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Rache ist süß – das dachte sich wohl auch ihr Bruder Jake, als er die Anzeige gemeinsam mit seiner Tochter Emmy in der Zeitung aufgab: „Suche Heiratsmann für meine Tante.“ Das Letzte, was Gabriella Hudson sich vorstellen kann, sind unzählige Dates, bei denen sie Männer kennenlernt, die ihr so oder so nicht gefallen werden. Als dann allerdings Dylan Preston im Restaurant auftaucht, stockt Gabriella direkt der Atem. Was um alles in der Welt will ihr unnahbarer und wirklich angsteinflößender Chef von ihr? Gabrielle merkt schnell, dass es sich bei Dylans Angebot um einen Pakt mit dem Teufel handelt, doch eigentlich will sie ja nur ihre Ruhe. Was käme da gelegener als ein Fake - Ehemann? Nur dumm, dass sie schon immer heimlich für diesen Kerl geschwärmt hat, der scheinbar mit wirklich großen Problemen kämpft ... Abgeschlossener Einzelband! Alle Bücher der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden!
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Copyright © Freya Miles 2022
Freya Miles c/o TEXTWERKSTATT
Sabrina Cremer, Körfken 80, 44227 Dortmund
Cover: Shutterstock
Lektorat: Textwerkstatt - Sabrina Cremer
Korrektorat: Nicole Bauer, Sabrina Grabowski
Umschlaggestaltung: NK Design (Nadine Kapp) Kontakt: [email protected]
Alle Rechte vorbehalten.
Eine Vervielfältigung oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autoren gestattet. Sämtliche Handlungen und Personen sind frei erfunden. Jegliche Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Orte, Markennamen und Lieder werden in einem fiktiven Zusammenhang verwendet. Örtliche Begebenheiten wurden teilweise dem Storyverlauf angepasst. Alle Markennamen und Warenzeichen, die in dieser Geschichte verwendet werden, sind Eigentum der jeweiligen Inhaber.
Für Amanda
1. Gaby
2. Dylan
3. Gaby
4. Dylan
5. Gaby
6. Dylan
7. Gaby
8. Dylan
9. Gaby
10. Dylan
11. Gaby
12. Dylan
13. Gaby
14. Dylan
15. Gaby
16. Dylan
17. Gaby
18. Dylan
19. Gaby
20. Dylan
21. Gaby
22. Dylan
23. Gaby
24. Dylan
25. Gaby
26. Dylan
27. Gaby
28. Dylan
29. Gaby
30. Dylan
31. Gaby
32. Dylan
33. Gaby
34. Dylan
35. Gaby
36. Dylan
37. Gaby
38. Dylan
39. Gaby
40. Dylan
41. Gaby
42. Dylan
43. Gaby
44. Dylan
45. Gaby
46. Dylan
47. Gaby
48. Dylan
49. Gaby
50. Dylan
51. Gaby
52. Dylan
Nachwort
Suche Heiratstante für meinen Onkel
Leseprobe
Suche Heiratsfrau für meinen Daddy
Über die Autorin
»Blödes, arrogantes, eigensinniges Alpha-Arschloch!«, brummte ich und klappte wütend meinen Laptop zu, bevor ich einige Runden aufgebracht durch die Wohnung lief.
Von all den mächtigen Menschen auf der Welt musste ausgerechnet er mein Boss sein? Der Mann, über den man nichts Gutes hörte. Vermutlich weil es über ihn auch einfach nichts Gutes zu sagen gab.
Er war ein kontrollsüchtiger, besserwisserischer Mistkerl, der mir gerade immer dann in meine Arbeit hineinpfuschte, wenn ich es am wenigsten gebrauchen konnte. So wie heute.
Es war Freitagnachmittag und es gab auf dieser Welt definitiv Menschen, die gerne ein Wochenende genießen würden. So wie ich zum Beispiel. Doch dafür gab es bei dem großen Mister Preston kein Verständnis. Genauso wenig wie für Urlaub oder sonstige unbedeutende Anliegen, die nichts mit der Arbeit zu tun hatten.
Ich hatte diesen Mann noch nicht ein einziges Mal persönlich gesehen oder gesprochen und doch gab es kaum jemanden, auf den ich einen solchen Groll übte wie auf ihn.
Ich meine, was war er auch für ein Chef, wenn er seine Angestellten so behandelte? Es gab nie Lob. Nie ein freundliches Wort. Nie ein persönliches Wort.
Nichts.
Das Freundlichste, was er mir in einer E-Mail je geschrieben hatte, war: »Diese Grafik ist so in Ordnung.«
Wow.
Das war ein Kompliment, denn normalerweise gab es immer etwas zu meckern. So wie heute.
Ich musste mich auf die Vorteile konzentrieren. Vorteile, die ganz klar auf der Hand lagen: Ich hatte in meiner Arbeitszeitgestaltung vollkommen freie Hand.
Das bedeutete auch, dass ich in diesem kleinen verschlafenen Örtchen namens Shelwood Creek leben und arbeiten konnte und mich nicht dauerhaft in Baltimore aufhalten musste, wo sich der Firmensitz befand.
Ich war in dieser kleinen Idylle aufgewachsen, meine beiden Brüder lebten hier, meine Nichte. Ich hatte mir nie vorstellen können, wegzuziehen. Auch wenn es schon mal einsam werden konnte. Gerade jetzt, wo Jake vergeben war und ich mich nicht mehr so viel um seine kleine Tochter Emmy kümmern musste.
Wenigstens hatte ich Molly, meine beste Freundin, die Inhaberin von Molly’s Bar – dem einzigen Treffpunkt in Shelwood Creek.
Dadurch waren ihre Arbeitszeiten entsprechend beschissen, aber da ich mir meine frei einteilen konnte, hatten wir genug Zeit, uns über unser Privatleben auszukotzen.
Wenn es etwas zum Auskotzen gab.
Im Endeffekt waren es alles längst vergangene Dinge, die einem nach so langer Zeit eigentlich egal sein sollten ...
Wie mein Ex-Mann mir egal sein sollte. Er war ein Arschloch gewesen, ohne Frage, aber seit unserer Scheidung war ich verdammt alleine. Was nicht zuletzt daran lag, dass ich mich in die Betreuung meiner kleinen Nichte gestürzt hatte, statt mich nach einem neuen Mann umzusehen.
Mittlerweile war ich seit sechs Jahren Single, dafür allerdings geschieden. Und das mit dreißig. Aber hey, immerhin hatte ich schon mal die Liebe meines Lebens gefunden. Auch wenn er sich als Vollidiot herausgestellt hatte.
Unsere Ehe hatte sage und schreibe ein ganzes Jahr gehalten. Und das wahrscheinlich auch nur, weil wir uns in diesem Jahr erst mal kennengelernt hatten.
Die Hochzeit war nämlich vielleicht etwas überstürzt nach nur drei Wochen bei einem spontanen Urlaubstrip zustande gekommen.
Ein Fehler, den ich noch heute bereute, aber mittlerweile war wirklich zu viel Zeit vergangen, um ihm noch hinterherzutrauern. Außerdem passte die Beschreibung Macho auf niemanden so gut wie auf meinen Ex-Mann. Er war davon ausgegangen, dass sein Leben jetzt nur noch daraus bestand, die Füße hochzulegen, denn seine Frau würde schon alles für ihn machen.
Doch da musste ich ihn leider enttäuschen.
Für ihn wäre es definitiv schlauer gewesen, sich eine Frau ohne eigene Meinung zu suchen und nicht so einen Dickkopf wie mich.
Dickköpfig!
Genau das war ich gerade auch wieder in Bezug auf meinen Chef. Es war nicht mal sein Wortlaut in der Mail, der mich zum Überkochen brachte, sondern die Tatsache, dass er überhaupt etwas an meinem Entwurf auszusetzen hatte.
Für die Werbung zum neusten Produkt hatte ich mir die letzten zwei Nächte um die Ohren geschlagen, weil ich es perfekt machen wollte.
Doch perfekt war für Dylan Preston nicht gut genug.
Also hieß es, dass ich wieder überarbeiten musste. Und das nicht in der nächsten Woche, so wie es für normale Arbeitszeiten üblich war.
Nein, bis Montag.
Adieu Wochenende.
Hallo Laptop.
Gut, dass ich meinen Job eigentlich liebte. Also den Part, in dem ich mich kreativ austoben konnte. Nicht den Part, in dem meine Entwürfe zerrissen wurden. Ich würde mich niemals daran gewöhnen, ganz egal, wie lange ich noch für dieses Unternehmen arbeitete.
Seufzend klappte ich meinen Laptop wieder auf und zwang mich, so freundlich wie möglich auf die E-Mail meines Chefs zu antworten.
»Sehr geehrter Mister Preston, ich werde den Entwurf bis Montag nach Ihren Wünschen umgestalten. Ein schönes Wochenende wünscht Gabriella Hudson.«
Ich konnte mir diese verdammte Spitze mit dem Wochenende nicht verkneifen.
Dieser Mann konnte doch kein Privatleben haben, wenn er auch von seinen Angestellten verlangte, dass sie durcharbeiteten, oder?
Doch was wusste ich schon. Über diesen Mann war schließlich rein gar nichts bekannt.
Er war ein Phantom. Ein verdammt heißes Phantom. Das wusste ich durch Artikel in einigen Wirtschaftszeitungen, in denen er auch mit Bild zu sehen war.
