Stilles Grabeskind - Thriller - B.C. Schiller - E-Book

Stilles Grabeskind - Thriller E-Book

B. C. Schiller

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Beschreibung

Kurz nach Mitternacht erhält Chefinspektor Tony Braun während der Moderation seiner Radiosendung ein grausames Video von einem KIller. Darin sieht man, wie ein junges Mädchen bei lebendigem Leib begraben wird. Können Tony Braun und sein Team das Mädchen rechtzeitig retten? Und was geschah mit einem vor Jahren entführten Kind, das in einem Erdloch gefangen gehalten wurde? Dann erhält Braun ein weiteres Videofile und er wird aufgefordert, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen. Eine Wahrheit, die das Leben des Täters zerstört hat und ihn zum Mörder werden ließ … Alle Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden. Die Tony-Braun-Thriller-Reihe: "Totes Sommermädchen" - wie alles begann - der erste Tony Braun Thriller "Töten ist ganz einfach" - der zweite Fall "Freunde müssen töten" - der dritte Fall "Alle müssen sterben" - der vierte Fall "Der stille Duft des Todes" - der fünfte Fall "Rattenkinder" - der sechste Fall "Rabenschwester" - der siebte Fall „Stiller Beobachter“ - der achte Fall „Strandmädchentod“ – der neunte Fall "Stilles Grabeskind" - der zehnte Fall

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INHALT

Impressum

Anmerkung

Über die Autoren B.C. Schiller

Bücher von B.C. Schiller

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Danksagung

Sämtliche Figuren und Ereignisse dieses Romans sind der Fantasie entsprungen. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist zufällig und von den Autoren nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Blue Velvet Management e.U. urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Copyright Blue Velvet Management e.U.,

A – 4020, Linz, Derfflingerstrasse 14, 2019, 2020, 2022, 2024

Lektorat & Korrektorat: Wolma Krefting, www.bueropia.de

Covergestaltung: www.afp.at

Bildmaterial: alte Metallschere mit Blut auf hellgrauem neutralen Hintergrund: 5532, AdobeFirefly Tool

Hintergrund: Authors own

Wir haben uns erlaubt, einige Namen und Örtlichkeiten aus Spannungsgründen neu zu erfinden, anders zu benennen und auch zu verlegen. Sie als LeserInnen werden uns diese Freiheiten sicher nachsehen.

ÜBER DIE AUTOREN B.C. SCHILLER

Barbara und Christian Schiller leben und arbeiten in Wien und auf Mallorca mit ihren beiden Ridgebacks Calisto & Emilio.

Gemeinsam waren sie über 20 Jahren in der Marketing- und

Werbebranche tätig und haben ein totales Faible für spannende Krimis und packende Thriller.

B.C. Schiller gehören zu den erfolgreichsten Spannungs-Autoren im deutschsprachigen Raum. Bisher haben sie mit ihren Krimis über 3.000.000 Leser begeistert.

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BÜCHER VON B.C. SCHILLER

TONY-BRAUN-THRILLER:

TOTES SOMMERMÄDCHEN – der erste Tony-Braun–Thriller –

»Wie alles begann«

TÖTEN IST GANZ EINFACH – der zweite Tony-Braun-Thriller

FREUNDE MÜSSEN TÖTEN – der dritte Tony-Braun-Thriller

ALLE MÜSSEN STERBEN – der vierte Tony-Braun-Thriller

DER STILLE DUFT DES TODES – der fünfte Tony-Braun-Thriller

RATTENKINDER – der sechste Tony-Braun-Thriller

RABENSCHWESTER – der siebte Tony-Braun-Thriller

STILLER BEOBACHTER – der achte Tony-Braun-Thriller

STRANDMÄDCHENTOD – der neunte Tony-Braun-Thriller

STILLES GRABESKIND – der zehnte Tony-Braun-Thriller

Alle Tony-Braun-Thriller waren monatelang Bestseller in den Charts. Die Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

GRETCHEN LARSSEN UND DAS OSTSEEMÄDCHEN: der erste Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DAS DÜNENOPFER: der zweite Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEZORN: der dritte Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEESCHULD: der vierte Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DER KÜSTENMÖRDER: der fünfte Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEMORD: der sechste Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEETRÄNEN: der siebte Band mit Gretchen Larssen

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

MALLORCA-INSELKRIMI:

MÄDCHENSCHULD – ist der erste Band der neuen spannenden Mallorca-Inselkrimi-Reihe mit der Inspectora Ana Ortega und dem Europol-Ermittler Lars Brückner. Die Krimis sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

SCHÖNE TOTE – der zweite Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.

FAMILIENBLUT – der dritte Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.

NORDTOD - KÜSTENTHRILLER:

NORDTOD - DIE KOLIBRIMÄDCHEN: der erste spannende Cold-Case-Fall mit der schwedischen Ermittlerin Signe Nord.

