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"Er beobachtet dich im Schlaf. Und wenn er dir einen Schmetterling schenkt, dann beginnt seine tödliche Liebe …" Alleinstehende Frauen werden von einem psychopathischen Stalker verfolgt. Der stille Beobachter schleicht nachts in ihre Häuser und legt sich unbemerkt zu ihnen ins Bett. Als die Polizei eine tote Frau findet, ahnt Chefinspektor Tony Braun, dass der Stalker die nächste Stufe seiner Obsession erreicht hat, denn jetzt tötet er aus Leidenschaft … Zur selben Zeit kehrt die Journalistin Kim Klinger, Brauns heimliche Liebe, nach Linz zurück, um dort einen letzten Sommer zu verbringen und an einer Artikelserie über Stalker zu schreiben. Als Tony Braun hinter das Geheimnis des Stalkers kommt, ist es jedoch bereits zu spät, denn alles kommt ganz anders und eine tödliche Falle schnappt zu. Alle Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Die Tony-Braun-Thriller-Reihe: "Totes Sommermädchen" - wie alles begann - der erste Tony Braun Thriller "Töten ist ganz einfach" - der zweite Fall "Freunde müssen töten" - der dritte Fall "Alle müssen sterben" - der vierte Fall "Der stille Duft des Todes" - der fünfte Fall "Rattenkinder" - der sechste Fall "Rabenschwester" - der siebte Fall "Stiller Beobachter" - der achte Fall "Strandmädchentod" - der neunte Fall "Stilles Grabeskind" - der zehnte Fall
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Impressum
Anmerkung
Über die Autoren B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
Bücher von B.C. Schiller
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Kapitel 40
Kapitel 41
Kapitel 42
Kapitel 43
Kapitel 44
Kapitel 45
Kapitel 46
Kapitel 47
Kapitel 48
Kapitel 49
Kapitel 50
Kapitel 51
Kapitel 52
Kapitel 53
Kapitel 54
Kapitel 55
Kapitel 56
Kapitel 57
Kapitel 58
Kapitel 59
Kapitel 60
Kapitel 61
Kapitel 62
Kapitel 63
Kapitel 64
Kapitel 65
Kapitel 66
Kapitel 67
Kapitel 68
Danksagung
Sämtliche Figuren und Ereignisse dieses Romans sind der Fantasie entsprungen. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist zufällig und von den Autoren nicht beabsichtigt.
Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Blue Velvet Management e.U. urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.
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Hintergrund: Authors own
Wir haben uns erlaubt, einige Namen und Örtlichkeiten aus Spannungsgründen neu zu erfinden, anders zu benennen und auch zu verlegen. Sie als LeserInnen werden uns diese Freiheiten sicher nachsehen.
Barbara und Christian Schiller leben und arbeiten in Wien und auf Mallorca mit ihren beiden Ridgebacks Calisto & Emilio.
Gemeinsam waren sie über 20 Jahren in der Marketing- und
Werbebranche tätig und haben ein totales Faible für spannende Krimis und packende Thriller.
B.C. Schiller gehören zu den erfolgreichsten Spannungs-Autoren im deutschsprachigen Raum. Bisher haben sie mit ihren Krimis über 3.000.000 Leser begeistert.
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TONY-BRAUN-THRILLER:
TOTES SOMMERMÄDCHEN – der erste Tony-Braun–Thriller –
»Wie alles begann«
TÖTEN IST GANZ EINFACH – der zweite Tony-Braun-Thriller
FREUNDE MÜSSEN TÖTEN – der dritte Tony-Braun-Thriller
ALLE MÜSSEN STERBEN – der vierte Tony-Braun-Thriller
DER STILLE DUFT DES TODES – der fünfte Tony-Braun-Thriller
RATTENKINDER – der sechste Tony-Braun-Thriller
RABENSCHWESTER – der siebte Tony-Braun-Thriller
STILLER BEOBACHTER – der achte Tony-Braun-Thriller
STRANDMÄDCHENTOD – der neunte Tony-Braun-Thriller
STILLES GRABESKIND – der zehnte Tony-Braun-Thriller
Alle Tony-Braun-Thriller waren monatelang Bestseller in den Charts. Die Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
GRETCHEN LARSSEN UND DAS OSTSEEMÄDCHEN: der erste Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DAS DÜNENOPFER: der zweite Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEZORN: der dritte Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEESCHULD: der vierte Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DER KÜSTENMÖRDER: der fünfte Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEMORD: der sechste Band mit Gretchen Larssen
GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEETRÄNEN: der siebte Band mit Gretchen Larssen
MALLORCA-INSELKRIMI:
MÄDCHENSCHULD – ist der erste Band der neuen spannenden Mallorca-Inselkrimi-Reihe mit der Inspectora Ana Ortega und dem Europol-Ermittler Lars Brückner. Die Krimis sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.
