Sünde. Sucht. Liebe. - Selma Ulrich - E-Book

Sünde. Sucht. Liebe. E-Book

Selma Ulrich

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Beschreibung

Durch einen Sportunfall ans Krankenhausbett gefesselt zu sein ist für die attraktive Deborah mehr als nur lästig. Aus Langeweile reflektiert sie ihr Leben, erinnert sich an ihre erste große Liebe und ihre Zeit als Prostituierte, in der sie der Alkohol von Höhen zu Tiefen begleitete. Ein Lichtblick in ihrem Dilemma ist der attraktive Chefarzt, in den sie sich bis zur Entlassung verliebt. Hat sie mit dieser Vergangenheit in der Liebe überhaupt eine Chance?

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Seitenzahl: 523

Veröffentlichungsjahr: 2018

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Sünde. Sucht. Liebe.

TitelseiteImpressum

Personen, Namen und Handlung sind frei erfunden, daher sind möglicherweise auftretende Ähnlichkeiten unbeabsichtigt.

Alle Rechte liegen bei der Autorin. Die Verwendung von Texten, auch auszugsweises, ohne vorherige Genehmigung der Autorin, ist strafbar und wider das Urheberrecht. Dies gilt insbesondere für die Verwendung und Weiterleitung in elektronischen Medien.

www.selma-ulrich.de

www.facebook.com/ulrichselma

© Selma Ulrich 2018

Selma Ulrich

SÜNDE.

SUCHT.

LIEBE.

1

Jetzt

„Guten Morgen, Frau …ähm …“ Der hochgewachsene grauhaarige Mann mit der Brille im schwarzen Gestell, dem ein Assistent und eine junge Frau in gleich weißen Kitteln folgen, sieht kurz auf das Namensschild am Bettende, „… Frau Mayer-Koebelin, wie geht es Ihnen einen Tag nach der Operation?“

Die drei stellen sich vor mein Bett und richten ihre Augen auf mein linkes Bein, das kunstvoll umwickelt in einer Schlinge über meiner Liegestatt hängt. Sie beäugen es von allen Seiten, als sei es ein bedeutendes Kunstwerk.

Fasst es bloß nicht an, denke ich böse, dann springe ich euch an die Gurgel, auch wenn das im Moment überhaupt nicht geht. Ich lächele künstlich mein Unwohlsein weg. „Darüber muss ich mal nachdenken“, antworte ich. Mir geht es blendend. Abgesehen davon, dass ich hier auf dem Rücken liegend ausharren muss, ist das eine große Strafe, wo ich normalerweise keine drei Minuten stillhalten kann. Eine klare Flüssigkeit tropft stetig aus einer umgedrehten Flasche, die an einem perfekt dafür hergestellten Gestell hängt, durch einen langen Schlauch, der in einer festgepflasterten Kanüle in meinem Handrücken endet, in meinen Körper. An Toilettengänge möchte ich gerade gar nicht denken, denn dazu hat man mir einen Katheter gesetzt. Für den Rest gibt es die altbewährte Bettpfanne. Was für ein Elend.

„Wie würden Sie sich denn fühlen“, frage ich frech und hörbar genervt weiter, „wenn man Sie ans Bett fesseln würde?“ Im gleichen Moment schießt das Blut in mein Gesicht. Heiß rauscht es durch meine Ohren und ich spüre meine Wangen glühen. Die Doppeldeutigkeit meiner Worte wird mir bewusst, als ich in die Augen dieses älteren, doch zugegebenermaßen sehr attraktiven Herrn sehe, dessen Blick mich irritiert und der mich kaum sichtbar anlächelt. O Gott, was denkt der jetzt von mir?, denke ich und würde mich am liebsten unter das Bett flüchten. Geht aber nicht. Vielleicht sollte ich mir schnellstens die Bettdecke über den Kopf ziehen? Wie sehe ich überhaupt aus? Ich hab noch nicht einmal einen Spiegel, fällt mir ein. Aus Verlegenheit studiere ich das Schild an seinem Kittel. „ChefarztProf. Dr. Johannes Liebermann“steht darauf. Auch das noch … Chefarzt und Professor und ich schwafele von Fesselspielchen, die ich so ganz sicher gar nicht meinte.

Sogleich aber schaut er wieder ernst. „Haben Sie Schmerzen?“, fragt er.

Ich verneine nonverbal, weil ich nicht imstande bin, einen Ton hervorzubringen. Wie könnte ich Schmerzen haben, wo bestimmt eine Tonne Schmerzmittel in meinen Körper gepumpt wird. Wenn ich an das Bild denke, das sich mir nach meinem Unfall bot, wird mir gleich wieder übel. Mir ist bewusst, dass unter meiner Haut Knochen sind, aber als ich gestern einen kleinen blutigen Teil davon aus meinem Fuß herausragen sah, das war zu viel. Ich fiel gleich in Ohnmacht. Diffuse Bilder vom Inneren eines Krankenwagens habe ich im Kopf. Richtig wach war ich erst Stunden später hier im Krankenhaus, als das Schlimmste schon vorbei war.

„Gut“, teilt der attraktive Professor seinem Gefolge mit, „wir haben hier eine offene Sprunggelenksfraktur. Weber-A. Die Verschiebungen haben wir zur Stabilisierung verschraubt. Das heißt, dass die Patientin uns nach der Gipsphase nochmal besuchen wird zwecks Entfernung der Schraube. Und nun lassen wir das Füßchen mal schön weiter zuheilen.“ Der Professor nickt der jungen Frau an seiner Seite zu, woraufhin diese mit einem knallroten Kugelschreiber eine Notiz auf das Papier auf dem Klemmbrett schreibt, welches sie in der anderen Hand hält. Alle verabschieden sich kurz freundlich und verlassen das Zimmer. Der Herr Professor dreht sich an der Türe nochmal zu mir um und meint mit einer hochgestellten Braue: „Nicht weglaufen!“

Haha. Ich verziehe meinen Mund. Der hat ja Humor. Der weiß ganz sicher nicht, wie ich mich fühle. Es soll ja Ärzte geben, die einfach nur ihren Job machen und keine Empathie für ihre Patienten hegen. Je nach Grad der Verletzung und dem damit verbundenen Leiden ist ein Zuviel an Mitleid auch gar nicht ratsam. Es dient dem eigenen Schutz, wenn die Ärzte, oder auch Professoren, wie in meinem Fall, so sachlich wie möglich an den Fall herangehen. Für mich wäre das eindeutig der falsche Beruf. Ich würde ganz sicher jedes Mal in Ohnmacht fallen, wenn ich einen anderen Menschen leiden sehen muss, auch wenn ich aufgrund medizinischer Möglichkeiten imstande wäre, seine mehr oder weniger großen Schmerzen zu lindern.

Mit meinen nicht überdachten und zu schnell geäußerten Worten aber hatte ich diesen Schutzwall des Herrn Professors ein klein wenig durchbohrt, glaube ich. Unbeabsichtigt natürlich. Ich kann nur hoffen, dass er daraus keine falschen Schlüsse zieht.

Welche Schlüsse? Warum interessiert es mich so, was er über mich denkt? Ich bin lediglich einer von vielleicht dreißig Patienten hier auf der Station, wo er seiner Arbeit nachgeht. Meine Arbeit kommt mir in den Sinn. Normalerweise wäre ich nun dabei, mich um Kunstwerke zu kümmern, Gemälde zu sortieren und ihnen einen passenden Rahmen zu verschaffen. Oder auch keinen, wenn es dem Bild dienlich ist. Mich berührt auch nicht jede Darstellung. Vor allem sprechen mich zu allererst die Farben an. Wenn sie mich positiv beeindrucken, lasse ich Details an mich herantreten, versuche dann das Gesamtwerk zu erfassen und entscheide, ob das Bild durch einen Rahmen noch beeindruckender werden würde oder nicht.

So in etwa bin ich ein medizinischer Fall von vielen wie ich eben Kunstwerke bearbeite. Meiner Mutter hatte ich aufgetragen, mich bei der Chefin krank zu melden. Das wird Frau Offenbach nicht recht sein, das weiß ich, aber ich bin schließlich nicht freiwillig hier. Im Moment würde ich mir wirklich lieber eine ihrer Erklärungen anhören, mit der sie mich manchmal sogar als Dilettantin bezeichnet und meine Einstellung in ihrer Galerie infrage stellt. Das trifft mich schon sehr, ich empfinde es als gemein, doch, da meine Pläne sich in meinem Leben ganz anders entwickelt haben, als ich es eigentlich vorgehabt hatte, trifft sie wahrscheinlich hin und wieder ins Schwarze.

Warum habe ich ständig Angst, dass man mir meine Vergangenheit ansehen könnte? Bin ich etwa selbst mit ihr noch nicht fertig?

Nachdem ich wieder alleine mit meinem umwickelten Bein bin, atme ich erleichtert auf, sehe erst aus dem Fenster, von wo aus die Sonne meine bandagierte untere Extremität anstrahlt. Das braucht sie nicht, denke ich, ist wie Hohn. Der Feuerball lacht mich aus. Ohne diesen Zwischenfall würde ich mich jetzt auf meine Mittagspause freuen, in der ich mich von den warmen Sonnenstrahlen verwöhnen lassen, draußen vor dem Eiscafé sitzen und süßes, eiskaltes Halbgefrorenes genießen würde. Oder auch gerne einen Eiskaffee.

Stattdessen liege ich fast bewegungsunfähig hier inmitten dieser vier Wände, die bereits jetzt immer näher rücken und mich zu zerquetschen drohen. Die Sonne lacht und ich bin tieftraurig.

Warum musste ausgerechnet mir das passieren? Ich hätte garantiert den Treffer gemacht, wenn mich diese Nicole nicht geschnitten hätte. Nun weiß ich noch nicht einmal, ob wir gewonnen haben.

