Strandmädchentod - Thriller - B.C. Schiller - E-Book

Strandmädchentod - Thriller E-Book

B. C. Schiller

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Beschreibung

Du treibst allein im weiten Meer. Du spürst das Salz auf deiner Haut. Und wenn ich dich küsse, dann bist du tot... Drei junge Au-Pair-Mädchen genießen ihr unbeschwertes Leben in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Bis plötzlich eine von ihnen verschwindet und wenig später am Strand gefunden wird, bestialisch ermordet. Das Opfer, die junge Bea, ist Österreicherin. Deshalb schickt die Kripo Linz ihren besten Mann, Chefinspektor Tony Braun, nach Tallinn, um den Mord aufzuklären. Die Polizei tappt im Dunkel, doch dann verschwindet ein weiteres Au-Pair-Mädchen. Ist auch sie dem Killer in die Hände gefallen? Bald wird klar: Tony Braun hat es mit einem Serienkiller zu tun, für den Au-Pair-Mädchen eine schwere Schuld auf sich geladen haben. Als Tony Braun hinter das Geheimnis des Serienmörders kommt, ist es beinahe zu spät, denn der Killer segelt bereits mit einem neuen Opfer hinaus aufs offene Meer. Alle Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

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INHALT

Impressum

Anmerkung

Über die Autoren B.C. Schiller

Bücher von B.C. Schiller

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Bücher von B.C. Schiller

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Danksagung

Sämtliche Figuren und Ereignisse dieses Romans sind der Fantasie entsprungen. Jede Ähnlichkeit mit echten Personen, lebend oder tot, ist zufällig und von den Autoren nicht beabsichtigt.

Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung von Text und Bildern, auch auszugsweise, ist ohne schriftliche Zustimmung der Blue Velvet Management e.U. urheberrechtswidrig und strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen.

Copyright Blue Velvet Management e.U.,

A – 4020, Linz, Derfflingerstrasse 14, 2018, 2020, 2022, 2024

Lektorat & Korrektorat: Wolma Krefting, www.bueropia.de

Covergestaltung: www.afp.at

Bildmaterial: liegender Seestern mit einem Blutstropfen auf hellgrauem Beton Hintergrund: 57862, AdobeFirefly Tool

Hintergrund: Authors own

Wir haben uns erlaubt, einige Namen und Örtlichkeiten aus Spannungsgründen neu zu erfinden, anders zu benennen und auch zu verlegen. Sie als LeserInnen werden uns diese Freiheiten sicher nachsehen.

ÜBER DIE AUTOREN B.C. SCHILLER

Barbara und Christian Schiller leben und arbeiten in Wien und auf Mallorca mit ihren beiden Ridgebacks Calisto & Emilio.

Gemeinsam waren sie über 20 Jahren in der Marketing- und

Werbebranche tätig und haben ein totales Faible für spannende Krimis und packende Thriller.

B.C. Schiller gehören zu den erfolgreichsten Spannungs-Autoren im deutschsprachigen Raum. Bisher haben sie mit ihren Krimis über 3.000.000 Leser begeistert.

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BÜCHER VON B.C. SCHILLER

TONY-BRAUN-THRILLER:

TOTES SOMMERMÄDCHEN – der erste Tony-Braun–Thriller –

»Wie alles begann«

TÖTEN IST GANZ EINFACH – der zweite Tony-Braun-Thriller

FREUNDE MÜSSEN TÖTEN – der dritte Tony-Braun-Thriller

ALLE MÜSSEN STERBEN – der vierte Tony-Braun-Thriller

DER STILLE DUFT DES TODES – der fünfte Tony-Braun-Thriller

RATTENKINDER – der sechste Tony-Braun-Thriller

RABENSCHWESTER – der siebte Tony-Braun-Thriller

STILLER BEOBACHTER – der achte Tony-Braun-Thriller

STRANDMÄDCHENTOD – der neunte Tony-Braun-Thriller

STILLES GRABESKIND – der zehnte Tony-Braun-Thriller

Alle Tony-Braun-Thriller waren monatelang Bestseller in den Charts. Die Thriller sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

GRETCHEN LARSSEN UND DAS OSTSEEMÄDCHEN: der erste Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DAS DÜNENOPFER: der zweite Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEZORN: der dritte Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEESCHULD: der vierte Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DER KÜSTENMÖRDER: der fünfte Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DER OSTSEEMORD: der sechste Band mit Gretchen Larssen

GRETCHEN LARSSEN UND DIE OSTSEETRÄNEN: der siebte Band mit Gretchen Larssen

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

MALLORCA-INSELKRIMI:

MÄDCHENSCHULD – ist der erste Band der neuen spannenden Mallorca-Inselkrimi-Reihe mit der Inspectora Ana Ortega und dem Europol-Ermittler Lars Brückner. Die Krimis sind in sich abgeschlossen und können unabhängig voneinander gelesen werden.

