schönes? Einen Raub, einen Mord oder einen geschmeidigen Totschlag …?«, mutmaßt er so vor sich hin und sein plötzlich eher heiterer Tonfall irritiert mich ein bisschen.

»Von den letzteren beiden, Bürgermeister, da dürfen Sie sich eins aussuchen«, entgegne ich und für ein Sekündchen ist er nun stutzig.

»Nein?«

»Doch.«

»Das ist nicht Ihr Ernst, gell?«

»Zumindest liegt eine Leiche mit tödlichen Kopfverletzungen dort oben im Flötzinger seinen traumhaften Duschen«, erklär ich knapp und deute mit dem Kopf zur Fensterfront in der ersten Etage.

»Ha! Das kann doch nicht wahr sein. Sie machen Späße. Hauchen Sie mich mal an. Sie … Sie haben doch eindeutig eine Dings … also eine Fahne. Haben wir was gesoffen, Eberhofer? Oder sind das noch die Nachwehen von gestern beim Wolfi?«

»Wie meinens das jetzt?«, frag ich und starr in den Boden.

»Ja, die Geburtstagsfeier halt. Sie sind gesehen worden, Eberhofer. Und gehört worden sind Sie auch. Und zwar in den frühen Morgenstunden. Wie Sie in Schlangenlinien heimgetorkelt sind. Und gesungen haben. Es steht ein Pferd auf dem Flur haben Sie gesungen.«

»Echt?«

»Oder war’s das knallrote Gummiboot …? Das weiß ich jetzt nicht mehr so genau«, überlegt er und ich weiß nicht, ob er eher besorgt oder genervt klingt. »Ist ja auch wurst. Jetzt jedenfalls hoffe ich, dass Sie einigermaßen diensttauglich sind. Wissen wir denn schon, wer es ist?«

»Wer?«

»Der Tote, Herrschaftszeiten, Eberhofer. Sie haben mir doch grad von einem Toten berichtet«, sagt er jetzt in einer Lautstärke, die meinem Schädel nicht sonderlich behagt.

»Ach so«, antworte ich und zieh mein Notizheft hervor. »Ja, wartens. Ein gewisser Paulus. Ich kenn den …«

»Der Paulus? Grundgütiger«, unterbricht er mich und man kann dabei direkt zusehen, wie ihm jetzt die Gesichtsfarbe abhandenkommt. »Ist er, äh … Kann man schon sagen, ob es ein Gewaltverbrechen war?«

»Ja, davon ist auszugehen. Immer vorausgesetzt, dass er sich den Schädel nicht selber irgendwo zigmal dagegengedonnert hat.«

»Machen Sie keine Dings darüber, Eberhofer. Machen Sie bloß keine Witze. Der Paulus, der war nämlich nicht nur der Steckerlfischkönig, wie man ihn kennt, und bekannt wie ein bunter Hund. Nein, der war auch … ja, wie soll ich sagen? Er war auch der Golfgott hier. Und der Präsident des Golfclubs war er obendrein. Was glaubens, was hier los ist, wenn da erst mal die Presse Wind davon kriegt«, sagt er plötzlich sehr leise und kommt nun gefährlich nah an mich ran. So was kann ich nicht haben. Wenn mir nämlich jemand auf den Pelz rückt, dann bedeutet das quasi, dass er jede Art von Selbstschutz verliert. Ganz automatisch sozusagen. Glücklicherweise dreht er sich aber prompt wieder ab, weil exakt in diesem Moment ein weiterer Wagen hier anrollt. Und dieses Mal ist es der Birkenberger Rudi, der auf den Parkplatz düst, um einen Wimpernschlag später aus seinem betagten Opel Corsa zu kraxeln. Einen Moment lang blinzelt er der Sonne entgegen. Doch kaum, dass er uns entdeckt hat, beginnt er voll Inbrunst zu winken. Heilandzack, wie sieht der denn aus? Ist der unter die Hippies gegangen?

»Das … das ist doch nicht etwa der Birkenberger, oder etwa doch? Wie zum Teufel sieht der denn aus?«, kann ich mein Visavis nun vernehmen.