Es ist das erste Mal, dass mich so ein Tiefschlag trifft, obwohl ich fast schon seit Ewigkeiten spiele. Gut, mit mehr oder weniger langen Unterbrechungen, aber seit ich die Vierzig überschritten habe, wieder regelmäßig. Wir spielen in keiner Liga, nur in unserem kleinen Verein, es dient mehr dem Drang, beweglich und fit zu bleiben. Trotzdem sind die Freundschaftsspiele mit Gleichgesinnten aus dem näheren Umkreis immer wieder ein Highlight und ich gebe stets mein Bestes. Ab und zu verstauchte ich mir einen Fuß oder auch mal einen Finger, was ja beim Handball nicht unüblich ist. Aber das nun … einen offenen Sprunggelenksbruch, auch wenn er nur ein bisschen offen war, den muss man wirklich nicht haben. Hab ich aber, den Grund dafür werde ich vermutlich nie erfahren. Ich erinnere mich gar nicht mehr, wie es genau dazu gekommen ist. Nicole wollte mich aufhalten und ist mir irgendwie auf der Torraumlinie in die Beine gerutscht, die sich dann mit ihren verflochten haben. So drastisch, wie es geschehen ist, hatte sie es sicher nicht beabsichtigt. Eigentlich ist sie ganz nett.

Der Schmerz dieser Karambolage kommt mir ins Gedächtnis. Ihn als höllisch zu bezeichnen, wäre extrem untertrieben. Teuflisch trifft es schon eher. Gut, dass ich ohnmächtig wurde. Es war wirklich kaum auszuhalten. Mein linkes Bein hat schon so manches aushalten müssen in meinem bisherigen Leben, das nun ist der leidvolle Höhepunkt bisher. Nun muss ich nochmal operiert werden? Das wusste ich noch gar nicht. Die Schraube muss ja wieder raus. Super! Ist bestimmt auch handwerklich begabt, der Herr Professor, wenn er sogar Knochen verschrauben kann.

Mit einem Abstand von drei Jahren lacht mir nun bereits die Fünfzig entgegen und allein der Gedanke daran verstimmt mich seit einiger Zeit regelmäßig. Heute Morgen dachte ich, dass der Unfall ein Zeichen sein könnte. Ein Zeichen dafür, dass ich alt werde. Je länger ich darüber nachdenke, desto sicherer bin ich. Schließlich ist meine Haut schon längst nicht mehr knackig, trotz des Sports, jetzt werden auch noch meine Knochen brüchig, wie es scheint. Darüber kann ich alles andere als lachen. Nun liege ich hier unfreiwillig und muss dankbar sein, dass das Bett neben mir mit einer dünnen Plastikplane überzogen ist. Wenn jetzt noch ein jammernder Patient neben mir liegen würde, würde ich Reißaus nehmen. Wahrscheinlich eher nicht in meinem Zustand, doch es wäre schwer auszuhalten. Ist aber niemand da. Offenbar werden zur Zeit nicht so viele Leute krank. Was habe ich doch für ein Glück im Unglück.

So langsam könnte mich mal jemand besuchen kommen. Die hellgelbe Wand mir gegenüber ist zwar besser als eine trostlose weiße, auch die beiden Bilder, gerahmte Kalenderblätter – eines zeigt eine gelbe Zugbrücke und das andere einen Nachthimmel mit funkelnden Sternen über einem See – einst gemalt von Vincent van Gogh, helfen da nur bedingt. Das muss ich schließlich wissen. Sie sind sehr schön und ich denke an meinen Besuch in Amsterdam vor einigen Jahren, als ich diesen Gemälden im Van Gogh-Museum leibhaftig gegenüberstand. Er ist einer meiner Lieblingskünstler. Aber würden diese Bilder bei mir zu Hause hängen, würden sie mich mehr erfreuen, weil ich mich dann nicht hilflos in diesem Krankenbett befinden würde. An meinen Wänden daheim hängen keine eingerahmten Kalenderblätter, sondern Fotos von meiner besten Freundin und mir und der Mannschaft, sowie noch ganz viele von Melanie, meiner schon ziemlich erwachsenen sechzehnjährigen Tochter.

Natürlich findet auch Kunst in meiner Wohnung ihren Platz. Wäre schlecht, wenn es anders wäre. In meinem Schlafzimmer hängen ein paar gerahmte Zeichnungen von mir neben bunten Bildern, die Melanie gemalt hat, ich habe glücklicherweise mein Talent an sie weitergeben können.

Doch was verlange ich, es ist noch Vormittag, alle arbeiten um diese Zeit, Melli ist in der Schule. Hoffe ich jedenfalls. Mama hat mir gestern Abend das Nötigste hierhergebracht, so auch meinen Reisewecker, damit ich mich nicht am Stand der Sonne orientieren muss. Er steht rechts von mir auf dem Rolltisch, neben der grünen Wasserflasche und dem halb gefüllten Glas. Das Tablett ist seit des Frühstücks wieder eingefahren und hängt seitlich herab.

Es klopft bevor sich die Türe öffnet und meine Mutter ihren Kopf hindurchsteckt. Schön, dass sie mich zu vermissen scheint. Ich fühle mich schlagartig etwas besser.

„Hallo, Liebchen“, begrüßt sie mich auf dem Weg zu mir, umarmt mich herzlich, nachdem sie meine Bett erreicht hat.

„Hallo Mama.“ Ich bin sehr glücklich, sie zu sehen.

„Wie fühlst du dich? Wie geht´s dir? Hast du noch Schmerzen?“ Sie legt ihre Tasche ab und setzt sich auf den Bettrand.

„Nicht so viele Fragen auf einmal“, wehre ich lächelnd ab. „So, wie man sich eben fühlt, wenn man so gefangen ist. Und nein, ich habe zum Glück keine Schmerzen. Weißt du, wer gewonnen hat?“

„Ihr natürlich! Suse hat uns gestern Abend noch informiert. Diese Nicole ist disqualifiziert worden. Sie hat sich wohl auch Blessuren zugezogen, hat Suse erzählt.“

„Na, dann hat es sich doch für etwas gelohnt.“ Ich lächle gequält, weil mir diese Lage immer mehr zuwider wird. „Das ist ziemlich unbequem hier“, jammere ich. „Mein Hintern tut schon weh.“

„Wie lange musst du denn so liegen?“

„Keine Ahnung. Hoffentlich nicht zu lange.“

Mama streichelt liebevoll meinen Arm. Sie wirkt so jugendlich und man möchte kaum glauben, dass sie bereits siebzig ist. Ihre Haut ist noch nicht von Knitterfältchen befallen, sieht prall und rosig aus. Seit sie ihr Haar so peppig kurz trägt, wirkt sie nochmal um Jahre jünger. Hoffentlich behalte ich in dem Alter auch diese Frische. Sie hat das gleiche lockige Haar wie ich, allerdings zeigt es im Gegensatz zu meiner blonden Mähne inzwischen alle Schattierungen von Grau. Die moderne rote Brille steht ihr sehr gut und lässt sie einfach toll aussehen. Sie hat mir heute Morgen meine Lieblings-Schoko Muffins gebacken und holt sie aus ihrer Tasche. Wenn das mal kein echtes Highlight ist in meiner tristen Situation. Ich freue mich riesig, denn das Frühstück war nicht unbedingt zu meiner höchsten Freude.

Sie erzählt mir noch Dies und Jenes, dann muss sie fort, weil sie einen Termin bei der Physiotherapie hat. Ihre rechte Schulter macht seit ein paar Wochen Probleme, aber es wird besser. Sagt sie zumindest und ich hoffe sehr, dass es die Wahrheit ist, mit der sie mich beruhigen möchte.

Eine freundliche Krankenschwester, die sich mir als Schwester Marie vorstellt, kommt nach kurzem Klopfen herein, legt mir die Blutdruckmanschette an. „Alles gut soweit?“, fragt sie, als sie diese mit einem kleinen Blasebalg so sehr aufpumpt, dass ich meinen Oberarm in Gedanken bereits platzen sehe. Es tut sogar ein wenig weh. Dann hört sie auch schon auf. Die Luft entweicht mit leisem Zischen und sie starrt auf das Messgerät, ich spüre meinen Puls klopfen. Mit einem lauten Ratsch reißt sie Sekunden später die Manschette auf und entfernt sie von meinem Arm. „Könnte etwas niedriger sein, für dass Sie nur liegen. Aber noch in Ordnung.“

Wundert dich das?, denke ich. Es ist Stress für mich, hier liegen zu müssen, fast unbeweglich.

Sie notiert den Messwert in einer Tabelle, sagt „Bis morgen“, und verlässt das Zimmer.

Es war eine der schlimmsten Erfahrungen, als mich eine andere, aber ebenso freundliche Schwester heute früh gewaschen hat. Solch eine Situation habe ich noch niemals erleben müssen. Zum Glück war es kein Pfleger heute Morgen. Eigentlich wäre das für mich kein Problem, aber unter den gegebenen Umständen würde ich das nicht wollen. Sollte morgen einer kommen, schicke ich ihn weg. Wenn mich ein Mann nackig sieht, dann ganz bestimmt nicht so, mit einem Bein in der Schlinge. Okay, nackt und dazu ein Bein in einer Schlinge zu haben ist nichts Schlimmes, in bestimmten Situationen vielleicht. Als Kranke jedoch alles andere als das. Hoffentlich bin ich das Ding bald los. Ich werde für ein paar Wochen einen Gips tragen müssen, hatte gestern ein Arzt gesagt. Ich glaube, ich werde nie wieder Handball spielen. Das Risiko ist mir zu groß. Ich bin dafür zu alt. Zum Glück ist mir nicht mehr passiert.

Mir fällt der Professor wieder ein. Wirklich ein sehr netter Kerl und für sein Alter recht hübsch. Hatte er blaue Augen? Nein, erinnere ich mich, sie waren dunkel. Genaueres war durch die Brille nicht so zu erkennen. Ich denke an seine schönen geschwungenen Lippen, als er mir zulächelte, das hat mich an irgendwen erinnert. Keine Ahnung, an wen. Als normaler Mann, also, ohne den weißen Kittel, würde er sogar in mein Beuteschema passen. Oder nicht? Ja, doch, würde er. Er war schon sehr attraktiv. Ob ich ihn morgen bei der Visite wiedersehe? Ob er auf Fesselspiele steht? So, wie er mich angesehen hat, ist ihm sowas bestimmt nicht fremd. Ich stelle mir ihn vor, wie er nackt auf einem Bett liegt, die Hände am Kopfteil mit Handschellen aus rosa Plüsch befestigt. In seinem Kittel macht er schon eine gute Figur, ohne diesen Stoff sicher auch … Ich muss vor mich hinlächeln bei diesen Gedanken. Wenn er so vor mir liegen würde, ohne alles … mit ihm könnte ich schon einiges anstellen. Ja, muss ich zugeben, er hat mir sogar sehr gut gefallen. Leider habe ich durch meine dumme Äußerung verpasst, mich positiv in seine Gedanken zu begeben. Schade. Furchtbar. Ätzend! Wie konnte ich nur!