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

DUNKELSTEIG – Trilogie:

DUNKELSTEIG: der erste Band mit Felicitas Laudon

DUNKELSTEIG – SCHULD –der zweite Band mit Felicitas Laudon

DUNKELSTEIG – BÖSE: der dritte und letzte Band mit Felicitas Laudon

Psychothriller:

DIE FOTOGRAFIN

DIE SCHWESTER

DIE EINSAME BRAUT

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

Die TARGA-HENDRICKS-Thriller:

DER MOMENT, BEVOR DU STIRBST – der erste Fall mit Targa Hendricks

IMMER WENN DU TÖTEST – der zweite Fall mit Targa Hendricks

DUNKELTOT, WIE DEINE SEELE – der dritte Fall mit Targa Hendricks

Die DAVID-STEIN-Thriller:

DER HUNDEFLÜSTERER – David Steins erster Auftrag

SCHWARZER SKOPRION – David Steins zweiter Auftrag

ROTE WÜSTENBLUME – David Steins dritter Auftrag

RUSSISCHES MÄDCHEN – David Steins vierter Auftrag

FREMDE GELIEBTE – David Steins fünfter Auftrag

EISIGE GEDANKEN – David Steins sechster Auftrag

TODESFALTER – David Steins siebter Auftrag

LEVI-KANT-Cold Case-Krimi:

BÖSES GEHEIMNIS – der erste Cold Case

BÖSE TRÄNEN – der zweite Cold Case

BÖSES SCHWEIGEN – der dritte Cold Case

Tauchen Sie ein in die B.C. Schiller Krimi-Welt.

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STILLES GRABESKIND

Thriller

B.C. SCHILLER

„Der Mund, der lügt, bringt sich den Tod.“ (Weisheit, 1, 11)

KAPITELEINS

Jede Lüge kann tödlich sein.

Sie hat sich kaum verändert, denke ich, als Miriam aus dem Auto steigt. Sie bleibt noch kurz stehen und wartet, bis der Wagen verschwunden ist.

»Hallo, wir haben uns lange nicht gesehen«, sagt Miriam mit einem Lächeln, als ich aus dem Schatten der Bäume trete. »Ich war auf dem Weg zu einer Podiumsdiskussion, aber als dein Anruf kam, konnte ich nicht widerstehen. Ich war zu neugierig und musste dich einfach treffen.«

»Ja, so viele Jahre sind seither vergangen. Es ist wirklich etwas ganz Besonderes, das ich dir zeigen will. Darüber kannst du dann in deinem Blog schreiben«, antworte ich und umarme sie.

»Mein Gott, waren das Zeiten früher. Wir waren unzertrennlich, wie Zwillinge«, seufzt Miriam und drückt mich fest.

»Das stimmt. Wir haben fast alles gemeinsam gemacht«, gebe ich ihr recht.

»Ich bin schon wahnsinnig gespannt, welche Überraschung du für mich hast«, meint Miriam und gestikuliert mit ihren frisch manikürten Fingern durch die Luft. Sie trägt ein schickes Kleid und hat den Gürtel ihres Mantels lässig geknotet.

»Lass dich überraschen. Ich verrate nur so viel, so etwas hast du noch nie erlebt.«

»Spann mich doch nicht so auf die Folter.« Miriam klatscht in die Hände wie das kleine Mädchen, das ich von früher her kenne.

»Wie findest du mich nach all den Jahren?«, fragt sie und sieht mich dabei erwartungsvoll an.

»Vom Wesen her hast du dich nur wenig verändert, du bist noch genauso kommunikativ wie damals.«

»Ja, geredet habe ich immer schon gern«, meint Miriam lachend. »Du hingegen warst ja sehr zurückhaltend und still. Deshalb haben wir uns auch so gut ergänzt.« Sie hakt sich bei mir unter und gemeinsam laufen wir weiter. Das Licht des beinahe vollen Mondes bahnt sich mühsam seinen Weg durch das Geäst der Bäume. Blätter streifen mir über das Gesicht und hinterlassen eine nasse Spur auf meiner Haut.

»Wie lange müssen wir noch gehen?«, fragt Miriam und streicht sich eine Haarsträhne aus der Stirn.

»Gleich sind wir da.«

Mit einem Mal endet der Wald, und wir stehen auf einer Wiese. Der Mond beleuchtet die verwitterten Mauern einer Ruine, die ihren Schatten auf die Lichtung wirft.

»Wo ist jetzt die Überraschung?«, fragt Miriam und sieht sich um.

»Dort hinten.« Ich deute auf einen rechteckigen Fleck, der sich dunkel vom Boden abhebt.