SCHÖNE TOTE – der zweite Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.
FAMILIENBLUT – der dritte Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.
NORDTOD - KÜSTENTHRILLER:
NORDTOD - DIE KOLIBRIMÄDCHEN: der erste spannende Cold-Case-Fall mit der schwedischen Ermittlerin Signe Nord.
DUNKELSTEIG – Trilogie:
DUNKELSTEIG: der erste Band mit Felicitas Laudon
DUNKELSTEIG – SCHULD –der zweite Band mit Felicitas Laudon
DUNKELSTEIG – BÖSE: der dritte und letzte Band mit Felicitas Laudon
Psychothriller:
DIE FOTOGRAFIN
DIE SCHWESTER
DIE EINSAME BRAUT
Die TARGA-HENDRICKS-Thriller:
DER MOMENT, BEVOR DU STIRBST – der erste Fall mit Targa Hendricks
IMMER WENN DU TÖTEST – der zweite Fall mit Targa Hendricks
DUNKELTOT, WIE DEINE SEELE – der dritte Fall mit Targa Hendricks
Die DAVID-STEIN-Thriller:
DER HUNDEFLÜSTERER – David Steins erster Auftrag
SCHWARZER SKOPRION – David Steins zweiter Auftrag
ROTE WÜSTENBLUME – David Steins dritter Auftrag
RUSSISCHES MÄDCHEN – David Steins vierter Auftrag
FREMDE GELIEBTE – David Steins fünfter Auftrag
EISIGE GEDANKEN – David Steins sechster Auftrag
TODESFALTER – David Steins siebter Auftrag
LEVI-KANT-Cold Case-Krimi:
BÖSES GEHEIMNIS – der erste Cold Case
BÖSE TRÄNEN – der zweite Cold Case
BÖSES SCHWEIGEN – der dritte Cold Case
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„In der Luft des Verbrechens habe ich meine Haut getrocknet. Den Irrsinn habe ich zum Narren gehalten.“
(Arthur Rimbaud, Eine Zeit in der Hölle)
Liebe und Tod liegen eng beisammen.
Doch davon ahnte sie in diesem Moment noch nichts, denn jetzt gab sie sich nur der Liebe hin. Überall auf ihrem Körper spürte sie das Streicheln der sensiblen Hände und eine Welle heißer Schauer durchströmte sie. Es war ein Gefühl, als wäre ihre Haut elektrisch aufgeladen, als wäre jede Berührung wie ein Stromstoß.
„O Marc“, murmelte sie im Halbschlaf und presste sich eng an den Körper neben ihr im Bett. Langsam schälte sie sich aus den Schachtelträumen, die einer nach dem anderen aufklappten wie der Kasten eines Zauberers.
Fest presste sie die Augen zusammen, bemühte sich, gleichmäßig zu atmen, so als würde sie noch immer tief und fest schlafen. Das war ein Teil ihres Spiels, denn Marc liebte es, sie im Schlaf zu verführen. Als seine Hände zwischen ihre Schenkel glitten, öffnete sie ihre Beine mit einem leisen Seufzer. Traumverloren trieb sie durch einen Garten der Lust, ließ alles mit sich geschehen. Der Druck seiner Hände wurde intensiver.
Lass dich forttreiben, ging es ihr durch den Kopf, doch etwas hinderte sie daran.
Etwas war anders als sonst.
In dem Grenzbereich zwischen Schlafen und Erwachen konnte sie noch immer nicht rational denken. Ihr Atem ging stoßweise, aber es war keine lustvolle Erregung kurz vor dem Orgasmus, sondern eine fremde Anspannung, die ihre Sinne blockierte.
Marc war so fremd, so fordernd. Sie dachte daran, wie er in der Endphase ihrer Beziehung gewesen war. Der andere Marc, der ihr eine Ohrfeige versetzt hatte. Und ihre Seele, die mit diesem Schlag einen Sprung bekam. Aber sie hatte sich nach der Auseinandersetzung wieder mit Marc ausgesöhnt. Beide hatten sie viel getrunken und unter Tränen beteuerte Marc ihr seine Liebe. Sie hatte sich wieder erweichen lassen und sie waren im Bett gelandet, so wie jetzt. Aber diese Versöhnung lag schon lange zurück. Was war in der Zwischenzeit passiert?
Marcs Hände glitten unentwegt über ihre Haut und reizten ihre erogenen Zonen. Doch ihre Gefühle pendelten ständig zwischen Erregung und Misstrauen.
Etwas stimmte nicht.