Sein markantes Kinn, die dunklen, durchdringenden Augen, die schwarzen, dichten Haare und zur Abrundung noch der Dreitagebart, der so gar nicht zu seinem perfekten Anzug passen wollte.
Ich hatte ihn mir immer anders vorgestellt, doch irgendwie passte dieses Gesicht zu seinen E-Mails und zu der Art und Weise, wie er die Firma führte.
In seinen Augen lag so viel Autorität, dass man sich nicht traute, ihm zu widersprechen. Eine Autorität, die man auch in den Mails wiederfand. Er duldete keinen Widerspruch und lebte es definitiv aus, am längeren Hebel zu sitzen.
Er war CEO eines verdammten Imperiums, natürlich konnte er sich nicht auf Diskussionen einlassen und musste den Kurs bestimmen.
Viele der Mitarbeiter hatten keinen persönlichen Kontakt zu ihm, da er alles über seine wenigen Abteilungsleiter regeln ließ, doch bei mir war es von Anfang an anders gewesen.
Ich musste ihm meine Entwürfe persönlich schicken. Wahrscheinlich weil ich für die wirklich wichtigen Präsentationen und Aufträge zuständig war.
Aus einem der Zeitungsartikel wusste ich auch, dass er fünfunddreißig Jahre alt war und mit vielen Universitätsabschlüssen um sich werfen konnte. Seit gestern stand Doktor Dylan Preston unter seinen E-Mails, weshalb es wohl naheliegend war, dass er seinen Doktor in irgendwas gemacht hatte.
So ganz nebenbei, während er dieses Imperium führte. Natürlich hatte der Mann kein Privatleben und natürlich kannte er auch keine Wochenenden. Sonst hätte er es wohl niemals so weit gebracht.
Der Doktortitel krönte sein Alpha-Arschloch-Gehabe mit Sicherheit noch zusätzlich.
Der Piepton meines Laptops teilte mir mit, dass ich eine neue E-Mail empfangen hatte, die natürlich von niemand geringerem als Doktor Arschloch stammte, der seinem Namen in meinem Kopf wieder alle Ehre machte.
»Ihnen auch ein schönes Wochenende, Miss Hudson. Ich erwarte Ihren Entwurf Montagmorgen um sieben.«
»Arschloch!«, murmelte ich und legte mich seufzend zurück an die Rückenlehne meiner Couch.
Okay, es war nicht so, als hätte ich am Wochenende irgendwelche Pläne und die Überarbeitungen würde ich vielleicht auch schon bis morgen Abend fertig bekommen, aber es ging ums Prinzip.
Und gegen einen Serienmarathon von Sex and the City hätte ich auch nichts einzuwenden ...
Mein Leben war so verdammt trostlos ...
Ich hockte hier in diesem schicken Haus, mit einem eigenen Ankleidezimmer voller Designerklamotten, die ich nie ausführen konnte. Für einen Besuch im Pub musste ich mich definitiv nicht aufbrezeln und ausgehen konnte man hier nirgendwo.
Klar, es blieb mir noch immer die Möglichkeit, nach Baltimore zu fahren, doch danach stand mir nie der Sinn. Außer ich hatte wirklich, wirklich, wirklich Lust darauf, mal wieder einen Mann zwischen meinen Schenkeln zu spüren.
Für seine Abenteuer in Baltimore hatte ich meinen Bruder Jake immer verteufelt, weshalb er niemals etwas davon erfahren durfte, dass auch ich manchmal nicht anders handeln konnte.
Ich war eine Frau und auch ich hatte Bedürfnisse.
Nur gut, dass wir uns bei unseren jeweiligen »Fick-Missionen«, wie meine Freundin Molly sie immer treffend nannte, nie über den Weg gelaufen waren.
Mein letzter Besuch in Baltimore lag jedenfalls schon viel zu lange zurück, doch daran würde sich auch an diesem Wochenende nichts ändern. Dank Doktor Arschloch.
Ja, irgendwie gefiel es mir sehr, dass er jetzt einen Doktortitel trug. Dann machte es noch viel mehr Spaß, ihn in meinem Geiste zu beschimpfen. Gut, dass ich ihm niemals persönlich gegenüberstehen würde, sonst hätte ich bestimmt Probleme, ihn nicht auch so zu nennen.
Mister Preston passte nicht so gut zu ihm wie Doktor Arschloch. Oh, ich vergaß, er war ja jetzt Doktor Preston. Das würde mir wahrscheinlich sowieso im Halse stecken bleiben.
Ein Doktortitel gehörte für mich in die Medizin wie bei meinem Bruder Jake, der als Landarzt hier in Shelwood Creek arbeitete, aber nicht in die Wirtschaft. Irgendwie verlieh es den so oder so schon mächtigen und aufgeblasenen Kerlen an der Macht noch einmal das Tüpfelchen auf dem i. Als wenn sie damit unter Beweis stellen wollten, dass sie die Mächtigsten, Besten, Schlausten und Tollsten ihres Bereichs waren.
Doktor Arschloch hätte seine Zeit mal besser dahingehend investiert, seine Mitarbeiter wenigstens einmal persönlich zu begrüßen, doch mir ging es nicht anders als den meisten bei Preston Industries. Wir alle kannten den großen Boss nicht.
In unserer Firma gab es auch keine Weihnachtsfeier oder irgendwelche Veranstaltungen, die es einem ermöglichten, mal die Kollegen oder die Führungsetage kennenzulernen.
Es war ein Unternehmen voller Anonymität.
Aber es schien zu funktionieren. Den hohen Herren in der Chefetage musste es anscheinend nicht interessieren, ob seine Mitarbeiter zufrieden waren oder nicht. Die Millionen rollten auch so auf sein Konto. Zumindest laut letzter Forbes Hochrechnung, wo sein Vermögen mit über einhundert Millionen Dollar eingeschätzt wurde.
Und das mit fünfunddreißig Jahren.
Ich war schon froh, für die neue Louboutin Schuhkollektion keinen Kredit aufnehmen zu müssen.
Was nicht zuletzt daran lag, dass ich so gut wie keine Ausgaben hatte und das mein Gehalt durchaus in Ordnung war. In diesem Bereich konnte ich Preston Industries definitiv keinen Vorwurf machen. Vielleicht erwartete er aber auch deshalb, dass ich an den Wochenenden durcharbeitete.
Würde das Gehalt nicht so sehr stimmen, auch gepaart mit der phänomenalen Arbeitsfreiheit, dann wäre ich nicht schon acht Jahre Teil dieser Firma, die erst in den letzten vier Jahren so unglaublich angewachsen war.
Wahrscheinlich nicht zuletzt wegen meiner Werbeentwürfe. Ich grinste über meine Gedanken und erhob mich von der Couch, denn vom Rumsitzen würde ich garantiert nicht bis Montagmorgen fertig werden, damit mein Entwurf das Erste war, was Dylan Preston beim Start in die neue Woche sah.
Ich holte mir einen Kaffee in der Küche und stieg die Treppen empor in mein Arbeitszimmer, das einem Designertraum glich. Ich hatte es mir hier so gemütlich eingerichtet wie nur möglich, denn schließlich verbrachte ich in diesem Raum die meiste Zeit des Tages.
Die Wände waren in einem schlichten Cremeton gehalten, wobei an der Wand gegenüber von meinen drei Bildschirmen inspirierende Sprüche in großen schwarzen Bilderrahmen hingen. Gepaart mit meinem Chanel Poster, das ich stundenlang betrachten konnte.
Es war so schlicht, so elegant, ein absolutes Meisterwerk des Grafikdesigns, an dem ich mich nicht sattsehen konnte.
Mit einem Seufzen schaltete ich den Rechner ein und ließ mich auf meinen ergonomischen Schreibtischstuhl sinken, bevor ich meine Blaulichtfilterbrille aufsetzte.
Ich war wie immer adrett gekleidet, denn bequeme Kleidung gehörte für mich zu den absoluten No-Gos.
Wie hatte Karl Lagerfeld noch so schön gesagt? Wer eine Jogginghose trug, hatte die Kontrolle über sein Leben verloren.
Ich war ganz seiner Meinung! Aus dem Grund besaß ich so etwas erst gar nicht.
Mittlerweile hatte ich mir immerhin angewöhnt, zu Hause auf die hohen Schuhe zu verzichten. Legerer würde es aber garantiert nicht werden.
Ich warf einen kurzen Blick auf mein Handy, auf dem sich keine Nachricht befand. Molly arbeitete, weshalb sie garantiert keine Zeit hatte, sich mit mir über die Tatsache lustig zu machen, dass aus Mister Arschloch jetzt Doktor Arschloch geworden war. Wir würden dazu am Wochenende allerdings hoffentlich noch Gelegenheit finden.
Wenn Molly aus der Bar wegkam und ich diesen Auftrag zu seiner Zufriedenheit umgestellt hatte.
Seufzend blickte ich auf das Meisterwerk, das ich zur Präsentation des neuen Telekommunikationsnetzwerkes erstellt hatte, und das so gar nicht den Vorstellungen des Big Boss zu entsprechen schien.
Dabei war es eine ausgefallene, kreative Art, etwas Neues und Innovatives vorzustellen. Aber gut, dann zurück zu den Basics, ganz wie der Herr es sich wünschte. Sechs Tage Arbeit für die Katz, aber immerhin bei guter Bezahlung.