»Was ist das? Eine Grube? Hast du vielleicht einen Schatz entdeckt?« Miriam geht an mir vorbei und läuft auf das ausgehobene Rechteck zu. »Da ist aber gar nichts drinnen«, meint sie enttäuscht, als sie davorsteht. Sie dreht sich zu mir um, will etwas sagen, doch in diesem Moment verpasse ich ihr einen leichten Schubs. Miriam stößt einen kurzen Schrei aus und verliert das Gleichgewicht. Ihre Arme rudern durch die Luft, aber sie kann die Balance nicht mehr halten und fällt rücklings in die Grube.

»Was soll das?«, jammert Miriam und blickt verdutzt zu mir hoch. Sie liegt ein wenig verdreht in dem Erdloch. Vielleicht hat sie sich beim Sturz verletzt. Sie presst die Lippen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Noch will sie stark sein und die Wahrheit nicht begreifen.

»Du spinnst ja vollkommen!«, zischt sie hasserfüllt, als ich nicht reagiere. Für einen kurzen Augenblick kommt ihre böse Seite zum Vorschein. Sie versucht aufzustehen, aber dann sinkt sie mit schmerzverzerrtem Gesicht wieder zurück in ihr Grab.

»Im Gegenteil«, erwidere ich ruhig. »Ich war noch nie so klar. Jetzt gebe ich dir Gelegenheit, dich an deine Lüge zu erinnern.«

Dann nehme ich eine Schaufel voll mit Erde und schütte sie in die Grube. Nach meinen Berechnungen müssen es einhundertzwanzig Schippen mit Erde sein, bis der Körper von Miriam völlig bedeckt ist. Als die Arbeit beendet ist, beuge ich mich wieder über den Rand des Grabes. Nur Miriams Kopf ist noch frei. Emotionslos starre ich in ihr geschocktes Gesicht. Sie ahnt bereits, dass sie sterben wird. Würmer schlängeln sich an Miriams Wangen hinauf, und schillernde Käfer krabbeln durch das frische Erdreich auf sie zu.

»Ist es wegen damals?«, murmelt Miriam verzweifelt, als die Erinnerung sie wie eine Lawine überrollt. »Es ist diese alte Geschichte. Wieso vergisst du das nicht einfach?«

»Weil du damals gelogen hast.«

»Das stimmt doch gar nicht.«

»Doch. Es ist die Wahrheit.«

Miriam will noch etwas sagen, aber ich habe genug von ihrem Gerede und klatsche eine Schaufel mit schwarzer Erde mitten in ihr Gesicht. Dreck und Ungeziefer verschließen ihren Mund, aus dem eine Lüge kam, die mein Leben veränderte.

Schwer atmend setze ich mich an den Rand des Grabes. Ich hole einen Zettel hervor und lese, was ich dort aufgeschrieben habe:

Zehn Schaufelwürfe, dann ist Miriams Kopf unter der Erde begraben. Drei Minuten dauert im Anschluss daran der qualvolle Erstickungstod.

Jetzt ist es ein Uhr morgens. Bis zwei Uhr dreißig lasse ich Miriam Zeit, über alles nachzudenken. Dann werde ich die letzte Vertiefung zuschaufeln.

Noch einmal höre ich Miriams Stimme, ehe sich eine Schicht Erde wie ein nachtschwarzes Tuch über ihre Augen legt.

»Willst du mich hier eingraben?«

»Ja, ich werde dich lebendig begraben.«

KAPITELZWEI

Der alte Schlachthof von Linz war ein imposantes Gebäude, das mit seiner roten Ziegelfassade und den verrosteten Stahltüren wie eine finstere Ritterburg wirkte. Nachdem das Gebäude jahrelang die Heimat eines Technoclubs gewesen war, hatte man es schließlich in ein Medienzentrum umgebaut. Neben IT-Firmen und Werbeagenturen beherbergte es auch die Räume des Internet-Radios ›Wahre Werte‹. Richard Marx, ein ehemaliger Artdirector, positionierte das Radio weit abseits des Mainstreams als rettende Insel für ›schöne Verlierer und himmlische Spinner‹.

Nighthawk, einer der Moderatoren, saß nach Mitternacht in der engen Kabine des Livestudios und trank den letzten Schluck Bier aus einer Dose San Miguel. Gerade hatte er mit ›Bela Lugosi’s dead‹ eine rare Liveaufnahme von Bauhaus gespielt, als erneut ein Anrufer zu ihm durchgestellt wurde.

»Hier ist Nighthawk, dein Radiohost. Es ist der Talk ohne Limits. Du kannst reden, worüber du möchtest«, forderte er den Anrufer auf und öffnete dabei die nächste Bierdose.

»Hi, ich bin Laura«, meldete sich eine weibliche Person mit einer ziemlich jungen Stimme.