Kurz rekelte sie sich voller Lust, um im nächsten Moment Marcs Hände wegzustoßen. Doch unnachgiebig schob er seine Finger in sie hinein, und ihre Erregung erlosch wie ein niedergebranntes Feuer.
In den Wochen nach der Ohrfeige war Marc wieder liebevoll und zärtlich gewesen, bis er Schwierigkeiten in seinem Job bekam und seinen Frust an ihr ausließ. Immer wieder kam es damals zu hässlichen Szenen und halbherzigen Versöhnungen. Dann endlich gestand ihr Marc, dass man ihm gekündigt hatte. „Aber das macht doch nichts, Liebling“, hatte sie gesagt. Weil sie noch immer an ihr gemeinsames Glück glauben wollte. Weil sie es nicht wahrhaben wollte, dass ihre Zeit abgelaufen war.
Klopf, klopf, hörte sie ihr Unterbewusstsein, das ihr sagte, dass es nicht stimmte, was sie sich einredete. Plötzlich drängte sich etwas Unangenehmes in ihren Traum. Es war ein fremder Geruch, der nichts mit Marc zu tun hatte. So hatte er nie gerochen. Schlaftrunken schälte sie sich aus der Bettdecke und schob Marcs Hände entschlossen zur Seite.
„Ich will das jetzt nicht“, flüsterte sie mit schwerer Zunge.
Sie richtete sich auf, öffnete die Augen und blickte aus dem Fenster. Draußen war es noch stockdunkel und es leuchteten keine Straßenlaternen. Sie sah nur Marcs Umrisse, als er plötzlich langsam aus dem Bett stieg und im Bad verschwand. Sie hörte, wie er den Wasserhahn aufdrehte. Mit dröhnenden Kopfschmerzen tastete sie nach der Wasserflasche, die immer neben ihrem Bett stand. Sie trank gierig in großen Schlucken. Seufzend sank sie dann zurück in die Kissen und schloss wieder die Augen.
Doch in diesem Moment durchzuckte sie die Erkenntnis wie ein Blitzstrahl, und sie erinnerte sich an einen bestimmten Abend mit Marc vor einem halben Jahr:
„Marc, hör auf zu trinken.“
„Warum? Ich habe deine ewige Bevormundung satt, Anna.“
„So wirst du nie wieder einen Job bekommen. Damit ist jetzt Schluss.“
Entschlossen nahm sie Marc die Whiskey-Flasche aus der Hand und leerte den Inhalt in den Abfluss.
„Du verdammtes Miststück!“ Marc kam auf sie zu und holte mit der Faust aus. Sie versuchte noch auszuweichen, aber sie war zu langsam. Der Schlag traf sie mitten ins Gesicht. Durch die Wucht taumelte sie und stürzte zu Boden. Mit den Fingerspitzen betastete sie ihre Lippe, die aufgeschlagen und blutig war. „Verschwinde“, flüsterte sie mit erstickter Stimme, denn sie hatte einfach keine Kraft mehr für ein lautes Schreien. „Ich will dich nie wiedersehen!“
„Ich wollte das nicht.“
„Hau ab!“
Marc starrte sie mit glasigen Augen an. Dann griff er nach seinem Autoschlüssel und riss die Haustür auf. Schwer betrunken wankte er zu seinem Wagen, setzte sich hinter das Steuer und verschwand mit aufheulendem Motor in der Dunkelheit. Sie lag noch eine Weile zusammengekrümmt am Boden und schleppte sich dann auf die Couch, wo sie erschöpft einschlief. Ein schrilles Klingeln weckte sie Stunden später. Zwei Polizisten standen vor der Tür.
„Sind Sie die Verlobte von Marc Reder?“, fragten die Polizisten.
„Ja“, antwortete sie mit pochendem Herzen. „Ist etwas passiert?“
„Marc Reder hatte leider einen Unfall. Er ist tot.“
Sie schnellte hoch und stieß dabei die gläserne Nachttischlampe um, die mit einem lauten Krachen auf dem Betonboden zerbrach. Wie betäubt starrte sie auf die Scherben und schlug mit ihrer Handfläche direkt in die Splitter. Als sie den Schmerz spürte, wusste sie, dass sie jetzt in der Wirklichkeit angekommen war. Marc war vor einem halben Jahr bei einem Autounfall gestorben!
„Wer ist der Mann in meinem Bett!“, flüsterte sie und drückte auf den Lichtschalter. Das Licht aus den Spots im Boden war gedimmt und löste die schwarzen Schatten an den Wänden des Schlafzimmers nur unzureichend auf. Im Bad wurde der Wasserhahn zugedreht. Dann herrschte Stille. Sie war wie paralysiert, unfähig, klar zu denken oder sich zu bewegen. Sie wusste, dass sie aus dem Bett springen musste. Lauf weg! Aber sie konnte sich vor Angst nicht rühren. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Tür, sah unten auf dem Boden das Schimmern des feinen Lichtstreifens.