SCHÖNE TOTE – der zweite Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.

FAMILIENBLUT – der dritte Band mit Ana Ortega und Lars Brückner.

NORDTOD - KÜSTENTHRILLER:

NORDTOD - DIE KOLIBRIMÄDCHEN: der erste spannende Cold-Case-Fall mit der schwedischen Ermittlerin Signe Nord.

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

DUNKELSTEIG – Trilogie:

DUNKELSTEIG: der erste Band mit Felicitas Laudon

DUNKELSTEIG – SCHULD –der zweite Band mit Felicitas Laudon

DUNKELSTEIG – BÖSE: der dritte und letzte Band mit Felicitas Laudon

Psychothriller:

DIE FOTOGRAFIN

DIE SCHWESTER

DIE EINSAME BRAUT

BÜCHER VON B.C. SCHILLER

Die TARGA-HENDRICKS-Thriller:

DER MOMENT, BEVOR DU STIRBST – der erste Fall mit Targa Hendricks

IMMER WENN DU TÖTEST – der zweite Fall mit Targa Hendricks

DUNKELTOT, WIE DEINE SEELE – der dritte Fall mit Targa Hendricks

Die DAVID-STEIN-Thriller:

DER HUNDEFLÜSTERER – David Steins erster Auftrag

SCHWARZER SKOPRION – David Steins zweiter Auftrag

ROTE WÜSTENBLUME – David Steins dritter Auftrag

RUSSISCHES MÄDCHEN – David Steins vierter Auftrag

FREMDE GELIEBTE – David Steins fünfter Auftrag

EISIGE GEDANKEN – David Steins sechster Auftrag

TODESFALTER – David Steins siebter Auftrag

LEVI-KANT-Cold Case-Krimi:

BÖSES GEHEIMNIS – der erste Cold Case

BÖSE TRÄNEN – der zweite Cold Case

BÖSES SCHWEIGEN – der dritte Cold Case

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STRANDMÄDCHENTOD

Thriller

B.C. SCHILLER

KAPITELEINS

Ertrinken ist kein schöner Tod.

Ich betrachte das Mädchen, das vor mir auf den Planken liegt.

Das Boot ankert nur wenige Meter vom Ufer entfernt. Es ist eine düstere Nacht und die Wellen gehen hoch. Das Meer ist grau wie Eisen. Der Wind weht ungemütlich kalt. Der Sommer macht Pause. Ich halte das Gesicht in den schwarzen, sternenlosen Himmel. Auf meinen Wangen spüre ich die salzige Meeresluft. Langsam kriecht das Adrenalin aus meinen Eingeweiden hoch bis ins Hirn. Ich überprüfe die Fesseln an ihren Händen und Füßen. Dann hole ich das Fischernetz aus der Kajüte und wickle ihren Körper darin ein. Jetzt ist nur noch ihr Schädel zu erkennen. Ich packe das Mädchen an den Schultern und wälze es zur Reling. Sie ist schwerer, als ich dachte. Das sind die Gewichte, mit denen das Netz beschwert ist. Mit einem kräftigen Ruck wuchte ich sie hoch. Ich schlinge ein Seil um ihre Brust und schiebe sie über Bord. Wie ein Stück Holz klatscht sie ins Wasser und versinkt. Jetzt werfe ich einen Rettungsring in die See und springe ebenfalls über Bord. Ich tauche in das kühle Wasser und schwimme zu dem Mädchen, das langsam auf den Meeresgrund sinkt.