Ob die Designerin des Chanel Posters wohl freie Hand gehabt hatte oder ob sie sich auch den Vorstellungen von Coco hatte anpassen müssen? Die Frage würde mir wohl nie jemand beantworten.
Vielleicht sollte ich mit meinem Können als Grafikdesignerin in die Modewelt wechseln. Davon verstand ich jedenfalls etwas. Und es waren deutlich ansprechendere Themen als die Telekommunikationsindustrie.
Aber gut, Schwamm drüber. Es war nicht vollkommen ausgeschlossen, dass ich mich mal umsah. Nur jetzt blieb mir dazu keine Zeit.
Mein Magen knurrte, weshalb ich mich noch einmal von meinem Schreibtischstuhl erhob und die Holztreppe nach unten ging, um mir einen kleinen Snack zu holen. Mit leerem Magen konnte ich mich schließlich auch nicht konzentrieren. Gut, dass ich über genug Selbstdisziplin verfügte, nicht an die Süßigkeitenschublade zu gehen, sondern stattdessen ein Müsli zu machen.
Meine Küche war ein großer, heller und freundlicher Raum, mit Blick in meinen kleinen Garten, den ich hegte und pflegte, wann immer ich Zeit dazu hatte. Von der Küche gelangte man in das offene Wohn-Esszimmer, wo auch die Treppe nach oben führte.
Hier unten war alles in Schwarz-Weiß eingerichtet. Zeitlos schön, edel und doch modern.
Ich hatte mir Mühe gegeben, mir dieses Haus so zu erschaffen, dass ich mich darin wohlfühlte. Der Vorteil davon, alleine zu leben. Ich musste wenigstens nicht auf den Geschmack und die Vorlieben eines anderen Menschen Rücksicht nehmen.
Wieder oben angekommen, auf der Etage, wo sich außerdem mein Schlafzimmer, mein Ankleidezimmer und das Bad befanden, beschloss ich, erst noch eine Runde sinnlos durchs Internet zu surfen, bevor ich wirklich mit der Arbeit loslegte.
Auch das war ein Problem von Menschen im Homeoffice. Im Büro konnte man nicht einfach tun und lassen, was man wollte, zu Hause musste man sich gelegentlich dazu zwingen, auch wirklich zu arbeiten.
Vor allem dann, wenn man den eigenen Entwurf absolut perfekt fand und keine Lust hatte, irgendetwas daran zu ändern.
Mit einem Grinsen auf den Lippen schickte ich an einem Samstagabend um dreiundzwanzig Uhr und vierundzwanzig Minuten meinen nächsten Entwurf zu Doktor Arschloch, bevor ich meinen Computer herunterfuhr.
Wochenende.
Wenigstens noch für ein paar Stunden.
Dieser scheiß neue Entwurf hatte mich den gesamten Freitagabend bis in die Nacht, sowie den gesamten Samstag gekostet.
Ein Traum von einem Samstagabend.
Hoffentlich war er jetzt zufrieden, doch bereits auf dem Weg nach unten, vernahm ich das Summen auf meinem Handy.
O nein!
Nein, nein, nein!
Es war fast Mitternacht an einem Samstagabend.
Ja, der Mann hatte genauso wenig Privatleben wie ich. Vielleicht sogar noch deutlich weniger ...
»Besser, aber noch nicht zufriedenstellend. Das Farbmuster auf der letzten Ebene gefällt mir nicht. Ich werde mir etwas einfallen lassen und Ihnen die neuen Vorschläge bis morgen früh zukommen lassen.«
»Mieses Arschloch!«, rief ich wütend und warf mein Handy auf das Sofa.
Es kostete ihn drei Minuten und drei Zeilen, um meine Arbeit von unendlichen Stunden zunichte zu machen.
Ich hasste diesen Mann so sehr.
Wenn ich nicht noch auf Mollys Anruf warten würde, dann würde ich jetzt mein Handy ausschalten, um ihn einfach zu ignorieren und mir das Wochenende zu nehmen, das mir zustand.
Ja, der Auftrag war wichtig. Ja, die Zeit drängte. Ja, es hingen garantiert wieder Millionen daran. Aber es war Samstagabend.
Kopfschüttelnd schaltete ich den Fernseher ein und zappte mich lustlos durch die Kanäle. Um meine Serien zu gucken, war es schon zu spät, und etwas Interessantes im Fernsehen konnte ich auch nicht finden.
Vielleicht war es besser, einfach ins Bett zu gehen und zu schlafen. Mit Molly würde ich auch morgen noch telefonieren können. Wenn sie irgendwann mal Zeit hatte ...
Wir brauchten alle mehr Privatleben. Inklusive Doktor Arschloch, damit er auch endlich respektieren konnte, dass nicht alle Menschen am Wochenende arbeiten wollten.
Ich war gerade aufgestanden und im Begriff, mir einen Kaffee zu kochen, als es an meiner Tür klingelte.
Sonnntagmorgen.
Gott sei Dank war ich bereits geduscht und angezogen. Nur am Make-up haperte es noch. Doch wer sollte an einem Sonntagmorgen vor meiner Tür stehen, außer Molly oder Caleb?
»Okay, das ist seltener Besuch«, sagte ich und weitete meine Augen, als ich meinen Bruder Jake mit meiner kleinen Nichte Emmy vor der Tür fand.
Ich hatte mich eigentlich darauf eingestellt, heute den ganzen Tag auf der Couch zu verbringen, um Doktor Arschlochs E-Mail zu ignorieren, die heute Nacht um vier Uhr eingegangen war, doch anscheinend hatte mein Bruder andere Pläne für mich.
»Wo ist Karen?«, hakte ich nach, denn sie war nicht zu sehen. Dabei gab es die drei doch seit über einem Jahr nur noch zusammen. Ein Schritt, über den ich noch immer so unglaublich glücklich war.
Mein Bruder hatte eine schwere Zeit hinter sich und jahrelang war es meine Hauptaufgabe gewesen, mich um Emmy und ihn zu kümmern und zu sorgen. Doch dazu bestand jetzt kein Grund mehr. Mit Karen lief es besser, als ich es jemals für möglich gehalten hatte, weshalb ich nicht mehr täglich bei ihnen vorbeischaute.
Eine Veränderung, an die ich mich zu Anfang definitiv erst gewöhnen musste. Schließlich war es über einen so langen Zeitraum normal gewesen.
Das verräterische Grinsen auf Jakes Gesicht verriet mir sofort, dass er nichts Gutes im Schilde führte.
»Sieh mal hier, Tante Gaby. Wir haben dir vom Bäcker ein bisschen was zum Frühstück besorgt und eine neue Zeitung.«
Mein Blick schnellte nach oben.
Nein!
O nein! Das hatte dieser Mistkerl nicht getan.
Es war jetzt doch schon so lange her, dass ich mich wirklich in Sicherheit gewogen hatte.
Vor weit mehr als einem Jahr hatte ich gemeinsam mit Emmy eine Anzeige in der hiesigen Zeitung geschaltet, mit dem unverwechselbaren Titel »Suche Heiratsfrau für meinen Daddy«, da Emmy sich so dringend eine Freundin für ihren Vater gewünscht hatte.
Schon damals hatte Jake mir Rache geschworen, aber dass er diese jetzt auch wahr zu machen schien …
O verdammt.
»Nein!«, sagte ich, doch Jake zuckte nur unschuldig mit den Schultern.
»Es war alles Emmys Idee. Ich habe ihr lediglich dabei geholfen.« Er benutzte die Worte, die ich ihm damals auch gesagt hatte. Nur dass es bei mir wirklich Emmys Idee gewesen war. Gut, nicht die Sache mit der Annonce in der Zeitung, aber das Anliegen, auf irgendeinem Weg eine Heiratsfrau für ihren Daddy zu suchen.
»Das ist nicht dein Ernst! Das kann einfach nicht euer Ernst sein«, rief ich wütend und schnappte mir die Zeitung aus Emmys Händen.
»Aber Tante Gaby, denk doch mal darüber nach, wie viel Glück es Daddy gebracht hat. Du bist doch jetzt auch schon so lange alleine und dir ist doch bestimmt langweilig.« Meine kleine Nichte mit ihrem süßen Grinsen und den Zöpfchen, die ihr Karen am heutigen Morgen mit Sicherheit geflochten hatte. Ihr konnte ich nicht böse sein, weil sie keine Ahnung davon hatte, was sie mit dieser Anzeige anrichtete. Mein Bruder dagegen wusste es ganz genau!
»Ist Karen deshalb nicht mitgekommen? Weil sie die ganze Sache nicht unterstützt?«, fragte ich Jake.
»Könnte man so sagen. Du tust ihr auf jeden Fall sehr leid. Mir wiederum eher nicht. Ich wünsche dir schon jetzt von Herzen viel Spaß beim Spießrutenlauf durch Shelwood Creek und bei den wunderschönen Dates, die auf dich zukommen werden.«
»Ich ...« Ich biss mir auf die Lippen, da Emmy neben meinem Bruder stand. Ich konnte ihm schlecht sagen, wie sehr ich ihn dafür hasste. Das würde die Kleine niemals verstehen und direkt wieder Angst haben, dass wir Streit hätten. Das konnte Emmy nicht gut vertragen.
»Ja?«, fragte Jake nach, während ich ihn nur böse anblickte.
