Tarantella im Echo - j.b. blossum - E-Book

Tarantella im Echo E-Book

j.b. blossum

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Beschreibung

Nichts scheint so wie es ist, denn die angehende Krankenschwester Gabriella erhält Nachrichten ihrer verstorbenen Mutter. Sie wird in die erbarmungslose Parallelwelt der Mafia entführt, von da an gelten andere Regeln. Schwüre, Tradition und Loyalität gemischt mit einer scheinbar allgegenwärtigen Kriminalität und Brutalität sind nun ihr ständiger Begleiter. Der berüchtigte Don De Torrez stiehlt sie und nimmt sie wie selbstverständlich in seinen Besitz. -Sie ist jetzt mein Blut, ob sie will oder nicht. Accidenti- Seine verflucht verruchte Art die sie anlockt und das unsichtbare Band das beide zusammenführt, übertrifft jede Logik. Ein Tarantella der Leidenschaft, Lust und Hingabe werden ständiger Begleiter auf ihrem Weg. Können sich schlechte Dinge zu einem guten Schicksal wandeln oder bleiben sie schlecht?

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Inhaltsverzeichnis

01 Gabriella

02 Maurizio

03 Gabriella

04 Maurizio

05 Gabriella

06 Maurizio

07 Gabriella

08 Maurizio

09 Gabriella

10 Maurizio

11 Gabriella

12 Maurizio

13 Gabriella

14 Maurizio

15 Gabriella

16 Maurizio

17 Gabriella

Bevor du diese Dark- Romance liest, lässt sich anmerken, dass es ein enemies- to- lovers Genre ist, indem Feinde zu Liebenden werden. Eine düstere Erzählweise und explizite Sprache erwarten dich.

Es beinhaltet außerdem explizite Sex-Szenen, auch diverse Triggerpunkte wie Gewalt, Mord, Verlust, Verrat und Missbrauch in verschiedenen Bereichen des Lebens oder dem Tod.

Sollte dich das bis jetzt nicht abschrecken und du die Geschichte von Gabriella und Maurizio erleben möchtest, dann lass dich in die Welt der beiden verschleppen.

Fühle und lebe mit ihnen, lass dich überraschen.

-Dieses Buch ist für Leser ab 18 Jahren geeignet. -Alle Inhalte, Handlungen und Namen sind ausdrücklich frei erfunden und fiktiv.

1 Gabriella

Schmetterling, du kleines Ding, such dir...Wie immer schrecke ich aus dem Schlaf auf, während sich in meinem Kopf noch das Bild von mir als Kind in unserem Garten abspielt. Meine Eltern würden wieder sagen, du und deine Fata Morgana`s. Höre endlich auf mit dem Scheiß. Du weißt, dass du sie dir nur einbildest, deine imaginäre Freundin. Verdammt Gabriella, du bist eine junge Frau und kein Kleinkind mehr.

Es wirkt im Traum so lebendig, so echt.

Das Schlimme daran ist, ich kann mich nach all der Zeit schon langsam nicht mehr an das Gesicht der Frau, also meiner Freundin erinnern. Deshalb schrecke ich immer hoch. Ihr Kopf ist schwarz, während wir auf der Wiese zu diesem Lied tanzen. Ich sollte wahrscheinlich wirklich Erwachsen werden.

Eingehüllt in die Wärme der Decke sehe ich nach rechts. Der Nebel steigt draußen langsam auf und die Sonne beginnt sich am Horizont zu zeigen. Ein traumhafter Ausblick aus meinem Fenster. In meinem Zimmer sind ebenfalls lauter Erd- und Sonnenfarben. Ich liebe die Natur und das Gefühl das sie einem gibt. Diese Ruhe, die Reinheit und den Geruch. Ganz anders als das Feeling der Stadt. Meine Wände sind hellbeige und der Boden mit wunderschönen alten Holzdielen ausgelegt und darauf ein rostbrauner großer runder Teppich. Mein Zimmer ist das einzige im Haus welches überhaupt das Gefühl von Herzlichkeit ausstrahlt.

Morgens ist es hier in New York immer noch kühl bevor es am Tag hier im Sommer ziemlich heiß wird. Dann gehen die Menschen in den Central Park und setzen sich in den Schatten und genießen das Leben. Um genau zu sein es ist der sechzehnte Juni.

Mein Geburtstag. Heute werde ich einundzwanzig. Wenn ich darüber Nachdenke, endlich erwachsen. Selbstbewusst, unabhängig und meine eigenen Entscheidungen treffend. Jedoch trifft nichts auf mich zu. Ich kann in der Arbeit meine Entscheidungen treffen, Verantwortung übernehmen. Zuhause mache ich das was mir gesagt wird und habe hart gelernt es nicht zu hinterfragen.

Mittlerweile sitze ich hier in meinem Zimmer auf meinem Bett, trinke meinen Kaffee den ich mir geholt habe und esse ein Croissant. Warte darauf, dass ich von Julian meinem Leibwächter abgeholt werde. Morgens bleibe ich lieber in meinem Zimmer.

Eigentlich ist es egal um welche Zeit, es ist mein Rückzugsort. Heute ist Sonntag und in meinem Studium zur Krankenschwester muss man natürlich auch heute arbeiten. Dass es mein Geburtstag ist stört mich überhaupt nicht. Im Gegenteil ich habe mich extra für diese Schicht eingetragen, sobald ich in meinem Schwesternkittel stecke geht es mir blendend. Es bedeutet eigenes Geld und wenigstens an meinen Geburtstag bin ich von Zuhause weg. Die Einsamkeit hier ist kaum zu fassen. Die einzigen Ausnahmen sind Feste, Besprechungen und wenn Freunde meiner Eltern kommen.

Seit Tagen benehmen sich hier alle anders.

Meine Mutter macht Maniküre, Pediküre, neuer Haarschnitt, ein Schneider kam und so weiter. Sie will eine pompöse Party für mich veranstalten. Jeder der Rang und Namen in der Stadt hat wird eingeladen. Nicht, dass ich davon jemanden kennen würde oder es mich überhaupt interessiert. Eine riesengroße Scheinwelt, wenn man so viel Geld besitzt.

Sweet einundzwanzig oder sowas lächerliches. Ich konnte nicht mal Freunde einladen, wenn sie genau wüssten wer ich bin oder was wir sind, würden sie schon gar nicht erst kommen. Vor allem, weil ich selbst nicht einmal eine Antwort darauf weiß. Das war schon immer so und wird auch so bleiben, die einzige Zeit, dass wir uns treffen, ungezwungen, ist in der Unibibliothek oder in der angrenzenden Kaffeebar. Es ist immer schön unter Freuden zu sein, lachen oder Neuigkeiten austauschen und einfach Spaß zu haben. Und ich zu sein.

Einen richtigen Einblick davon habe ich nicht, was geschäftlich bei meinem Vater Andree läuft. Was ich aber sagen kann, er benimmt sich immer schon als wäre er der König in der Familie. Genauso wie nach außen, in seiner Geschäftswelt gegenüber den anderen. Wenn man ein erfolgreiches Unternehmen führt, muss man das nach außen zeigen und sich und sein Geld schützen. Den anderen zuvorkommen. Seine Worte.

Ich kann nicht sagen, dass er ein liebevoller Familienvater ist. Meine Mutter ist seine und meine Mitbewohnerin, ja sie benimmt sich königlich aber nicht mütterlich. Seit ich denken kann haben wir Abstand zueinander. Sie ist der perfekte Schoßhund für ihn, macht das was er ihr aufträgt und hält sich ansonsten zurück. Sie geht in Country Clubs, Spa´s und zu Pferderennen. Genau Pferderennen. Schade, sie führen beide ein Eigenleben in diesem Haus. Nur hin und wieder gibt mal ein Anzeichen dafür, warum sie überhaupt verheiratet sind. Es herrschen klare Regeln hier bei uns, am wichtigsten ist, dass hier niemand gestört wird und jeder hier in diesem opulenten Haus seinen Bereich hat. Wie oft ich mich frage ob es in anderen Familien genau so ist, kann ich eigentlich gar nicht mehr zählen.