‚Ertrinken ist kein schöner Tod‘, denke ich. Ich greife nach dem Seil und ziehe sie zu mir. Gemeinsam treiben wir an die Wasseroberfläche. Zurück ins Leben. Sie keucht. Das Paketklebeband über ihrem Mund löst sich ein wenig. Ihre Wange liegt auf dem Rettungsring. Sie atmet hektisch durch die Nase. Ihre Augen sind vom Salzwasser gerötet. Unverwandt starrt sie mich an. Schöpft Hoffnung. Mit einer Hand packe ich ihren Schädel und drücke ihn unter Wasser. Langsam zähle ich die Sekunden. Bevor sie ertrinkt, ziehe ich sie an dem Seil wieder hoch. Jetzt lese ich die nackte Panik in ihren Augen. Ich lege meine Hand auf ihre Brust, um ihren Herzschlag zu spüren. Geduldig warte ich, bis sie genügend Luft eingeatmet hat. Dann lasse ich sie langsam wieder los. Die Gewichte des Netzes drücken sie unter Wasser. Ich greife nach dem Seil und ziehe das Mädchen hinter mir her. Ehe ich das Ufer erreiche, stoppe ich. Jetzt spüre ich Boden unter meinen Füßen. Es ist Sand, vermischt mit Kieseln. Ich ziehe den Körper des Mädchens an den Fesseln hoch. Ihr Schädel taucht auf. Das Paketklebeband hat sich von ihrem Mund gelöst. Ihre Lippen sind rissig. Sie saugt röchelnd die Luft ein. Wieder sehe ich einen Hoffnungsschimmer in ihren Augen. Sie versucht die Lider zu schließen. Sie will sich vor ihrem Schicksal verstecken, um das Grauen nicht zu sehen. Aber sie kann ihre Augen nicht schließen, sosehr sie sich auch bemüht. Das versetzt sie in Panik. Sie hustet und spuckt. Behutsam klopfe ich ihr auf den Rücken. Ich will, dass sie sich ans Leben klammert, dass sie mir vertraut. Bis sie endlich begreift, dass diese Hoffnung trügerisch ist. Bis die Erkenntnis in ihrem Herzen reift, dass sie mit offenen Augen sterben wird. Bis sie zu schreien beginnt. Dann drücke ich ihren Kopf so lange unter Wasser, bis sich ihr stummer Schrei im Meer auflöst. Bis ihr Herz aufhört zu schlagen. Während ich ihren Schädel mit beiden Händen umklammere, denke ich zurück an jenen Sommer vor achtzehn Jahren, als das Unglück begann.

KAPITELZWEI

Der Strand von Tallinn entwickelte im Sommer oft einen südlichen Charme. Doch an diesem Tag duckte sich die Landschaft unter tief hängenden Wolken und das Unheimliche war nicht mehr fern. Die Holzhäuser wirkten dunkel und modrig. Dicke Regentropfen klatschten auf bemooste Schindeldächer und auf brachliegenden Grundstücken wucherte das Unkraut. Die wenigen Urlauber, die sich an diesem tristen Tag an den Strand verirrten, saßen in den düsteren Bars und tranken Wodka, um sich aufzuheitern. Nur den Kindern machte der Regen nichts aus, sie gingen auf Entdeckungsreise an den Strand.

„Sieh mal, da vorne!“

Der sechsjährige Marti deutete mit der Hand auf ein längliches Ding, das bei der verfallenen Festung an den Strand gespült worden war.

„Treibholz“, meinte die ein Jahr ältere Sumi mit Kennerblick. „Komm, das sehen wir uns einmal näher an.“

„Au ja“, rief Marti und beide stapften durch den vom Regen schweren Sand. „Machen wir ein Wettrennen“, sagte Marti. „Wer zuerst bei der Festung ist.“

„1, 2, 3. Dann los!“, rief Sumi und begann sofort zu rennen. Doch Marti schloss schnell auf und sie konnte keinen Vorsprung herausholen.

Mittlerweile begann es immer heftiger zu regnen und die Festung kam näher und näher. Die von der Feuchtigkeit geschwärzten Mauern ragten düster vor den Kindern auf, und der Sand, auf den das merkwürdige Objekt geschwemmt worden war, wirkte fast schwarz im Regen.

„Oh, ist dieses Dingsda aber schön“, flüsterte Sumi ergriffen. Spontan packte sie die Hand ihres kleinen Bruders und drückte sie fest.

„Das ist kein Treibholz“, meinte Marti altklug. „Das ist ein Dingsda, das in einem Fischernetz steckt.“

„Es ist sicher etwas Verzaubertes. Komm, wir untersuchen es.“

Beide hockten sich hin und begannen vorsichtig, Muscheln aus dem Netz zu picken. Mit spitzen Fingern zupften sie an den Nylonschlingen. Überall zappelten noch kleine silberne Fischlein, die sich in dem Netz verfangen hatten und mit an Land gespült worden waren. Seetang schlang sich um das Netz. Sumi fuhr sacht mit der Hand darüber. Es fühlte sich merkwürdig an. Nach einer Weile hatten sie einen Teil des Netzes freigelegt und betrachteten staunend ihr Werk.

„Wow, das ist aber gruselig.“

„Ist das ein großer Fisch?“, fragte Marti aufgeregt. „Das müssen wir unbedingt Papa zeigen.“

„Ja, gleich, aber zuerst will ich es mir noch ein wenig ansehen.“

„Sieh mal, was da im Netz hängt.“ Marti deutete auf ein rundes Ding, das wie ein Tischtennisball aussah.