»Du weißt ganz genau, was ich dir gerade sagen wollte.« Ich nahm die Zeitung mit zu meinem Esszimmertisch und breitete sie aus. Natürlich hatten sie mein Foto in den Part eingefügt, der nicht nur in Shelwood Creek, sondern auch in Teilen von Baltimore verteilt wurde. Genau wie ich es damals bei Jake getan hatte. Also Emmy, denn eigentlich war nur Emmy schuld gewesen.
Verdammt, ich hätte wirklich damit rechnen sollen, dass so etwas passierte. Schließlich kannte ich meinen Bruder so gut wie niemand anderes auf dieser Welt.
Wenigstens hatten sie ein verdammt hübsches Foto von mir genommen, auf dem meine schwarzen Haare sinnlich über meine Schultern fielen. Ich trug das schwarze Louis-Vuitton-Kleid und die dazu passenden Louboutins. Mein Make-up saß tadellos.
Doch dieses perfekte Bild konnte nicht von der Überschrift ablenken, die auf der Seite prangte. Und auch wenn ich es nicht wollte, so brachte sie mich doch zum Lachen. Obwohl das Thema alles andere als lustig war ...
»Suche Heiratsmann für meine Tante.«
»Ist das nicht süß?«, fragte Jake, der allerdings wieder nichts als einen bitterbösen Blick von mir kassierte. Ich wandte mich stattdessen dem Text zu, der dabeistand. Auch wenn ich ihn eigentlich gar nicht lesen wollte.
»Hallo, mein Name ist Emmy Hudson, ich bin sieben Jahre alt und habe die beste Tante der ganzen Welt. Ihr Name ist Gabriella, aber wir nennen sie alle nur Gaby. Sie hat sich ganz viele Jahre lang um meinen Daddy und mich gekümmert, aber jetzt möchte ich einen Mann für sie suchen.
Meine Tante Gaby hat den coolsten Kleiderschrank der Welt, denn sie liebt Mode. Außerdem kann sie super Sachen am Computer machen, denn sie ist eine Grafikfrau.
Sie ist eine tolle, liebe, lustige Frau, die einen genauso tollen Mann verdient hat.«
»O Emmy«, entfuhr es mir, gerührt von den lieben Worten, die sie gefunden hatte. Auch wenn ich diese Anzeige in keiner Art und Weise gutheißen konnte. Ihre Worte blieben dennoch süß.
»Jetzt können wir dir genauso Männer aussuchen, wie wir für Daddy damals Frauen ausgesucht haben. Ist das nicht toll?«
»Ich weiß nicht ... ich bin mir jedenfalls nicht ganz sicher, wie ich es finden soll.«
»Du wirst bestimmt ganz viel Spaß haben. So wie ich damals, als ich die sechs von euch ausgesuchten Damen treffen musste ... durfte«, korrigierte Jake sich selbst. Bei ihm war es nur durch Zufall zu einer Begegnung mit Karen gekommen, die allerdings nie stattgefunden hätte, wäre er an diesem Abend nicht dort im Restaurant gewesen.
»Sechs Männer, kein einziger mehr!«, sagte ich und nahm dabei die exakt selbe Zahl, die mir damals auch mein Bruder vorgegeben hatte.
»Mehr verlangt auch niemand.«
»Eine Sache müsst ihr mir ganz dringend verraten. Warum ich? Warum nicht Caleb, der einsam auf seiner Farm sitzt und garantiert niemals eine Frau kennenlernen wird in seinem Eigenbrötlerdasein?«
»Caleb war damals nicht so maßgeblich an der Sache beteiligt, wie du es warst, nicht wahr, Gaby?«, hielt Jake mir sofort vor.
»Außerdem ist Onkel Caleb gar nicht alleine. Er hat die Tiere.«
»Hätte ich das gewusst, dann hätte ich mir auch noch ein paar Alpakas besorgt und sie in den Garten gestellt.«
»Wieso Alpakas? Katzen, Gaby. Damit du dich schon mal gut auf dein Leben als alte Katzenlady vorbereiten kannst.«
Wenn Blicke töten könnten, dann hätte ich meinen Bruder gerade erneut unter die Erde gebracht. Katzenlady. Ganz sicher würde ich nicht als alte Frau alleine und einsam in meinem Haus mit einhundert Katzen enden.
Über diese Geschichte machte er sich immer noch lustig, weil ich so dumm gewesen war, ihm in einem unbedachten Moment von einem Albtraum zu erzählen, der mich wirklich tagelang beschäftigt hatte.
Vermutlich aus Angst, dass ich wirklich einmal so enden konnte.
Ach verdammt, jetzt war es eh zu spät zu fluchen, denn die Anzeige war schon abgedruckt und fröhlich in Shelwood Creek und Teilen von Baltimore verteilt worden.
Ab sofort würde jeder Einkauf zum Spießrutenlauf werden. Und ja, mir war selbst klar, dass ich Jake das damals auch angetan hatte. Und noch viel schlimmer, schließlich war er der Landarzt hier in Shelwood Creek und war so andauernd von Frauen und Männern jeden Alters mit dieser Aktion konfrontiert worden.
Seine Rache war für ihn süß und auch, wenn sie für mich bitter war, so war sie vollkommen berechtigt ...
»Jetzt, Rosa, oder meinst du, ich habe den ganzen Tag Zeit, auf mein Frühstück zu warten?« Ich pfiff meine Haushälterin an, als sie mich doch ernsthaft fragte, wann sie mir meinen Kaffee ausschenken sollte.
Ja, ich hasste es, wenn er kalt war, aber ich hasste es auch, wenn ich auf ihn warten musste.
Dass ich es der armen Frau damit schier unmöglich machte, mich zufriedenzustellen, war mir durchaus klar. Aber darauf konnte ich keine Rücksicht nehmen.
Meine Zeit war zu kostbar und es gab zu viel zu tun, als dass ich auf die Befindlichkeiten meiner Angestellten Rücksicht nehmen konnte. Ich führte ein Multi-Millionen-Dollar-Unternehmen und hatte gerade meinen Doktor in Wirtschaftswissenschaften abgelegt.
Ein weiterer Schritt auf meinem Weg mir zu beweisen, dass ich alles erreichen konnte, was ich erreichen wollte.
Rosa stellte die Kaffeetasse vor mich, während ich die Zeitung aufschlug. Ich hatte eigentlich keine Zeit, etwas anderes als den Wirtschaftsteil zu lesen, doch zwischendurch blätterte ich auch gerne sinnlos herum. Gerade jetzt, wo ich dafür Zeit hatte. Etwas, das sonst für mich immer extrem kostbar gewesen war mit der Firma und dem Studium im Hintergrund. Doch dieser Teil war jetzt überstanden. Jetzt war ich nur noch für die Firma verantwortlich.
Alles könnte so einfach sein, doch meine Uhr tickte ...
Es blieb nicht mehr viel Zeit.
Ich würde es schon irgendwie hinkriegen. So wie alles. Schließlich war ich in meinem Leben nicht so weit gekommen, um jetzt zu kapitulieren.
Ich konnte diese Zeitung lesen, genauso wie ich endlich wieder Zeit dazu hatte, eine Runde zu schwimmen, nachdem ich meinen durchtrainierten Körper im Fitnessstudio an seine Grenzen getrieben hatte.
Freizeitgestaltung auf meine eigene Art.
Gut, dass ich mir nichts daraus machte, faul rumzusitzen, denn diesen Wunsch würde ich mir niemals erfüllen können, wenn ich meinen aktuellen Lebensstil so betrachtete.
Ohne Fleiß kein Preis.
Das war mein Motto, nach dem ich jeden Tag handelte und das mich schon verdammt weit gebracht hatte.
Wenn jetzt nicht alles scheitern würde.
Wütend, dass ich diesen Gedanken überhaupt hatte, schüttelte ich den Kopf und atmete tief durch.
Frühstücken. Fitnessstudio. Schwimmen. Ich musste meinen Körper auspowern, damit ich keine Zeit hatte, über dieses Thema nachzudenken oder die Uhr in meinem Kopf ticken zu hören.
Es gab für alles eine Lösung.
Zwei ganze Stunden verbrachte ich auf dem Laufband und rannte dort, als ob es um mein Leben gehen würde. Bis mein Körper mir signalisierte, dass ich nicht mehr konnte.
Keuchend drehte ich den Regler runter, lief stufenweise immer langsamer, bis das Band stoppte und ich abstieg.
Jetzt war ich warm für meine weiteren Übungen. Bankdrücken, Brustmuskulatur – heute stand viel auf dem Programm.
An meinem Körper befand sich kein einziges Gramm Fett. Alles war durchtrainiert und bis zur Perfektion definiert, wenngleich ich auch keinem Bodybuilder oder einem gestählten Muskelpaket ähnelte.
Es ging mir darum, mich gut und vital zu fühlen, und das konnte ich nur durch so viel Sport erreichen. Vor allem ging es mir allerdings auch darum, meine Gedanken abzulenken. Weg von der Arbeit und weg von der tickenden Uhr.
Nassgeschwitzt betrachtete ich mich zwischen den Trainingseinheiten im großen Spiegel vor der Hantelbank.
Mein Kreuz war breiter geworden. Das schrie wieder einmal nach neuen Anzügen, da sie stets maßgeschneidert waren. Ich konnte mir nicht erlauben, wie ein dahergelaufener Kerl auszusehen. Schließlich führte ich dieses Imperium und verlangte dabei von mir selbst ein gewisses Maß an Perfektion – in allen Lebenslagen.
Nur dass mir das verdammt noch mal einfach nicht gelingen wollte.