»Hallo, was willst du uns erzählen?«, fragte Tony Braun. Seit einigen Jahren war er Chefinspektor der Mordkommission von Linz und moderierte einmal die Woche unter dem Namen Nighthawk eine Talksendung in diesem Internetradio. Damit konnte er zumindest für kurze Zeit seine anstrengende Arbeit vergessen, die ihn oft bis an die Grenzen des Erträglichen trieb.

»Also, schieß endlich los! Was brennt bei dir?«

»Es dreht sich um Sex«, erwiderte das Mädchen provokant.

»Ganz was Neues«, brummte Braun.

»Ich habe da einen Typen im Visier, den ich auf die Matte legen will«, ließ sich Laura nicht aus dem Konzept bringen.

»Du klingst noch ziemlich jung«, meinte Braun nach einem Schluck Bier. »Ist der Typ älter?«

»Klar doch! Was glaubst denn du?«, prustete Laura los. »Mit gleichaltrigen Jungs wär das ja Blümchensex.«

»Wie alt bist du?«

»Fünfzehn, aber ich sehe viel älter aus«, beeilte sich Laura zu sagen.

»Wo liegt also dein Problem?« Braun hasste es, um den heißen Brei herumzureden. Er war für seine direkte Art bekannt.

»Äh, ich hab keines«, antwortete Laura verdutzt.

»Doch«, widersprach Braun. »Sonst würdest du nicht hier anrufen.«

»Wenn ich’s doch sage. Bei mir ist alles okay.« Das Mädchen blieb stur.

»Dann ist ja alles gut, aber vergeude nicht meine Zeit. Hinter dir hängen eine Menge Leute in der Leitung, die was Wichtiges zu sagen haben.«

»Warte! Also, der Typ, auf den ich stehe, ist der neue Freund meiner Mutter«, erzählte Laura mit ein wenig Stolz in der Stimme.

»Oh, das ist aber scheiße«, antwortete Braun spontan. »Das wird deiner Mutter nicht gefallen.«

»Eben, deshalb rufe ich auch an. Ich brauche deinen Rat. Natürlich mag ich meine Mutter, aber Max ist auch ziemlich heiß.«

»Steht der Typ auch auf dich?«, fragte Braun weiter.

»Klar doch, was denkst denn du? Frischfleisch ist eben cooler als Faltenhaut.«

»Na, du bist ganz schön frech«, meinte Braun. »Liebt ihn deine Mutter?«

»Mag schon sein, aber ich liebe ihn auch«, erwiderte Laura trotzig. »Was soll ich jetzt machen?«

»Stell dir mal vor, du wärst so alt wie deine Mutter. Was würdest du denn sagen, wenn dir deine junge Tochter den Freund ausspannt?«

»Ich wäre angepisst.« Laura klang mit einem Mal aggressiv. »Und ich würde sie auf der Stelle rauswerfen.«

»Na, dann weißt du ja, wie deine Mutter vielleicht reagieren wird. Und glaub mir, eure Beziehung bekommt einen Riss, den man nicht mehr kitten kann.«

»Was willst du mir damit sagen?«

»Lass die Finger von Max.«

»Und wenn ich das nicht tue?«

»Dann musst du mit den Konsequenzen leben.«

»Okay, ich denk darüber nach«, antwortete Laura und legte schnell auf.

Braun fuhr den Regler hoch, und der Sound von ›Darshan‹ mit der fräsenden Gitarre von Robert Fripp und der melancholischen Stimme von David Sylvian legte sofort mächtig los. Er lehnte sich zurück und verschränkte entspannt die Hände im Nacken. Bisher war es eine ruhige Nacht gewesen und die Anrufer hatten vergleichsweise kleine Problemchen gehabt. Da hatte er in den vergangenen Sendungen schon viel Schlimmeres erlebt.

Plötzlich öffnete sich die Tür zu dem Livestudio, und ein junger Mann mit kurzen schwarzen Haaren trat ein. In der Hand schwenkte er einen Pappkarton, auf dem in großen Lettern Jimmy Spezial stand.

»Hallo, Tony«, sagte Jimmy Braun. »Ich habe dir was zu essen mitgebracht.«

»Wieso bist du hier?«, wunderte sich Braun. »Du interessierst doch sonst auch nicht für meine Sendung.«

»Ich habe neue Rezepte für meine Burger ausprobiert und dachte, du bist das geeignete Testobjekt dafür«, grinste Jimmy.

»Ach, und was ist das Neues?«, fragte Braun und betrachtete den Pappkarton skeptisch von allen Seiten. Seit sein Sohn als Streetfood-Koch mit seinem eigenen Bus von Event zu Event tourte, hatte er sich fast zu einem Vegetarier gewandelt. Jimmy war das krasse Gegenstück zu Braun, der sich oft einen fetten Döner bei seinem türkischen Freund Kemal gönnte.