Wer weiß, wer im Nebenzimmer liegt, da hatte er meine stumpfsinnigen Worte hoffentlich längst vergessen. Obwohl, meine Haare sind ihm sicher in Erinnerung geblieben. Das ist ja das, was bei mir immer zuerst auffällt. Ja, ich bin sehr stolz, diese Haarpracht zu besitzen. Die haben alle Verflossenen an mir gemocht. Aber nicht nur die. Mein Körper ist ebenfalls immer gut ausgestattet gewesen, und ich mochte es, ihn zu zeigen.

Ob der Herr Professor gerne mal mit seinen Fingern durch meine Strähnen gefahren wäre?

Mit einem virtuellen Schwamm wische ich seufzend meine Gedankentafel sauber. Was für ein Unsinn. Er ist Arzt. Sogar Professor. Ein hoher Gelehrter. Er bringt anderen sein Wissen bei und davon hat er bestimmt eine ganze Menge. Nein, überlege ich, er steht nicht auf Fesselspiele, dafür ist er kein Typ. Er ist bestimmt ein ganz Lieber. Prüde sicher nicht, aber vielleicht etwas bieder? Oder hat er eine romantische Ader? Könnte sein.

Was soll ich sonst denken in dieser dummen Situation? Ich habe nicht einmal eine Zeitung. Hätte Mama mir wenigstens mein Handy mitgebracht, aber das hatte sie vergessen. Der nächste, der mich besucht, ob sie oder Melli, wird es mir mitbringen.

Wäre das schön, wenn meine kleine Schwester auch herkommen könnte. Der Aufwand wäre jedoch zu groß. Sie wohnt bereits seit zehn Jahren in New York, die Kleine. Natürlich ist sie nicht mehr klein, aber sie wird immer fast zwölf Jahre jünger sein als ich. Daher darf ich es mir erlauben, sie meine kleine Schwester zu nennen. Das wird sie immer bleiben.

Meine Eltern wollten mir den Wunsch nach einem kleinen Bruder erfüllen, was erst viel später nach jahrelangen Versuchen geklappt hat und dann wurde es eine Schwester, die mir nach einer kleinen Enttäuschung auch sehr willkommen war. Es war sowieso nicht zu ändern. Mama hatte gemeint, ich könne nun viel schönerMutter und Kindspielen, statt mit Puppen. Mit fast schon zwölf hatte ich jedoch andere Dinge im Kopf als eine Baby-Schwester und Familienspielchen. Dennoch hatte ich mich gerne um sie gekümmert, sie gefüttert, unter Aufsicht von Mama auch gewickelt und oft auf sie aufgepasst. Leider war sie viel zu klein, um meine Schminktipps gebührend anzunehmen, wovon ich mich jedoch bereits wenige Monate später nicht abbringen ließ und sie zum Schrecken von Mama alle paar Tage mit einem perfekten Make-up versah, dazu kleckste ich mal knallroten, dann gelben oder hellblauen Nagellack auf die winzigen Fingernägel. Oh, was war Mama böse geworden. Dabei war das doch gar nicht schlimm, ich hatte genau darauf geachtet, dass Sabrina nicht an ihren Daumen lutschte und ihr immer brav den Schnuller zwischen die Lippen gesteckt, wenn sie ihn ausgespuckt hatte.

Ich hielt es für wichtig, dass sie meinen Musikgeschmack bekommen sollte. Also setzte ich ihr so oft wie möglich die für ihren Maßstab übergroßen Kopfhörer auf die Ohren und beobachtete ihre Mimik, die entgegen meiner Hoffnung bei Heavy Metal nicht ganz so fröhlich war. Sie begann regelmäßig zu weinen. Ich probierte es mit Madonna.Like a Virgingefiel ihr besser, was sie mir mit freudigem Krähen bestätigte.

Bevor sie laufen konnte, konnte sie tanzen. Aus dem Krabbeln heraus setzte sie sich auf ihre Knie und wackelte mit ihrem eingewindelten Po auf und ab und hin und her.

Einen Song hörte sie besonders gerne, es warWith or without youvonU2. Den mochten wir beide und ich übertrug den Titel auf sie und mich, denn manchmal ging sie mir so sehr auf die Nerven, dass ich sie gerne wieder zurückgeschickt hätte. Bei der Vorstellung alleine vermisste ich sie schon wieder, und ich war froh, dass sie da war.

Sie war meistens da, wenn ich mit meiner besten Freundin in Ruhe reden wollte. Wir fühlten uns ihr gegenüber ja schon fast erwachsen und kamen uns schon ein wenig albern, wenn nicht sogar blöd vor, wenn wir mit dem Kinderwagen unterwegs waren und uns auch noch zufällig die Jungs begegneten, die uns toll finden sollten. Ach, war das peinlich. Ausgelacht haben sie uns hinter vorgehaltener Hand und ich habe mit Schmuse und Sabrina im Schlepptau das Weite gesucht.

In ihrer Pubertät war sie rebellischer als ich es je gewesen war. Da nun sah sie die Vorteile, eine große Schwester zu haben, als willkommen an. Ich habe bei ihr Aufklärungsarbeit geleistet und ihr einfach alles erklärt, was sie wissen wollte. Unsere ganz normalen Streitigkeiten unter Schwestern waren auf einmal vergessen.

Es war oft nicht zu vermeiden gewesen, dass sie von meinen Eskapaden etwas mitbekam. Bevor es richtig rundging und ich noch zu Hause wohnte, war ich die brave große Schwester gewesen.

Erst als sie fast erwachsen war, hatte sich alles zu einer wunderschönen intensiven Beziehung zwischen uns entwickelt. Dann erst erfuhr ich, dass sie mehr von meinen Geschichten mitbekommen hatte, als mir lieb war. Zum Glück jedoch nicht alles im Detail und das war auch gut so. Heute verstehen wir uns bestens und ich helfe ihr, wenn ich kann und wenn es die große Distanz zwischen uns erlaubt. Besucht habe ich sie imBig Applenoch nicht, doch dank der inzwischen phänomenalen Technik habe ich ihre Wohnung schon gesehen, das frisch renovierte Kinderzimmer ebenso, und wenn sie durch die Straßen von New York zieht, ruft sie mich per Videoanruf an und zeigt mir das Pulsieren und die Musik der Stadt. Es fühlt sich fast an, als wäre ich wirklich dort. Es fehlt mir, sie in den Arm zu nehmen und das kann keine Technik der Welt uns bisher vermitteln. Wie ich Norman einschätze, wird er mir sicher live aus dem Kreißsaal berichten, wenn es soweit ist.

Sabrina. Sie wurde früher ständig von Männern an den Rand der Verzweiflung gebracht. So oft schon hatte ich ihr geraten, doch mal eine Zeitlang alleine zu bleiben und erst einmal herauszufinden, was sie denn eigentlich wolle. Sie schaffte es nicht. Gut, sie sah schon immer ziemlich süß aus und wenn sie sich zum Ausgehen fertig machte, dann auch richtig heiß mit ihrem langen glänzenden, brünetten Haar mit Rotstich, das ihr rundes Gesicht weich umrahmt, dazu die großen dunklen Kulleraugen, der grellrot geschminkte Herzmund, ihre üppige Figur mit den Rundungen an den richtigen Stellen. Kein Wunder, dass ihr die Typen in Scharen hinterherliefen. Sie kommt im Gegensatz zu mir nach der Familie unseres Vaters. Das Problem war: Sabrina konnte einfach nicht Nein sagen und Mama meinte manchmal scherzhaft, ich hätte sie verdorben, weil ich ihr zu viele Jungsgeschichten aus meinem Leben erzählt hätte. Im Gegensatz zu mir hatte sie es etwas eiliger mit ihrem ersten Sex, den hatte sie lange bevor sie sechzehn wurde.

Und dann traf sie Norman, ihr absoluter Glückstreffer. Sie verstehen und ergänzen sich perfekt. Wir skypen oft und es freut mich zu sehen, wie glücklich sie immer noch mit ihm ist. Besonders aber freut es mich, dass sie mich ziemlich bald zur Tante machen wird. Die Kleine wird Mutter. Der Geburtstermin ist für nächste Woche anberaumt. Es wird ein Mädchen, so wie bei mir damals. Jedes neue Ultraschallbild schickt sie mir. Der Unterschied ihrer Geschichte zu meiner ist der, dass sie weiß, wer der Vater ihrer Tochter ist.

2

Es tut mir immer aufs Neue weh, dass ich meiner Tochter nie den Namen ihres Erzeugers werde sagen können. Dass ich meiner Melli niemals ihren Vater vorstellen kann. Ihr nicht sagen kann, wessen Gene sie außer meinen noch in sich trägt. Lange hatte sie gedacht, es sei Stefan gewesen, den ich heiratete, als sie drei war. Vielleicht hatte ich ihn in der Hoffnung geheiratet, er könnte die Vaterrolle für sie übernehmen, denn die beiden verstanden sich gut. Augenscheinlich, denn leider ging mein Plan nicht auf. Die ersten Jahre überstanden wir ganz gut, doch als sie anfing, bockig und aufständisch zu werden, hielt er es nicht mehr aus. Statt sich einfach nur von uns zu trennen, musste er sich neu verlieben. In eine Jüngere. Dem noch nicht genug, denn er schwängerte sie auch noch und sagte mir ins Gesicht, dass er in dieser echten Vaterrolle bereits vor der Geburt aufgehe. Dass er das bei Melli niemals gekonnt habe. Weil sie eben nicht seine Tochter sei. Ich muss unbedingt seinen Nachnamen in meinem Nachnamen wieder wegändern lassen, dann würde ich einfach wieder Mayer heißen. Dieses Anhängsel schleppe ich schon viel zu lange mit mir herum. Das werde ich erledigen, sobald ich wieder laufen kann.