Dann sind da bei uns noch die ganzen Zimmer, die im Haus entweder verschlossen oder leer sind. Alles wirkt einladend und ordentlich. Solange man nicht hinter die Kulissen sieht. Diese sind umgeben von unseren Leibwächtern oder wie ich sie liebevoll nenne, Gorillas. Unseren Dienstmädchen, Fahrern und Gärtnern. Teilweise gehen sie schon seit Generationen in unser Haus ein und aus. Ich werde meist von Julius begleitet, er ist präsent aber hält sich zurück. Ich bin wirklich froh jemanden wie ihn hier zu haben. Es könnte jemand ganz anderes auch sein. Wir spielen Karten oder gehen auch mal in die Stadt. Natürlich nur wenn es wichtig ist und ich etwas für das Studium brauche.

Einfache Stadtspaziergänge oder Faulenzen im Park sind nicht drin. Letztens konnte ich meinen Vater überreden in die Oper gehen zu können, als Begleitung natürlich Julius, wir sahen als Paar toll aus, wäre es nur so gewesen. Er ist fast wie ein Bruder den ich nie hatte, er ist nur etwas älter als ich. Also dreißig und wir haben einen kleinen Teil gleicher Interessen, immer wieder frage ich mich, wieso er in seinem Alter keine Freizeit hat. Auch wenn wir ungezwungen miteinander plaudern, will er nicht mehr als nötig auf solch privates eingehen.

Eine halbe Stunde noch, dann geht es auch schon los zur Arbeit. Sobald mein Stethoskop sitzt ist die Welt für mich bunt. Ich lerne so viel und sehe so viele Krankheitsbilder, dass ich mich ausleben kann. Ich bin kurz vor dem Examen. Ein paar einfache Prüfungen noch. Ein Blick zu meinem Kleiderschrank und ich sehe das, was ich zu verdrängen versuche, das Kleid, mein Kleid für die Party heute Abend. Es hängt am Kleiderschrank, darunter die glamourösen Schuhe und lachen mich aus. Ein Kleid so pompös, tief ausgeschnitten, durchsichtig an unpassenden Stellen und so hässlich, dass ich mich schon schäme das es überhaupt dort hängt. Ich meine was soll ich mit einem dunkelroten Kleid und goldenen Schuhen dazu. Ich meine an diesem sind Federn am Saum, Federn.

Um fünf Uhr kommen alle um mich vorzeigbar zu machen, dass ich nicht lache. Denk an die Etikette. So heißt es seit Tagen, du weißt wo dein Platz ist, lächeln und nicken. Iss nicht so viel, geh nicht zu stark in die Sonne. Denk an deinen Vater, für ihn ist es genau so wichtig, alle werden kommen. Das ist wieder typisch für sie, mein Geburtstag ist für die beiden wichtig. Ich kann es nicht fassen.

Ich schreibe meiner besten Freundin Stella auf meinem Smartphone -wir teilen alle Gedanken, wir sind ein Herz und eine Seele- noch eine Nachricht, dass ich mich auf sie freue und sie heute mein Lichtblick ist. <Mach dich bitte übertrieben chick, du weißt was ich meine. Glanz und Glamour süße! Gehe jetzt zur Schicht. Freue mich auf ein Tänzchen mit dir heute Abend, halt mir die sabbernden Leute fern. Hab dich lieb bis dann> Schnell stecke ich das Handy in meine Arbeitstasche.

Gerade habe ich meine Lieblingsjeans und mein liebstes weites Shirt an, Loafer werde ich dazu tragen. Das reicht mir für meinen Geburtstag, meine langen dunkelbraunen Haare habe ich mir zu einem unordentlichen Dutt gebunden und etwas hauchzartes Makeup aufgelegt. Ist ja schließlich mein Tag und ich hoffe Lukas dem Assistenzarzt heute zu begegnen.

Die letzte Zeit über habe ich sogar öfter von ihm geträumt, er sieht aus wie ein Surfer Typ. Dunkelblondes Haar, etwas Muskeln, immer in Jeans und Shirt gekleidet, wenn er nicht gerade seinen heißen Arztkittel trägt. Ich habe oft die Gelegenheit mit ihm zusammen zu arbeiten, in den Pausen holen wir uns gerne Kaffee und haben einfach Spaß zusammen. Ich bin ihm sowieso zugeteilt und helfe bei den Operationen. Für mich perfekt. Nicht zu viel und nicht zu wenig.

Erinnerungen aus meinem Traum mit ihm, kommen mir wieder in den Sinn und mir wird ganz warm.

Ich stellte mir vor, er hätte mich zu sich nach Hause eingeladen, wie er mich auf seinem Sofa küsste und dabei seine Hand in meinen Nacken legt.

Wohlig warm und liebevoll. Während des Kusses wurde es immer heißer und er begann sanft an meiner Lippe zu saugen und ließ die Hände meinen Oberschenkel hinauf wandern.

Mein Atem ging immer schneller, ich fuhr seine starken Arme hinauf und vergrub meine Hände in seinem weichen Haar, während er mit der anderen Hand über meine Hose meine Vagina streichelte bis ich gekommen bin. So sanft und so überwältigend. Ich war bereits total nass und es konnte mir nicht schnell genug gehen. Er legte mich liebevoll auf das weiche weiße Sofa und zog mir langsam meine Hose herunter und hinterließ federleichte Küsse auf meiner Haut. Im Hintergrund leise musikalische Klänge passend zur Atmosphäre im Raum. Schummriges Licht, wohlige Wärme. Ich zog ihn aus, während er mir immer wieder beteuerte wie schön ich sei. Sein Duft wehte mir wie eine leichte Brise um die Nase.

Er würde ganz sanft und vorsichtig in mich eindringen und uns beide zum Orgasmus bringen. Es war einfach perfekt, umgeben von Rosenblüten und kitschiger Romantik.

Und schon war ich aufgewacht. Ich hatte noch nie Sex und seine Wohnung habe ich auch noch nicht gesehen, oder überhaupt mehr als freundschaftlich mit ihm gesprochen. Alles Wunschdenken. Keine heißen Küsse mit dem Arzt und auch keine anderen Dinge, ich komme ja nicht mal richtig aus diesem Haus heraus. Ich bin so mit meinem Studium und meinen Kursen beschäftigt, dass ich sowieso kaum Zeit hätte, wenn ich das Haus so einfach verlassen könnte. Wenn gerade kein Präsenzunterricht ist sitze ich zu Hause und lerne dort. Lerne ich nicht dann gehe ich lieber zur Arbeit.

Ich sitze da und höre Dancing in the Dark, oh man was für ein Lied und was würde ich dafür geben, diese paar Stunden zu leben. Barfuß tanzen im Gras, tanzen mit meinem Geliebten im dunklen der Nacht bei Kerzenlicht, ich schwelge weiter in der Fantasie.

Dann klopft es und unsere Haushälterin kommt herein. Normal kommt sie erst nach Mittag, nach meiner Schicht. Wenn sie alle ihre Aufgaben erledigt hat und wir uns ein bisschen unterhalten können.

Elis ist ihr Name, sie ist eine anmutige Frau, ihr dunkles Haar welches immer zu einem sauberen Dutt zusammengesteckt ist und das dezente Make-up, dass sie trägt unterstreichen das nur noch. Nach ihr weht eine leichte Vanilleduftwolke. Das macht sie einfach aus.

Immer wieder denke ich mir, sie ist eine absolut wundervolle Person und Koordinatorin unserer Hausangestellten. Meine Mutter kann diese Aufgaben keinesfalls übernehmen, für sie sind es niederschwellige Arbeiten für das sie Personal hat. Umso mehr, umso besser und Angeben lässt es sich so auch besser. Elis kümmerte sich schon immer liebevoll um mich, egal ob ich krank war oder einfach nur alleine. Als ich noch klein war, gingen wir immer dann wenn es möglich war in unseren Garten. Hier hat sie Obst und Gemüse angepflanzt. Unsere Ecke in der wir plaudern können, ohne dass uns jemand dabei stört. In der ganzen Zeit seit ich sie kenne ist sie die gute Fee. Dank ihr fühlt man sich hier zuhause und willkommen.