»Das ist mein Jimmy Spezial-Burger«, antwortete sein Sohn voller Stolz.

»Gib das gute Stück schon her«, meinte Braun und öffnete vorsichtig den Karton. Der Burger sah tatsächlich sehr appetitlich aus, doch Braun konnte dazwischen kein Stück Fleisch entdecken, nur grüne Salatblätter und undefinierbare braune Scheiben.

»Wo ist das Fleisch?«, murmelte er.

»Hallo, das ist ein Spezial-Burger. Da gibt es weder Fleisch noch Käse«, klärte ihn Jimmy auf.

»Interessant«, meinte Braun.

»Willst du nicht wenigstens mal probieren?«, fragte Jimmy und machte ein enttäuschtes Gesicht.

»Doch, doch«, beeilte sich Braun zu sagen und biss herzhaft in den Burger. »Schmeckt ausgezeichnet. Aber der Song ist gleich aus. Da muss ich wieder moderieren.«

»Alles klar. Ich hol mir bei Richard nur einen Joint, dann bin ich weg.« Jimmy winkte Richard durch die Glasscheibe zu, der in seinem Ganja-Nebel beinahe nicht zu sehen war.

»Spinnst du!« Braun schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. »Du willst bekifft Auto fahren? Wenn dich die Polizei erwischt, bist du deinen Führerschein los!«

»Komm wieder runter, Tony«, antwortete Jimmy. »Was denkst du von mir. Ich rauche den Joint natürlich zu Hause.«

»Übertreibe das Grasrauchen bloß nicht.«

»Da redet der Richtige! Was ist mit deinem Bier? Vielleicht solltest du auch auf Gras umsteigen. Ist jedenfalls gesünder als dein Alkkonsum. Bis später.« Jimmy tippte mit dem Zeigefinger an seine Schläfe und schlenderte nach draußen. Durch die Scheibe sah Braun, wie ihm Richard im Technikraum einen Joint reichte. Er wollte gerade die Taste zur Gegensprechanlage drücken und ein böses Statement abfeuern. Aber dann hielt er sich zurück und erinnerte sich an seine Jugend und die unglückliche Beziehung zu seiner Mutter. Man muss den Kindern auch Freiheiten lassen, dachte er.

Nachdem Jimmy das Studio verlassen hatte, verspürte Braun mit einem Mal ein starkes Hungergefühl. Eigentlich wollte er abends nach achtzehn Uhr nichts mehr essen, um fit zu bleiben, aber der Biss in Jimmys Burger hatte seine guten Vorsätze zunichtegemacht.

Seufzend gab Braun Richard ein Zeichen. »Verbinde mich mal mit Kemal, der ist sicher noch in seiner Bude.«

»Braun, deine Stimme erhellt wie ein Leuchtfeuer diese dunkle Nacht«, meldete sich kurz darauf sein Freund Kemal mit einem poetischen Spruch. »Hat dich dein Sohn besucht?«

»Ja, Jimmy war mit einer seiner neuen Eigenkreationen bei mir«, antwortete Braun. »Und plötzlich habe ich Lust auf deinen knusprigen Döner bekommen. Komm doch bitte auf deinem Heimweg bei mir vorbei.«

»Das wird Jimmy aber nicht gefallen. Wir haben vorhin das Rezept für einen Bio-Döner bei mir ausprobiert. Man muss eben mit der Zeit gehen, würde dir auch nicht schaden«, erwiderte Kemal in seiner direkten Art. »Ich habe außerdem schon geschlossen.«

»Das ist ein großer Notfall«, brummte Braun. »Ich brauche jetzt etwas Handfestes zwischen die Zähne.«

»Nun gut, mein Freund, ich erlöse dich von deinen höllischen Hungerqualen«, trillerte Kemal und legte auf.

»Perfektes Timing«, dachte Braun, denn in diesem Moment war der Song auch zu Ende und der nächste Anrufer bereits in der Leitung.

»Bei dir können doch alle die Wahrheit sagen?«, begann jener gleich mit einer Frage. »Du bist der große Wahrheitsfinder.« Die Stimme klang von weit weg und undefinierbar.

»Hör auf zu schleimen und rede endlich Klartext«, konterte Braun und griff nach seiner Bierdose. Hoffentlich ist das nicht so ein anstrengender Spinner. Die Sendung hat so gut begonnen, dachte er kurz.

»Meine Mission richtet sich gegen Menschen, die lügen. Kannst du mir folgen?«, erwiderte der Anrufer.