Im Bad begann der Mann einen Schlager zu pfeifen, und absurderweise überlegte sie, welcher Song es war. Plötzlich hörte das Pfeifen auf, und sie vernahm ein leises Kratzen, so als würde Metall die Wand entlangstreifen. Dann wurde die Badezimmertür aufgestoßen. Sie sah nur die Umrisse des Mannes, da er von hinten angestrahlt wurde. Er war nackt und sein Gesicht lag im Schatten.
Marc ist tot!, dachte sie und beobachtete wie paralysiert den Mann, der langsam auf ihr Bett zuging. Sie hörte sein stoßweises Atmen, so als würde ihn ihre Angst erregen. Verzweifelt klammerte sie sich an die Vorstellung, dass alles nur ein Spiel in einem Albtraum sei.
„Liebling, verlass mich bitte niemals“, sagte der Mann mit zärtlicher Stimme. Ein Bodenspot strahlte auf das Messer, das er in der Hand hielt. Die Klinge reflektierte das Licht und schickte böse funkelnde Strahlen zu ihr. Als er knapp vor ihr stand, erkannte sie sein Gesicht. Und sie erkannte den tödlichen Hass in seinen Augen. Dann hob der Mann das Messer und flüsterte: „Anna, dieses Wochenende wirst du nie vergessen.“
Tony Braun traute seinen Augen nicht, als er die brennende Gestalt bemerkte. Er hörte die qualvollen Schreie und sah, wie ein Mann seine Arme hob und senkte, so als würde er jeden Moment davonfliegen. Die Flammen züngelten auf seinem Rücken und loderten in der Dunkelheit wie ein Leuchtfeuer.
Braun war bereits zehn Kilometer auf dem schmalen Treppelweg die Donau entlanggelaufen und spürte langsam die Müdigkeit in seinen Beinen. Doch jetzt mobilisierte er noch einmal all seine Kräfte und kam rasch näher. Noch immer versuchte der Mann, mit kreisenden Armbewegungen das Feuer zu löschen, und stolperte dabei unbeholfen vor und zurück. Die Flammen fraßen sich durch die Nacht, und Braun sah die schattenhaften Umrisse von drei Personen, die den brennenden Mann mit Baseballschlägern herumstießen. Die Wut stieg in ihm hoch und er verdoppelte sein Tempo.
„Sofort aufhören!“, schrie er und sah, dass es drei Jugendliche waren, die ihn verblüfft anstarrten. Braun nutzte den Überraschungseffekt und riss einem der Burschen den Baseballschläger aus der Hand. Er ließ den Schläger durch die Luft sausen und lief zu dem Mann.
„Wenn einer von euch näher kommt, dann gibt es eine Abreibung!“, drohte er und drehte sich zu dem Mann, der inmitten seiner Habseligkeiten panisch um die eigene Achse rotierte und dadurch das Feuer noch mehr anfachte.
„Werfen Sie den Mantel weg!“, rief Braun und klopfte dem Mann mit dem Baseballschläger auf die Schulter, um ihn aus seiner Trance zu reißen. Der Mann stoppte seinen Tanz und starrte ihn nur mit schreckgeweiteten Augen an.
„Kann nicht“, stammelte der Mann und eine Woge von Schweiß und billigem Schnaps schlug über Braun zusammen. Es war unschwer zu erkennen, dass es sich um einen älteren Obdachlosen handelte. Der Mann heulte auf, und Braun sah, dass sich die Flammen bereits durch den Mantel gefressen hatten. Kurz entschlossen zog er seine Trainingsjacke aus und sprang auf den Mann zu. Mit einem geübten Griff warf er ihn zu Boden und erstickte die Flammen mit der Jacke. Dann riss Braun ihm den verschmorten Mantel herunter und untersuchte den Rücken des Mannes. Dessen Körper war unversehrt, denn er trug drei Schichten Pullover übereinander, und die Flammen hatten seine Haut noch nicht erreicht.
„Da haben Sie ja noch einmal Glück gehabt“, sagte Braun und klopfte dem Obdachlosen beruhigend auf die Schulter. Dieser nickte nur verstört.
„Einst, wenn ich mich erinnere, war mein Leben ein Fest“, murmelte der Obdachlose verwirrt und kroch auf allen vieren über die Uferböschung.