»Verwahrlost, würde ich es vielleicht beschreiben«, überlege ich jetzt so vor mich hin. »Ja, verwahrlost trifft es wohl am ehesten.«

»Und was macht er hier?«

»Er wird mich bei den Ermittlungen unterstützen.«

»Eberhofer, dort oben liegt der Paulus. Der Sebastian Paulus. Vermutlich ermordet, wie Sie grad selber gesagt haben. Grundgütiger, welch ein Skandal! Was glauben Sie, was das für Wellen macht. Und jetzt schauen Sie sich doch bitte mal den Birkenberger an. Ja, ja, schauen Sie nur genau hin. Also wenn Sie mich fragen, dann sollte der Birkenberger doch wohl der Letzte, tatsächlich der Allerallerletzte sein, der Ihnen da bei den Ermittlungen hilft.«

»Das stimmt, Bürgermeister. Das sollte er sein. Aber wissen Sie was, ein anderer ist halt nicht da. Und wenn wir einmal ehrlich sind, dann funktioniert es ja auch schon ein ganzes Weilchen. Das mit dem Birkenberger und mir«, versuch ich so zu erklären, während wir gemeinsam den Rudi dabei beobachten können, wie er versucht, seinen Kofferraumdeckel zu öffnen. Relativ erfolglos, zumindest auf den ersten Blick.

»Er kriegt ja noch nicht mal seinen blöden Kofferraum auf«, murmelt der Bürgermeister nun völlig überflüssigerweise, weil ich das ja selber sehe.

»Muss er ja auch nicht. Wissens, so arg viele Kofferräume gibt’s jetzt da normalerweise gar nicht zu öffnen bei einem Mordfall. Und wenn doch, dann kann ich das ja tun«, werd ich noch los und damit zieh ich unserem Häuptling wohl komplett den Stecker.

»Geh, hörens doch auf, Eberhofer! Dabei geht’s doch nicht um einen depperten Kofferraum, Herrschaftszeiten«, zischt er nun und spuckt dabei. »Hier geht’s in erster Linie darum, dass Ihr vergammelter Busenfreund seit gefühlt hundert Jahren einfach kein Polizeibeamter mehr ist. Unehrenhaft entlassen, schon vergessen? Und die Gründe dafür, die sind uns ja auch bestens bekannt, oder etwa nicht? Und damit hat er nicht nur nicht keine Befugnis mehr, in einem Mordfall zu ermitteln. Nein, er darf es auch gar nicht. Weil er sich sonst nämlich strafbar macht. Weil er eben verdammt noch mal kein Polizist mehr ist. Und jetzt … jetzt ist er nicht nur nicht Polizist, sondern, und das sehen Sie doch wohl selber, jetzt ist er ein Landstreicher. Hören Sie mir eigentlich zu, Eberhofer?«

»Warum verneinen Sie eigentlich alles doppelt und dreifach?«

»Haben Sie verdammt noch mal verstanden, was ich Ihnen grad erzählt hab?«

»Jede einzelne Silbe hat sich in mein Herz eingebrannt.«

»Dann sagens gefälligst was drauf!«

»Mei, was soll ich darauf schon sagen?«, frag ich und zuck mit den Schultern. »Immerhin ist er jetzt ein Privatdetektiv.«

»Ein Privatdetektiv? Dass ich nicht lache. Schauen Sie ihn doch einmal an. Schaut so etwa ein seriöser Privatdetektiv aus? Nein. Vielmehr schaut er aus, als wär er grad aus einer Tonne gekraxelt oder würd mitten in seiner Privatinsolvenz stehen. Ach, wissens was, Eberhofer? Machens doch, was Sie wollen und leckens mich recht schön am Arsch«, zischt er weiter und kramt seinen Geldbeutel hervor. »Und dann sinds so gut und geben Sie ihm das hier von mir mit einem recht schönen Gruß. Und sagen Sie ihm, dass er sich wenigstens die Dings schneiden lässt … also die Haare. Wir haben hier ja schließlich auch einen Ruf zu verlieren. Wenn der irgendwo auf einem Pressefoto auftaucht …«, murmelt er unbeirrt weiter, drückt mir einen Zehner in die Hand und wandert dann vor sich hin murmelnderweise in die Richtung, wo sein Wagen steht.