„Gabriella liebes“ sagt sie. In ihrem lieblichen italienischen Akzent, während sie sich kurz seltsam umblickt und die Türe schließt. Ich höre sofort, sie ist leiser als sonst, fast flüsternd und mit einem Unterton der mir das Schaudern über den Rücken jagt. Diesen Ton kenne ich so von ihr nicht. Ich sehe ihr direkt in die Augen, sie sind umgeben von kleinen Charakterfalten. Versuche in ihrem Gesicht zu sehen was sie möchte. Wir haben mehrere Geheimnisse gegenüber meinen Eltern, aber keine welchen diesen Blick rechtfertigen.

„Ja was, du machst mir Angst“, sage ich ebenso leise.

„Liebes ich habe hier etwas für dich, wir haben leider nicht lange Zeit also schlage ich vor, du nimmst diesen Karton. Nimmst ihn mit zur Arbeit. Er wird dort am sichersten sein und versuchst dich damit nicht sehen zu lassen. Versprich mir das. Hier nimm deine Arbeitstasche und stecke ihn hinein“ Sie übergibt mir den Karton. „Pronto“ sagt Elis in ihrer liebsten strengen Stimme und nickt mir aufmunternd zu.

„Ich erzähle dir derweil ein paar Dinge zu dem Karton. Liebes. Ich wollte heute an deinem Geburtstag ja eigentlich schon eher hier sein, ich wurde aber von Madame aufgehalten. Stupido noce“

Sie schüttelt leicht den Kopf und erzählt leise weiter während ich verdutzt den Karton verstaue und verschwinden lasse. Meinen Hoody lege ich darüber, müsste klappen. Gut, dass meine Taschen eher Shopper als Clutches sind.

„Also ich sage es dir gerade heraus und schnell.“ Sie bekreuzigt sich mit ihren Händen und holt tief Luft. Während ich innehalte und überlege. Es scheint ihr ernst zu sein, so habe ich sie noch nie gesehen.

„Der Karton ist von meiner besten Freundin. Deiner Mutter, Giulia. Hör gut zu, ich soll ihn dir an deinem einundzwanzigsten Geburtstag geben.“ Sie Blickt mir direkt in die Augen und versucht mir irgendetwas damit zu sagen, nimmt meine Hand und drückt sie fest.

„Meine Mutter“ frage ich. „Aber sie ist doch unten, wieso gibt sie ihn mir nicht selbst. Hat sie nicht einmal dafür Zeit?“ Den Namen Giulia habe ich wohl überhört.

Sie legt mir einen Finger auf den Mund und gestikuliert mir still zu sein. „Nein nicht diese blonde Bitch ist deine Mutter, liebes. Denk an deine Träume.“ Sie schüttelt kurz den Kopf und sieht sich nochmals über die Schulter, flüstert dann leise weiter. Ich kann ihr nicht richtig folgen.

„Ach Gott, es ist alles schon so lange her. Denk mal nach, mein Schatz. Du erwachst doch immer von diesen Albträumen, nun ja weißt du, es sind mehr oder weniger Erinnerungen an sie. An Giulia und eure gemeinsame Zeit. Sie war ein Engel, meine beste Freundin von Kindheit an. Die Frau darin ist deine Mutter.“ Ihre Hand drückt meine immer fester, ich habe das Gefühl die Zeit bleibt stehen, als ich sie langsam richtig verstehe. „Sie wurde mit dir vor der Hochzeit mit deinem Vater, also von ihrem Geliebten Schwanger und wurde aber mit Andree zwangsverheiratet. So war es in unseren Familien üblich, du weißt doch genau wie es ist, so wie bei deinen Freundinnen. Mit einundzwanzig wurden sie in die Ehe gebracht. Heilige Maria, ich musste es so lange Geheimhalten.“ Sie hat Tränen in den Augen, wirkt erleichtert ihre Stimme zittert und ihre Lippen beben. Aber ich hingegen fühle mich als wäre ein Schnellzug in mein Gehirn gefahren.

„Komm, es dauert jetzt zu lange dir alles zu erklären, die Zeit kommt noch. Ich hoffe, dass du Antworten in der Kiste finden wirst.“ Sie tätschelt mir die Hand und zeigt mir auf mich zu beeilen.

Mir bleibt der Mund offenstehen und ich weiß nicht was ich sagen soll. Meine In- Ear Kopfhörer liegen noch auf dem Bett und die Playlist wird im Hintergrund weiter abgespielt. Ich schwitze und kann meinen Gedanken nicht folgen. Ich weiß gar nicht wo ich zuerst anfangen soll.

„Sie sagte ich solle sie dir erst mit einundzwanzig Jahren geben, es liegen Briefe und Kleinigkeiten dabei, ich hatte sie die Jahre über unter einer losen Diele unter meinem Bett versteckt. Ich weiß nicht was sich alles darin befindet. Aber es war ihr so wichtig, dass ich sie für dich aufbewahre und es sollte sie auf keinen Fall jemand anders finden.“ Sie sieht mich voller Liebe an und schüttelt so wie sie es immer macht ihren Kopf, atmet tief durch und zeigt mir mit der Hand auf mich zu bewegen.

„So jetzt pronto. Nimm sie und sieh sie dir im Krankenhaus an.“ Sie drückt mir eilig einen Kuss auf die Stirn und schiebt mich an.

„Und bringe sie nicht wieder mit nach Hause.“

Wie auf das Stichwort erscheint Julius. Er klopft wie gewohnt einmal und reißt die Türe auf. Ich fühle mich ertappt, obwohl ich nichts gemacht habe. Ich bin absolut geschockt, voller Fragen, schwer atmend und zum Zerreißen angespannt. Immer wieder spielt sich die Frage ab, warum ich eine andere Mutter haben soll. Aber ich vertraue Elis bedingungslos, sie würde mich nicht anlügen. Ich muss also so tun, als wäre alles ok.

„Was ist los?“ fragt Julius. Blickt erst mich an und dann neigt er seinen Kopf zu Elis, die bereits meine Kissen aufschlägt obwohl es eigentlich nicht nötig wäre. Ich lüge ihn an und hoffe ihn zu beschwichtigen „Ach du weißt doch, Mädelskram, meine Party heute, die ganzen wichtigen Leute“ er blickt uns starr an und beschließt wahrscheinlich nichts zu sagen und es dabei zu belassen. So wie es aussieht glaubt er mir, er verdreht die Augen und zieht bereits los. Wir sind sowieso schon etwas spät dran und ich stapfe ihm eilig nach.

Die Fahrt zum Krankenhaus dauert heute gefühlt ewig und ich reibe mir vor lauter Aufregung die Oberschenkel und spiele an meinem Sicherheitsgurt. Die Verlockung ist groß in die Schachtel zu spähen, aber die Angst was sich darin befindet ist einfach größer.

Auf den Straßen sehe ich trotz dem Wochenende immer wieder die gleichen Spaziergänger mit ihren Hunden auf der morgendlichen Gassirunde. Die Jogger oder die, die sich etwas von dem einen Kaffeehaus holen an dem wir gerade abgebogen sind, am Central Park vorbei, der immer irgendwie eine Art von Ruhe und Geborgenheit ausstrahlt. Ein malerisches Bild am frühen sonnigen Morgen. Im Auto läuft wie immer das Radio und gerade werden die Nachrichten verkündet.

Ich ziehe vorsichtshalber die Sonnenbrille auf und starre weiter aus dem Fenster. Ich befürchte schon, dass meine Augen mich verraten. Ich war nie gut darin Gefühle zu verstecken oder mir nichts anmerken zu lassen. Was ist mit meiner Mutter passiert, wieso kann sie mir die Kiste nicht selbst geben. Je weiter ich darüber nachdenke desto eher kommt die Frage auf, wieso gibt sie mir überhaupt eine Kiste. Was soll das Ganze. Wer ist sie. Ich werde solange nicht weiter kommen bis ich hineingesehen habe.

Ich sehe schon, dass er immer wieder in den Rückspielgel zu mir nach hinten sieht. Ich hoffe, dass er nichts mitbekommt. Als wir endlich ankommen bei dem morgendlichen Berufsverkehr, springe ich förmlich aus dem Auto, werfe mir meine Tasche um und gehe zum Personaleingang des Krankenhauses. Ein kleines Krankenhaus indem wir als sogenannte Familie und multiprofessionelles Team arbeiten. Es gehört irgendeinem reichen Mann den die meisten von uns, noch nicht getroffen haben. Hier werden auch Promis behandelt. Nicht, dass ich davon schon mal einen zu Gesicht bekommen hätte, aber ich weiß, dass ich auf der Station oder in diesem Raum dann nichts zu suchen habe. Genauso wie viele anderer Mitarbeiter hier. Zutritt dazu hat nur ein bestimmter Personenkreis.