Weil ich ein herrschsüchtiges Arschloch war. Alles musste nach meinen Vorstellungen laufen, sonst brachte es mich aus meinem perfekten Tagesrhythmus.
Apropos Tagesrhythmus. Statt an einer Ausarbeitung zu arbeiten, war es jetzt Zeit, mich in den großen Pool zu stürzen, den ich schon seit gefühlten Ewigkeiten aus reinem Zeitmangel nicht mehr benutzt hatte.
Genau wie das Fitnessstudio befand er sich im Keller meines Hauses, was allerdings nicht dafür sorgte, dass es ein trister, dunkler Raum war. Die Architekten hatten ganze Arbeit geleistet und dank indirektem Licht dafür gesorgt, dass eine schöne Atmosphäre in meinem privaten Schwimmbad herrschte.
Ich sprang ins Wasser, wobei selbst ich einen Moment warten musste, bis sich meine Muskeln an die Kälte gewöhnt hatten und aufhörten, sich zu verkrampfen.
Ich war nicht hier, um zu planschen, sondern um zu schwimmen, weshalb ich mich in Bewegung setzte. Kraulen, Brust, Rücken. Und das in so vielen Bahnen wie nur eben möglich.
Ich hörte erst auf, als die Uhr an meinem Handgelenk piepste, da ich keine Zeit mehr hatte. Dafür dass ich so lange keine Bahnen mehr gezogen hatte, war es gut gelaufen, was mich natürlich freute.
Ich trocknete mich ab, schlüpfte in meine Badeschuhe und nahm die weiße Marmortreppe zurück ins Erdgeschoss des Hauses. Dort durchquerte ich das Wohn-Esszimmer, bevor ich die Treppe zur offenen Galerie nahm.
Von dort aus gelangte ich sowohl zu meinem Schlafzimmer wie auch zu den Gästezimmern, dem Arbeitszimmer und dem Hauptbadezimmer, das direkt an mein Schlafzimmer angrenzte, allerdings auch vom Flur aus betreten werden konnte.
Es war ein großer Raum, in dem ebenfalls heller Marmor dominierte. Alles schien hier aus einem Guss zu sein. Die große Regendusche, der Whirlpool, das Doppelwaschbecken.
Vom Badezimmer führte eine Tür in den Flur, eine Tür in mein Schlafzimmer und eine dritte Tür in mein Ankleidezimmer.
Unter der Dusche angekommen, befreite ich mich von meiner Schwimmshorts und ließ das warme Wasser über meinen Körper laufen. Doch ich konnte mir wie immer nicht zu lange Zeit lassen. Es gab schließlich noch viel zu tun.
Selbst wenn heute Wochenende war. So etwas wie einen ruhigen Sonntag brauchte ich nicht. In dieser Zeit konnte man schließlich auch eine ganze Menge erledigen.
Wie zum Beispiel die Kalkulation für die nächste Werbekampagne. Ob mir die Grafikdesignerin schon einen neuen Entwurf zurückgeschickt hatte?
Vorgestern war sie mir etwas aufmüpfig vorgekommen, als sie mir ein schönes Wochenende gewünscht hatte.
Nichtsdestotrotz war ihr neuer Entwurf natürlich noch am gestrigen Abend eingegangen. Ich wusste, dass ich mich auf sie verlassen konnte. Wie alle bei Preston Industries konnte sie froh sein, einen so guten Job in diesem florierenden Unternehmen zu haben.
Und um diesen Job zu behalten, musste man entsprechende Leistungen erbringen. Dazu zählte ich definitiv auch das Arbeiten an den Wochenenden. Sie hatte schon genug Freiheiten. Schließlich kontrollierte niemand ihre Arbeitszeiten und soviel ich wusste, kam sie so gut wie nie in das Büro in Baltimore. Doch was interessierte mich das schon? Hauptsache, ich bekam meine Entwürfe rechtzeitig und sie entsprachen meinen Vorstellungen. Das war bei ihr meist der Fall, doch ich forderte immer noch weitere Entwürfe an oder kritisierte etwas.
Nichts war schlimmer als Mitarbeiter, die Oberwasser bekamen und sich etwas auf ihr Können einbildeten. Das war stets der Anfang vom Ende.
Ich hatte nicht mal eine Ahnung, wer diese Frau überhaupt war. Ihre Einstellung war damals noch unter Leitung meines Vaters geschehen.
Ich vermied es, persönliche Kontakte zu den Mitarbeitern zu pflegen, was mir nicht gerade den Ruf als besten Chef dieser Branche einbrachte, aber auch das war mir komplett egal.
Ich suchte keine Freunde, sondern Menschen, die ihren Job zu meiner Zufriedenheit erledigten. Und da ich nie wirklich zufrieden war ...
In meinem Büro angekommen, checkte ich meine Mails, nur um überrascht festzustellen, dass sie mir tatsächlich noch keinen neuen Entwurf zugesandt hatte. Prüfend blickte ich auf die Uhr. Es war Sonntagnachmittag. Ich hätte schon längst damit gerechnet.
Ihre Frist lief bis morgen früh um sieben.
Genau in dem Moment ging ihre E-Mail ein. Ich öffnete sie und betrachtete den neuen Entwurf, den sie mir geschickt hatte und der wirklich gut war.
Sie war verdammt gut in dem, was sie tat. Und das wusste sie wahrscheinlich auch, ohne dass ich ihr das sagte. Hoffentlich bekam sie kein Oberwasser. Es wäre eine Schande, auf ihr Talent verzichten zu müssen.
»Nein. Zurück zum vorherigen Vorschlag und in einen beigen Ton umändern. Dann erneut schicken«, antwortete ich ihr, denn sie konnte es noch besser. Definitiv und das wusste ich.
In meinem Geiste konnte ich sie fluchen hören, wenn sie diese Mail las, doch das war mir vollkommen egal!
Ich brauchte keine Freunde, sondern Mitarbeiter, die stets alles aus sich herausholten.
Das konnte nicht sein verdammter Ernst sein! Ich blickte fassungslos auf mein Handy, bevor ich einen wütenden Schrei aus meiner Kehle ließ.
Mein gesamtes Wochenende hatte ich geopfert und dieser Mann war immer noch nicht zufrieden, weil er sich einen beigen Ton wünschte. Beige? Ernsthaft?
Er wollte meinen ausgefallenen Vorschlag nicht, also musste ich zurückgehen zu den Basisdingen, die ihm aber jetzt anscheinend zu schlicht waren, weshalb ich eine ganz verrückte und peppige Farbe wie beige einarbeiten sollte.
Beige!
Was zum Teufel, ganz ehrlich.
Alte Opas liebten beige, aber es handelte sich hier um eine brandneue Idee. Um etwas, das am Markt der jungen Menschen einschlagen sollte. Da nahm man doch kein Beige.
Wer war ich schon, um den großen Doktor Dylan Preston zu kritisieren?
Ob ich wohl auch angefangen hätte, für dieses Unternehmen zu arbeiten, wäre er damals schon der Chef dieses Imperiums gewesen und nicht sein Vater? Nicht dass ich ihn je kennengelernt hatte, doch mit ihm musste ich wenigstens meine Entwürfe nicht andauernd per Email durchdiskutieren. Er hatte mir einfach freie Hand gelassen, weil er von so was keine Ahnung gehabt hatte. Anders als Doktor Allwissend, der natürlich immer mitreden wollte.
Beige ...
Das schoss den Vogel ab.
Aber gut, dann würde ich ihm diesen Entwurf halt in beige zurückschicken. Das war ja Gott sei Dank nicht so viel Arbeit.
Besser, als noch einmal alles umstellen zu müssen. Auch das hätte ich ihm zugetraut.
Nach einer weiteren Stunde Arbeit schickte ich ihm den unglaublich hässlichen beigen Entwurf zurück, nur um bei seiner nächsten Mail sprachlos vor dem Computer sitzen zu bleiben.
Er hatte schon vieles geschafft. Vor allem, dass ich haltlos über ihn fluchte. Aber dass er mich sprachlos zurückließ, war definitiv eine Premiere. Ich schüttelte den Kopf und las die Zeilen noch ein weiteres Mal, da ich wirklich überzeugt davon war, meine Augen oder mein Kopf würden mir einen Streich spielen, doch es stand dort schwarz auf weiß.
»Nach genauer Prüfung habe ich mich dazu entschieden, Ihrem innovativen und mutigen Entwurf Nummer eins zu folgen und ihn für die Präsentation und die Werbung zu verwenden.«
Also war die ganze andere Arbeit umsonst gewesen? Glaubte der Kerl eigentlich, dass ich an meinen Wochenenden ganz dringend eine Beschäftigungstherapie brauchte, oder was?
Unfassbar.
Absolut unfassbar!
Was für ein Arschloch.
Obwohl es mich zugegebenermaßen schon ein bisschen freute, dass ihm mein erster Entwurf zusagte und mein Name mit diesem in Verbindung gebracht würde und nicht mit dem beigen Albtraum.
Ich blickte auf das Chanel Poster und grinste selbstzufrieden. Innovative Ideen zahlten sich halt doch aus. Auch wenn ich Stunden über Stunden an diesem Computer verschwendet hatte, um zu den Basics zurückzukehren.
