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Tarzan und wie weiße Frau ("Tarzan of the Apes", 1912) ist ein Roman des amerikanischen Schriftstellers Edgar Rice Burroughs. Dieser Band ist der erste in einer Reihe über die Titelfigur Tarzan. Es wurde zum ersten Mal im Pulp-Magazin "The All-Story" im Oktober 1912 veröffentlicht, bevor es 1914 als Buch erschien. Die Figur war so beliebt, dass Burroughs die Serie bis in die 1940er Jahre um zwei Dutzend Fortsetzungen erweiterte. Die Geschichte folgt Tarzans Abenteuern, von seiner Kindheit, als er von Affen im Dschungel aufgezogen wird, bis hin zu seinen späteren Begegnungen mit anderen Menschen und der westlichen Gesellschaft. Die Orthografie wurde der heutigen Schreibweise behutsam angeglichen. Null Papier Verlag
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Edgar Rice Burroughs
Tarzan
Band 1 – Tarzan und die weiße Frau
Edgar Rice Burroughs
Tarzan
Band 1 – Tarzan und die weiße Frau
(Tarzan of the Apes)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2021Übersetzung: J. Schulze, Tony Kellen EV: Dieck & Co., Stuttgart, o. J. (273 S.) 1. Auflage, ISBN 978-3-962817-93-0
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Inhaltsverzeichnis
Hinaus auf die See
Das Heim in der Wildnis
Leben und Tod
Die Affen
Der weiße Affe
Dschungelkämpfe
Das Licht der Erkenntnis
Der Baumjäger
Mensch und Mensch
Geheimnisvolle Ereignisse
König der Affen
Der menschliche Verstand
Von seiner Art
Die Schrecken des Dschungels
Der Waldgott
»Sehr merkwürdig«
Begräbnis
Die Entführung im Dschungel
Die Stimme der Natur
In der Gewalt des Waldmenschen
In den Händen der Kannibalen
Auf der Suche nach d’Arnot
Mitmenschen
Der verschwundene Schatz
Der Vorposten der Kultur
Auf der Höhe der Zivilisation
Wieder der Riese
Zwischen drei Freiern
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Ihr
Tarzan – Band 1 – Tarzan und die weiße Frau
Tarzan – Band 2 – Tarzans Rückkehr
Tarzan – Band 3 – Tarzans Tiere
Tarzan – Band 4 – Tarzans Sohn
Tarzan – Band 5 – Der Schatz von Opar
Tarzan – Band 6 – Tarzans Dschungelgeschichten
Diese Geschichte habe ich von jemand, der keinen besonderen Grund hatte, sie mir oder einem anderen zu erzählen. Ich dachte anfänglich, der Erzähler sei in einer angeheiterten Stimmung, und ich konnte auch die folgenden Tage nicht recht an die Geschichte glauben.
Als mein freundlicher Gastgeber merkte, dass seine Erzählung Zweifel in mir erregte, legte er mir als schriftlichen Beweis dafür ein muffiges Manuskript und trockene amtliche Berichte des britischen Kolonialamtes vor, um mir eine Reihe der hervorstechendsten Tatsachen der merkwürdigen Erzählung zu belegen.
Ich behaupte nicht, dass die Geschichte wahr ist, denn ich war nicht Zeuge der darin geschilderten Ereignisse, aber ich glaube, bestimmt, dass sie wahr sein kann, und deshalb habe ich den darin beteiligten Personen andere Namen gegeben.
Die gelben Blätter des Tagebuchs eines längst verstorbenen Mannes und die Berichte des Kolonialamtes stimmen genau überein mit der Erzählung meines Gastgebers, und so unterbreite ich dem Leser die Geschichte, wie ich sie mithilfe der angegebenen Dokumente mit großer Mühe ausgearbeitet habe. Sollte man sie nicht glaubwürdig finden, so wird man doch jedenfalls mit mir darin übereinstimmen, dass es ein ganz einzigartiger, bemerkenswerter und interessanter Fall ist. Aus den Berichten des Kolonialamtes und aus dem Tagebuch des Verstorbenen erfahren wir, dass ein junger vornehmer Engländer, den wir John Clayton, Lord Greystoke, nennen wollen, beauftragt wurde, eine besonders vorsichtige Untersuchung über die Verhältnisse anzustellen, unter denen in einer britischen Kolonie der Westküste Afrikas Eingeborene von einer anderen europäischen Macht als Soldaten für ihre Eingeborenenarmee angeworben wurden, die lediglich zur zwangsweisen Beitreibung von Gummi und Elfenbein bei den wilden Stämmen am Kongo und Aruwimi1 benützt wurden.
Die Eingeborenen der britischen Kolonie beklagten sich darüber, dass manche ihrer jüngeren Leute durch die schönsten Versprechungen weggelockt wurden, dass aber nur wenige zu ihren Familien zurückkehrten.
Die Engländer in Afrika gingen noch weiter, indem sie behaupteten, diese armen Schwarzen würden gewissermaßen in Sklaverei gehalten, denn bei Ablauf ihrer Verpflichtungszeit würde ihre Dummheit von den weißen Offizieren ausgenützt und es würde ihnen gesagt, sie müssten noch einige Jahre dienen. Aus diesem Grunde sandte das Kolonialamt John Clayton auf einen neuen Posten nach Britisch-West-Afrika. Es gab ihm den vertraulichen Auftrag, eine gründliche Untersuchung über die illoyale Behandlung schwarzer britischer Untertanen seitens der Offiziere einer befreundeten europäischen Macht anzustellen. Die Veranlassung zu seiner Mission ist aber für diese Erzählung von geringer Bedeutung, denn Clayton stellte keine Untersuchung an und in Wirklichkeit erreichte er nicht einmal seinen Bestimmungsort.