„Zeig her.“ Sumi griff danach und ließ es sofort wieder los. „Igitt, ist das glitschig.“

„Mir macht das nichts aus.“ Marti packte das runde Ding und wog es in der Hand. „Schau mal, vorne hat es ein blaues Teil. Ich nehme es mit.“

„Ja, gut. Gehen wir wieder zurück.“ Mittlerweile hatte Sumi die Lust verloren, sich mit dem unheimlichen Ding näher zu beschäftigen. Ihr war kalt und sie hatte Hunger. Beide hüpften über den Strand auf die Bar zu, in der ihre Eltern saßen.

„Drüben bei der Festung wurde etwas Gruseliges an den Strand gespült“, platzte Marti sofort heraus.

„Was du nicht sagst“, meinte Martis Mutter desinteressiert und nippte an ihrem Wodkaglas.

„Marti hat von dort auch etwas mitgenommen“, sagte Sumi und stieß Marti in die Seite. „Los, zeig es Mama.“

„Was hast du denn Schönes, mein Kleiner?“ Die Mutter drehte sich zu Marti und strich ihm über die Haare.

„Es ist eine besondere Murmel.“ Marti senkte den Kopf und hielt seine Hand geschlossen. Das Ding fühlte sich weich und glibberig an. Mama würde es genauso wie Sumi eklig finden und ihm sagen, dass er das Ding wegwerfen müsse.

„Darf ich sie sehen?“, fragte Martis Mutter mit samtweicher Stimme.

„Nein!“ Marti schüttelte trotzig den Kopf und versteckte seine Hand hinter dem Rücken.

„Es ist ganz glitschig und vorne blau“, sagte Sumi atemlos. „Ich glaube nicht, dass es eine Murmel ist.“

Jetzt war auch Martis Vater auf die Diskussion aufmerksam geworden und drehte sich zu den Kindern.

„Marti, zeig her, was du gefunden hast. Wenn es ungefährlich ist, dann darfst du es behalten.“

„Versprochen?“, fragte Marti zweifelnd.

„Großes Indianerehrenwort“, sagte sein Vater und legte zwei Finger zum Schwur auf die Brust.

Widerstrebend öffnete Marti die Hand. Das Ding wackelte auf seiner Handfläche und sah jetzt ein wenig zerdrückt aus. Martis Vater griff mit spitzen Fingern danach und hielt es prüfend vor sein Gesicht.

„Das ist ja ein Auge!“, rief er plötzlich und prallte zurück. „Ein menschliches Auge!“ Angeekelt ließ er den Glaskörper auf die Tischplatte fallen.

„Was!“ Martis Mutter starrte entsetzt auf die Kinder. „Wo habt ihr das gefunden? Los, sagt schon!“ Panisch rüttelte sie Marti an den Schultern, bis er zu weinen begann.

„Dort“, flüsterte Sumi betreten und zeigte auf die Festung.

Martis Vater schob seinen Stuhl zurück und sprang auf. Der Vater der Kinder war groß und stattlich und seine Stimme klang wie die eines Bären. Aber jetzt wirkte er nervös und die Kinder bekamen Angst.

„Was ist das für ein Auge, Papa?“, fragte Marti und versteckte sich hinter seiner Mutter. „Gehört es einem Menschen?“

„Ich weiß es nicht. Ihr müsst mir zeigen, wo ihr es gefunden habt.“

„Ich habe Angst“, meinte Marti weinerlich.

„Ich zeige dir, wo das Ding liegt, Papa“, sagte Sumi und griff tapfer nach der Hand ihres Vaters.

„Ist gut, meine Kleine“, brummte ihr Vater und machte sich mit seiner Tochter auf den Weg.

„Dort vorne liegt das Ding im Sand.“ Sumi deutete unbestimmt in die Ferne.

„Tatsächlich.“ Sumis Vater lief über den Strand.

„Was ist das, Papa?“

Doch ihr Vater hörte sie nicht. Er kniete vor dem Objekt und drehte es vorsichtig um.

„O mein Gott“, rief er laut und wich zurück.

„Papa, was ist los?“

Aber Sumis Vater antwortete nicht. Wie angewurzelt kniete er vor dem Ding und starrte darauf. Nur das Prasseln des Regens auf die Betonmauern der Festung war zu hören. Die Stille machte Sumi Angst und sie lief zu ihrem Vater. Dieser hatte das Ding umgedreht. Er kroch um das Netz herum und suchte nach einer Öffnung. Endlich hatte er ein zerrissenes Stück Nylonschnur gefunden und konnte das Netz ein wenig auseinanderschieben. Ein bleicher nackter Oberkörper kam zum Vorschein. Sumis Vater zerrte an dem Netz und schließlich war das Ding freigelegt. Erst jetzt fiel ihm auf, dass Sumi direkt neben ihm stand.