Den Rudi ignoriert er komplett, als er an ihm vorbeilatscht, und das, obwohl der ihm sogar zuwinkt. Äußerst freundlich sogar, ehe er dann weiter an seinem Kofferraum rumzerrt. So völlig daneben liegt er mit seinen Feststellungen freilich leider nicht, unser Bürgermeister. Das muss man schon sagen. Weil rein karrieretechnisch ist er jetzt nicht so eine wahnsinnige Granate, unser Rudi, und im Grunde war er das noch nie. Aber da kann man nix machen. Weil, sagen wir mal so, ohne ihn hab ich noch nie einen Mord aufgeklärt, obwohl er mir dabei meistens ganz tierisch auf die Eier geht. Und so wird es vermutlich auch dieses Mal sein. Er wird mir tierisch auf die Eier gehen und zusammen werden wir den Fall aufklären. Wie immer halt. Basta.

Irgendwann ist er dann auch offen, dieser Kofferraum. Dortheraus zerrt der Rudi einen Alukoffer, der ein ordentliches Gewicht haben dürfte, so, wie er sich da grade abplagt.

»Ein Mord im Golfclub. Den schickt der Himmel, Franz!«, ruft er mir dann auch schon von Weitem entgegen, wie er schließlich mit leichter Schlagseite auf mich zugeeiert kommt. Und je näher er kommt, desto deutlicher wird es auch, wie ungepflegt er ist. Tatsächlich schon fast ein bisschen zum Gammeligen hin. Sein spärliches Haar reicht ihm bis runter zur Schulter und ich würd nicht drauf wetten, dass er es heuer schon mal gewaschen hat. Es dürfte gut und gern ein Dreißigtagebart sein, den er da trägt. Und ob sein Sweatshirt mehr Flecken oder Löcher hat, das lässt sich auf den ersten Blick nicht klar definieren. Obendrein hat er grindige Socken an in seinen offenen Latschen.

»Rudi, was ist los mit dir?«, frag ich, weil mir weiter nix einfällt.

»Wieso? Was soll los sein? Alles paletti. Tippitoppi«, freut er sich und boxt mir kumpelhaft gegen die Brust. Allein diese kurze Bewegung lässt mich nun wissen, dass er auch stinkt.

»Alles paletti? Du siehst aus wie ein Obdachloser. Wie ein sehr verwahrloster Obdachloser. Und du riechst auch so«, sag ich und werf einen kritischen Blick auf die Stelle, wo er mich grad eben angefasst hat.

»Ach das«, sagt der Rudi und schaut kurz an sich runter. »Das ist eine Art … wie soll ich sagen? Eine Art Selbstversuch.«

»Eine Art Selbstversuch? Was denn für ein Selbstversuch? Was willst du ausprobieren, hä? Wie lang es dauern wird, ehe sämtliche bayrischen Scheißhausfliegen mausetot vom Himmel fallen, wenn du nicht duschst?«

»Wie lustig du heut wieder bist. Immer ein kleiner Clown, unser Franz. Doch sollten wir uns jetzt nicht mit komischen Nebensächlichkeiten aufhalten, Franz. Ich schlage vor, du zeigst mir nun vielleicht zuerst mal die Leiche, oder? Und anschließend fangen wir am besten gleich damit an, das gesamte Gelände hier großräumig abzusperren, was meinst? Wenn nämlich die ersten Golfer hier anrollen und nichts abgesperrt ist, dann ist die Kacke am Dampfen und wir können sehen, wie wir die Bagage dann wieder vom Rasen kriegen«, sagt er, öffnet dabei seinen Koffer und holt schon mal das rot-weiße Absperrband hervor. Und weil mir ehrlich gesagt auch grad kein besserer Gedanke zufliegen will, drum tu ich halt wie mir geheißen. Und so wandern wir beide schon ein paar Atemzüge später Seite an Seite die Stufen empor. Kaum oben angekommen, da kann ich durch die bodentiefen Fenster erkennen, dass soeben auch die Spusi am Eintreffen ist. »Kriminaltechnik« steht auf dem Fahrzeug zu lesen. Und weil man durch das sündteure Glas hier zwar erstklassig raus-, aber nicht reinschauen kann, macht’s auch keinen Sinn, durch irgendein Gewinke den Weg nach oben deuten zu wollen.