Ich glaube aber, das war nicht wirklich der Grund für seine Trennung. In Wahrheit kam er nicht damit zurecht, dass ich nicht wusste, wer Mellis Vater ist. Von den Umständen, die dazu geführt hatten, hatte ich ihm einfach nichts erzählen können. Teils aus Scham, zum anderen Teil war es meine Vergangenheit, ein ganz eigener Teil meines Lebens, der zu mir gehörte, ob gut oder schlecht und der ging ihn überdies einfach nichts an. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, dass er irgendetwas ahnte, worüber er zum Glück nie sprach.

Ach ja, wenn ich so zurückdenke, da ist dahingehend schon einiges passiert in meinem Leben. Dennoch, jede neue Liebe war anders. Jeder Mann war anders. Dann begann ich meinen Job zu lieben.

Damals

Der Anfang allen Übels war Heiko, der fast elf Jahre mehr zählte als ich. Er arbeitete als Kellner in dem Bistro-Café, in dem ich mich mit meiner besten Freundin Schmuse nach der Schule regelmäßig traf, um über die Schule, Stars, Musik und natürlich die Jungs und Männer im Allgemeinen zu reden, wie es unsere Lieblingsbeschäftigung war. Schmuse, eigentlich Susanne, wurde von allen Suse genannt, nur für mich war sie Schmuse. Wir kannten uns aus dem Kindergarten und hatten oft zusammen auf dem Bett oder dem Sofa gelegen und geschmust, weil wir uns vorstellten, dass Erwachsene es so tun würden. Und weil wir spürten, dass wir uns sehr liebhatten. Ganz selbstverständlich war dabei für mich aus Suse Schmuse geworden. Wir standen uns seither auf eine ganz besonders innige Weise nah.

Es war wunderbar warm an jenem Tag, und wir saßen, wie alle Gäste, draußen vor dem Lokal unter aufgespannten hellen Sonnenschirmen. Heiko war der neue Kellner und fiel uns selbstverständlich direkt auf, wir waren auf Jungs fixiert und wenn einer besonders süß aussah, hatten wir ihn sogleich im Blick. Er bediente uns nicht nur sehr freundlich, sondern flirtete mit seinen Augen bereits von Weitem richtig mit uns, dass wir nicht nur innerlich erröteten. Na ja, eher flirtete er mit mir, das war eindeutig, wie er mich ansah. Seine Kollegin, Greta, etwas rundlich und nicht gerade die Allerhübscheste, beobachtete das mit bösem Blick, wie mir gleich auffiel. Für mich war klar, dass sie es auf ihn abgesehen hatte. Schmuse meinte erst, es ginge ihr wahrscheinlich um die Gunst der Gäste und das Trinkgeld, das ihr nun durch die Lappen gehe, weil sie nicht mehr mit der Schwester des Chefs alleine bediente, doch das meinte ich widerlegen zu müssen.

„Nein, schau sie dir doch an“, sagte ich mit Seitenblick auf Greta, die gerade am Tisch gegenüber abrechnete, „die ist hundertprozentig scharf auf ihn. Wie es scheint, wenn ich mir so seinen Ausdruck anschaue, will er aber nichts von ihr.“

„Meinst du nicht doch, sie ist mehr sauer, weil er nun überhaupt hier ist? Sie hat doch bisher alle Gäste gut im Griff gehabt. Und mit Ella versteht sie sich auch gut.“

„Wer weiß, warum der Chef noch jemanden eingestellt hat, vielleicht ist ihr ja beides nicht recht. Höchstwahrscheinlich sogar“, gab ich ihr recht und hörte, wie Greta drinnen im Café mit Heiko stritt. Es ging um irgendeine Bestellung. Als Heiko wieder nach draußen trat, um die älteren Damen zu bedienen, die an unserem Nebentisch Platz genommen hatten, schüttelte er kurz seinen Kopf, bevor er seine herzlich freundliche Miene wieder aufsetzte und die neuen Gäste nach ihren Wünschen fragte.

Was mich anging, blieb es bei diesen, ja, schon etwas gefährlichen Blicken. Beim Zahlen dann brach das Eis knisternd in Stücke.

„Ich bin übrigens Heiko“, sagte Heiko freundlich, „und wie heißt ihr beiden Hübschen?“

Da er zuletzt mich angesehen hatte, antwortete ich. „Das ist meine Freundin Schm… Suse und ich bin Debbie.“

„Ah, freut mich sehr.“ Er steckte mein kleines Trinkgeld ein. „Vielen Dank. Also dann … kommt doch mal wieder vorbei!“ Er lächelte noch kurz erst Schmuse, dann mich an, drehte sich um und flog davon zu neuen Gästen, die zwei Tische weiter ihren Platz gefunden hatten.

Diesen Gefallen würden wir ihm zu gerne tun. Er konnte ja noch nicht wissen, dass es unser Stammcafé war.

Zum nächsten Besuch dort hatte ich mich nicht unüberlegt etwas reizvoller gekleidet mit meinen kürzesten Jeans-Hot Pants und einem schwarzen, tief ausgeschnittenen Shirt. Schmuse fand es schon etwas provokant, doch sie wusste, wie sehr ich es liebte, meinen Körper zu zeigen. Auch liebte ich es, damit die Kerle verrückt zu machen, was gab es Schöneres auf dieser Welt, als dieses Spiel? Es war Sommer, die Temperaturen waren hoch und genau darauf wartete ich doch immer, um meine schönen Sommersachen, die aus wenig Stoff bestanden, zu präsentieren. Schmuse hingegen trug wie immer Jeans und T-Shirt.

Es waren nur Heiko und Greta da. Ella nicht mehr. Wahrscheinlich war er für sie eingestellt worden. Er freute sich sichtlich, uns zu sehen. Mir entgingen seine Stielaugen nicht, als er mich von oben bis unten musterte.

„Hallo Suse, hallo Debbie, schön, euch wiederzusehen“, begrüßte er uns strahlend. Er ging voraus zu einem freien Tisch und rückte die Stühle zurecht. Sein Blick ruhte schon wieder länger auf mir als auf Schmuse, was sie zu einem verstohlenen Lächeln bewegte, das mir zufriedenstellend mitteilte, dass er auf jeden Fall auf mich stand.

„Oh, du hast dir unsere Namen gemerkt?“, fragte ich höflich, als ich mich hinsetzte.

„Hm. Diese schönen Namen und die hübschen Mädels dazu vergesse ich doch nicht.“

„Okay …“ sagte ich langsam und schielte Schmuse an.

„Was darf ich euch heute bringen? Lust auf was Kaltes an diesem heißen Tag?“

Oh, wie er lächelte! Mir wäre vielleicht etwas Heißes lieber gewesen, aber diesen Gedanken schob ich wieder weg. Es reichte mir voll und ganz, dass Heikos Fantasie bereits ausschweifte, das sah ich ihm an.

Wir entschieden uns für etwas Kaltes, nämlich für unsere Lieblingseisbecher: Amarena für mich und Nuss-Krokant für meine Freundin.

Wenig später brachte Heiko die beiden ansprechend gefüllten Gläser auf einem Silbertablett zu uns an den Tisch. „So, Ladys, persönlich und mit liebevoller Hingabe für euch gezaubert.“

Bei seinen letzten Worten sah er erst in meinen Ausschnitt, dann in meine Augen. Ganz eindeutig, ich gefiel ihm. Wunderte mich das wirklich?

Keineswegs. Meine Mutter hatte erst kürzlich endlich aufgehört, wegen meiner aufreizenden Kleidung mit mir zu streiten. Sie hatte Angst, dass mir etwas passieren würde, sagte sie mir immer wieder. Ich würde die Männer auffordern, sich verbotene Gedanken zu machen, meinte sie, besonders in der Schule. Was sollte man aber gegen Gedanken haben?

Die Jungs und Männer schauten mir nach, das fand ich toll, aber ich zog mich doch nicht nur deswegen sexy an, sondern, weil ich meine tolle Figur betonen und mich gut fühlen wollte. Was nützten die schönsten Kurven, wenn ich sie verhüllte? Außerdem glaubte ich nicht, dass die Kerle wegen mir mit Beulen in ihren Hosen herumliefen. Ausgeschlossen. Obwohl … wenn ich an verschiedene Lehrer denke … unser Englischlehrer vor zwei Jahren, der hatte mich immer so angesehen, so eindeutig. Mir gefiel, dass ich ihm gefiel, aber ich wollte ganz sicher nichts von ihm. Ich wollte lediglich etwas Bestätigung und hatte mir einen Spaß daraus gemacht, ihn zu reizen. Und dann ist er von der Schule geflogen, weil er mit einer Schülerin aus der Oberstufe eine Affäre begonnen hatte und diese aufgeflogen war.

Etwas anders war die Sache mit Thomas Bär, den Schmuse und ich Teddy getauft hatten. Er unterrichtete Physik und sah unverschämt gut aus für meine Begriffe. Er wirkte mit seinem dunkelblonden Haar immer so, als wäre er gerade aus dem Bett gestiegen, sie schienen sehr widerspenstig zu sein und zu keiner Frisur bereit. Die Stelle zwischen Nase und Mund bis zum Kinn zierte ein noch etwas dunklerer kurzer Bart. Dazu diese fast durchsichtigen wasserblauen Augen, mit denen er mich ansah und bis zu meinem Innersten vordrang … irgendwann war ich so richtig verknallt. Er war sicher um die Vierzig, also uralt, aber seine fantastische Ausstrahlung hatte es mir angetan. Ich hatte keineswegs vorgehabt, mich in ihn zu verlieben. Es passierte von allein. Abends habe ich mich in den Schlaf geweint, weil ich doch wusste, dass meine Liebe aussichtslos war. Anfangs habe ich es überspielt und mir auch damit einen Spaß gemacht, extra enge Blusen und Shirts angezogen, die meine schöne Oberweite betonten.