Auf dem ganzen Weg hierher habe ich überlegt wie ich es mache, was wird nicht auffallen. Wohin kann ich gehen und was zum Teufel ist in der Kiste. Die Gedanken schwirren wirr in meinem Kopf herum. Bei jedem Schritt den ich gehe, habe ich das Gefühl beobachtet zu werden. Obwohl ich nichts falsch mache. Jeder Schritt bringt mich dazu schneller zu werden. Ich habe Angst, dass jemand etwas merkt, obwohl ich nicht mal den Inhalt der schwer in meiner übergroßen Tasche mitschwingt kenne.

Ich gehe hinein, steuere direkt auf mein Ziel zu und verziehe mich in den Lagerraum. Hier ist besonders am Wochenende, kaum etwas los. Nichts, außer Geräte und das Stampfen aus dem Flur ist zu hören.

Ich setze mich ganz hinten neben ein Regal und hinter einen Tisch am Boden. Gleichzeitig überlege ich, was ich damit machen werde sobald ich damit wieder nach Hause gehe oder was ich mit der Erkenntnis aus der Kiste mache. Ich sehe mich im Raum um und entdecke zufällig einen Lüftungsschacht. Nach kurzem Überprüfen sehe ich, dass er leicht zu öffnen ist, genau wie der in meinem Zimmer. Dort verstecke ich auch meine wirklich privaten Sachen. Für meine Kiste, ist dieser hier perfekt.

Ja das würde funktionieren.

Also öffne ich die Kiste und nehme das erste Stück, einen Brief. Meine Hände zittern so stark vor Aufregung. Zeitgleich überwältigt mich ein vertrauter Geruch aus meiner Kindheit zusammen mit Moder, wie es bei alten Gegenständen oft üblich ist. Es sind unter anderem ein paar Briefe drinnen. Säuberlich nummeriert. Vor lauter Aufregung halte ich sogar den Atem an. Als wenn mein Atem mich verraten könnte.

Ich weiß nicht was das alles zu bedeuten hat oder mit sich bringen soll, geschweige denn was ich darüber denken kann. Ich nehme meinen Mut zusammen und atme tief durch.

Meine Finger fühlen sich schwer an als ich das Siegel löse. Dieses sieht so filigran aus, wie mit Wachs gegossen. Ehrfürchtig hole ich das Papier heraus und sehe sofort, dass es ein typisch alter Brief, auf schönem Briefpapier in wunderschöner Handschrift geschrieben, ist.

Meine geliebte Gabriella.

Als erstes will ich dir sagen, dass ich dich unsagbar liebe, wenn ich ehrlich bin weiß ich eigentlich gar nicht wo ich anfangen soll. Du wirst so viele Fragen haben, Angst haben, ich weiß auch nicht wie dein Leben gerade aussieht. Ich habe so viel, dass ich dir sagen möchte. Von dem ich hoffe, dass ich es dir noch sagen kann, so viel was ich gerne mit dir erlebt hätte und es gibt so viel das nicht hätte passieren sollen.

Unbedingt möchte ich dir auch sagen, du bist das Wertvollste das zu mir gehört. Meine Tochter.

Bevor ich deinen Vater heiraten sollte, wurde ich schwanger von meinem geliebten Antony. Er war die Liebe meines Lebens. Ein Mann den sich jede Frau wünschen sollte. Liebevoll, ehrlich, respektvoll.

Wir wollten eigentlich heiraten. Leider kam alles anders, an meinem einundzwanzigsten Geburtstag sollte ich verheiratet werden mit Andree und mein Geliebter verschwand. Das war das Werk meines Vaters. Ich nehme an du weißt wovon ich rede, in unserer Welt gilt es Imperien zu schaffen, Gefälligkeiten einzutauschen, Familien zu vereinen.

Es musste das Bündnis zwischen der Familie von Andree und der meinen vereint und durch einen Erben gefestigt werden. So war es vereinbart.

Die Ehe wurde von meinem Vater arrangiert und musste durchgeführt werden.

Wir wurden schnell verheiratet, doch bald stellte sich heraus, dass ich schwanger war und das nicht von Andree.

Mein geliebter Antony lebt in dir weiter, als ich sechs Wochen weiter war, als unsere Hochzeit her war, kannst du dir bestimmt denken wie die Tage danach aussahen.

Ich war in der Zeit nach der Hochzeit voller Trauer und Wut, mein Geliebter war verschwunden und stattdessen steckte ich mit dem älteren Monster und dessen Ring an der Hand fest. Keine Möglichkeiten zu verschwinden. Meine beste Freundin Elis war in dieser Zeit mein Fels in der Brandung. Sie war unsere Hausangestellte und Andree wusste nicht, dass wir befreundet waren.

All unsere Träume und Wünsche zerplatzten.

Tropfen von Tränen zeichnen sich auf dem Blatt ab und ich merke, dass auch meine eigenen dabei sind. Ich schniefe und wische die Tränen an meinem Shirt ab. Starre den Schuhkarton an und blicke ins Leere.

Mein Herz springt mir fast aus der Brust und ich muss mich zusammenreißen um weiter lesen zu können, ich weiß nicht wie lange ich noch Zeit habe bis sie sich fragen wo ich heute bleibe.

Als Andree das mit der Schwangerschaft herausfand, hatte er sofort Angst um sein Imperium – das Machtgefüge und den Titel als Don!

Nichts war wichtiger.

Da ich noch so jung war und seine Mutter doch noch etwas Einfluss auf ihn hatte, blieb ich am Leben. Du somit auch. Du solltest als seine Tochter aufwachsen und keiner sollte auf die Idee kommen, dass er getäuscht wurde. Er würde der Don werden und die ganze Ostküste einnehmen und regieren.

Ich bekäme das Erbe meines Vaters zu unserer Ehe dazu, sodass er weiteren Reichtum und Einfluss erlangen könnte. Und mein Vater der Staatsanwalt, ihm den Rücken für seine Geschäfte stärken könnte, er war froh endlich jemanden für sein Imperium zu haben denn ich bin die Tochter die leider kein Junge ist.

Andree wurde zum neuen Sohn.

Ich bin für jeden Tag mit dir dankbar. Ich mache oft Polaroids von unserer gemeinsamen Zeit, da ich keine Möglichkeit habe in die Stadt -ohne unserer Bodyguards- zu gehen und all meine Aktivitäten überwacht werden.

Elis bewahrt diese Schachtel für mich auf bis die Zeit reif ist, dir den ganzen Einblick zu geben. Du sollst die Wahrheit kennen, als Erinnerung, Stärkung, Liebe und vor allem als Warnung für dich und dein Leben.

Du bist dann alt genug, um hoffentlich weise zu entscheiden.

Ich habe keine Möglichkeit mit dir zu fliehen oder uns in irgendeiner weiße zu helfen aus diesem Leben in ein normales zu verschwinden.

Zu deinem einundzwanzigsten Geburtstag wirst du auch den Teil meines Erbes erhalten, wenn du verlobt bist.

Ich hoffe es ist noch nicht zu spät und du bekommst einen liebevollen Mann, vielleicht auch deinen Seelenverwandten. Ich hatte einmal dieses Glück und das wünsche ich dir genauso mein Kind.

Auf diese Weise will mein Vater wohl sicherstellen, dass du gut versorgt bist, bis du einundzwanzig bist.

Andree dich solange schützt. So wird mein Vater auch Mitsprache für deine Verlobung haben, er wird Weise wählen, ich kann ihm die Schuld die ihn wegen meiner Ehe zerfrisst ansehen.

Ich bin immer noch erschüttert wie kaltblütig Andree sein kann, wie er sich die letzten Jahre gezeigt hat, du jedoch wurdest von ihm gut behandelt. Das gibt mir Kraft und lässt mich Hoffen.

So, das ist die Kurzversion.

Sie dir bitte noch die Bilder und die anderen Briefe an, ich habe sie nummeriert.

Siehst du kleine Gabriella wir haben die gleichen Augen und du hast mein dunkles Haar, dein Mund ist von deinem richtigen Vater.