»Was willst du mir damit sagen? Ich verstehe nur Bahnhof«, sagte Braun schon ein wenig genervt. »Nenn mir mal deinen Namen und hör auf, deine Stimme zu verstellen. Bist du so prominent, dass man dich an deinem Tonfall erkennen würde? Sei einfach ehrlich, dann können wir über dein Problem mit der Wahrheit reden.«

»Nein, die Wahrheit ist nicht das Übel, sondern sie bringt die Erlösung. Im Gegensatz zur Lüge. Wenn man dich an einen Lügendetektor anschließt, wie oft ertappt man dich bei einer Lüge?«

»Jeder Mensch lügt manchmal. Zum Beispiel, um sich wichtig zu machen. So wie du eben. In Wirklichkeit bist du bloß eine einsame Seele, die jetzt die fünf Sekunden Aufmerksamkeit genießt, weil man dich im täglichen Leben immer übersieht«, provozierte Braun, um den Anrufer etwas aus der Reserve zu locken. Sein Bauchgefühl machte ihn misstrauisch. Er wartete einen kurzen Moment, und seine Finger schwebten bereits über dem Regler, um den nächsten Song in den Äther zu schießen.

»Ich schicke dir einen Beweis, dass ich es mit meiner Mission ernst meine. Denn manchmal kann die Wahrheit auch tödlich sein.«

»Du redest von deiner Mission wie ein Killer im Fernsehen.« Ungeduldig klopfte Braun mit den Spitzen seiner Stiefel auf den Boden.

»Vielleicht bin ich ein Killer. Vielleicht braucht es Tote, um die Menschen aufzurütteln«, antwortete die Stimme sanft, und mit einem Mal war die Verbindung getrennt.

Automatisch zog Braun den Regler auf, und der mehrstimmige Gesang von Warpaint mit dem Song ›Billie Holiday‹ erklang beruhigend durch das Studio.

»Was war denn das?«, wunderte sich Richard, der vom Technikraum aus das Gespräch über sein Headset mitverfolgt hatte.

»Ein Spinner«, meinte Braun.

»Wahrscheinlich hast du recht. Aber er hat einen Stimmen-Manipulator verwendet«, gab Richard zu bedenken. »Ich habe das während des Gesprächs mit meiner Software gecheckt. Man weiß nie, ob man mit einer Frau oder mit einem Mann spricht.«

»Na und wenn schon. Diese Dinger gibt es in jedem Online-Shop zu kaufen«, bemerkte Braun lakonisch. Während er dem Song lauschte, winkte ihm Richard plötzlich durch die Glaswand zu.

»Dein Döner ist eingetroffen.«

»Das ist jetzt meine Erlösung.« Braun stand auf und zwängte sich durch die enge Tür in den Technikraum. »Ich sterbe vor Hunger. Wieso ist Kemal nicht mehr hier?«, fragte er Richard.

»Keine Ahnung. Ein Bote hat die Schachtel gebracht.« Richard zuckte mit den Achseln.

»Ein Bote? Das sieht Kemal aber nicht ähnlich«, wunderte sich Braun. »Und überhaupt, seit wann verwendet Kemal eine Plastikbox? Das würde Jimmy niemals akzeptieren.«

Argwöhnisch klappte Braun den Deckel der Box auf und zuckte angeekelt zurück. »Was ist das für ein Scheiß!«, zischte er und drehte die Schachtel in Richards Richtung.

»Igitt!« Richard verschluckte sich vor Schreck und hustete sich die Lunge aus dem Leib. »Was ist das?«

»Das sind Maden und Würmer, die sich in frischer Erde tummeln. Und dazwischen liegt eine blonde Haarlocke mit einer Spange«, erwiderte Braun und stellte die Box auf den Tisch.

»Da hat sich jemand einen bösen Scherz erlaubt«, sagte Richard.

»Ich weiß nicht so recht.« Braun strich sich über seinen angegrauten Dreitagebart. »Das sieht nicht wie ein Witz aus.«

In diesem Augenblick blinkte Richards Computer und kündigte eine eingehende Mail an. Richard drehte sich zum Bildschirm. »Die Wahrheit kann auch tödlich enden«, las er den Text, der dort groß zu sehen war.

»Was steht da?« Braun beugte sich vor. »So was Ähnliches hat der Anrufer von vorhin auch geplappert. Da ist noch ein Anhang mit einer Datei dabei.«

Richard klickte auf das File. Es war ein Video. Zunächst sah man nur Erde und Maden in Großaufnahme, dann blondes Haar, eine Schere, die eine Locke abschnitt. Schließlich tauchte das Gesicht einer jungen Frau auf, die bis zum Hals in einem Erdloch steckte und panisch in die Kamera blickte. Plötzlich schob sich eine Texteinblendung ins Bild: »In genau zwei Stunden bedecken Erde, Maden und Würmer dieses hübsche Gesicht. Dann ist sie tot. Das ist meine Wahrheit.«

KAPITELDREI

Das Viertel der lebenden Toten in Bukarest heißt Livezilor. Dort gibt es weder eine Verwaltung noch eine Infrastruktur, und die wenigen Busse, die hierher fahren, werden von den Gangs kontrolliert und haben ganz andere Ziele.