Ihn wollte ich beeindrucken, meine Weiblichkeit fühlen und die Gefühle genießen, die durch meinen Körper strömten, wenn er mich ansah. Warum genau, wusste ich nicht, es hatte nichts mit Noten zu tun. Ich wollte einfach, dass er mich toll fand. Ich wollte mich von ihm begehrt fühlen. Wollte seine Fantasie anregen. Wollte, dass er an mich dachte in gewissen Situationen.

Doch der Unterricht mit ihm wurde zunehmend schlimmer, weil ich ihn bald nicht mehr ansehen konnte, wenn er mich etwas gefragt hatte, mein Blick flüchtete ständig, mein Herz raste dabei. Das hatte er gemerkt, das war alles so eindeutig und ich schämte mich sehr, konnte ich doch gegen meine Gefühle nichts tun.

Eines Tages begegnete ich ihm zufällig auf dem Flur, als ich während des Deutschunterrichts die Toilette aufsuchen wollte. Der Flur war lang, er kam mir am anderen Ende entgegen und ich wünschte mir, er würde doch in irgendein Klassenzimmer hineingehen, aber das tat er nicht. Wo sollte ich hin? Ich musste das aushalten, begann zu zittern, bekam weiche Knie und Angst. Wovor, war mir nicht klar, also ging ich weiter auf ihn zu. Achtlos an ihm vorbeigehen konnte ich nicht, also würde ich ihn grüßen und dann wäre es vorbei. Aber diese endlosen Meter bis zu diesem Punkt …

… an dem er stehenblieb, kurz bevor wir aufeinandertreffen sollten. „Guten Morgen, Deborah“, sagte er freundlich, aber sein Blick sagte mir etwas anderes. Er drang schon wieder so tief in meine Seele.

Auch ich hielt höflich an. „Guten Morgen, Herr Bär“, antwortete ich artig mit flatternder Atmung und fühlte, wie mir der Schweiß ausbrach. Verlegen kratzte ich mich an meinen Armen. So, wie er dreinblickte, würde er sich sicher nicht mit mir zum Eis essen verabreden.

„Gut, dass ich dich treffe“, begann er vorsichtig, „kann ich kurz mit dir reden?“ Eine Pause von endlos langen wenigen Sekunden folgte.

Ich nickte. Bitte, bitte, nimm mich in den Arm und küss mich, dachte ich hoffend.

„Deborah, es kann sein, dass ich mich täusche, aber ich habe den Eindruck, dass du dich im Unterricht zu sehr auf mich konzentrierst statt auf den Stoff. Ist das so?“

Wie angewurzelt stand ich da, brachte keinen Ton hervor. Binnen Sekunden sah ich ihn hinter einem Schleier aus Tränen an, die ich mit weit aufgerissenen Lidern daran hindern wollte, über meine Wangen zu laufen.

„Gut“, folgerte er, „habe ich mich also nicht getäuscht.“ Wieder entstand eine Pause, in der er mir weiter abschätzend in die Augen sah, dem ein unverschämter Blick zu meinen Brüsten folgte. „Hör zu“, er sprach sehr leise, „was immer es ist, was da in deinem Kopf herumspukt, vergiss es. Du bist ein süßes Mädel und vielleicht die Sünde wert, aber ich bin gerne in meinem Beruf, dazu ein treuer Ehemann und Vater und werde das ganz bestimmt nicht aufs Spiel setzen, um so zu enden, wie der Kollege Kampmann damals. Ich empfehle dir dringend, darüber nachzudenken. Ansonsten wird sich das in deinen Noten niederschlagen, was bei deinen Leistungen sehr schade wäre. Wie du das dann deinen Eltern erklärst, ist mir egal. Ist das angekommen?“

Obwohl er nicht böse sprach, war seine Botschaft eindeutig. Seine schönen Augen blitzten auch eindeutig. Ich sah ertappt zu Boden und nickte. Meine Augen konnten die Tränen nicht mehr halten und gaben sie frei.

„Ja, dann wäre das ja geklärt.“ Er ging und ließ mich stehen.

Dann rannte ich aufs Klo, schloss mich ein und heulte drauf los.

Als Folge dieses Zwischenfalls musste ich nun sehr hart bleiben. Im Physikunterricht sah ich ihn nicht mehr an, was mir verdammt schwerfiel. Ich sah stets an ihm vorbei. Er nahm mich seitdem nicht mehr dran, ich durfte bei keinem Experiment assistieren oder über etwas referieren. Er übersah mich regelrecht. Es war, als wäre ich gar nicht da. Meine Zwei erhielt ich trotzdem.

Es dauerte lange, bis ich ihn ganz aus meinem Herzen hatte und es endlich wieder frei war. Das verdanke ich der intensiven Anti-Verliebtsein-Behandlung von Schmuse. Ohne sie wäre ich ein Nichts.

Fast alle Jungs der Schule träumten wohl mehr oder weniger von mir, das wusste ich. Man sah es ihnen an. Sie tuschelten über mich, wenn ich vorbeiging und von dem einen oder anderen hatte ich sogar schon mal einen Liebesbrief bekommen. Geantwortet hatte ich nie, weil sie mich allesamt nicht interessierten. Ich war doch viel reifer als sie. Es waren verspielte Jungs, damit konnte ich nichts anfangen. Ein paar aus der Oberstufe waren da schon etwas weiter, trotzdem wollte ich keinen davon. Ich überließ das Feld lieber Mariella aus der Parallelklasse, sie war auch ganz hübsch anzusehen und prahlte mit ihren Geheimnissen hinter vorgehaltener Hand. Mindestens jede Woche war es ein anderer. Ob das alles stimmte, wusste ich nicht, sie war nicht meine Freundin und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass sie damit angeben wollte. Über sie wurde viel geredet und nicht nur Gutes. Genau so bekannt wie ihre Angeberei war ihr Ruf als Schlampe.

Das wollte ich in meinem Fall unbedingt vermeiden. Niemals sollte mich jemand als Schlampe bezeichnen. Mir war es genug, dass die Jungs von mir träumten und wahrscheinlich abends an mich dachten, wenn sie alleine mit sich waren, doch ich war stolz auf mich, noch immer unberührt zu sein. Dafür musste der Richtige kommen und es sollte sich auch lohnen. Vor allem sollte es ein richtiger Mann sein. Schließlich war es ein einmaliges Erlebnis und darauf wollte ich mich entsprechend vorbereiten.

Schmuse war gleicher Meinung. Sie sah hübsch aus, war aber vom Typ her ganz anders als ich. Ihre Figur war etwas rundlich und sie setzte sie auch nicht extra in Szene. Sie trug meistens weitere T-Shirts und sie mochte es nicht, wenn man sie länger ansah. Ihr dunkelblondes Haar trug sie fast nie offen, sondern stets zum Pferdeschwanz oder Zopf gebunden. Sie war stolz auf mich, dass ich warten wollte und schloss sich mir an mit diesem Plan.

Irgendwie begann mein Körper zu kribbeln und es war mir plötzlich unangenehm bei der Vorstellung, dass Heiko mich wahrscheinlich von drinnen aus beobachtete, wie ich mein Eis vom langen Löffel schleckte. Ich fühlte die Wärme, die plötzlich in meine Wangen schoss.

„Meinst du echt?“, fragte Schmuse. Sie zweifelte immer erst an allem.

„Klar, ganz bestimmt tut er das. Braucht ja im Moment nicht zu bedienen, dann schaut er sich die Leute an. So ist das.“

Schmuse wandte so beiläufig wie es nur ging ihren Kopf kurz in Richtung des Café-Eingangs. „Hast recht“, sagte sie belustigt, „er schaut her.“

„Und? Einfach so oder …“ Ich steckte den Löffel umgedreht in meinen Mund und fuhr beim Herausziehen extrem langsam mit meiner Zunge über die Unterseite.

„Nein, mit lüsternem Blick natürlich. So wie alle Typen schauen, wenn sie dich sehen.“ Sie amüsierte sich sichtlich darüber. Zum Glück war sie nicht eifersüchtig, dass ich ihr da immer zuvorkam.

Und dann geschah das Unglaubliche. Ich lud Schmuse wieder ein, ich gab Heiko ein Trinkgeld, soweit ich es mir erlauben konnte und mit dem Rückgeld steckte er mir einen kleinen Zettel zu, auf dem eine – offenbar seine – Telefonnummer geschrieben stand. „Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder“, flüsterte er dabei. Diesen Blick, mit dem er mich dabei ansah, würde ich nie wieder vergessen.

Das war mir noch niemals passiert, ich war von dieser Tatsache fasziniert und meine Wangen erreichten ganz sicher in diesem Moment das dunkelste Rot aller Zeiten. Auch zwinkerte er mir zum Abschied zu und lächelte auf eine so wunderbare Art, dass ich mich sehr gerührt fühlte. Auf dem Nachhauseweg kicherten Schmuse und ich laut und fantasierten über ein nie zustande kommendes Treffen zwischen Heiko und mir.

Tatsächlich aber war es so, dass er mir nicht mehr aus dem Kopf ging, dieser überaus hübsche Typ, dessen weiches Gesicht ihm Sanftmut verlieh. Seine blauen Augen strahlten so lieb, als er mich angesehen hatte und seine längeren blonden, auf der Rundbürste geföhnten Haare vollendeten in meinen Augen das Bild meines Traummannes. Erst zwei Tage später erzählte ich Schmuse, dass ich ihn doch angerufen hatte. In der Zwischenzeit war es bereits zu einem ersten geheimen Treffen gekommen.

Dazu hatten wir uns zum frühen Abend des nächsten Tages am Stadtrand verabredet, zu dem ich mit dem Bus gefahren war. Heiko erwartete mich bereits und trug einen Rucksack, in dem ich Getränke oder Dinge für ein kleines Picknick vermutete. Es war ein so warmer Tag, dass er in T-Shirt, Shorts und Sandalen erschien, während ich diesem Treffen in meinem ziemlich kurzen weißen Spitzenkleid entgegenfieberte, zu dem meine neuen weißen Sandaletten mit Glitzersteinen perfekt passten. Das Kleid war gefüttert, doch wenn man genau hinsah, dann konnte man meine weiße Unterwäsche ahnen. Der Ausschnitt reichte in den Brustansatz hinein.