„Geh sofort da weg“, befahl er mit strenger Stimme. „Das ist nichts für dich.“

Sumi sprang auf und rannte bis zur Festungsmauer. Zitternd presste sie sich an den feuchten Stein.

„Das ist ein Mädchen“, flüsterte sie mit gepresster Stimme. „Was ist mit ihr passiert?“

„Schau dir das nicht an“, sagte ihr Vater. „Lauf sofort zu Mama, und sag ihr, dass sie die Polizei rufen soll.“

Wie von Sinnen rannte Sumi den Strand entlang, verfolgt von den Bildern, die sie gesehen hatte, bevor ihr Vater sie wegschickte. In dem Netz war ein Mädchen gewesen und das Gesicht hatte sie angestarrt. Oder das, was davon noch übrig geblieben war. Denn das Gesicht des toten Mädchens war halb zerfressen und die Augen fehlten.

KAPITELDREI

Das Handy spielte die Anfangstakte von „A Forest“. Tony Braun ignorierte die immer gleiche Melodie so lange, bis die Gitarre von Robert Smith schließlich verstummte. Mit einem zufriedenen Lächeln schob er das Handy über den Tisch und lehnte sich entspannt zurück.

‚Das ist der erste Schritt zu einem besseren Leben. Einfach in seiner Freizeit nicht auf die Anrufe aus dem Polizeipräsidium reagieren‘, dachte er. Vor ein paar Monaten wäre das undenkbar gewesen, da identifizierte sich Braun so sehr mit seiner Arbeit, dass er jeden Fall persönlich nahm. Es hatte ihm einfach die Distanz gefehlt, aber gerade das war das Geheimnis seines Erfolgs als Leiter der Mordkommission Linz gewesen.

Doch dann wurde er bei einem Einsatz angeschossen und hatte an der Schwelle zum Tod gestanden. Während seiner Genesung hatte er genügend Momente gehabt, über alles nachzudenken. Dabei wurde ihm klar, dass ihm die ganze Scheiße mit abgründigen Morden und Psycho-Killern manchmal zu viel war. Er sehnte sich auch nach einem normalen Privatleben. Und heute hatte er den ersten Schritt dafür getan. Braun ließ das grandiose Bergpanorama auf sich wirken und deutete auf sein Handy.

„Diesen Klingelton wirst du nie wieder löschen“, sagte er zu seinem Sohn Jimmy.

„Aber die Band Bilderbuch klingt doch viel besser als die alten The Cure.“ Jimmy klopfte Braun auf die Schulter und warf ihm einen mitleidigen Blick zu. „Tony, du wirst alt. Du musst mit den Trends gehen.“

„Ich stehe mehr auf das klassische Songwriting“, antwortete Braun. „Und das Intro von ‚A Forest‘ ist einfach grandios.“

„Das ist doch so was von out“, meinte Jimmy und schlug die Augen zum Himmel.

„Du wirst schon noch darauf kommen, was wirklich gute Musik ist“, erwiderte Braun. „Was gibt’s jetzt zu essen?“, fragte er, denn es hatte keinen Sinn, mit seinem Sohn über Musik zu diskutieren. Da trennten sie einfach Welten.

Sein Leben würde er vielleicht ändern, aber seinen Musikgeschmack definitiv nicht. Er stand eben auf richtige Instrumente und Musiker. Braun wollte noch etwas sagen, doch in diesem Moment schrillte das Handy von Kim. Zum Teufel mit der modernen Technik. Immer und überall erreichbar zu sein, das war zum Kotzen, dachte er genervt.

„Vielleicht ist es wichtig“, meinte Kim und griff nach ihrem Handy.

Mit der Journalistin Kim Klinger hatte Braun ein paar schöne Tage in Venedig verbracht, um sich von den Schussverletzungen zu erholen, die er sich bei seinem letzten Einsatz zugezogen hatte. Braun kannte Kim jetzt schon einige Jahre. Sporadisch tauchte sie in seinem Leben auf, verschwand wieder, und er vermisste sie dann sehr. Es war eine merkwürdige Beziehung, die sie führten. Zwischen ihnen gab es eine stillschweigende Übereinkunft, dass sie keine gemeinsamen Pläne für die Zukunft schmiedeten, sondern jeden Tag genossen. Daran war das „weiße Rauschen“ in Kims Kopf schuld, das beide immer wieder daran erinnerte, dass ihr Leben vergänglich war.

„Oh, Sie sind es, Elena“, sagte Kim überrascht, als sie das Gespräch annahm. Sie blickte fragend zu Braun, der sofort eine Grimasse schnitt. Kim hörte Elena eine Weile zu, ehe sie antwortete.

„Braun sitzt neben mir.“

Auffordernd hielt Kim ihm das Handy entgegen. Widerwillig griff Braun danach.