An einem wolkenverhangenen Morgen dröhnte die Hupe eines Überlandbusses in den vermüllten Straßenschluchten, durch die der Wind heulte. Männer, Frauen, Kinder und Horden von Hunden kamen aus ihren Bretterbuden und Verschlägen und liefen dem verdreckten Bus hinterher, der zischend vor dem Hotel Galom anhielt. Das Hotel war ein heruntergekommener Plattenbau, den ein österreichischer Investor gekauft hatte. Im Erdgeschoss befanden sich eine illegale Spielhalle und ein permanenter Flohmarkt. Dort konnte jeder, der wollte, Trödel verkaufen, musste aber einen Teil des Erlöses wieder an den Automaten verspielen. In den oberen Stockwerken des Hotels hatten sich Prostituierte als Dauermieter einquartiert, und dann gab es noch das Reisebüro, das Gordan Ceausescu betrieb.

»Was ist? Willst du ein Zimmer fürs Anschaffen?«, fragte Gordan ein Mädchen mit dunklen Haaren, das unschlüssig am Eingang vor dem Reisebüro stand.

»Nein, ich möchte ein Ticket für den Bus nach Österreich«, erwiderte das Mädchen schüchtern.

»Nur ein Ticket? Und was ist mit dem da?« Gordan deutete auf einen kleinen Jungen, den das Mädchen an der Hand hielt.

»Aber mein Bruder ist doch erst zehn und darf daher gratis mitfahren. Das steht auf dem Poster in der Auslage«, antwortete das Mädchen stockend.

»Du kannst also lesen.« Gordan nickte anerkennend. »Dann bist du wohl etwas Besseres?«

»O mein Gott, nein, der Pope hat mich unterrichtet, weil ihm Oma ein Huhn gebracht hat.«

»Was ist das für eine Scheißgeschichte. Aus welchem Kaff kommst du?«

»Aus Timurescu«, flüsterte das Mädchen und umklammerte fest die Hand ihres kleinen Bruders.

»Nie gehört, sprich etwas lauter. Wie heißt du, Mädchen, und wie alt bist du?«, fragte Gordan weiter.

»Ich bin Alina und das ist mein Bruder Darian. Ich werde in einem Monat sechzehn Jahre alt. Darian ist noch klein, aber bereits sehr klug. In dem Flugblatt steht, dass er in Österreich zu einer Pflegefamilie kommt und eine richtige Schule besuchen darf.«

»Richtig. Und für ein Mädchen wie dich haben wir auch eine Stelle in Aussicht. Du kannst sogar wählen zwischen einer Arbeit im Hotel oder einem Supermarkt«, erklärte Gordan und griff nach dem Geldbündel, das ihm Alina hinhielt. »Das sind aber keine tausend Euro«, brummte er, nachdem er die Scheine durchgezählt hatte.

»Es tut mir leid, aber mehr habe ich nicht«, erwiderte Alina kleinlaut. »Alle meine Verwandten haben zusammengelegt, um mir das Ticket zu bezahlen. Wenn ich genügend Geld verdient habe, komme ich und zahle alles zurück. Dann unterstütze ich meine Eltern. Sie sind ja beide arbeitslos und krank.« Alina stockte kurz und fügte dann leise hinzu: »Wenn noch etwas übrig bleibt, habe ich auch noch Geld für meine Hochzeit.«

»Du willst so jung schon heiraten?«, fragte Gordan überrascht.

»Ja, ich bin bereits verlobt«, flüsterte Alina, und schlagartig öffnete sich das Tor der Erinnerung, und die schwarzen Gedanken flatterten wie aufgeschreckte Krähen durch ihren Kopf. Ihre Eltern hatten vor einigen Tagen eine Abschiedsfeier für Alina organisiert, und alle Verwandten waren gekommen und hatten zusammen gekocht. Alina hatte Tränen in den Augen gehabt, als sie in den Hinterhof kam und die bunten Papierlampions sah, die sich im Wind drehten.

»Die habe ich auf dem Müll gefunden«, hatte ihr Cousin Eugene stolz erklärt und auf die flackernden Lichter gedeutet. Viel Glück, las sie auf dem selbstgemalten Schild, das über dem Eingang baumelte. Ihre Verwandten spielten Gitarre und Geige, und Alina glaubte, die Welt läge ihr zu Füßen. Aber das war ein Irrtum.

»Alina, du weißt, dass wir uns diese Feier nicht leisten können«, hatte ihre Mutter geflüstert und sie zur Seite genommen. »Aber Ion hat uns das Geld gegeben.«

»Ion, dieser widerliche Mann?«, fragte Alina verwundert und wich zurück. »Wie wollt ihr ihm denn das zurückzahlen?«

»Nun, du gefällst ihm.«

»Aber er ist ein alter Mann, der mich immer betatscht«, beklagte sich Alina.