Nun, ich war sehr stolz auf meinen gut gebauten Körper, mit dem ich gesegnet war, dazu mein blondes, gelocktes schulterlanges Haar, das fiel überall auf und das gefiel mir. Meine wasserblauen Augen und meine ebenmäßige Haut, die auf den Wangen und Nasenspitze jedoch einige winzige Sommersprossen zeigte, fügten sich in dieses Bild perfekt ein, meine Lippen waren voll und rosig – die Männer schmolzen beim ersten Blick, der mich traf, dahin. Meinen Körper fand ich schön, besonders meine langen, schlanken Beine. Im Hochsommer genoss ich es noch mehr als üblich, von männlichen Blicken verfolgt zu werden. Sie konnten einfach nicht aufhören, mich anzusehen, es war ein beflügelndes Gefühl. Im Freibad machten Schmuse und ich uns einen Spaß daraus, wenn ich, meine Formen in den schönsten Bikinis betont präsentierend, über die Rasenfläche ging und die Jungs und Männer mit ihren Blicken an mir klebten. Schmuse beobachtete dann für mich die jeweiligen Freundinnen oder Frauen, berichtete mir später, dass die dann so richtig sauer geworden waren, wenn sie merkten, ihre Typen hatten nur noch Augen für mich, die sexy Blondine und zweifelsfrei die begehrenswerteste junge Frau weit und breit. Wir haben uns kaputtgelacht darüber, wie leicht man Männer beeindrucken konnte.

Schmuse traute sich nicht wegen ihrer kleinen Speckröllchen, so neben mir herzugehen. Aber ich liebte sie wie sie war, damals wie heute.

Figürlich stand ich meiner Schwester in nichts nach. Meine Mutter sah in jungen Jahren genau so aus wie ich, erzählte mein Vater immer wieder gerne. Wenn man alte Fotos von Mama verglich mit mir, dann war ich ihr wirklich wie aus dem Gesicht geschnitten.

Sabrina war zu der Zeit, als ich Heiko traf, bereits in der Schule und sehr selbständig. Um meine Mutter nicht zu beunruhigen, log ich, mich mit einer anderen Freundin, Ilse, zu treffen. Die wusste natürlich Bescheid für den Fall, dass sie bei ihren Eltern anrufen würde. Heiko hatte an diesem Tag früher Feierabend. Als ich wegging, war Mama noch beim Einkaufen und Sabrina bei einer Schulfreundin, die gleich nebenan wohnte. Zur Tarnung hatte ich für später eine Jeans und ein T-Shirt in meine Tasche gepackt, damit meine Eltern nicht Verdacht schöpften.

„Wow, siehst du hübsch aus“, sagte Heiko sichtlich beeindruckt und stockte leicht mit seiner Atmung. Ich bedankte mich brav für dieses schöne Kompliment, das ich erwartet hatte.

Er nahm meine Hände und sah mich von oben bis unten an, nickte und pfiff anerkennend. „Du bist eine wunderschöne Frau, die heißeste, der ich jemals begegnet bin. So was solltest du öfter tragen.“

Ich lächelte und dachte daran, dass er mich bisher nur in mehr oder weniger kurzen Jeans und T-Shirt kannte. Aufgrund des Wetters und des Anlasses fand ich das heute jedoch nicht angebracht. Ich fühlte Stolz an seiner Seite und stellte mir vor, dass so manch andere Frau gerne mit mir getauscht hätte. Zum Beispiel diese Kollegin im Café, diese Greta. Wir gingen ein Stück in den angrenzenden Wald hinein.

„Und … alles okay mit dir? Wie geht´s dir heute?“, fragte er und sah mich von der Seite an.

„Ja, alles okay. Warum fragst du?“

„Nichts weiter. Weiß deine Freundin, dass wir uns treffen?“

„Nein. Sollte sie? Du hast nicht gesagt, dass ich sie mitbringen soll.“

„Ach, Quatsch, ich meinte doch nur.“ Er lachte. „Ich bin also ein Geheimnis vor deiner Freundin?“

„Hm … ja, aber das erfährt sie schon noch.“

„Wie viele Geheimnisse hast du denn sonst noch so vor ihr?“

„Was meinst du damit? Wir haben keine Geheimnisse voreinander.“

„Jetzt schon. Hast du gerade zugegeben.“

„Ja, okay. Sonst aber nicht.“

„Na ja, ich wollte nur mal nachfragen, ob es oft vorkommt, dass du dich so spontan mit Männern triffst.“

„Was? Ähm …“ Alle meine Gedanken rasten plötzlich durcheinander. Fragte er mich etwa, wie viele Freunde ich schon hatte? Das musste er doch nicht wissen.

„Vergiss es. War blöd von mir.“ Er vertrieb mit der Hand wehend eine Mücke vor seinem Gesicht. „Wohnst du noch zu Hause oder hast du eine eigene Wohnung?“

Oh, er schien mich für älter zu halten als ich war. „Bei meinen Eltern“, gab ich aber zu.

„Und … was machst du so, jobbst du?“

„Nee, noch nicht. Ich mache nächstes Jahr Abi.“

„Ach so. Du bist eine gute Schülerin?“

„Ja, bin ich tatsächlich. Überrascht?“ Ich strahlte und war stolz, dass ich das behaupten konnte.

„Nein, nicht wirklich. Du siehst schon so aus.“

„Wie?“

„Na ja, jedenfalls nicht dumm.“

„Na, hör mal …“, ich lachte laut. „Jetzt ist aber Schluss mit dem Frage- und Antwortspiel, erzähl mal was von dir zur Abwechslung. Wo du jobbst, weiß ich ja, aber nicht, wo du wohnst und wie viele Geheimnisse du vor deinen Freunden hast.“

„Du bist süß, Debbie.“ Er sah mich ein paar Sekunden an, ohne ein Wort zu sagen. Schien nachzudenken. „Ja, du hast recht, ich erzähle dir was von mir. Also … ich wohne etwa zehn Kilometer von hier … bei meinen Großeltern. Meine Eltern sind vor langer Zeit verstorben.“

„Oh, das tut mir leid.“

„Schon okay. Ich kümmere mich um die alten Herrschaften, sie sind froh, dass sie mich haben.“

„Hast du Geschwister?“

„Nein. Du?“

„Ja, eine kleine Schwester. Sag mal, im Café, diese Greta …“, fragte ich unvollendet.

„Greta? Meinst du, ich hätte was mit ihr?“ Er lachte. „Wie kommst du denn darauf? Sie ist überhaupt nicht mein Typ. Sie interessiert mich nicht, sie ist nur eine Kollegin und Kolleginnen sind ohnehin tabu.“

„Okay“, gab ich mich zufrieden. Wenn er mir so eine ähnliche Frage stellte, warum sollte ich das nicht auch tun. Warum aber wusste er sofort, was ich fragen wollte? „Woher wusstest du, dass ich das fragen wollte?“, fragte ich ihn.

„Berechtigte Vermutung. Ich weiß, dass sie auf mich steht, das ist nicht zu übersehen. Hast du sie dir mal näher angesehen? Sie ist älter als du, aber irgendwie ist sie … undefinierbar. Und dann dieses blöde Grinsen, das sie immer draufhat … nein, sie ist definitiv nicht mein Typ. Zufrieden?“

Ich nickte. Er umarmte mich, nahm mich plötzlich hoch und drehte sich mit mir rundherum, sodass ich lachte und jauchzte, bevor er mich wieder absetzte. Er war glücklich mit mir und ich mit ihm.

Ein Jogger mit Stöpseln in den Ohren kam näher und lächelte, als er uns passierte.

„Du bist aber schon achtzehn, oder?“

O je, jetzt bloß nichts falsch machen. „Na klar“, antwortete ich mit fester Überzeugung. Er hob mich erneut hoch, drehte nochmals eine Runde mit mir.

„Du bist echt süß“, sagte er und ich schwebte. „Und wunderschön.“

Es war so romantisch und ich fühlte mich so was von gut. Über den ganzen Weg hielt Heiko meine Hand. Mein Herz klopfte auf Hochtouren.

Ich hörte ihm zu und sog jedes seiner Worte auf. Er erzählte von seinem Alltag im Bistro, von den verschiedensten Gästen, die er dort bediente. Er hatte Hotelfach gelernt und träumte von einer eigenen Cocktail-Bar. Das Hotel, in dem er seine Lehre absolvierte, hatte ihn für ein paar Jahre übernommen, bis die Mitarbeiterzahl reduziert wurde. Zum Glück fand er die Stelle im Bistro.

„Das war nicht nur deshalb ein großes Glück, sondern weil ich dich dort treffen sollte“, sagte er und ich schmolz selig dahin. Er blieb stehen, sah mich auf hinreißende Weise an, bevor er mich an sich zog und küsste. Erst zaghaft, dann immer heftiger und natürlich mit Zunge. Was mir bereits von diversen Partys bekannt war, doch die Gefühle, die sich nun auftaten in mir, als ich dazu seine Hände in meinem Haar spürte, die waren völlig neu. Es war so herrlich und sollte niemals wieder aufhören. Mir wurde im ganzen Körper warm, dazu fühlte ich so etwas wie eine noch nicht gekannte aufkommende Lust, immer mehr zu wollen von ihm und diesen wundervollen Küssen. Die Berührungen unserer Zungen ließ alles in mir wohlig kribbeln, zu meiner Überraschung kribbelte es am meisten in meinem Unterleib.

„Du bist so süß, Debbie, meine Schöne, mein Baby“, flüsterte Heiko und ich war die einzige und die glücklichste Frau auf diesem Planeten. Es gab keine Zeit, keinen Tag. Nur Unendlichkeit.

„Und … wie alt bist du?“, fragte ich, als wir dann weitergingen.

„Nächsten Monat werde ich achtundzwanzig. Hältst du mich für zu alt?“

„Nein, nein“, wehrte ich ab, „mit den Jungs in meinem Alter kann ich eh nichts anfangen. Die sind mir zu grün.“ Irgendwie klang ich altklug, aber es war die Wahrheit.