„Braun hier, ich höre.“

„Warum gehen Sie nicht ans Telefon, Chefinspektor?“ Die Stimme von Elena Kafka klang genervt. Elena Kafka war die Linzer Polizeipräsidentin und Brauns direkte Vorgesetzte. Es kam selten vor, dass sie ihn während seiner freien Tage anrief.

„Was gibt es denn so Wichtiges, Elena?“

„Wir haben einen Mord.“

„Das kommt bei unserem Job leider oft vor“, antwortete er ironisch. „Kann das nicht jemand von der Bereitschaft übernehmen?“

„Wenn das so einfach wäre, würde ich Sie nicht anrufen, Braun“, erwiderte Elena schnippisch. „Wo befinden Sie sich gerade?“

„Ich sitze auf einer Wiese auf dem Grünberg in Gmunden. Die nächste Seilbahn runter in den Ort geht erst wieder in vier Stunden. Sind nicht die idealen Voraussetzungen für einen Soforteinsatz.“

„Richtig, das dauert zu lange“, stimmte ihm Elena humorlos zu. „Sie müssen aber so schnell wie möglich von diesem Berg herunter und mit ihrem Auto zum Cumberland Wildpark fahren. Dort treffen Sie sich mit Inspektor Franka Morgen. Sagen wir in einer Stunde.“

„Stopp, Elena, ich habe Ihnen doch gesagt, dass die nächste Seilbahn erst in vier Stunden fährt. Wie soll das funktionieren? Außerdem bin ich mit Kim und Jimmy hier. Wir machen ein Picknick und das Essen ist gleich fertig. Warum soll ich an meinem freien Tag auf dieses Vergnügen verzichten?“

„Weil ich Sie darum bitte, Braun. Sie müssen mir helfen. Einen Moment, lassen Sie mich überlegen.“ Elena schwieg und Braun hörte nur das Rascheln von Papieren im Lautsprecher. „Ich schicke Ihnen einen Hubschrauber. Es ist dringend.“

„Einen Hubschrauber? Dieser Mord muss ja ziemlich brisant sein. Wer ist denn getötet worden? Etwa ein VIP, weil Sie so einen Wind darum machen?“

„Sparen Sie sich Ihre zynischen Bemerkungen, Braun. Jeder Mord wird von uns gleich behandelt. Auch dieser Fall.“

„Wer ist denn der Tote?“

„Es ist ein Mädchen. Die Tochter von Ulf Hanstetten ist ermordet worden.“

„Hanstetten, der Name sagt mir etwas.“

„Ulf Hanstetten ist der CEO der Hanstetten AG in Grünau. Das Unternehmen produziert Waffen und ist der größte Arbeitgeber in dieser einkommensschwachen Region.“

„Jetzt weiß ich wieder, weshalb mir der Name so geläufig ist. War Hanstetten nicht in einen illegalen Waffendeal verwickelt?“

„Das waren nur Gerüchte, Braun. Es kam zu keiner Anklage. Aber das ist jetzt nebensächlich. Für eine Familie ist es immer entsetzlich, wenn das eigene Kind ermordet wird.“

„Da haben Sie recht, Elena“, lenkte Braun ein. „Wie wurde die Tochter denn ermordet?“

„Darüber habe ich noch keine genauen Informationen.“

„Ist denn keine Polizei vor Ort?“, wunderte sich Braun.

„Doch, natürlich, aber ich habe, wie gesagt, keine näheren Informationen.“

„Das klingt alles ein wenig seltsam.“

„Deshalb rufe ich Sie an, Braun. Sie müssen Klarheit in die Angelegenheit bringen.“

„Inwiefern?“

„Das Mädchen wurde nicht hier ermordet.“

„Ach nein? Wo denn dann?“

„In Estland. Genauer gesagt in Tallinn.“

„Das ist doch ein Fall für die Polizei in Estland“, warf Braun ein.

„Natürlich. Aber Sie arbeiten von hier aus mit den Kollegen in Estland zusammen. Mein Büro versucht gerade, den zuständigen Kommissar zu erreichen, um die Abläufe zu koordinieren.“

„Und das hat nicht Zeit bis morgen?“

„Nein. Ulf Hanstetten ist der größte Sponsor der neuen Polizeisportanlage. Er hat auch den neuen Schießplatz finanziert. Deshalb macht er jetzt mächtig Druck. Er will, dass unser bester Mann diesen Fall sofort übernimmt. Und das sind eben Sie.“

„Tja, mit Vitamin B geht alles ganz schnell, was sonst“, meinte Braun.

„Hören Sie endlich mit diesen Achtundsechziger-Kindereien auf, Braun“, ermahnte ihn Elena.