Drum hilft alles nix, also wieder hinunter. Kaum dort angelangt, stellt sich heraus, es ist keineswegs wie erwartet eine mannstarke Truppe mit breiten Schultern, die nun arbeitstechnisch hier aufschlägt. Nein, das nicht. Wobei das nicht ganz stimmt. Breite Schultern hat sie eigentlich schon, die Spusi. Aber ein Kerl ist keiner darunter. Im Grunde ist es nur eine einzige Frau. Silke. Knapp an die vierzig, groß und halt sehr kräftig gebaut. Und mit dem Charme eines Teppichmessers. Völlig korrekt und nach Dienstanweisung schlüpft sie zunächst einmal in eins dieser weißen Ganzkörperkondome. Also einen Einwegoverall, den sie übrigens so dermaßen ausfüllt, dass ich beim Zubinden ihrer Schuhe felsenfest damit rechne, dass er ihr auf der Heckseite aufplatzt. Aber nix. Erstklassiges Material, muss man schon sagen.

Als wir zwei Hübschen kurz darauf schließlich den Nassbereich betreten, nickt sie kurz dem Rudi zu, der bäuchlings auf dem Fußboden liegt und mit seiner Spiegelreflex hoch konzentriert irgendwelche Aufnahmen macht. Mit einem raschen Blick scannt sie noch den Raum, ehe sie sich dem Toten widmet.

»Seltsam«, murmelt sie dann so vor sich hin. »Von seinem Hautbild her kann der noch nicht sehr lange tot sein. Zehn Stunden, maximal vierzehn. Aber rein vom Geruch her würde ich sagen, es sind bereits Tage.«

»Nein, das bin ich«, sagt nun der Rudi. »Ich mache gerade einen Selbstversuch.«

»Aha«, entgegnet die Silke wenig beeindruckt. »Und was willst du herausfinden? Wie lange es dauert, bis die ersten Fliegen vom Himmel fallen …?«

»Nein«, sagt der Rudi mit der Stimme eines Oberlehrers und verdreht kurz die Augen. »In Zeiten der Krisen, wie wir sie nun einmal weltweit haben, möchte ich herausfinden, ob es für die Menschheit nicht sinnvoll wäre, dem ganzen Konsumwahnsinn zu entsagen. Was natürlich auch den Wasser- und Stromverbrauch betrifft.«

»Ich weiß nicht, ob es für die Menschheit sinnvoll wär. Was ich aber sagen kann, dass es für die Menschheit unerträglich ist. Zumindest für den Teil, der sich mit dir in einem Raum befindet«, entgegnet die Silke komplett emotionslos, während sie sich die Handschuhe überstreift.

»Ja«, sag ich und räuspere mich. »Du kommst … wahrscheinlich kommst du eh am besten alleine zurecht, gell. Wir sind dann mal wieder unten, das Gelände absperren.«

»Aber ich bin doch noch gar nicht fertig hier«, nörgelt mir der Rudi her, wie ich ihm äußerst auffordernde Blicke zuwerf.

»Doch, das bist du, mein kleiner Stinker«, zisch ich und zerr ihn an seinem unappetitlichen Oberteil in die Vertikale, ehe ich ihn sehr vehement durch die Tür hindurch und in den Spindraum schiebe. Er hebt seine beiden Arme und schnuppert an den Achseln.

»So schlimm?«, fragt er.

»Schlimmer«, antworte ich.