„Okay, dann habe ich dagegen wohl ein saftiges, dunkles Grün oder gar schon die reifere Farbe, ja?“ Er sah mich von der Seite lächelnd an. „Kann ich bestätigen. Ich stehe voll im Saft, wenn du verstehst.“

Oh. Was war das für ein Blick? Mir wurde noch etwas heißer, als es mir ohnehin schon war.

„Klar“, sagte ich weiterhin wie ein alter Hase.

Dann standen wir vor einer Hütte. Die Luft war angenehm warm, die bereits tief stehende Sonne fiel golden durch die Blätter der Bäume. Wir waren ganz allein mit den Waldbewohnern, die mir wohl zwitschernd mitteilten, was vielleicht passieren würde. Noch immer denke ich gerne daran zurück und fühle die schönen Gefühle, als er meine Wange zu streicheln begann und mich höchst verliebt ansah. Als wir uns erneut küssten, war der Wald um uns herum verschwunden. Ich legte meine Arme in seinen Nacken und er seine um meine Taille, drückte mich sehr fest an sich. Etwas Hartes an meinem Bauch ließ mich erahnen, dassEshöchstwahrscheinlich geschehen würde und es war mir alles egal, auch wenn ich im Vorfeld nicht hatte ausmachen können, was er mit mir im Wald wohl anstellen wollte.

Lange hatte ich ja mit Schmuse darüber sinniert, wie unser erstes Mal ablaufen könnte, ob wir es zulassen oder eher weglaufen sollten und besonders, wie der allererste Mann in unserem Leben auszusehen hatte. Vor allem waren wir uns beide einig, dass wir es nicht mit dem Erstbesten tun würden. Wir würden warten, bis der kommen sollte, der es wert war. Wir hatten schon bestimmte Vorstellungen. Die waren nun alle vergessen. Heiko war genau der Mann, mit dem ich mir mein erstes Mal vorstellte und vielleicht würde ich ja mein ganzes Leben mit ihm zusammenbleiben. Genau das war im Moment dieses sehr aufwühlenden Kusses mein Wunsch. Festhalten. Für immer. Ich war gewillt, zu allem Ja zu sagen, was immer auch folgen sollte. Gleichzeitig kam die Aufregung, die Neugier. Hier im Wald? Wo? Etwa in dieser Hütte? In einer Lichtung im Gras? Oder hatte er ein Zelt bei sich? An seiner Hand ließ ich mich in die Hütte führen. Wollte er es tatsächlich hier mit mir tun?

Sie war von innen, wie Hütten eben sind, sehr spartanisch ausgestattet. Es gab eine Bank ringsherum an den Wänden und mittig ein größeres Holzstück, ein halbierter Baumstamm, der als Tisch fungieren sollte. Die Blicke von Heiko werde ich niemals vergessen. Aus seinen Augen sprühte pures Begehren für mich und ich fühlte mich wie die Königin der Welt, als er aus seinem Rucksack keine Getränke, sondern Kissen, Decken und Tücher holte und sie so auf dem Holzklotz drapierte, dass es fast wie ein Bett aussah.

„Hier?“, fragte ich zweifelnd.

Er nickte nur. „Du willst doch auch?“, fragte er mich zwischen weiteren zahllosen Küssen.

„Ja, aber … was ist, wenn jemand kommt?“

„Ist doch schon so spät, jetzt kommt hier niemand mehr. Es gibt nur noch dich und mich.“

Während unserer kurzen Unterhaltung hatte er langsam begonnen den seitlichen Reißverschluss meines Kleides zu öffnen. Ich wollte alles. Egal, was. Ich war verliebt bis weit über die Ohren. Jede noch so kurze Berührung seiner Finger auf meiner Haut fühlte sich wie ein Stromstoß an.

Seit meiner Kinderzeit bei einer ärztlichen Untersuchung hatte ich nicht mehr nackt vor einem anderen Menschen gestanden und damals war es eine Ärztin gewesen. Nun stand ich da, mein Kleid zu meinen Füßen, zitternd und zittrig und in ganz anderer Absicht als zu einer ärztlichen Untersuchung. Ich versuchte, das innere Zittern zu überspielen und konnte nur hoffen, dass es mir gelingen würde.

Heiko sah mich bewundernd an. „Du bist sehr schön“, flüsterte er mir zu. „Heiß.“

In Sekundenschnelle hatte er meinen BH aufgehakt. Als er meine Brüste zärtlich berührte, schloss ich meine Augen und befürchtete, gleich umzukippen, so grandios war das Gefühl.

„Mein Gott, bist du schön“, flüsterte er und küsste meine weiblichen Attribute. Seine Hände spürte ich danach überall an meinem Körper, es war das wunderschönste und wohligste Gefühl, das ich jemals gefühlt hatte. Als seine Hände mich freiließen, öffnete ich meine Augen und sah, dass er dabei war, sich auszuziehen. Ich hätte nicht geahnt, dass ein Männerkörper so schön aussehen konnte. Heiko war nicht schmächtig, so wie die meisten Jungs in der Schule, nein, er war schließlich richtig erwachsen und entfachte in mir weitere nie gekannte Emotionen. Er sah mich an. Sollte ich etwas tun? Nur, was?

Natürlich hatte ich mit Schmuse schon Pornos geschaut, aber das nun war völlig anders.

Da ungefähr ergriff mich die Angst und ich begriff etwas mehr von der Situation. Alles, was bisher nur in meiner Fantasie geschehen war, stand nun kurz davor, Realität zu werden. Mein Hirn sagte mir, dass ich es ihm sagen musste. Vielleicht wäre es ja noch abzuwenden gewesen. Hätte ich das gewollt?

Heiko stand nackt vor mir und erwartete wohl, dass ich ihn bewunderte. Tat ich auch. Und wie. Zögernd wanderten meine Augen in die Region unterhalb seines Bauchnabels. O Gott. Damit wollte er in mich …? Er nahm meine Hand, führte sie zu seiner Erektion. So etwas hatte ich noch niemals angefasst, dieser hervorragende Körperteil war härter, als ich es mir vorgestellt hatte, fest wie ein Ast.

„Schön, oder?“, fragte er stolz und ich nickte. Mein bebender Atem ließ Worte kaum zu. Aber ich musste ihm doch etwas Wichtiges mitteilen.

Er umarmte mich erneut, küsste mich mit aller Leidenschaft, schob seine Finger in mein Höschen und ließ es zu Boden gleiten.

„Ich … ich muss dir was sagen …“, stammelte ich leise. Weiter kam ich nicht. Heiko nahm mein Kinn in seine Hand, sah mir direkt in die Augen, lächelte unglaublich süß.

„Nein, ehrlich? Du hast noch nie?“ Dann küsste er mich wieder und wieder. „Du hast auf mich gewartet? Hab keine Angst“, flüsterte er, „das, was jetzt kommt, wirst du nie vergessen. Es wird wunderschön werden, das verspreche ich dir.“

Ich glaubte ihm und wehrte mich nicht, als er zärtlich meine Brüste mit seiner Zunge liebkoste. Warum auch, wo ich doch in Flammen stand und dieses Feuer unbedingt kennenlernen wollte. Dann schwanden meine Gedanken vollends. Aus der Ferne hörte ich seine Worte. Heiko raunte so etwas wie „du bist so heiß“. Wenn ich hätte denken können, hätte ich gedacht, dass das die schönsten Worte waren, die ich jemals gehört hatte.

Er packte mich komplett ein in Zärtlichkeiten, seine Hände streichelten mich wie Watte.

Meine liebste Freundin Schmuse und ich hatten auch in verschiedensten Arten Orgasmen ausprobiert, das war schön gewesen. In einer Jugendzeitschrift fanden wir Anleitungen, es mit den Fingern oder auch mit Sextoys zu machen. Wir trauten uns jedoch nicht, in einen Sexshop zu gehen, klar. Und ich fand heraus, dass es beim Anschauen der eindeutigen Bilder in den Filmen bei mir oft nur das mehrmalige Zusammendrücken meiner Schenkel bedurfte, um ein warmes, explosionsartiges Pulsieren hervorzurufen. Das war schön. Sehr schön sogar.

Aber das nun, was Heiko mit mir veranstaltete, war der absolute Gipfel der Genüsse. Ich bekam kaum noch Luft, so schnell atmete ich, mein Blut rauschte, ich befürchtete, ohnmächtig zu werden. Alles war so neu und gleichermaßen beängstigend, hatte ich doch gelesen, dass das erste Mal wehtun konnte. Heiko küsste meinen Körper von oben bis unten, dann bemerkte ich sein weiches Haar an meinen Schenkeln. Dass er gut mit seiner Zunge agieren konnte, hatte ich ja vorhin bereits in meinem Mund gespürt. Aber an dieser Stelle raubte es mir den Atem. Es dauerte nicht lange, bis sich mehrere heiße Wellen in meinem Körper ausbreiteten, die ihn heftig pulsieren ließen. Oh, wie war das wunderschön! Als ich etwas zu mir kam, sah ich ihn süffisant lächeln.

„Hat dir das gefallen, Baby?“, fragte er.

Ich nickte nur zur Antwort.

„Du bist so was von heiß“, raunte er mir zu und zog sich ein Kondom über seine Erregung. „Bereit?“

Meine Augen wurden riesengroß, mein Atem stockte erneut bei der Vorstellung auf das, was folgten sollte. Ja, verdammt, ich hatte plötzlich Angst. Zum Weglaufen war es jetzt zu spät. Nein, wollte ich ja gar nicht. Jetzt war also der eine, ganz besondere Moment in meinem Leben gekommen. Dann sollte es so sein.

„Hallo? Erde an Debbie … bist du bereit für das große Ereignis?“ Heiko lachte lieb. Dazu streichelte er die Innenseiten meiner Schenkel.

„Ja“, hauchte ich leicht verwirrt. Ich wollte es doch. Oder nicht? Doch … auf jeden Fall.