Ich kann dich schon als junge Frau sehen, du bist so liebenswert, stark, schlau, ich würde dich gerne als erwachsene Frau kennen lernen.

Das Glück liegt in dir, nicht in irgendwelchen Gegenständen.

Wunderschöne Bella In liebe deine Mutter, Freundin und Beschützerin

Ps: Auch wenn du mich auf der Welt nicht mehr hast, bin ich doch jeden Tag da und begleite dich auf deinem Weg. Ich sehe von den Sternen auf dich herab und weise dir den Weg.

Ich weine mittlerweile schon bitterlich und habe aus dem Handtuchspender genügend Papiertaschentücher verbraucht. Während ich die Polaroids leider zu schnell betrachte. Ich weiß gar nicht wo ich damit anfangen soll, meine Sicht verschwimmt immer wieder hinter meinem Tränenschleier. Trotz alledem fühlt es sich wie irgendeine Art der Befreiung an oder vielleicht wie ein Ankommen in meinem Leben, so einiges ergibt plötzlich Sinn für mich. Ein einundzwanzig Jahre altes Leben in ein paar Minuten erklärt.

Es ist fast wie in den Erinnerungen die ich im Schlaf habe oder in bestimmten Momenten. Ich dachte immer es wäre eine Person die ich mir erträume, ähnlich wie ich. So wie als hätte ich eine größere Schwester. So sagte es auch mein Therapeut in der Kindheit.

Ich erinnere mich an sie, es ist wie in meinen Träumen, nur das ich jetzt ein Bild dazu habe. Das schwarze Loch ist verschwunden, ich habe Gänsehaut. Die Frau die ich als Mutter bis jetzt kenne, ist einfach eine kalte Person die mit mir unter einem Dach lebt. Ja so ergibt das einfach Sinn. Sie hat Ähnlichkeit mit meiner echten Mutter, aber eben nur die äußere Hülle. Genauso wie sie, äußerlich eine Ähnlichkeit mit mir hat. Es hieß immer ich bilde mir das alles nur ein. Ich bin so wütend, so traurig, so froh. Meine Gefühle überschlagen sich gerade rasant.

In den Erinnerungen an den Brunnen im Garten bei uns, als ich immer Teekränzchen gespielt habe, zeigt sich jetzt ein kleines Mädchen das der Person an der Kamera zulächelt.

Ein weiteres zeigt mich und meine Mutter vor dem Spiegel in einem tollen Zimmer mit der Einrichtung die von unserem Haus sein könnte. Man erkennt sogar hier, dass wir zusammengehören. Ein Gesicht, eines klein und unschuldig und in dem anderen ein Lächeln das die Augen nicht erreicht, Augen die einem voller Trauer entgegenblicken.

Ein weiteres zeigt meine Kinderhand und die meiner Mutter.

Mich vor dem Kamin mit meinem alten Kuscheltier.

Ich habe keine Ahnung wie lange ich schon hier sitze und immer wieder Episoden aus meinen Erinnerungen vor meinen Augen ablaufen. Ich muss mich beeilen. Der Raum fühlt sich viel kleiner an und ich habe kein gutes Gefühl, gut ich habe so viele Gefühle, dass ich sie kaum auseinanderhalten kann. Trotzdem muss ich mich konzentrieren und meine nächsten Schritte planen. Ich muss auf jeden Fall irgendetwas tun.

Jetzt ist keine Zeit mehr die anderen Bilder, die tolle Kette oder die Kleidung zu bewundern. Auch die restlichen Briefe in der wunderschönen Schrift müssen weiter in der Kiste bleiben. Mist.

Traurig, aber ich fühle mehr Verbindung zu dieser Kiste als zu irgendetwas anderem in meinem Leben.

Eindeutig ich kann mich an sie erinnern, mein Herz wird warm. Und die Liebe die mich einst einhüllte erwärmt mich. Ich bin mir nun Hundertprozent sicher. Ich habe es mir nicht eingebildet oder fantasiert. Ich bin mir sicher, dass es diese Verbindung gegeben hat. Liebe die es zwischen einer Mutter und ihrer Tochter gab. Ein Zuhause und nicht nur ein Ort zum Wohnen, so wie ich es die ganzen Jahreüber hatte, seit sie nicht mehr da war. Ihr Duft wehte durch das Haus. Sie hat mich ins Bett gebracht und war am Morgen der erste Mensch den ich gesehen habe. Kein Produkt meiner Fantasie.

Es war liebevoll, ja und irgendwann hörte das alles auf. Die Lücken bis es mir selbstverständlich erschien, dass die jetzige Frau meines Vaters meine Mutter ist, kann ich aber nicht füllen. Es ist in der Realität wie ausgelöscht.

Es stand auch dabei, dass er mich, um das Erbe antreten zu können bei einem Notartermin, nach meinem einundzwanzigsten Geburtstag brauchen würde. Auch dass ich genauso, wie sie verheiratet werden soll. Verdammte Scheiße. Ich hatte noch nicht mal einen Freund.

Bevor ich lange weiter überlege, küsse ich eines der Bilder, verschließe die Kiste und stopfe sie in den Lüftungsschacht. Hoffentlich findet sie keiner.

Ich beschließe den Geldautomaten im Krankenhaus aufzusuchen und mir mein Geld oder so viel wie möglich abzuheben. Ich müsste tausend Dollar haben.

Wie solche Ehen aussehen habe ich zu genügend von meinen Freundinnen zu hören bekommen, besonders von Stella, sie weiß alles und kennt immer jeden. Sie ist dazu erzogen das alles zu wissen und die perfekte Frau zu sein. Benimmkurse hier, Kochkurse, Shopping Trips da. Nein, soweit werde ich es nicht kommen lassen. Mag sein, dass es jetzt eine voreilige Entscheidung ist aber das ist mir egal. Ich besorge mir jetzt Geld und steige in den nächsten Bus zum Busbahnhof. Ausweis habe ich keinen bei mir, also fällt ein Flug aus. Ich muss von ihm weg, zumindest solange bis sich das alles geklärt hat. Ich habe zu große Angst was mit mir geschieht, dass ich jetzt sogar mein Studium dafür aufgebe. Ich muss verschwinden, jetzt macht die Party heute Abend zumindest Sinn. Was wenn das eine Verlobungsfeier ist?

Wenn er mich als seinen Schlüssel betrachtet, habe ich zuhause keine Chance mehr diesem Leben zu entfliehen.

Ich schreibe Stella noch eine Nachricht, dass sie sich keine Sorgen macht und niemand Verdacht schöpft. Ich hoffe, dass sie heute Abend bei meiner Feier allen von meiner Nachricht erzählen wird.

<Hey Süße, ich bin voraussichtlich ein paar Tage aus der Stadt. Melde mich sobald ich wieder online sein kann. Sag bitte allen ich hätte dir gesagt, dass wir uns heute auf meiner Party treffen und ich mich freue mit allen zu tanzen und zu feiern. Mach dir keine Sorgen, ich erstatte dir bald Bericht.

Hab dich lieb Gabriella.>

Ich schalte das Handy aus und trenne es von dem Akku und beides landet im Müll.

So machen sie es doch auch in den Filmen, oder.

Die Flure sind lang, kahl und wenig besucht so früh am Morgen, in einem kleinen Krankenhaus wie diesem. Ich höre jeden Schritt den ich auf diesem Boden laufe, meine Schuhe hinterlassen ein quietschendes Geräusch.

Leider kann ich meinen Schwarm den heißen Assistenzarzt dann auch nicht mehr sehen, ich hätte mir wenigstens eine kurze Romanze gewünscht.

Gerade als ich meine Bankkarte in den Automaten stecke, werde ich von irgendetwas von hinten gepackt und mit einer Hand auf dem Mund ruhiggestellt. Ich kann kaum atmen und schreien sowieso nicht.

Es geschieht dann alles so plötzlich, dass ich den seltsamen Geruch auf dem Tuch vor meiner Nase zu spät als seltsam erkenne. Schon beim ersten Atemzug verstehe ich was das sollte und kann den nächsten aus Reflex nicht mehr stoppen.