Weil mir aber noch eine knappe Frage auf der Zunge liegt, muss ich einen kleinen Moment bei der Silke verweilen. Warum sie denn ganz alleine da ist, möchte ich wissen. Und wo sich der Rest der Truppe befindet, also quasi der Teil, der heute nicht anwesend ist. Weil, sagen wir einmal so, ansonsten neigt ja gerade die Spurensicherung eher dazu, in ganzen Rudeln aufzutreten. Drum eben seltsam, gell.

Auf einer Floßfahrt auf der Isar sind die, lässt mich die Silke dann wissen, während sie ihre diversen Utensilien auspackt. Sie selber, sie hält da aber lieber die Stellung, und zwar aus diversen Gründen heraus. Weil sie ohnehin nicht seetauglich ist, Wasser generell nicht mag, ihre ganze Truppe auch nicht besonders und Betriebsausflüge erst recht nicht. Sie hätte weder Bock auf angesoffene Kollegen mit Bierbauch und verschwitzten T-Shirts noch auf durchtrainierte Kolleginnen im knappen Bikini. Morgen wären dann aber alle wieder am Start, sagt sie abschließend noch, eh sie sich in die Arbeit stürzt. Ehrlich gesagt, so, wie ich die werten Kameraden kenn, sind mit Sicherheit morgen nicht wieder alle am Start, da dürfte es alkoholbedingt schon einige Ausfälle geben. Das nur so rein aus meinen Erfahrungswerten heraus sozusagen.

Keine halbe Stunde später, da ist ein Remmidemmi vor dem Eingang zum Golfplatz, das kann man kaum glauben. Der Rudi befindet sich grad auf der Zielgeraden, was seinen Einsatz mit dem Absperrband betrifft. Und ich selber, ich hab mich genau dort positioniert, wo noch nicht großräumig eingezäunt ist. Wobei es nicht ausschließlich Golfspieler sind, von denen ich jetzt rede. Nein, ganz offenbar hat die Flüsterpost von Niederkaltenkirchen wieder einmal ganz einwandfrei funktioniert. Vermutlich funktioniert sie ohnehin wie keine zweite weltweit. Das war schon immer so und die genaue Ursache dafür bleibt mir wohl auf ewig ein Rätsel. Tatsache ist aber jedenfalls, dass sobald in diesem Kaff hier irgendetwas passiert, und sei es noch so banal, dann weiß es ein jeder, und zwar holterdiepolter. So auch heute. Und deswegen handelt es sich jetzt eben nicht nur um ambitionierte Sportler, die hier aufschlagen, sondern auch um jede Menge Schaulustige. Die allerdings machen mir am wenigsten Stress. Sie stehen halt nur umeinander, um möglicherweise was in Erfahrung zu bringen, den einen oder anderen Blick zu erhaschen und einfach die Neugier zu stillen. Was aber echt tierisch nervt, ist die Fraktion der Lokalmatadoren, weil die sozusagen schon mit ihren Eisen scharrt.

»Wo ist denn der Tote eigentlich aufgefunden worden, Herr Kommissar? Oder unterliegt das Ihrer Schweigepflicht«, will einer aus dieser Truppe heraus plötzlich wissen. Er hat eine beinah frappierende Ähnlichkeit mit Lilo Wanders und trägt ein froschgrünes Poloshirt.

»In den Duschen«, entgegne ich möglichst desinteressiert und mit verschränkten Armen.

»Aber sehen Sie, Herr Kommissar, das ist doch der Punkt. Weil von uns, da will ja hier gar keiner duschen. Wollt ihr etwa duschen, Jungs«, fragt er und blickt kurz um sich, was großflächig gemurmeltes Kopfschütteln auslöst. »Sehen Sie, keiner hier will duschen. Wir wollen einfach nur Golf spielen, verstehen Sie. Also, in zehn Minuten ist unser Abschlag. Wenn Sie dann bitte so freundlich wären, mein Bester, und …«

»Sie werden weder duschen noch Golf spielen, mein Bester«, entgegne ich relativ scharf, was eine akute Stille verursacht. Von einer Sekunde zur anderen könnte man eine Ameise furzen hören. Alle sind gespannt und schauen zwischen uns beiden hin und her. Wie in einem Wildwestfilm. Rein mental gesehen erschieß ich ihn schon mal und puste dann den Rauch vom Revolver. Doch noch bevor ich meine Waffe zurück ins Holster stecken kann, bemerke ich, dass sich das froschgrüne Polo nun durch die Umstehenden hindurch einen Weg zu mir bahnt. Das Schweigen wird noch deutlich lauter und just in dem Moment kommt der Rudi auf mich zu und drückt mir den Rest seiner Absperrrolle in die Hand.