„Wie wurde das Mädchen denn ermordet?“, kam Braun wieder auf den Fall zu sprechen.

„Daraus machen die zuständigen Behörden von Estland ein großes Geheimnis. Sie haben dem Vater keinerlei Informationen mitgeteilt, eben nur, dass seine Tochter getötet wurde. Hanstetten möchte unbedingt wissen, was genau in Tallinn passiert ist. Aber bisher haben auch wir noch keine brauchbaren Auskünfte erhalten.“

„O. K.! Dann schicken Sie mir den Hubschrauber“, meinte Braun resigniert. ‚So ist das mit den guten Vorsätzen, immer kommt etwas dazwischen‘, dachte er.

„Danke. Alles Nähere erfahren Sie bei der ersten Einsatzbesprechung. Ich verlasse mich auf Sie, Braun“, sagte Elena erleichtert und trennte die Verbindung.

Nachdenklich ließ Braun das Handy sinken. Die Ruhe und Gelassenheit, die er noch vor Kurzem gespürt hatte, war mit einem Mal verschwunden. Hinter dem Traunstein tauchten schwarze Wolken auf und der Wind frischte auf. Ob das ein schlechtes Omen war? Ärgerlich wischte Braun diese Gedanken beiseite und stand auf.

„Es gibt einen Mord“, sagte er kurz angebunden zu Kim und gab ihr das Handy zurück.

„Ich dachte, du willst in deiner Freizeit ein wenig kürzertreten. Nicht jeden Fall übernehmen“, antwortete Kim und musterte ihn von oben bis unten. „Deine innere Unruhe ist wieder da, stimmt’s?“

„Nur dieser eine Fall, dann denke ich über eine längere Auszeit nach“, murmelte Braun.

„Das glaubst du doch selbst nicht.“ Kim hob die Hand und strich über Brauns grau-schwarz gesprenkelten Bart. „Du bist einmal knapp mit dem Leben davongekommen“, sagte sie leise. „Ein zweites Mal hast du nicht so viel Glück.“

„Keine Angst“, erwiderte Braun. „Diesmal habe ich nicht direkt mit einem Killer zu tun. Der Mord geschah in Estland. Ich unterstütze nur die Familie hier vor Ort.“

„Mach dir doch nichts vor, Braun. Du wirst dich wie immer in den Fall verbeißen. Du brauchst die Gefahr wie andere ihre Drogen.“ Kim schüttelte ihre blonde Mähne und blickte ihn mit ihren grünen Augen lange an. „Du weißt, dass wir keine Zukunft haben.“

„Du hast ja recht“, erwiderte Braun und drehte sich zu Jimmy. „Wo sind jetzt die Veggieburger, die du für uns gemacht hast?“

Sein Sohn besuchte Kochkurse in der ehemaligen Tabakfabrik in Linz und wollte sich mit Streetfood selbstständig machen. Er war von dieser Idee total fasziniert, und Braun ließ sich von Jimmys Enthusiasmus anstecken.

„Hier sind die gesündesten Burger des ganzen Planeten“, verkündete Jimmy vollmundig. In dem Moment, in dem Braun in seinen Burger beißen wollte, hörte er ein lautes Rotorengeräusch. Ein Hubschrauber flog gerade über den Traunsee und kam rasch näher. Braun blickte überrascht hoch, so schnell hatte er nicht damit gerechnet.

„Ist etwas Schlimmes passiert?“, fragte Jimmy, während er kaute, und schaute ebenfalls nach oben.

„Braun wird mit einem Hubschrauber abgeholt“, klärte ihn Kim mit einem vielsagenden Blick auf. „Er muss dringend einen Mord aufklären.“

„Du bist ein Loser, Tony! Du wolltest doch diesen fucking day mit uns verbringen. Das hast du versprochen.“ Jimmy knallte enttäuscht seinen Burger auf das Tischtuch und stand auf. „Wir sind eine Familie.“

„Verdammt, Jimmy, wir sind keine Familie!“, rief Braun, um das nervende Motorengeräusch zu übertönen. „Kim und ich verbringen nur etwas Zeit miteinander.“

„Du kannst einfach keine Gefühle zeigen!“, brüllte sein Sohn gegen den Lärm an. „Das war bei Mama genauso. Du bist schuld, dass es ihr so schlecht geht.“

„Ich kann nichts dafür, dass Margot jetzt in psychiatrischer Behandlung ist“, rechtfertigte sich Braun. Nach ihrer Rückkehr aus Finnland hatte seine Exfrau den Boden unter den Füßen verloren und schlug sich als Übersetzerin mehr schlecht als recht durch.

„Du hättest sie nicht verlassen dürfen“, sagte Jimmy giftig.