Ich habe alles eingeatmet und spüre wie mir die Kraft ausgeht, komische Wärme und Kälte breitet sich aus. Schmerz schießt noch durch meinen Körper. Aber letztendlich gewinnt das Tuch, ich schließe die Augen.

Benebelt wache ich auf, angebunden an irgendetwas. Grelles flackerndes Licht schwebt über mir und ich zittere. Ob vor Kälte oder Angst lässt sich nicht trennen. Meine Augen suchen die Umgebung in Windeseile ab. Links, rechts und wieder links, alles ist noch verschwommen.

Ich habe richtige Halsschmerzen und auch Schmerzen am Kopf, verdammt es pocht so stark. Es pocht zusammen mit meinem immer schnelleren pochenden Herzen, fast so dass ich gleich zum hyperventilieren anfange. Ich muss mich beruhigen. In der Ruhe liegt die Kraft oder irgendetwas ähnliches oder, denke ich mir.

Wo bin ich und was sollte das, ich hoffe irgendwie immer noch, dass ich mir das alles nur einbilde.

Die Türe öffnet sich langsam, wie in Zeitlupe, nachdem sie aufgeschlossen wurde und ein älterer Mann im weißen Arztkittel hereintritt. Ich höre seinen Schlüsselbund und seine Absatzschuhe. „Na, Mädel“, beginnt er. „Nicht so gesprächig heute was? Mein Chef erwartet dich schon sehnsüchtig. Du bist etwas, das ihm schon vor langer Zeit versprochen wurde. Nur an der Übergabe hat es gehakt“

Ich weiß im ersten Moment gar nicht was er meint und schüttle den Kopf. Erst langsam erkenne ich das Zimmer unserer Krankenhaus Abteilung. Hier wo eigentlich sonst nur die auserwählten Pflegekräfte hineindürfen. Es ist das Fixierzimmer unserer Psychiatrischen Abteilung und zwar genau das für die speziellen Gäste, also Promis.

Langsam kann ich auch sein Gesicht erkennen, die Person hinter diesem Arztkittel. Es ist mein früherer Psychiater. Soll das jetzt wirklich nur ein Zufall sein? Ich beschließe erst einmal nichts zu sagen und mich dumm zu stellen. Das alles macht mir große Angst. Es ist verdammt schwer nicht hysterisch zu schreien und die Angst nicht zu zeigen die ich tatsächlich empfinde. Diese, die sich so schnell in mir ausbreitet, dass ich nicht mehr klar denken kann.

Die Fesseln schmerzen, schneiden in meine Arme und meine Beine sind lang gestreckt. Die Muskeln brennen und man hat das Gefühl, erst recht ausbrechen zu wollen. Ich ziehe unauffällig daran, nichts zu machen. Es ist als wenn einem die Luft zum Atmen abgedrückt wird.

„Dein Vater hat mächtig viele Schulden bei uns Kleine. Du müsstest eigentlich schon seit Wochen bei uns sein, nur hielt dich dein dümmlicher Vater die ganze Zeit unter Verschluss.“ Kryptische Worte für mich, stelle ich fest. Was will er mir damit genau sagen?

Ich hoffe, solange mein Vater mich beim Notar braucht wird er mich kaum irgendwo hinbringen wollen. Es ist unglaublich was ich innerhalb der Letzten paar Stunden herausgefunden habe. So unglaublich, dass ich beinahe in einem Lachkrampf versinke. Wie jemand der Psychopatisch ist. Manisch. Ich weiß nicht mehr wem ich trauen kann oder was noch in irgendeiner Weise der Wahrheit entspricht. Wie in einem Thriller aus welchem ich hoffentlich bald irgendwie wieder herauskomme. „Also dann, bis mein Chef Zeit für dich hat wirst du bei uns bleiben und wir machen es dir gemütlich kleine Schlampe. Ich kann dir auch gerne Gesellschaft leisten, schließlich kennen wir beide uns ja schon so lange“, er kommt immer näher mit seinem stinkenden alten Gesicht, ich kann richtig die Nasenhaare sehen und seinen Atem auf meiner Haut spüren. Seine Stimme trieft nur so vor vorgetäuschter Freundlichkeit und Sarkasmus.

Es klopft Gott sei Dank an der Türe, ein bekanntes Gesicht, Schwester Pia kommt herein. Ich kenne sie noch von ihrer Zeit in der Notaufnahme, wir hatten oft Dienste zusammen.

„Ja Schwester Pia, unsere Schwester Gabriella befindet sich gerade in einem akuten psychischen Ausnahmezustand. Sie steckt mitten in einer Psychose. Sie wollte einem verletzten

Unfallverursacher ein Kissen auf den Kopf drücken. Bei dem Versuch sie von ihm runter zu bekommen ist sie am Boden aufgeschlagen und wollte sich nicht mehr helfen lassen, armes Ding. Da sieht man wieder wie schnell es gehen kann, was meinst du?“ Sinniert er.

„Oh mein Gott“ sagt sie. Und reißt ihre Augen erschrocken auf. Sie sieht tatsächlich so aus als wüsste sie was hier los ist und als hätte sie Mitleid mit mir.

„Ja ganz genau, wir mussten sie fixieren“ sagt er fast so als täte es ihm leid. „Das arme Ding hätte sich sonst selbst noch weiter verletzt.“ Meint er und schüttelt seinen Kopf.

Sie geht langsam zu mir, auf die Seite und legt ihre Hand auf meine, fängt dann an langsam zu sprechen. „So akute Ausnahmezustände kommen schon mal vor. Keine Angst, wir versprechen dir zu helfen, dass es dir bald wieder gut gehen wird. Hörst du Gabi? Du wirst wieder ganz die Alte, sicher.“ Sie lächelt mich an.

Ich kann immer noch kaum sprechen und versuche es mit „Hilf mir“ und „rufe die Polizei.“

Der Therapeut lächelt nur und sagt, dass diese ja bereits im Haus ist wegen des Unfalls. Auch das er mir gleich nochmals etwas zur Beruhigung spritzen würde, um dass ich das nicht aushalten muss. Sobald sie wirkt, wird es mir besser gehen. „Wissen sie Gabriella, Schlafmangel kann sich bei so vielen Diensten auch schon mal schlecht auf die Psyche auswirken. Sie müssen besser auf die Work-Life Balance achten, verstehen sie, ein Ausgleich zu der stressigen Arbeit und dem Studium. Sie muten sich vielleicht einfach zu schnell, zu viel zu.“ Sein Blick alleine genügt um ihn schlagen zu wollen.

Dieser verdammte Dreckskerl, als wenn ich irgendwem etwas zu leide tun könnte.

Langsam beginnt die Injektion zu wirken und ich werde ganz ruhig. Mein Verstand arbeitet aber mein Körper scheint getrennt zu sein. Ich kann mich nicht Bewegen oder sprechen. Ich fühle mich nur mechanisch gefangen, sondern auch in meinem Körper und das macht mir eine scheiß Angst, soviel, dass ich schon hoffe zu sterben. Ich weiß nicht was mit mir hier passiert, was hat das alles mit meinem Vater zu tun, wie weit werden diese Männer gehen? Ich sollte womöglich auf alles gefasst sein.

Meine Augen sehen alles. Es ist nach kurzer Zeit bereits so als würden sich die Sinne schärfen, ich kann alles genau sehen, riechen, schmecken. Wahrscheinlich will einem der Körper so helfen. Toll das hilft mir aber jetzt wenig.

„Ach und Schwester Pia“ sagt er „Sie brauchen sich hier heute nicht mehr kümmern, das ist selbstverständlich, bei allen unseren Mitarbeitern, Chefarztsache.“ Sagt er in einem wahnsinnig lieblichen Ton. „Machen sie einfach für heute Schluss, morgen ist auch noch ein Tag, es ist genug Personal da.“ Und somit ist sie entlassen. Sie nickt und geht. Einfach so.

Ich bin absolut sprachlos, ich meine ich kann sowieso nicht sprechen aber ich würde auch keine Worte dafür finden. Bin einfach fassungslos, er ist definitiv mein Therapeut, wie kann das sein, was hat er hier für eine Aufgabe. Wieso lassen sie ihn an unschuldigen Menschen arbeiten, wieso bin ich ihm hier noch nicht früher begegnet. Und wieso hatte er mir all die Lügen eingeredet. Ich glaube es ist gut, dass keiner weiß, dass ich die Wahrheit kenne. Ich werde sie vor allem und jeden, solange geheim halten wie es geht.