»Fertig«, sagt er nicht ganz ohne Stolz. »Ja, dann geh ich mal duschen.«

»Mach das«, entgegne ich knapp und schon verschwindet er Richtung Clubhaus.

»Das ist jetzt aber nicht Ihr Ernst, oder?«, will das Polo nun wissen, während er einen auf fassungslos macht.

»Was genau?«

»Was genau. Dass dieser … dieser Gammler hier jetzt duschen geht …«

»Er ist dreckig und stinkt. Es ist allerhöchste Zeit dafür.«

Grad könnte man eine Mikrobe atmen hören.

»Sagen Sie einmal, wissen Sie eigentlich, wer ich bin? Haben Sie auch nur den Hauch einer Ahnung davon«, will mein nagelneuer Kumpel aktuell wissen. Aufgepumpt wie ein Schwimmreif steht er vor mir und stemmt seine Hände in die Hüften. Wobei das nicht ganz stimmt. Er steht nicht einfach vor mir. Er positioniert sich. Quasi so, als stünde er Modell für den da Vinci höchstselbst. »Nun sagen Sie schon, Herr Kommissar. Haben Sie den Hauch einer Ahnung, wer hier vor Ihnen steht?«

Einen kurzen Moment lang muss ich noch überlegen. Schau ihn noch einmal an und dann wieder weg. Seine Augen speien tödliche Blicke.

»Lilo Wanders?«, kann ich grade noch antworten, dann rauscht eine Lachsalve durchs umstehende Volk.

»Sie ungebildeter Prolet, Sie. Mein Bruder … mein Bruder ist der Polizeipräsident höchstpersönlich. Haben Sie mich verstanden«, brüllt er nun relativ aufgebracht. »Ich bin der Bruder des Polizeipräsidenten, haben Sie das verstanden? Und Sie? Was sind Sie?«

»Ich bin der Bruder eines Buchhändlers und jetzt Abflug«, entgegne ich und merke, dass langsam, aber sicher mein Hemd platzt.

Vermutlich geht es ihm ähnlich. Zumindest brüllt er noch irgendwas von wegen Nachspiel und Pipapo. Drängelt aber zügig durch die immer noch erheiterte Menge hindurch, schnappt sich das Golfbag vom Boden und eilt dann schnurgrad zu seinem 911er.

Kapitel 3

Es sind schon ein paar Stunden ins Land gezogen, ehe die Silke letztendlich alles aufs Säuberlichste nummeriert, gesichert und eingetütet hat. Und als schließlich auch unser Toter artgerecht abtransportiert wurde, drück ich dem frisch geduschten Rudi die Spende vom Bürgermeister in die Hand und schick ihn damit zum Friseur.