„Der Mantel ist hinüber.“ Anklagend hielt der Mann das verkohlte Stück in die Höhe. Dann fingerte er plötzlich ein zerfleddertes Reclam-Heft aus der Manteltasche und blätterte darin herum. „Aber das Buch ist in Ordnung.“ Er versteckte es vorn unter seinem Pullover und setzte sich auf das halb verbrannte Kleidungsstück.
„Sie kriegen einen neuen Mantel. Darum kümmere ich mich“, antwortete Braun und drehte sich dann zu den Jugendlichen, die sich jetzt drohend näherten.
„Alter, misch dich bloß nicht in unsere Angelegenheiten. Verschwinde, sonst geht es dir wie dieser asozialen Ratte“, sagte einer von ihnen und baute sich direkt vor Braun auf. Der Jugendliche war groß und blond. Um seinen Mund hatte er einen arroganten Zug, und Braun spürte sofort, dass dieser Typ noch Ärger machen würde.
„Hör mal gut zu, du Arschloch“, sagte Braun leise und trat so nahe an den Jugendlichen heran, dass dieser unwillkürlich zurückzuckte. „Ich bin von der Polizei. Und das hier war versuchter Totschlag.“ Er deutete auf den Obdachlosen, der zitternd an der Böschung saß. „Ihr wolltet den Mann bei lebendigem Leib verbrennen. Ich rufe jetzt die Kollegen, die kümmern sich um euch. Also, schön ruhig bleiben.“ Ohne den Jungen aus den Augen zu lassen, griff Braun in die Tasche seiner Jogginghose und zog sein Handy heraus.
„Wenn du die Bullen rufst, dann verpass ich dir eine, kapiert?“, drohte der Jugendliche und klopfte mit dem Baseballschläger in seine Hand. Braun atmete tief ein, doch das euphorische Gefühl, das sich beim Joggen eingestellt hatte, wollte nicht wiederkehren. Jetzt war er wieder eingetaucht in eine Welt aus Gewalt und Niedertracht. Nicht einmal nachts beim Joggen war er davor sicher.
Als er die Nummer des Notrufs wählte, holte der Jugendliche mit seinem Schläger aus, doch Braun hatte damit gerechnet. Er parierte den Hieb, und noch ehe der Kerl ein zweites Mal austeilen konnte, schlug ihm Braun den Stock in die Seite. Der Angreifer ging zu Boden und Braun trat ihm sofort mit dem Fuß auf das Handgelenk.
„Aufhören, du brichst mir ja die Hand“, jammerte der Jugendliche. „Helft mir doch!“, rief er seinen beiden Kumpanen zu. Diese blickten sich zunächst unschlüssig an, drehten sich dann aber um und liefen davon.
„Schöne Freunde hast du. Das sind richtige Feiglinge“, meinte Braun. „Jetzt sitzt du alleine in der Scheiße. Wie heißt du überhaupt?“, fragte er dann. Als keine Antwort kam, trat er fester auf das Handgelenk. „Ich habe dich etwas gefragt.“
„Leck mich!“, zischte der Junge.
„Hast du denn gar keine Kinderstube.“ Braun schüttelte missbilligend den Kopf und beugte sich zu dem Jugendlichen hinunter. „Sind deine Eltern aus derselben Gosse wie du?“
„Mein Vater verdient mehr im Monat als du in einem Jahr“, kam die prompte Antwort in einem herablassenden Ton. „Und jetzt lass mich endlich aufstehen, und verpiss dich!“
„Erst, wenn du mir verrätst, wie du heißt“, blieb Braun unnachgiebig. „Ich höre.“
„Ich heiße René.“
„Und weiter?“
„René Jungwirth.“ René stand schnell auf, als Braun seinen Fuß von der Hand nahm, und verdrehte genervt die Augen. „Ich sage das meinem Vater. Der ist Anwalt.“
„Soll ich mich jetzt fürchten? Halt, du bleibst schön hier.“ Braun hielt René am Kragen seiner Bomberjacke gepackt, damit er nicht verschwinden konnte.
„Wie alt bist du eigentlich? Ich schätze, du bist über achtzehn und strafmündig.“
Braun wählte den Notruf und gab seine Position durch. „Jetzt kannst du über deine Blödheit nachdenken. Das hier war ein versuchter Totschlag.“
„Spinnst du? Diese Untermenschen verdienen eine Abreibung. Die sind Abschaum.“
„Wenn jemand Abschaum ist, dann bist du das“, sagte Braun zu René, der sich das schmerzende Handgelenk rieb.
„Du hältst dich wohl für etwas Besseres? Für den Retter der Menschheit? Wir befreien die Welt bloß von diesem Ungeziefer. Du kannst uns nicht aufhalten“, sagte René, der langsam seine Fassung wiedergewonnen hatte. „Die schweigende Mehrheit der Bevölkerung steht hinter mir.“
Braun steckte sein Handy zurück in die Tasche und atmete tief durch. Er spürte, wie das Adrenalin die Müdigkeit einfach aus seinen Adern spülte. So fit hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt.