»Ion ist fünfzig Jahre alt und wird dir sicher ein guter Ehemann sein«, widersprach Alinas Mutter.

»Wieso Ehemann?«

»Oh, jetzt habe ich mich verplappert«, sagte Alinas Mutter und hielt sich erschrocken die Hand vor den Mund. »Es sollte eine Überraschung sein.«

»Was für eine Überraschung?«

»Das Fest heute ist deine Verlobungsfeier. Du wirst Ion schon bald heiraten. Wir haben alles besprochen.«

»Nein! Das mache ich niemals!«, rief Alina zornig.

»Das musst du aber, oder willst du uns alle ins Unglück stürzen?« Alinas Mutter hatte mit einem Mal Tränen in den Augen. »Denk doch ein wenig an deine arme Familie, mein Kind.«

Alina wollte noch etwas sagen, doch da kam Ion schwankend auf sie zu. Er trug einen schwarzen doppelreihigen Anzug und hatte einen Hut auf dem Kopf. Sein Gesicht war vom Schnaps gerötet.

»Na, alles geklärt?«, fragte er Alinas Mutter.

»Ja. Meine Tochter freut sich auf die Vermählung mit dir«, nickte die Mutter und blickte dabei betreten zu Boden.

»Dann lass mich mit meiner Kleinen kurz alleine.«

Als die Mutter gegangen war, wandte sich Ion an Alina. »Jetzt sind wir verlobt, mein Täubchen.« Ion fuhr mit seiner Hand an Alinas Hüfte entlang und zerrte an dem Reißverschluss ihrer Jeans.

»Lass das!« Verzweifelt versuchte Alina, seine Hand wegzudrücken. Aber er ließ nicht locker, schob seine Finger in ihre offenen Jeans und fummelte zwischen ihren Beinen herum. Es war ein widerliches Gefühl, doch Alina biss die Zähne zusammen. Sie roch den Knoblauchatem von Ion, der wie Fäulnis über ihr Gesicht strich, und hörte seine Worte ganz nahe an ihrem Ohr.

»Du gehörst jetzt mir, mein Täubchen, und da will ich wissen, wie du riechst.«

Das alles ging Alina durch den Kopf, als sie vor dem Ticketschalter des Reisebüros stand.

»Das sind keine tausend Euro.« Vor Alina türmte sich die Gestalt von Gordan riesig und unüberwindlich auf, und seine Stimme riss sie aus ihren düsteren Gedanken.

»Kann ich nicht trotzdem mitfahren?«, bettelte sie. »Es sind achthundert Euro. Ich zahle die zweihundert zurück, wenn ich wieder hier bin. Versprochen.«

»Wir sind ein Reisebüro und kein Zigeunerbasar«, antwortete Gordan herablassend und betrachtete Alina von oben bis unten. »Du bist aber sehr hübsch und hast schöne große Augen. Das ist von Vorteil«, murmelte er und deutete auf ihre hellblauen Augen, die in einem reizvollen Kontrast zu ihren verfilzten dunklen Haaren standen. »Meinetwegen. Hier ist deine Fahrkarte«, sagte Gordan nach einigen Sekunden. »Du kannst von Glück sagen, dass ich heute meinen guten Tag habe. Denn sonst müsstest du wieder in dein Kaff zurück.«

»Das ist sehr großzügig von dir«, bedankte sich Alina artig und faltete das Ticket zusammen. Sorgfältig verstaute sie es in ihrem zerschlissenen Rucksack und nahm ihren kleinen Bruder Darian an die Hand, um hinauszugehen.

»Alina, du musst noch unterschreiben.« Gordan wedelte mit einem Blatt Papier.

»Was soll ich unterschreiben?«, fragte Alina und strich sich die verfilzten Haare aus dem Gesicht. »Ich habe dir doch schon Geld für die Fahrt bezahlt.«

»Du strapazierst meine Geduld, Mädchen. Wenn du nicht unterschreibst, bleibst du eben hier«, fauchte Gordan. Er zeigte auf den Platz vor dem Hotel. »Alle diese Menschen warten auf einen Platz im Bus, der sie in den goldenen Westen bringt. Dort gibt es Arbeit für sie. Also mach bloß keine Zicken.«

»Entschuldige«, sagte Alina kleinlaut und zog verschreckt den Kopf ein. Dann nahm sie das Blatt und begann, den Text zu lesen.

»Kannst du etwa lesen, was da draufsteht?«, wunderte sich Gordan und riss Alina das Papier aus der Hand.

»Ja, warum denn nicht?«

»Weil es nur ein rechtliches Kauderwelsch ist, von dem du ja sowieso nichts verstehst.

---ENDE DER LESEPROBE---