Hoffentlich würde das Projekt nicht vor die Wand fahren, denn ich wusste selbst, wie viel für Preston Industries davon abhing. Deshalb konnte ich auch irgendwie das große Zögern verstehen, das ich von Doktor Arschlochs Seite aus erfahren hatte. Wenn es denn überhaupt ein Zögern war. Er zögerte nie oder gab es zumindest nicht zu.
Was wusste ich schon? Nur durch eine E-Mail-Korrespondenz mit ihm, die sich zudem nur auf das äußerst Berufliche bezog, war es wirklich unangemessen, mir ein Bild von ihm zu machen.
Vielleicht waren meine anderen beiden Entwürfe allerdings auch einfach viel zu scheiße gewesen.
Ich schüttelte den Kopf und schaltete gähnend den Computer aus. Nein, sie waren großartig, nur nicht so überwältigend gut wie der Entwurf Nummer eins, der zu meiner vollen Zufriedenheit das Rennen gemacht hatte.
Vielleicht hatte ich jetzt erst mal ein paar Tage Ruhe, auch wenn ich nicht wirklich damit rechnete. In dieser Firma gab es immer etwas zu tun für mich. Insgeheim freute ich mich allerdings auch schon wieder auf die neue Herausforderung, wie auch immer sie aussehen würde.
Jetzt war endlich Zeit, um mich meinem lang ersehnten Serienmarathon zu widmen. Theoretisch. Praktisch stand mir danach allerdings rein gar nicht der Sinn, als mein Blick wieder die Zeitung streifte, die noch immer auf meinem Esstisch lag.
Just in dem Moment vibrierte mein Handy. Molly rief an. Wahrscheinlich hatte sie die Schlagzeile ebenfalls gelesen.
Oder aber die Männer in der Bar hatten sie darauf angesprochen.
Mir blieb einfach gar nichts anderes übrig, als mich in den nächsten Wochen, nein, am besten in den nächsten Monaten hier in meinem Haus einzuschließen.
»O mein Gott!«, rief sie sofort, während ich nur leise stöhnte. »Ich hab mich immer gefragt, wann Jake wohl Rache üben würde. Als dann nichts kam, habe ich es echt vollkommen vergessen. Es war ein verdammt genialer Schachzug von ihm, so lange zu warten. Du hast dich doch bestimmt auch schon in Sicherheit gewähnt, oder? Scheiße, Gaby. Aber wenigstens hat er ein verdammt heißes Foto von dir ausgesucht.
Ihm hätte ich schon alleine aus Rachegründen zugetraut, ein extrem schäbiges Foto von dir zu nehmen. Jake halt.«
»Ja, ich weiß ganz genau, was du meinst. Was glaubst du, wie ich heute Morgen aus der Wäsche geguckt habe, als sie hier reingeschneit sind, um mir die Zeitung zu bringen.«
»Du glaubst gar nicht, was hier in der Bar los ist. Ich bin schon so oft darauf angesprochen worden. Jetzt habe ich auch endlich mal die Zeit gefunden, den Artikel zu lesen. Das hat Emmy supersüß gemacht, oder?«
»Ja, aber ... das ändert einfach nichts an der Tatsache.«
»Ich weiß ganz genau, was du meinst und irgendwie tust du mir verdammt leid, dass du da jetzt durchmusst. Aber hey, du musst das jetzt mal ganz anders sehen. Viele Dates, vielleicht sogar mit heißen Typen. Und wenn sie dein Auge schon nicht verwöhnen oder kein Material auf Dauer sind ... für ’ne Nacht wird es wohl reichen oder meinst du nicht?«
Ich lachte auf bei ihren Worten. Natürlich hatte ich auch schon darüber nachgedacht.
»Wer weiß. Bestenfalls läuft es für mich so wie für Jake. Ich krieg den ein oder anderen heißen Mann in mein Bett und finde durch einen blöden Zufall dann doch irgendwie meinen Mister Right. Obwohl ich nicht denke, dass das vorkommen wird.«
»Wenn du jetzt wieder von dem Mistkerl eines Ex-Mannes anfängst. Süße, glaub mir, es wird so was von Zeit, dass du einen Haken hinter diesen Kerl machst. Es ist eine Schande, wie sehr du ihn glorifizierst. Er war ein charakterloser Arsch. Nicht mehr und nicht weniger und im Endeffekt kannst du froh sein, dass er nicht mehr in deinem Leben ist und du deine Zeit nicht weiterhin mit ihm verschwendest. Von deinen besten Jahren will ich gar nicht erst anfangen.«
»Apropos Arschloch.«
»Ooooooh, Mister Arschloch. Hat er dir das Leben schon wieder zur Hölle gemacht, ja?«
»Allerdings. Aber er ist jetzt nicht mehr Mister Arschloch, sondern Doktor Arschloch.«
»Doktor? Bitte was? Was ist er denn geworden? Frauenarzt?« Ich lachte laut auf bei ihren Worten. Es war viel besser, mit ihr über meinen Boss zu lästern, als über meinen Ex-Mann zu sprechen. Denn ja, er nahm noch immer viel zu viel Platz in meinem Leben ein. Und genau das ließ mich oft vergessen, was er eigentlich in Wirklichkeit für ein Mensch gewesen war.
»Ich schätze jetzt mal irgendwas in Wirtschaft. Aber was weiß ich schon. Er hat am Freitag meinen großartigen Entwurf in der Luft zerrissen. Hat mich dann einen neuen anfertigen lassen, der ihm auch nicht gepasst hat, nur um am Ende wieder zu meinem ersten Entwurf zurückzukommen und diesen auszuwählen. Der Typ hat doch den Schuss nicht gehört, oder?«
»Ist uns das nicht schon seit Ewigkeiten klar?«
»Ist es definitiv, aber es wird gefühlt irgendwie immer skurriler mit diesem seltsamen Kerl.«
»Da muss ich dir allerdings recht geben. Gott, ich wünschte, wir könnten uns einfach mal in sein Büro schleichen und ihn kennenlernen. Aber da dir das als seine Angestellte in all den Jahren nicht einmal gelungen ist, weiß ich schon, wie unrealistisch es ist, dass sich diese Hoffnung irgendwann einmal erfüllen wird.«
»Ich weiß genau, wovon du sprichst. Ich habe mir heute noch so durch den Kopf gehen lassen, dass ich nicht mal wüsste, ob dieser Typ wirklich existiert, wenn ich ihn nicht mal im Forbes Magazin gesehen hätte. Ich hab keine Ahnung, wie sich seine Stimme anhört, weil wir in den Jahren, die ich für die Firma arbeite, noch nicht einmal telefoniert haben. Alles nur über diese bescheuerten E-Mails, die mir irgendwann noch mal den letzten Nerv rauben werden. Ich schwöre dir, jedes Mal, wenn mein Handy vibriert, will ich gar nicht mehr nachsehen, weil ich weiß, dass er es ist und dass ich mich wieder maßlos ärgern werde.«
»Ich verstehe sowieso nicht, warum du dir nicht ein Firmenhandy anschaffst und es am Wochenende ausstellst. Aber manchmal glaube ich, dass dir dann auch ein wenig langweilig wäre ohne Mister Arschloch.«
»Doktor Arschloch. Ja, vielleicht hast du sogar recht. Es ist meine masochistische Ader, die es liebt, gequält zu werden.«
»Und sich selbst zu quälen.«
»Ja, definitiv. Aber hey, was wären meine Wochenenden auch, wenn ich mich nicht über ihn aufregen könnte? Ich meine, du musst die ganze Zeit arbeiten. Mein Bruder hat jetzt eine Frau und Caleb verbringt seine Zeit sowieso lieber mit seinen Tieren und der Einsamkeit.«
»Meinst du? Dafür hat er hier aber gerade viel Spaß.«
Ich weitete die Augen bei ihren Worten.
»Warte, Caleb ist in der Bar?«
»Ja klar, was glaubst du denn? Er ist am Wochenende schon mal mit seinen Kumpels hier.«
»Er hat Kumpels?« Molly lachte auf, während ich ebenfalls lachen musste. Ich wusste, dass ich Caleb oft unrecht damit tat, wie eigenbrötlerisch ich ihn darstellte, denn es gab noch andere, komische Landjungs, mit denen er sich hin und wieder traf. Oder halt wegging. In die Bar von Shelwood Creek. Ich würde es nie verstehen ... aber das musste ich ja auch nicht.