„Sie hat mich verlassen. Merk dir das endlich einmal. Ach was, vergiss es, Jimmy.“

Es war immer dasselbe. Das Verhältnis zu seinem Sohn war ein Balanceakt, der jede Menge Fingerspitzengefühl von Braun erforderte. Elenas Anruf hatte das fragile Gleichgewicht ihrer Beziehung sofort wieder erschüttert und Jimmy war wie immer ausgeflippt.

Der Hubschrauber kreiste jetzt direkt über ihren Köpfen und der Sog ließ Servietten, Burger und Besteck durch die Luft wirbeln.

„Das ist einfach fucking unfair“, fluchte Jimmy und hob einen Burger vom Boden auf. „Hau ab und komm nie wieder.“

„Das ist ungerecht, Jimmy. Braun tut nur seine Pflicht. Wenn er weg ist, machen wir es uns gemütlich.“ Kim drückte Jimmy an sich, und der achtzehnjährige Junge schmiegte wie ein kleines Kind den Kopf an ihre Schulter.

„Wie hältst du es bloß mit ihm aus?“, fragte Jimmy leise.

„Das frage ich mich auch manchmal“, seufzte Kim. „Braun ist eben Braun.“

Inzwischen war der Hubschrauber auf einer Wiese neben der Aussichtsplattform gelandet. Die Tür der Glaskanzel wurde aufgerissen. Ein hünenhafter Schwarzer stieg aus und sprintete auf Braun zu.

„Ach du Scheiße! Das ist aber eine Überraschung, Jess“, rief Braun erfreut, als er seinen alten Freund Jesus „Jess“ Makombo erkannte.

„Hallo, Braun, das Fluchen hast du noch nicht verlernt“, sagte Jess und grinste bis über beide Ohren.

„Wolltest du nicht in Pension gehen, Jess?“

„Das bin ich auch, aber ich habe mich an einer Firma beteiligt, die Hubschrauberrundflüge anbietet.“

„Das heißt, wir machen jetzt eine Sightseeingtour?“

„Von wegen, Braun. Elena Kafka hat mir aufgetragen, dich so schnell wie möglich nach Cumberland zu fliegen.“

„Dann nichts wie los, bevor es ein Unwetter gibt.“ Er deutete auf die dunklen Wolken, die vom Traunsee näher kamen. Braun winkte noch einmal Kim und Jimmy zu. Dann lief er mit großen Schritten zu dem Hubschrauber. Aber irgendetwas störte ihn bereits jetzt an diesem Fall. Er konnte es nicht benennen, es war wie ein winziges Sandkorn im Schuh, das rieb und ein unangenehmes Scheuern erzeugte.

Als Braun in der Glaskanzel saß und der Hubschrauber direkt auf die schwarzen Wolken zuflog, hatte er plötzlich das Gefühl, als würde ihn dieser Fall bis an das Tor der Hölle führen.

KAPITELVIER

Arto Kaukonen stand am Fenster und blickte auf den Schrottplatz vor seinem Wohnblock beim Fährhafen von Tallinn. Als man ihm die Wohnung zugewiesen hatte, war ihm versichert worden, dass die ausrangierten Lkws und Boote nur vorübergehend dort lagern würden. Später würde dann ein Spielplatz angelegt werden und den ganzen Tag könne man von Artos Wohnung aus den Kindern beim Spielen zusehen. Das war vor zehn Jahren gewesen und seither hatte sich nichts verändert. Noch immer lag der Schrott zu bizarren Gebirgen aufgetürmt herum, und einen Spielplatz konnte man sich nicht mal mit viel Fantasie vorstellen. Aber im Grunde war das egal, denn Kalinka würde in ihrem jetzigen Leben nie einen Spielplatz besuchen.

Ein durchdringendes Tuten riss Arto aus seinen Gedanken. Der Klang war so düster voluminös, dass die Sperrholzmöbel in seinem Wohnzimmer bedrohlich zitterten und er das Gefühl hatte, als würden sie jeden Augenblick zusammenbrechen. Er kniff die Augen zusammen und sah die Umrisse des riesigen Fährschiffes, das gerade nach Helsinki auslief. Vielleicht sollte er einfach Kalinka packen und mit ihr abhauen. Irgendwo ein neues Leben beginnen, aber das war eine Illusion.

Langsam zog er seine Pistole aus dem Halfter und legte sie neben die verspiegelte Ray-Ban-Sonnenbrille auf den Schreibtisch. Kalinka mochte keine Waffen, und er wollte sie natürlich nicht aufregen, wenn er ihr Zimmer betrat. Bevor er aber nach nebenan ging, klappte er noch schnell den Laptop auf und checkte seine Mails.

---ENDE DER LESEPROBE---