Er beugte sich über mich und ich ließ mich bereitwillig von ihm küssen. Auf den weichen Decken und Kissen gebettet merkte ich kaum den kurzen, etwas unangenehmen Widerstand, nachdem ich zwischen rosa Wolken der Liebe realisierte, dass ich gerade zur Frau geworden war. Vor diesem Moment hatte ich eine Riesenangst gehabt und nun war er schon vorbei. Es war kein großer Schmerz, wenn, spürte ich ihn kaum, weil ich so abgelenkt war. Nur ein kurzer Druck, mehr hatte ich nicht mitbekommen, weil ich so fasziniert war, Heiko so nah zu spüren, so viel Hautkontakt mit ihm zu haben, seine Zärtlichkeiten geschenkt zu bekommen.

Als Mädchen war ich gekommen … als Frau würde ich gehen. Ganz weit entfernt hörte ich beiläufig Geräusche, die Laufschritte hätten sein können. Ich beachtete sie nicht weiter.

Heiko bearbeitete mich und meinen Körper so, dass ich immer mehr wollte und nicht mehr wusste, wie mir geschah. Er wollte mich. Er hatte mich und ich gab mich ihm hin. Und es war so unglaublich schön, so sehr begehrt zu werden.

Wenig später, nach einem lauten Stöhnen, hörte er auf sich zu bewegen, atmete schwer. Sein Haar hing schweißnass in seine Stirn. Seine Augen waren glasig.

„Ach, Baby“, flüsterte er und küsste mich.

„Ist das immer so toll?“, hörte ich mich fragen.

Und er nickte. „Ja. Zumindest, solange ich es mit dir machen darf. Von dir komme ich nicht mehr los, das weiß ich.“

Mein Atem beruhigte sich langsam und ich war aufgrund dieser Worte erfüllt mit noch mehr Zufriedenheit. Was redete er für einen Blödsinn? Niemals würde ich es einem anderen erlauben, mich in diese Höhen zu heben. So ein Quatsch, niemand sonst wäre überhaupt dazu in der Lage. Ich würde mich niemals einem anderen Mann hingeben. Dazu gab es gar keinen Grund. So, und nicht anders wie es jetzt war, sollte es bleiben.

Für immer.

Heiko war so fürsorglich mit mir wie auch mit dem Equipment, denn er entsorgte die besudelten Tücher im Abfalleimer vor der Hütte, genau wie das gefüllte Kondom.

Wir saßen danach noch eine Zeit auf der Bank vor der Hütte, ich lag in seinem Arm.

„Wie geht es dir jetzt?“, fragte er. „Hab ich dir wehgetan, als ich …?“

Darüber freute ich mich. Es sollte Typen geben, hatte ich gelesen, die es nur auf das Eine abgesehen hatten, ohne jegliche Rücksicht auf die Partnerin. Das war bei Heiko nicht der Fall. Er wollte wissen, wie es mir ging. Ich war ihm wichtig. Mein Herz jauchzte.

„Mir ging es nie besser“, schwärmte ich und rieb meine Wange an seiner. „Nein, du hast mir nicht wehgetan. Es war richtig toll.“ Dass ich dennoch so große Angst gehabt hatte, musste er nicht wissen.

„Das ist schön“, sagte er. „So wollte ich das. Wir müssen uns unbedingt wieder treffen, so oft wie möglich. Das war echt ein geiler Abend.“

Wow! Dieser Ausdruck und dann mich betreffend, stimmte mich so selig. Meiner Wirkung auf Männer war ich ja seit langem bewusst, daher fühlte ich mich bestätigt, als Heiko diese Worte sprach. Es war richtig, dass ich mich für ihn aufgespart hatte. Besser hätte ich es nicht treffen können.

„Natürlich treffen wir uns wieder, ich will es wieder tun. Nur mit dir. Immer wieder. Es war sooo schön …“ Ich sah ihn im Dämmerlicht an. Er wirkte doch männlicher jetzt als bei seiner Arbeit. Er war kein Junge, sondern ein richtiger Mann. Und dass er so schön in mich hineingepasst hatte … Dabei war er schon fast achtundzwanzig … ich musste ihn jetzt doch unbedingt fragen. „Sag mal, du bist so viel älter als ich, da hast du es bestimmt schon mit vielen Frauen gemacht, oder?“

Er lachte wieder und rieb sich die Stirn mit einer Hand. „Ach, Baby, was willst du jetzt hören? Meinst du, ich hätte auf dich gewartet all die Jahre?“ Er streichelte meine Wange und wurde wieder ernst. „Wenn ich gewusst hätte, dass ich dir begegnen würde, hätte ich das getan.“ Seine Stimme klang so zärtlich.

„Waren es denn viele?“ Mir wurde leicht übel bei der Vorstellung, dass er es mit vielleicht sogar mehreren anderen, vor allem älteren Frauen getan hatte, die besser aussahen als ich und überhaupt viel erfahrener waren.

„Ach, Baby, lass uns doch nun nicht über die blöde Vergangenheit reden, ja? Wir haben uns gefunden, ist das nicht großartig?“ Er küsste meine Nasenspitze, bevor er etwas aus seinem Rucksack holte. Zuerst ein Feuerzeug. Ich wusste gar nicht, dass er rauchte. Zu meiner Überraschung holte er keine Zigarettenschachtel aus dem Seitenfach, sondern einen Joint und ich staunte nicht schlecht.

Er warf mir einen viel versprechenden Bick zu, als er ihn sich zwischen die Lippen steckte und das Feuerzeug anklickte. Das war aber doch verboten? Er war älter als ich und vielleicht durfte er das ja. Er inhalierte genießend. Beim Ausatmen hielt er mir den keilförmig gerollten Glimmstängel hin.

„Ich glaub nicht …“ stotterte ich und schüttelte meinen Kopf.

„Komm schon, wenn du schon zur Frau wirst, dann auch richtig.“ Er lachte. „Dumm von mir, das nicht vorher zu machen. Das machen wir beim nächsten Mal.“

Ich wusste nicht, was er meinte, nahm das Ding zwischen Daumen und Zeigefinger und starrte es an. Zigaretten hatte ich mit Schmuse zusammen schon geraucht. So ähnlich musste das nun sein. Heiko würde nichts Schlechtes mit mir vorhaben, dessen war ich sicher, daher zog ich kurz an dem sorgfältig gerollten Joint, nachdem er ihn angesteckt und tief durchgezogen hatte. Ich hingegen musste direkt husten.

„Nicht so, Baby. Ganz ruhig. Nochmal.“ Heikos Stimme beruhigte mich. Er liebte mich, ich fühlte mich bei ihm geborgen. Ich nahm einen weiteren Zug, diesmal tiefer. Einen erneut aufkommenden Husten konnte ich abwehren.

„Siehst du, ist auch gar nicht schlimm.“ Er zog selbst wieder daran und küsste mich gleich, blies mir seinen Rauch in den Mund, den ich einatmete. Dies zusammen mit seiner spielenden Zunge war fantastisch. Ich fühlte mich leicht und unglaublich gut.

Mit jedem Zug mehr. Es war überhaupt nichts mehr schlimm. Es war sogar recht lustig, wenn ich dran dachte, was ohne das Wissen meiner Eltern passiert war und ich musste unwillkürlich kichern.

„Siehst du“, sagte Heiko erneut, „alles gar nicht schlimm.“

Und ich fühlte mich unerhört gut und fröhlich, all meine Ängste waren weg. Ängste … wozu brauchte man die denn? War alles völlig überbewertet. Das würde ich auch Schmuse sagen. Sie würde bestimmt auch bald den Richtigen finden für ihr erstes Mal. Es war so wunderwunderschön.

„Weißt du, was ich nicht verstehe?“, fragte er mich, während er Rauch ausblies.

„Was?“

„Ich meine, es ist schön zu wissen, dass ich dein Erster bin. Aber, ich meine, ein so heißes Girl wie du …“

„… muss es doch schon mit ganz vielen getrieben haben, meinst du?“, vollendete ich seine Frage und lachte.

„Ja, genau. Die Jungs müssen dir doch in Scharen hinterherlaufen. Warum hast du so lange gewartet?“

„Weil ich mit meiner Freundin beschlossen habe, dass es etwas ganz Besonderes sein soll. Und das war es auch. Das Warten hat sich gelohnt.“

Er grinste und küsste mich.

„Es gibt andere Mädchen in der Schule, die geben an damit, mit wem alles und wo und wie …“, ich nahm einen weiteren Zug, „aber das ist so schäbig. Das ist nicht mein Fall. Ja, sie haben mich aufgezogen, weil ich nie was wollte von denen, die von mir was gewollt hatten, verstehst du? ,Hach, guck mal, die ziert sich so, die ist bestimmt frigide´haben sie gesagt und gelacht,oder,schöne Fassade und nichts dahinter´und so weiter. Aber das war mir alles egal. Ich bin mir mehr wert. Und das hat sich heute ausgezahlt.“

Heiko legte seinen Arm um mich und drückte mich an sich.

„Wie viele Jungfrauen hattest du denn schon, hm? Außer mir, meine ich“, fragte ich.

Er lachte und schüttelte wieder seinen Kopf. „Ach was, weiß ich nicht …“

„Du weißt das nicht?“ Ich boxte ihn leicht in den flachen Bauch und kicherte. Irgendwie fühlte ich mich wie angetrunken. „Dann waren es sicher nicht so viele. Muss schön sein zu wissen, dass man der allerallererste Mann ist … dass noch nie einer drin … ähm … dran war …“

Er grinste vor sich hin.

„Auch nicht deine allerallererste Liebe? Mit … wie alt warssu beim erssen Mal?“ Lallte ich ein wenig oder was war los?

„Mein erstes Mal … ich glaube, da war ich noch nicht mal sechzehn“, gab er zu.

„Wow … und mit wem? Weißu das wenigstens noch?“

„Ja, ich erinnere mich … aber nur, weil du danach fragst. Daran hab ich ewig nicht mehr gedacht. Sie hieß Marlene und war schon dreiundzwanzig.“

„War es eine Nutte?“

Entsetzt dreht er sich zu mir herum. „Was? Nein … wie kommst du darauf? Sie war keine Nutte. Es war die ältere Schwester meines besten Kumpels.“

„Hm, verstehe. Und wie war es für dich?“