„Träum weiter, mein Junge. Ihr seid bloß ein paar Asoziale, die Jagd auf die Schwächsten der Gesellschaft machen, weil sie selbst nichts auf die Reihe kriegen.“
„Spart dir deine Sozialpredigt. Wir sind im Recht.“
Das Blaulicht eines Streifenwagens zuckte durch die Dunkelheit und Braun hob winkend die Arme.
„Darüber kannst du dich bei der Polizei ausweinen“, sagte Braun und schob René Richtung Streifenwagen. „Sei bloß froh, dass der arme Mann nicht schwer verletzt ist.“
Der Streifenwagen hielt an der Uferböschung und zwei Polizisten stiegen aus.
„Was geht hier vor?“, fragten sie und leuchteten mit ihren Taschenlampen in die Gesichter.
„Chefinspektor Tony Braun, Mordkommission Linz. Das ist René Jungwirth. Er und zwei seiner Freunde wollten den Obdachlosen hier anzünden. Zum Glück bin ich dazwischengegangen“, sagte Braun und hielt den Polizisten seinen Dienstausweis entgegen. „So konnte ich Schlimmeres verhindern.“
„Das stimmt so nicht“, widersprach René. „Der Typ hier hat mich einfach grundlos angegriffen“, sagte er und hob seine Hand. „Ich glaube, er hat mir die Hand gebrochen.“
„Stimmt das, Chefinspektor?“, fragte einer der Polizisten skeptisch.
„Ich musste mich verteidigen“, antwortete Braun ruhig und deutete auf den Baseballschläger.
„Sie können also bezeugen, dass die Jugendlichen den Mann angezündet haben“, fragte der Polizist weiter.
„Natürlich. Sie wollten den Obdachlosen verbrennen. Sie brauchen sich doch bloß seinen Mantel anzusehen. Der ist völlig verkohlt“, sagte Braun und deutete auf den Mann, der noch immer mit dem Rücken zu ihnen am Boden hockte und in dem Reclam-Heft las.
„Hallo, Sie da“, rief der Polizist dem Obdachlosen zu, doch dieser reagierte nicht. „Sind Sie verletzt?“
Jetzt drehte sich der Mann ein wenig zur Seite und hob abwehrend die Hand.
„Ihnen ist also nichts passiert“, sagte der Polizist erleichtert. „Wir rufen aber trotzdem einen Krankenwagen.“ Sein Kollege war bereits nach hinten zu dem Streifenwagen gegangen und sprach in ein knisterndes Funkgerät.
„Nehmen Sie den da jetzt mit?“ Braun wies auf René, der mit gesenktem Kopf neben ihm stand.
„Ja, wir werden auf der Wache seine Personalien überprüfen und eine Anzeige aufnehmen.“ Der Polizist winkte René. „Los, komm, du fährst jetzt mit uns.“
Mit verschränkten Armen stand Braun am Ufer und blickte dem Streifenwagen nach, der wendete und dann den schmalen Weg die Böschung hinauffuhr, um dem Rettungswagen den Weg frei zu machen.
Als zwei Sanitäter aus dem Wagen sprangen, ging Braun zu dem Obdachlosen und tippte ihm auf die Schulter.
„Gehen Sie zu dem Krankenwagen. Der Arzt soll sich Ihren Rücken einmal ansehen.“
„Eines Abends habe ich mir die Schönheit aufs Knie gesetzt“, murmelte der Obdachlose und stand ächzend auf.
„Was haben Sie gesagt?“, fragte Braun, der kein Wort von dem Gebrummel verstanden hatte. Er warf einen flüchtigen Blick auf den Titel des Reclam-Heftes: „Eine Zeit in der Hölle“. Auch keine sehr aufbauende Lektüre, dachte er und führte den Obdachlosen zum Krankenwagen.
„Lesen Sie so was gerne?“ Braun deutete auf das angesengte Büchlein.
„Ja, es beruhigt die bösen Geister in meinem Kopf. Ich finde diese Bücher in dem Müll anderer Leute“, antwortete der Obdachlose und sah Braun direkt ins Gesicht. Dann entspannten sich seine Züge, und zum ersten Mal an diesem Abend lächelte er.
Die Frau trank den Jägermeister in einem Zug leer und ignorierte die missbilligenden Blicke ihrer Sitznachbarin. Vorsichtig verstaute sie das leere grüne Fläschchen dann wieder in ihrem schwarzen Lederrucksack, in dem es verräterisch klimperte. In Gedanken und Erinnerungen versunken blickte sie aus dem Fenster des Rail-Jet-Zuges, der sie von Wien nach Linz brachte.