Er schaltes das Licht aus und geht. Er verschließt die Türe, ich höre den Schlüssel wieder drehen. Ich bin alleine mit mir. Ich kann das Treiben am Flur hören, meine Atmung. die Lüftung, sehe das Blinken des Rauchmelders und höre neben mir das Tropfen des Wasserhahns. Platsch, platsch, platsch.

Er gibt mir zumindest ein beruhigendes Gefühl, etwas auf das ich mich jetzt zu konzentrieren versuche.

Plötzlich wünsche ich mir sehnsüchtig, dass ich zuhause in meinem Standard New Yorker Zimmer wäre. Im Bett, in meiner langweiligen beigen Bettwäsche liegend vor dem Fenster zu unserem schönen Garten. Auch das beschissene Kleid würde ich jetzt lieber tragen.

Ich bin nicht dumm, in unserer Welt sind schon öfter Menschen einfach nicht mehr aufgetaucht. Aber es dürfen keine Fragen gestellt werden. Es soll akzeptiert werden und es wird weiter gemacht, als wäre nichts gewesen. Andere gehen uns nichts an hieß es. Hätte ich doch nur mehr nachgefragt. Es werden täglich, Gott weiß wie viele Menschen, als vermisst gemeldet oder sie gehen von sich aus. Werden sie nach mir, auch so weiter machen, werde ich auch einfach aus aller Gedächtnis gelöscht werden? Wird es auch für meine Familie eine Schande sein, wenn man sie nach mir fragt? Frage ich mich und vergrabe mich in Selbstmittleid. Tränen laufen mir hinab und ich kann nichts dagegen machen, ich bin vollkommen ausgeliefert und möchte gar nicht daran denken, was als Nächstes passieren wird. Ich versuche mich zu konzentrieren, alles Wichtige in meiner Umgebung aufzunehmen. Versuche krampfhaft nicht in Panik zu geraten, ich spüre trotz allen Versuchen, dass sie sich langsam aber sicher über mich ergießt. Meine Hände schwitzen, mir ist kalt, ich zittere und versuche weiter auf den blinkenden Punkt über mir zu starren.

Ich denke über die Briefe meiner Mutter nach, über den vertrauten Geruch, die wahnsinnig tolle Kette und woher sie die wohl haben mag. Bin im Geiste ganz in den alten Erinnerungen versunken, irgendwann schlafe ich ein. Aus Erschöpfung oder mein Körper hat einfach abgeschaltet. So etwas wie Schockstarre muss es sein. Ich bin eigentlich nicht zimperlich, aber welche Art von Menschen, würde das nicht umhauen. Als ich wieder zu mir komme, ist das Plätschern des Wasserhahnes weg, der Reinigungsgeruch ebenfalls. Kein grelles Licht mehr, ich sehe nach beiden Seiten. So Kopf drehen funktioniert schon mal, Beine heben nicht. Automatisch macht sich die Panik in meinen Adern wieder bereit auszuströmen.

Finger bewegen kann ich auch, aber anscheinend sind meine Arme fixiert. Scheiße wie soll ich es hier wegschaffen. Ich bete und bete. Alle Verse die mir einfallen.

Mein Kopf pocht immer noch und mein Unterleib brennt, um darüber nachzudenken was das bedeutet bleibt mir jetzt keine Zeit. Schon kracht etwas und die Türe wird mit einem lauten Ruck geöffnet. Ich erschrecke und reiße meine Augen weit auf.

Das Licht strömt herein und ein ekliger glatzköpfiger Hüne steht plötzlich vor mir. Hinter ihm kommt noch jemand der den Lichtschalter betätigt und sich als dickerer kleinerer, aber nicht weniger ekliger Typ zeigt. Ich schlucke und hoffe, dass ich nicht gleich schon umgebracht werde. Ich glaube ich habe zu viel über den Tod die letzten Stunden gehört, dass ich schon paranoid werden muss. Wahrscheinlich wollen sie einfach nur mit mir sprechen.

Der größere sagt: „Der Boss will mit dir sprechen, wenn ich an deiner Stelle wäre würde ich besser nicht rumzicken und ein braves Mädchen sein“, seine gelben Zähne nehmen sein ganzes Gesicht ein. „Jetzt steh auf und dusche dich, zieh dir das an du stinkst verdammt noch mal.“ Er spuckt tatsächlich auf den Boden.

„Sobald du aus der Reihe tanzt, binde ich dich wieder fest aber diesmal ohne Kleidung, hast du verstanden?“ Ich nicke, bin total verängstigt.

Er hat mich losgebunden, der andere geht bereits aus dem Zimmer, er zeigt auf den Stuhl in der Ecke und stellt sich vor die Türe und sperrt diese von außen wieder ab. Aber die Schritte verschwinden nicht, anscheinend wartet er bis ich fertig bin. Ich dusche so schnell ich kann, benutze die Seife die dort steht. Auch das Wasser kommt sowieso mehr kalt als warm und ich trockne mich so schnell es geht irgendwie ab. eilig ziehe die Kleidung an, bevor er hereinkommt und ich nackt hier stehe. Ich will nicht wissen was sie mit mir machen werden, wenn ich nicht tue was sie verlangen. Am liebsten würde ich mich einfach auf diese harte Liege legen und liegen und liegen. Die Schulden meines Vaters abarbeiten, dass ich nicht lache. Was soll das für eine kranke Scheiße hier sein, vielleicht sollte ich ihnen sagen, dass er gar nicht mein Vater ist.

Aber die kranken Blicke der Männer besagen, dass ich lieber meinen Mund halten sollte und mich solange es geht fügen sollte. Wenn Blicke töten würden, wäre ich wirklich tot. Ich zittere überall und wünschte ich könnte nach Hause. Nach Hause zu meiner unechten Familie. Wie lächerlich ist das eigentlich.

Kaum fertig wird die Türe aufgeschlossen und ich werde grob am Arm gepackt und mitgeschleift. Lange Gänge sind zu sehen, meine Füße schmerzen auf dem eiskalten harten und rauen Boden, wenigstens Socken oder Schuhe hätten sie mir geben können. In dem Büro oder Arbeitszimmer angekommen werde ich auf einen Stuhl vor einem Schreibtisch gesetzt, die beiden Wiederlinge stehen hinter mir. Ich spüre ihre Anwesenheit, sie geht durch die Knochen. Vor allem die Hand, die mich an der Schulter auf den Stuhl drückt. Es sieht aus wie das Zimmer eines Dämons, alles schwarz und rot. Viel Leder, ein alter riesiger Schreibtisch, ein ekelhafter Gestank. Nicht mal ein Fenster gibt es hier, es kann mir ja eigentlich egal sein aber ich will nicht wissen wer gerne in so einem Loch arbeitet. Das heißt es geht nur über diese Türe hinein oder hinaus. Was muss das für ein Mensch sein, ja genau so ein Mensch der mit dem Leben anderer Menschen spielt als wären sie Schachfiguren. Im Moment sind wir hier bei Schachmatt angekommen.

Die Türe öffnet sich und ein richtig gruseliger, kahlköpfiger Fettwanst mit zig von Ringen an den Fingern steht vor mir. Da hilft ihm auch der teure Anzug nicht. Er blickt mich mit gläszechten Augen an, schnell überlege ich ob es auf Drogen rückzuführen ist, in dem Fall sollte man wirklich nicht mit so jemanden Spaßen. Tattoos auf den Fingern, Zeichen, Zahlen, Sterne alles auf einer einzigen Hand. Ich versuche unauffällig mir ein Bild von ihm zu machen und nicht gleich vom Stuhl zu fallen. Drogen hin oder her. Gefährlich ist er allemal. Jemand derart einschüchternden, habe ich wirklich noch nie gesehen. Die Zähne sogar mit Gold verkleidet.

„Gabriella“ beginnt er, ekelhaft meinen Namen aus diesem Mund zu hören, mir jagt der Schauer den Rücken hinunter.