Keine Viertelstunde später komm ich dann auch schon in unserer Küche an und treff dort auf die Julika, die auf der Eckbank sitzt und in der Zeitung liest. Ja, wir haben jetzt eine Julika. Genauer gesagt haben wir eine Haushaltshilfe, die so heißt. Noch genauer, es ist eine ungarische Haushaltshilfe. Es ist schon die zweite. Also die erste Ungarin und die zweite Haushaltshilfe, um es auf den Punkt zu bringen. Die erste, die wir hatten, das war eine Türkin und musste unser Haus schneller wieder verlassen, als man das Wort Haushaltshilfe überhaupt buchstabieren kann. Und zwar nicht, weil sie etwa nicht tüchtig gewesen wär oder nett. Das nicht. Im Grunde war sie sogar supertüchtig und supernett. Es war nur so, dass alle naslang einer ihrer Brüder hier auf unserer Matte gestanden hat, um nachzusehen, ob auch alles in Ordnung ist. Das hat halt genervt. Und dann ist sie auch noch ständig irgendwo am Boden rumgelegen wegen beten und so. Unsere endgültige Sollbruchstelle allerdings war, wie sie sich geweigert hat, einen Schweinsbraten zu machen. Vehement geweigert, könnte man sagen. Also ganz generell kein Schwein. Schwein, hat sie gesagt, Schwein kommt bei ihr weder in den Topf noch in die Tüte und auf den Tisch erst recht nicht. Zack, da war sie wieder weg, die türkische Perle. Und drum eben jetzt die Julika. Die Julika, die haben wir inzwischen seit fünf Wochen und sie macht schon Schwein. Weil ihr das vollkommen wurst ist, sagt sie. Gut, ihr Schweinsbraten, der ist jetzt nicht so übergalaktisch wie der von der Oma. Im Grunde ist gar nix so wie bei der Oma. Noch nicht einmal ansatzweise. Da wir aber momentan keine Oma nicht haben, da muss man halt dann seine verwöhnten und durchaus anerzogenen Ansprüche etwas nach unten justieren und einfach essen, was auf den Tisch kommt und satt macht. Punkt.

»Servus miteinander«, sag ich und mein erster Weg führt mich zum Küchenbüfett. Ein Aspirin muss jetzt her oder zwei.

»Servus, Franz«, entgegnet die Julika mit ihrem rollenden R, ohne jedoch ihre Lektüre aus den Augen zu lassen. Drüben am Herd, da wirft der Papa grad Zwiebeln in eine Pfanne, dass alles zischt und raucht und auch er murmelt so etwas, das als Begrüßung durchgehen kann. Und grad wie ich jetzt kurzerhand das Fenster aufreißen muss, damit wir zwiebeltechnisch dem sicheren Erstickungstod entkommen, da kann ich den Leopold sehen, wie er draußen aus seinem Auto steigt. Als wär dieser Tag nicht schon erbärmlich genug.

»Ah, Bruderherz, was tust du denn hier?«, ruft er mir prompt entgegen, während er einen Einkaufskorb von seiner Rückbank hievt. »Müsstest du denn nicht drüben am Golfplatz sein? Bei diesem Mordfall? Immerhin bist du bei der hiesigen Polizei, und wenn du einen Funken Pflichtbewusstsein hättest und auch nur den Hauch einer beruflichen Leidenschaft, dann wärst du jetzt dort und nicht hier.«

Der Leopold und seine Lebensweisheiten. Die sind in etwa so alt wie der Böhmerwald und genauso spannend. Und es tangiert mich noch nicht einmal sekundär, was er da immer so von sich gibt. Wenn man es einmal ganz genau nehmen will, dann sind diese seine gesammelten Weisheiten es noch nicht einmal wert, ignoriert zu werden.

Nun läuft die Hinkelotta über den Hof und direkt auf ihn zu. Dreibeinig, wie sie nun mal ist, wedelt sie mit dem Schwanz, begrüßt ihn genauso freudig, wie sie halt stets alle begrüßt. Also grad so, wie sie es eben noch bei mir gemacht hat. Und da heißt es doch immer, Hunde hätten eine besonders gute Menschenkenntnis. Dass ich nicht lach. Ich mach das Fenster wieder zu und hoffe inständig, dass die Tabletten bald wirken.

»Der Leopold hat dich grad was gefragt, Franz. Solltest du da nicht antworten«, fragt der Papa in seinen Topf hinein.

»Sollte es nicht auch einen Weltfrieden geben?«, frag ich retour.

»Ein simpler Familienfrieden würd mir schon reichen«, antwortet er, während ich mich auf die Eckbank hock und der Julika den Sportteil aus der Tageszeitung klau.

Jetzt erscheint der Leopold in seiner ganzen Herrlichkeit auch schon in der Küchentür und einen kurzen Moment lang verharrt er dort auch.