Die Landschaft raste vorbei und Häuser, Gärten, Hügel und Wälder verzerrten sich zu einer bunten Farbstrecke. Dieses Farbspektrum vor ihren Augen lag weniger an der Geschwindigkeit des Zugs als vielmehr an der einsetzenden Wirkung der Essenz aus dem Fläschchen. Erleichtert stellte sie fest, dass auch das weiße Rauschen in ihrem Kopf aufgehört hatte.
Sie holte ihren Laptop hervor und loggte sich in das WLAN-Netz der Zuggesellschaft ein. Dann tippte sie „Mordkommission Linz“ in ein Suchfenster und Sekunden später öffnete sich die gewünschte Seite. Interessiert scrollte sie sich durch das Menü, verharrte kurz bei einem Foto, das den Leiter der Linzer Mordkommission zeigte.
„Tony Braun“, murmelte sie, „ob du noch immer so interessant aussiehst wie auf dem Foto? Das werde ich wohl niemals mehr herausfinden.“
Als ihre Sitznachbarin einen neugierigen Blick auf den Bildschirm werfen wollte, klickte sie die Seite schnell weg. Sie loggte sich in eine regionale Online-Zeitung und studierte einen Bericht, der über Verhaltensregeln informierte, wenn man als Frau von einem Stalker verfolgt wurde. Neben den üblichen Tipps wie Schlösser auswechseln, automatische Rollläden installieren und die Polizei um Schutz bitten gab es von der Autorin des Beitrags auch den unorthodoxen Ratschlag, den Stalker zur Rede zu stellen und mit seinem kranken Verhalten zu konfrontieren.
Nachdem sie den Artikel gelesen hatte, schloss sie das Fenster und las wieder die E-Mail-Nachricht, wegen der sie gestern aus Wien aufgebrochen war. Es war die Bitte einer Freundin, die sie aus früheren Uni- und Journalistenzeiten kannte und seit Jahren schon nicht mehr gesehen hatte.
„Sabine Schmidt“, sagte sie leise vor sich hin und versuchte, sich die dazu passende Person vorzustellen. Aber außer dass Sabine blond und hübsch war, fiel ihr nichts mehr ein. Das Gesicht blieb vage und austauschbar.
„Meine liebe Freundin Kim …“, so hatte Sabine die Mail begonnen, aber im Grund waren sie überhaupt keine Freundinnen gewesen. Im Gegenteil, beide gehörten sie unterschiedlichen Cliquen an und hatten sich an der Universität wenig zu sagen gehabt. Auch später waren sie sich nur sporadisch bei Pressekonferenzen über den Weg gelaufen. Und jetzt waren sie auf einmal die besten Freundinnen.
Eigentlich hatte Kim Klinger nicht vorgehabt, in ihre Heimatstadt Linz zurückzukehren. Zu viele Erinnerungen verbanden sie mit dieser Stadt, aber diese spezielle Nachricht war eine zu große Versuchung gewesen.
„… du kannst für ein halbes Jahr in meinem Haus wohnen. Du brauchst nichts zu bezahlen, musst nur nach der Post sehen. Ich bin mit Alvaro in Ibiza. Er hat dort ein kleines Hotel …“
Die Aussicht auf einen ruhigen Sommer in Linz war verlockend. Überhaupt jetzt, wo man Kim in Warschau eine düstere Prognose gestellt hatte.
Sabine hingegen klang so euphorisch, wenn sie von Alvaro schrieb, dem Mann, den sie auf einer Internetplattform kennengelernt hatte. Ihre Freundin dachte an eine Zukunft, während Kim froh war, die nächsten Tage und Nächte irgendwie zu überstehen. Aber das würde sich jetzt ändern. Sie würde alles daransetzen, um aus einem stinknormalen Sommer eine einzigartige Zeit zu machen. Weiter wollte sie im Moment gar nicht denken.
Sabine hatte auch Kims Buch gelesen und in der Mail öfter erwähnt, dass sie von der einfühlsamen Schreibweise begeistert war.
„Du bist zurzeit die einzige Person, der ich mein Haus anvertrauen kann. Ich habe ja niemanden mehr auf der Welt. Ich brauche einfach ein wenig Abstand von der täglichen Tretmühle als Journalistin. Ein rassiger Spanier mit einem kleinen Hotel. Das ist mal was anderes.“
Also hatte Kim eingewilligt, sich in Linz mit Sabine zu treffen, um nähere Details zu besprechen. Denn irgendwie hatte sie das vage Gefühl, als würde Sabine ihr noch etwas verschweigen, als wären mit dem Überlassen des Hauses auch Bedingungen verknüpft. Doch was konnte das sein?