»Ist denn wenigstens mal eine Frau da, mit der er etwas anfangen könnte?«
»Süße, wir sind hier am gottverdammten Ende der Welt. Natürlich ist keine Frau da, die er nicht schon kennt.«
»Ich muss den Jungen mal aus diesem verschlafenen Kaff rausbringen.«
»Auch wenn ich weiß, dass du dieses Projekt am liebsten sofort in Angriff nehmen würdest, schon alleine, um von dir selbst abzulenken, muss ich dich leider enttäuschen, denn du wirst in den nächsten Wochen garantiert genug um die Ohren haben. Mit all den Zuschriften der liebeskranken Männer, die nur darauf warten, dass du dich mit ihnen triffst und sie dein Mister Right sein können.«
»O komm schon, Molly. Danke, dass du mich daran erinnerst. Ich hatte es auch glatt für ein paar Minuten vergessen.«
»Stell schon mal sicher, dass dein Chef davon erfährt, dass du am Wochenende Pläne hast. Sonst wird er mit Sicherheit unglaublich schockiert sein, wenn du nicht vierundzwanzig Stunden zur Verfügung stehst.«
»Hör bloß auf. Gott, es ist eh schon alles so peinlich. Ich habe mir heute bereits Gedanken darüber gemacht, ob er wohl in einem Stadtteil wohnt, in den die Zeitung geliefert wird. Aber ich glaube, ich kann ausschließen, dass er sie überhaupt lesen würde. Was anderes als Wirtschaft interessiert ihn wahrscheinlich eh nicht. Und der Artikel ist weit genug weg von eben diesem Teil.«
»Ja, wahrscheinlich. Aber ich bezweifle, dass er dich erkennen würde, schließlich kennt er dich ja gar nicht. Obwohl, klar, wenn er den Namen liest. Was glaubst du, er würde bestimmt erstarren, wenn ihm klar wird, wie unglaublich heiß und sexy du bist. Davon hat er ja keine Ahnung.«
»Und es wird ihn auch nicht interessieren. Ich denke nicht, ob er darin unterscheidet, wen er hin- und herschubst. Hauptsache sein Gewinn wird gesteigert und alles läuft nach seiner Nase.«
»Vermutlich hast du recht. Trotzdem eine witzige Vorstellung, darüber nachzudenken, wie er wohl schauen würde, wenn er feststellt, dass du eine verdammt heiße Braut bist.«
»Ich glaube nicht, dass ich seinem Beuteschema entspreche. Meine Titten sind genauso wenig gemacht wie meine Lippen oder mein Hintern.«
»Wissen wir denn, dass Doktor Arschloch auf solche Sachen steht?«
»Er ist ein reicher Sack. Irgendwie rechne ich damit, dass er genau auf so etwas stehen würde. Aber keine Ahnung. Kann auch sein, dass er die natürliche Frau begehrt. Wenn er denn überhaupt auf Frauen steht. Kann theoretisch sein, dass er schwul ist.«
»Eine Schande für die Frauenwelt, aber recht hast du. Süße, sei mir nicht böse, aber ich muss auflegen. Der alte Wilson hat schon wieder Lust auf eine Schlägerei und ich muss ihn dringend vorher rausschmeißen. Ich hab keinen Bock, wieder Sheriff Murphy in meiner Bar zu haben.«
»Ach wirklich nicht? Ich dachte, da wäre jetzt dieser neue sexy Officer.«
»Das halte ich immer noch für ein Gerücht oder hast du ihn schon mal gesehen?«, hakte Molly nach. Seit ein paar Tagen wurde in Shelwood Creek erzählt, dass der Nachfolger von Sheriff Murphy in der Stadt war. Mit seinen fünfundsechzig wollte der alte, unfreundliche Kauz wohl doch mal in Rente gehen. Und der Neue sollte heiß sein.
Das hatte man aber nur im Eisenwarenladen erzählt, weshalb ich nichts darauf gab, denn bis jetzt hatten sich die Gerüchte noch nicht bestätigt. Der Neue war ein Phantom und so entsprach die Beschreibung seines Aussehens vielleicht eher einer Wunschvorstellung als einer Tatsache.
Aber ich hatte auch ewig nichts mit dem Gesetz zu tun gehabt, weshalb ich ihn wahrscheinlich sowieso nie zu Gesicht bekommen würde. Anders als Molly, denn in der Bar kam es unter hohem Alkoholeinfluss natürlich immer mal wieder zu Auseinandersetzungen, die der Sheriff schlichten musste.
Und da sie ebenfalls Single war, könnte der Neue durchaus eine Option für sie darstellen. Schließlich war es in Shelwood Creek so gut wie unmöglich, den Kerl fürs Leben kennenzulernen. Man kannte hier bereits alle Männer und wusste, mit wem man etwas anfangen wollte und mit wem nicht. Deshalb war ich mir auch so sicher, dass Caleb ein Leben lang Single bleiben würde. Schließlich verließ er dieses kleine Kaff nie.
Aber auch da würden wir mit Sicherheit Mittel und Wege finden. Wenn ich jetzt durch den gleichen Mist durchmusste wie Jake, wäre es ja absolut unlogisch, wenn wir Caleb verschonen würden.
Ich verabschiedete mich von Molly, ging in die Küche und holte mir eine Schüssel voll Eis, die ich mir in meinen Augen nach all der harten Arbeit wirklich verdient hatte.
Außerdem war das zusammen mit dem Serienmarathon Balsam für meine einsame Seele. Heute Abend fühlte ich mich nämlich wirklich einsam.
Ich hasste es manchmal, doch ich wollte auch nicht zu Molly in die Bar gehen, nur um Gesellschaft zu haben. Dort befanden sich nicht gerade die Leute, mit denen ich viel anfangen konnte. Denn mit den Dorffrauen konnte man nicht über die neue Louboutin Kollektion sprechen. Sie kannten eher Gummistiefel und Wanderhosen.
Ich passte nicht hierher. Blöd nur, dass ich es liebte, genau hier zu sein. Auch wenn ich in der Stadt mit Sicherheit besser aufgehoben wäre.
In Shelwood Creek war mein Leben. Auch wenn es extrem trostlos war.
Ich war wie immer eine Stunde früher aufgestanden, um mich erst noch meinem Fitnessprogramm zu widmen, bevor ich unter die Dusche stieg und um Punkt halb sieben die Firma betrat.
Obwohl, es war übertrieben, das so zu nennen. Den Haupteingang meiner Firma hatte ich wahrscheinlich noch nie betreten. Von meinem Vater war dieses Gebäude damals so errichtet worden, dass es dem CEO, damals ihm und jetzt mir, das größtmögliche Maß an Privatsphäre gab.
Durch meinen abgetrennten Parkplatz in der Tiefgarage konnte ich mit einem speziellen Aufzug direkt bis in mein Büro fahren. Ich liebte diese Art der Diskretion.
Mein Vater hatte dieses Unternehmen aufgebaut, auch wenn ich es erst zu diesem Imperium gemacht hatte, das es jetzt war.
Seine Philosophie war es immer gewesen, dass man am besten mit den Leuten klarkam, mit denen man arbeitete, wenn man so wenig über sich preisgab wie möglich. Was auch hieß, dass man sich mit diesen Menschen so wenig abgab wie möglich. Und genau diesen Rat befolgte ich seit jeher.
Ich hatte meinen Vater immer für einen guten Mann gehalten. Ihn bewundert und versucht, ihn stolz zu machen ... doch nichts davon war mehr so, wie ich einst dachte. Genau genommen war dieser Mann mit Abstand die größte Enttäuschung in meinem Leben. Ich spürte, wie in mir bereits wieder Wut aufstieg, während ich über ihn nachdachte. Eine Wut, die ich fast an der Kabine des Fahrstuhls ausgelassen hätte, wäre ich nicht so kontrolliert.
»Uh, schlechte Laune auf zwei Beinen«, sagte Anette sofort, als ich mein Büro betrat, in dem sie bereits wartete. Vermutlich um mir wieder vor Augen zu führen, dass mir nicht mehr viel Zeit blieb. So wie sie das eigentlich jeden Tag tat.
Ich liebte sie. Sehr sogar. Deutlich mehr, als ich es zugeben wollte. Doch sie konnte wirklich nerven.
Wäre sie nicht meine Schwester, hätte ich sie schon lange hochkant aus meinem Büro werfen lassen.
»Wie kann ich denn schlechte Laune haben, wenn du mich morgens um halb sieben schon in meinem Büro erwartest?«, fragte ich, was sie direkt auflachen ließ.
»Du hast so eine einmalige Art, einem Menschen zu sagen, was du gerade richtig hasst, weißt du das eigentlich?«
»Nein, nicht wirklich. Ich dachte immer, meine Art kommt bei den Leuten verdammt gut an, weshalb ich auch so viele Freunde habe.« Freunde waren für mich ein absolutes Fremdwort. Noch eine Sache, die ich unserem Vater zu verdanken hatte. Er hatte wie besessen versucht, mich vor äußeren Einflüssen zu schützen. Was damit einherging, dass ich nie dazu fähig war, Leute kennenzulernen.
Genau genommen war ich mein Leben lang recht abgeschottet gewesen. Gut, sonst wäre ich mit fünfunddreißig wahrscheinlich nicht einer der erfolgreichsten CEOs von ganz Baltimore und dazu noch ausgezeichnet mit einem wohl verdienten Doktortitel.
»Doktor Preston, darf ich Ihnen die Lösung für Ihre Probleme überreichen?«, fragte sie grinsend, während ich tief durchatmete. Im Gegensatz zu mir führte Anette ein recht normales Leben. Mit Freunden, einem Mann und viel Freizeit. Auch wenn sie für mich als Stellvertreterin in der Firma arbeitete. Da ich sowieso gerne alles selbst erledigte, hatte sie nicht viel zu tun. Wobei, wenn ich jemandem vertraute, dann ihr. Ich wusste, dass sie über denselben brillanten Geschäftssinn und Sachverstand verfügte, wie ich es tat.