Ich bin schon fast versucht die Augen zu rollen oder irgendeine Geste zu machen, halte mich aber absolut still denn ich weiß nicht wohin mich dieser Monolog jetzt führen wird. Ich muss ständig einen Brechreiz aus Angst und Ekel unterdrücken. Der Raum füllt sich mit seinem alten kalten Schweißgeruch und dem Hauch von abgestandener Zigarrenasche. „Dein Vater hat sich von mir eine Menge Geld geliehen, ebenso auch Männer also Kapazitäten. Er hat mir sein Wort gegeben, einen mündlichen Vertrag abgeschlossen, ein Geschäft. Er hat es nicht gehalten und ich warte auf meine Entschädigung.“ Ich kann ihm nicht folgen und schaue ihn einfach an, mein Puls rast und ich warte, dass er weiterspricht. Er zieht es aber in die Länge, was auf mich noch besorgniserregender wirkt. Ich kann die Stille im Raum spüren.

„Bis ich alles erhalten habe wirst du derweil bei mir die Zinsen davon abarbeiten. Na wie hört sich das an, das ist doch ein fairer Deal. Dein Vater wird sich freuen.“ Sein Gesicht nimmt noch einen anderen Ausdruck an, einen welchen ich nicht deuten kann. Die Hünen hinter mir kichern fast.

„Du wirst sicherlich gutes Geld bringen, untersucht wurdest du ja bereits. Du bist Jungfrau also hat dein Vater dabei zumindest nicht gelogen. Er hat deinen Wert erhalten, so wie es sich gehört. Dieser Trottel. Aber und jetzt hör mir gut zu du kleines Miststück, eine rum Hurerei wie die deiner Mutter Giulia werde ich nicht dulden. Du wirst tanzen und die Gäste glücklich machen. Drinks servieren, Nettigkeiten austauschen und gottverdammt so schauen als würde dir das auch noch Spaß machen. Haben wir uns verstanden, wie es dann mit dir weiter gehen wird, werden wir dann sehen. Wir sehen es, wenn mein Sohn zurückkommt und ich dich an ihn übergebe. Er kann entscheiden wie es mit seiner zukünftigen Braut weiter gehen wird.“ Er spricht langsam und laut, seine Augen verlassen mein Gesicht nicht und der Geruch weht mir in die Nase.

Hören kann ich was er sagt, ich verstehe es auch, der russische Akzent ist unverkennbar, aber die Worte wollen nicht in mein Gehirn vordringen. Irgendwie zwischen dem allen bleibt mein Kopf bei Tanzen und Ehefrau hängen. „So, dann kannst du heute bereits anfangen denn das Geld verdient sich nicht von alleine und jetzt geh mir aus den“ ich halte es nicht mehr aus, „Kranker Bastard“ platzt es plötzlich aus mir heraus, mehr aus Angst als aus Verstand, halt die Klappe sagt mir mein Verstand, sei still, aber mein Mund kann die Gefahr so wie es aussieht einfach nicht erfassen. „Für was halten sie sich eigentlich?“ Ich bin von mir genau so überrascht wie er, sein Hals verfärbt sich mittlerweile schon gefährlich dunkelrot. Die Gorillas hinter mir schnaufen ebenfalls. Er holt aus und versetzt mir einen Schlag auf meine rechte Gesichtshälfte. Das ging so schnell, dass ich es nicht kommen habe sehen, gerade so, dass ich nicht vom Stuhl falle und mich noch fangen kann. Mein Kopf pocht und ein beißender Schmerz vermischt sich mit Tränen die mir in die Augen steigen. Sie verwischen die Sicht auf ihn, ich schmecke Blut in meinem Mund ich starre ihn an, will keine Schwäche zeigen. Dann lächelt er und beginnt mit weit ausgeprägterem Akzent und verdammt wütend.

„Du wirst nachher gleich loslegen und den Männern im Club einen schönen Abend bescheren und die Schulden abarbeiten, verstanden? Du machst was dir gesagt wird, das ist dein Platz und dein neues Leben, Willkommen Kiskha, wenn du dich anständig verhältst, darfst du weiterhin deinen kleinen dümmlichen Kopf auf deinen Schultern tragen. Er sieht immer furchteinflößender aus, zeigt mit dem Finger auf mich. „Wenn nicht, werde ich dich zuerst meinen Männern zum Spielen geben. Glaub mir, die freuen sich immer auf neue Weiber und wenn du dann schon kaputt bist und betest, dass du stirbst, werde ich dir danach den Kopf abschneiden.“ Ich habe Mühe ihn wegen des Akzents zu verstehen. Recke aber mein Kinn. Ich versuche es.

„Wie lange du arbeiten wirst hängt von meinem Sohn ab“ seine Geste wirkt als würde er seinen Sohn auslachen, er hebt die Achseln und beschäftigt sich mit irgendwelchen Papieren auf seinem Tisch. „Schließlich brauchen wir auch noch einen Erben. Dann kann sich dein schwachköpfiger Vater ebenfalls verpissen.“ Er schenkt sich Wodka ein und dreht sich um, „Raus“ brüllt er „Und vergiss nicht, dich zu schminken, vor allem deine Wange.“

Die Gorillas packen mich wieder an meinem bereits schmerzenden Arm und schleifen mich einen anderen Weg, als den von dem wir gekommen sind hinter sich her. An einer der Türen angekommen sperren sie auf und ich komme scheinbar in eine mehr Zimmer Wohnung. Ich bin total perplex was das alles sein soll, auf einmal in einem Apartment zu landen.

Nicht hübsch aber definitiv normal. Weiße Türen und Fenster. Es ist ruhig hier, ich komme an einer Küche und einem Speisezimmer vorbei weiter an einer Türe die sie aufschließen müssen.

Er schiebt mich hinein und der große sagt „Du hast um zwanzig Uhr fertig zu sein, Kleidung und Schuhe liegen am Bett, benutze Makeup, du siehst erbärmlich aus. Und mach dich hübsch. Hörst du. Machst du nicht was man dir sagt, folgt sofort die Konsequenz daraus, Kleines.“

„Hier rein, du hast das linke“ er schubst mich weiter hinein und mit einem Klick, die Türe ist wieder verschlossen.

Ich stehe da, im Zimmer und stehe, versichere mir zu atmen aber es fällt mir so verdammt schwer.

Ich setze mich also auf das Bett und lege die Hände in den Schoß, bete und weine. Erst als kaum mehr Tränen übrig sind und die Sonne bereits wieder untergeht, öffnet sich vor mir die Türe. Ich höre den Schlüssel wieder drehen. Eine junge Frau in Jogginghose und Shirt kommt herein und begrüßt mich fröhlich.

„Hi ich bin Jana, bist du die Neue?“ Fragt sie, ich sehe sie an und weiß nicht recht ob ich sie begrüßen soll oder was sie von mir will. Misstrauen ist gerade mein neuer Begleiter. Es ist als wäre ich in eine falsche Welt gestolpert.

„Ich bin deine Bettnachbarin, wie es scheint, sie sagten schon, dass jemand im Zimmer auf mich wartet.“ Sie hält mir die Hand hin. Ich zucke nur mit dem Kopf.

„Oh versteh mich bitte nicht falsch, ich freue mich nur. Weißt du, nicht weiter alleine zu sein, der Umstand das du auch hier sein musst, ist natürlich scheiße. Unsere Bettnachbarin die das Bett über mir hat, ist schon seit längerem weg aber sie soll auch bald wiederkommen. Ich vermisse sie sehr.“

Ok, sie macht einen sympathischen Eindruck. Ich begrüße sie ebenfalls und stelle mich kurz vor. Sie erzählt im Laufe des Gespräches, dass es wirklich besser ist zu tun was sie sagen und dass es eigentlich nie jemand raus schafft, zumindest nicht von selbst. Anscheinend ist auch die Polizei involviert. Wir sitzen mittlerweile auf meinem Bett und weinen. Am Fenster zwischen unseren Betten steht eine Nachtlampe und eine digitale Uhr. Zwei Stunden noch bis wir abgeholt werden, dann ist es zwanzig Uhr.

Die Dusche ist für alle Mädchen in der Wohnung oder Gefängnis, je nachdem wie man es sehen will. Glätteeisen, Haarföhn und Wachstreifen damit wir uns für die Gäste bzw. Monster schön machen können. Alles hier wirkt einfach nur unheimlich.

Sie gehen davon aus das jede vorzeigbar ist. Alleine schon wegen den Strafen die dann auf uns warten werden.