Seit das weiße Rauschen zurückgekehrt war, wusste sie, dass ihre Zeit nur noch begrenzt war und sie jede Sekunde nutzen musste. In Linz gab es noch einen Mann, mit dem sie hätte glücklich werden können, wenn sich nicht das Schicksal gegen sie verschworen hätte. Aber so war das eben, Liebe konnte man nicht erzwingen. Das Leben kann grausam und ungerecht sein, dachte sie und zählte nach, wie viele Jägermeisterflaschen sie noch in ihrem Rucksack hatte. Der Vorrat würde reichen, um sich ein für alle Mal aus dieser wundervollen Welt zu verabschieden.
Zufrieden lehnte sie sich zurück und schloss die Augen. Sie genoss diese kurzen Momente, wenn ihr Kopf leer war und das dunkle Tosen sich in die hintersten Winkel ihres Verstandes zurückgezogen hatte. Dann glaubte sie für einen allerkürzesten Augenblick, dass sie es tatsächlich schaffen könnte, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen.
Kurz vor Linz schreckte sie aus einem Halbschlaf hoch und schaffte es gerade noch, mit ihrem Rucksack und dem kleinen Koffer auszusteigen. Der Linzer Hauptbahnhof war modern und übersichtlich, es war ein krasser Gegensatz zu dem düsteren riesigen Warschauer Bahnhof „Warszawa Centralna“, der auch von außen mit seinem geschwungenen Dach wie ein riesiger unheimlicher Manta wirkte.
Als sie mit der Rolltreppe nach oben in die Bahnhofshalle fuhr, entdeckte sie bereits Sabine. Je näher sie kam, desto deutlicher sah sie die Lebenslust im Gesicht von Sabine. Deren Gesicht war fast faltenfrei und ihre Augen strahlten. Ihre Haare glänzten in einem tollen Blond und ihr großer Mund war mit dezentem Lippenstift perfekt akzentuiert. Sabine sah mit ihren mehr als vierzig Jahren einfach toll aus, was man von Kim im Augenblick nicht sagen konnte. Als Sabine Kim entdeckte, begann sie breit zu lächeln, sprang auf und ab und winkte wie ein Teenager.
„Wie schön, dass du gekommen bist!“ Sabine breitete theatralisch die Arme aus und umarmte Kim, als wären sie die besten Freundinnen. „Du siehst fantastisch aus“, machte Sabine ihr ein Kompliment, als sie Kim eingehend musterte.
„Aber bei Weitem nicht so gut wie du. Ich muss mich erst etwas erholen“, antwortete Kim.
„Dafür hast du jetzt mein Haus. Wie geht es dir? Wir haben uns ja schon ewig nicht mehr gesehen. Es gibt so viel zu erzählen“, redete Sabine ununterbrochen weiter und hakte sich bei Kim unter, während sie zum Ausgang gingen.
„Die berühmte Autorin Kim Klinger wohnt in meiner bescheidenen Hütte“, sagte Sabine gut gelaunt und schmiegte sich enger an Kim.
„Wenn ich das in unserer Redaktion erzähle, dann beneiden mich sicher alle um diese Freundschaft.“
„Ich bin nicht berühmt“, antwortete Kim. „Es war ein Glücksfall, dass den Lesern mein Buch gefallen hat.“ Gefallen ist nicht ganz richtig, dachte Kim, denn das Buch hatte die Leser aufgerüttelt. „Requiem für die toten Mädchen“ stand wochenlang auf den Bestsellerlisten, und Kim wurde zu einem beliebten Gast in den Talkshows, in denen es um junge Prostituierte aus dem Osten ging. Doch dann war das weiße Rauschen zurückgekehrt und sie hatte sich nach Warschau in eine Spezialklinik zurückgezogen.
Als sie durch die Bahnhofshalle gingen, knallte die Sonne bereits durch die hohen Glasfronten. Kim bekam plötzlich rasende Kopfschmerzen und in dem hellen Licht glaubte sie zu verbrennen. Sie kramte in ihrem Rucksack und setzte ihre große Sonnenbrille auf.
„Geht es dir nicht gut?“ Sabine blieb stehen und musterte besorgt ihre Freundin.
„Alles o. k., ich brauche nur meine kleine Medizin“, sagte Kim leise und zog einen Jägermeister aus ihrem Rucksack. Als sie das Fläschchen geleert hatte, wischte sie sich mit dem Handrücken über den Mund.
„Es ist nicht so, wie du denkst“, begann sie, doch Sabine hob abwehrend den Arm.