»Welche Probleme? Ich akzeptiere so etwas wie Probleme nicht. Das solltest du mittlerweile wissen.«
»Ja, normalerweise würde ich das unterschreiben. Zumindest in allen Belangen, die diese Firma betreffen. Was allerdings das Privatleben von Dylan Preston angeht ... obwohl warte, irgendwie ist das doch ein Mix aus beidem, worüber wir hier gerade sprechen. Oder würdest du das anders sehen?«
»Anette, komm zum Punkt. Ganz ehrlich. Es ist Montagmorgen, ich habe einen Haufen Arbeit vor mir und wirklich keine Zeit, stundenlang mit dir Small Talk zu betreiben.«
»Small Talk? Ernsthaft? Es ist gerade nicht so, als würden wir über das verdammte Wetter sprechen, Dylan. Es geht um deine Zukunft, denn irgendwie möchte ich schon, dass du an der Spitze dieser Firma bleibst und wir weiterhin einen Haufen Geld verdienen. Daran habe ich mich mittlerweile zugegebenermaßen nämlich recht gut gewöhnt.«
Recht gut gewöhnt war wahrscheinlich die Untertreibung des Jahres. Anette liebte es, Geld zu haben, und sich jeden Wunsch erfüllen zu können. Im Gegensatz zu mir gab sie ihr Geld nämlich aus. Ich saß darauf. Schließlich hatte ich keine Freizeit und keine Zeit, es auszugeben. Außer für meine Sportwagen, aber sonst ...
»Ich höre«, sagte ich, wobei ich mir den leicht genervten Unterton nicht verkneifen konnte. Ich wusste selbst, dass es fünf vor zwölf war und dass ich eine verdammte Lösung brauchte.
Dank unseres Vaters ...
»Hier drin steht alles, was du wissen musst.« Ich hob die Augenbrauen, als sie mir dieses billige Schundblatt überreichte, was jeden Sonntag kostenlos an alle Haushalte verteilt wurde.
»Ach wirklich?«, fragte ich gehässig.
»Wirklich. Schlag es auf, blättere es durch und du wirst es selbst sehen.«
Seufzend schlug ich die Zeitung auf, die es in meinen Augen nicht wert war, auf Papier gedruckt zu werden, und blätterte desinteressiert durch, bis ich bei dem Foto einer wirklich heißen Frau ankam.
»Suche Heiratsmann für meine Tante« prangte dort in großen Buchstaben.
Wow, okay. Heiße Tante. So viel stand fest. Aber es war ein Kind involviert und das kam für mich nicht infrage.
»Dann gehe ich lieber über die verdammte Agentur. Oder suche mir irgendeine von den willigen Frauen, die sich mir sowieso an den Hals werfen würden«, sagte ich kopfschüttelnd.
Ich musste eine Frau finden. Bis zu meinem Geburtstag. Der letzte Wille meines verstorbenen Vaters ... wie konnte er nur!
In seinen Augen musste ein Mann an der Spitze einer Firma ein geregeltes Privatleben vorweisen. Und das bedeutete in der Übersetzung für ihn, dass man mit fünfunddreißig verheiratet sein musste.
Er hatte mir diesen Scheiß so oft gepredigt, doch in meinen Augen war immer noch ewig Zeit gewesen, bis ich dieses Alter erreichte. Und außerdem hatte ich nicht gewusst, was er mit dieser absurden Einstellung verfolgte. Bis er Anfang des Jahres verstarb und sein Testament seine letzten Wünsche genau offenlegte.
Entweder ich war verheiratet vor dem Ende meines fünfunddreißigsten Lebensjahres oder die Firmenleitung würde mir nicht länger zustehen. Für diesen Fall gab es einen gewissen Andrew. Einen unehelichen Sohn, den er genauso getrimmt hatte wie mich. Ich hatte ihn gegoogelt. Er konnte mit sämtlichen Abschlüssen auftrumpfen und im Gegensatz zu mir hatte er mit dreißig schon geheiratet und war Vater geworden.
Ich hatte ihn bis jetzt nicht ein einziges Mal gesprochen, obwohl er nach der Testamentseröffnung unseres Vaters versucht hatte, Kontakt zu mir aufzubauen. Anders als Anette, die sich gut mit ihm verstand, hatte ich keinerlei Interesse daran, diesen Mann kennenzulernen.
Er war mein Konkurrent.
Der Kerl, der mir alles wegnehmen würde, wofür ich lebte und so hart gearbeitet hatte.
Wir würden niemals Freunde werden, geschweige denn Brüder.
»Hast du dir den Text durchgelesen?«, fragte Anette und schlug die Seite für mich wieder auf, bevor sie sie vor mich auf den Schreibtisch legte.
»Warum sollte ich mir diesen beschissenen Text durchlesen? Meine Güte, es ist für mich keine schwere Aufgabe, eine Frau zu finden, der ich einen Ring an den Finger stecken kann. Das wissen wir beide. Wir wissen allerdings auch, dass ich darauf keinerlei Lust habe.« Ich liebte mein Leben, so wie es war. Ich hatte mich mit allem arrangiert und das Letzte, was mir fehlte, war ein Mensch, mit dem ich mich umgeben musste. Und sei es nur für ein paar schöne Fotos oder diese Zeremonie, die wir für die Presse bestimmt entsprechend zelebrieren mussten.
»Ja, aber wenn nicht Andrew hier das Ruder übernehmen soll, dann musst du dich vielleicht mal in den Arsch treten. Ganz egal, ob es dir passt oder nicht. Ich weiß, du bist es nicht gewohnt, dass man dir vorschreibt, was du zu tun oder zu lassen hast, und ich weiß auch, dass es dir stinkt, nach der Pfeife anderer Leute zu tanzen. Ganz besonders nach der Pfeife unseres alten Herrn, aber danach fragt ausnahmsweise mal niemand, okay?«
»Was regst du dich denn eigentlich so sehr darüber auf? Du bist doch dicke mit Andrew. Kann dir doch egal sein, wer hier die Geschäfte führt. An deinem Posten ändert sich so oder so nichts. Oder hast du Angst, dass du bei ihm deutlich mehr arbeiten musst, statt nur das gute Geld abzugreifen?«
»Dylan, hör auf, dich mir gegenüber wie ein Arschloch zu benehmen, okay? Ich bin deine Schwester und nicht irgendeine deiner Angestellten oder deiner Nutten, die du rumschubsen kannst, wie auch immer du das willst.«
Ich atmete tief durch, während ich meinen Groll runterschluckte. Gottverdammte Scheiße, es war Montagmorgen und ich hatte noch nicht mal einen Kaffee getrunken. Aber Hauptsache, es kam schon zu einer Szene in meinem Büro. Mit lauter Themen, über die ich weder reden noch nachdenken wollte. Doch Anette war noch gar nicht am Ende angelangt. Es war anscheinend wieder ihre Zeit, um mir einen Spiegel vorzuhalten. Das tat sie öfter, auch wenn ich keine Ahnung hatte, was ihr das eigentlich brachte. Sie würde mich nicht ändern. Das würde niemand. »Glaubst du wirklich, es wird deine Erfüllung sein, dein Leben so weiterzuleben? Für dich gibt es doch nichts anderes als die Arbeit und deine Abschlüsse. Damit du immer besser bist als Andrew, richtig? Denn seitdem ist es eskaliert, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Seitdem du von ihm weißt, wird es mit dir immer schlimmer. Vermutlich weil du glaubst, dir etwas beweisen zu müssen. Dass du der beste CEO bist oder sonst was.«
»Ich bin der beste CEO, verdammt noch mal. Und ich habe mein verdammtes Scheißleben im Griff. Ich lebe es so, wie ich es leben möchte. Fertig. Wenn dir das nicht passt, dann geh doch zu deinem anderen Bruder und ergötz dich an seinem perfekten Leben.«
»Merkst du es selbst?«, fragte Anette, während ich die Kiefer aufeinanderpresste und tief durchatmete. Ja, verdammt. Ich merkte es selbst und ich wusste es auch.
Es war ein Witz, dass uns unser Vater niemals von diesem außerehelichen Sohn erzählt hatte, den er anscheinend aufgezogen hatte wie uns auch. Mal ganz davon abgesehen, dass er ihn mir nach seinem Tod vorsetzte und mir mit ihm drohte, damit ich auch weiterhin alles nach seinen Vorstellungen erledigte.
Was hatte ich denn bitte für eine Wahl? Ich hatte nie eine gehabt.
Wie oft bekam ich zu hören, dass mir mit all dem Geld so viele Türen offenstanden. Genau genommen war es nur eine einzige Tür, durch die ich hindurchgepresst worden war. Seit meiner Geburt.
Ich war der älteste Sohn. Der Nachfolger. Der CEO. Und ich hasste alles davon.
Aber wenn ich mir das wirklich eingestand, würde mein ganzes Leben in Millionen Einzelteile zerfallen und das konnte und würde ich nicht zulassen. Dafür hatte ich zu hart gearbeitet und war zu weit gekommen.
Um von dieser scheiß Grundsatzdiskussion abzulenken und den inneren Sturm, der in mir tobte, nicht ausbrechen zu lassen, hob ich die Zeitung auf, um diesen verdammten Artikel von der heißen Tante zu lesen.
Hudson.
Gabriella Hudson. Es dauerte einige Sekunden, bis sich die Puzzleteile in meinem Kopf zusammenfügten und ich ein leises »Was zum Teufel« über meine Lippen entweichen ließ.
Das war Gabriella Hudson? Die Frau, die gestern noch aufmüpfig mir gegenüber gewesen war? Die Frau, mit der ich arbeitstechnisch mehr Kontakt hatte als mit meiner Schwester?
Zumindest per E-Mail. Ich hatte sie noch nie persönlich kennengelernt. Ganz der Firmenphilosophie entsprechend.
Fuck, sie war wirklich heiß!
»Ich kann sie gleich hochholen und dir vorstellen. Ich habe es gecheckt, sie ist heute in der Firma.«