Clayton war das Urbild eines tapferen Engländers, wie wir uns es nach den Heldenleistungen in vielen siegreichen Schlachten vorstellen, ein tüchtiger Mann in geistiger, moralischer und körperlicher Hinsicht.
Er war von etwas mehr als mittlerer Größe. Seine Augen waren grau, seine Züge regelmäßig und energisch. Seine Haltung war die eines starken, gesunden Mannes, den der Militärdienst noch gestählt hatte.
Aus politischem Ehrgeiz hatte er einen Übertritt vom Heeresdienst zum Kolonialamt angestrebt, und so finden wir ihn in noch jugendlichem Alter mit einem wichtigen Auftrag im Dienste der Königin betraut.
Diese Berufung erfüllte ihn zwar mit Stolz, aber er war doch auch darüber erschrocken. Die Beförderung erschien ihm als ein wohlverdienter Lohn für seine ausdauernden, umsichtigen Dienste und als eine Etappe zu einem bedeutenderen und verantwortungsvolleren Posten, aber andererseits hatte er erst vor drei Monaten Alice Rutherford geheiratet, und er war entsetzt bei dem Gedanken, seine junge Frau den Gefahren und der Einsamkeit des tropischen Afrika auszusetzen. Ihr zuliebe hätte er den Auftrag ablehnen mögen, aber sie wollte das nicht. Sie drang sogar in ihn, dass er ihn annehmen möchte, und erklärte sich bereit, mit ihm zu gehen. Da waren zwar die Mütter und die Brüder und die Schwestern, die Tanten und Vettern, die allerlei Ansichten darüber kundgaben, aber die Geschichte berichtet uns diese verschiedenen Meinungen nicht.
Wir wissen nur, dass an einem freundlichen Maimorgen des Jahres 1888 Lord Greystoke und Frau Alice von Dover nach Afrika absegelten.
Einen Monat später kamen sie in Freetown an, wo sie ein kleines Segelschiff, die »Fuwalda«, mieteten, um nach ihrem Bestimmungsort zu gelangen.
Von jener Zeit an war aber Lord John Greystoke mit seiner Frau Alice völlig verschollen. Kein Mensch hat sie mehr gesehen, noch etwas von ihnen gehört.
Zwei Monate, nachdem sie den Hafen von Freetown verlassen hatten, durchsuchten sechs englische Kriegsschiffe den südatlantischen Ozean, um eine Spur von ihnen oder ihrem kleinen Schiff zu finden, und bald darauf entdeckten sie die Trümmer des Seglers an der Felsenküste von St. Helena. So war die Welt überzeugt, dass die »Fuwalda« mit Mann und Maus untergegangen war, und die Nachforschung nach den Vermissten wurde eingestellt, nachdem sie noch kaum begonnen hatte. In den sehnsüchtigen Herzen der Angehörigen lebte zwar noch manches Jahr die Hoffnung fort, bis sie allmählich erlosch.
Die »Fuwalda«, ein Fahrzeug von etwa hundert Tonnen, war ein Schiff von der Gattung, die man im Küstenhandel des fernen südatlantischen Ozeans oft sieht und deren Mannschaft aus dem Abschaum der See, ungehängten Mördern und Räubern aller Rassen und Nationen, besteht.
Die Offiziere der »Fuwalda« waren gebräunte Eisenfresser, die die Mannschaft hassten, so wie sie von dieser gehasst wurden. Der Kapitän war zwar ein tüchtiger Seemann, aber brutal gegen seine Leute. In seinem Verkehr mit ihnen kannte er nur zwei Argumente, wenn er sie auch erst in letzter Linie benützte, den Knüppel und den Revolver, und es ist auch nicht wahrscheinlich, dass das bunte Gemisch, das er angeworben hatte, irgendetwas anderes verstanden hätte.
So geschah es denn, dass schon am zweiten Tage nach der Abfahrt von Freetown John Clayton und seine junge Frau auf dem Deck der »Fuwalda« Zeugen von Szenen wurden, wie sie nie geglaubt hätten, dass sie anders als auf den bunten Titelbildern von Seegeschichten vorkämen.
Es war am Morgen des zweiten Tages, wo das erste Glied einer Kette entstand, die das Leben eines damals noch Ungeborenen so umstricken sollte, wie es vielleicht noch nie dem Leben eines Menschen geschehen ist.
Zwei Matrosen waren beschäftigt, das Deck der »Fuwalda« zu waschen. Der erste Steuermann war auf seinem Posten, und der Kapitän hatte sich eben mit John Clayton und Frau Alice unterhalten.
Die Matrosen waren hinter ihnen an der Arbeit. Sie kamen immer näher, bis der eine von ihnen direkt hinter dem Kapitän war. In einem anderen Augenblick wäre er ohne Weiteres vorübergegangen, und dann wäre diese ganze außerordentliche Geschichte nicht passiert.
Aber gerade als der Offizier sich umdrehte, um Lord und Lady Greystoke zu verlassen, stolperte er über den Matrosen und fiel in seiner ganzen Länge auf das Deck, wobei er den Eimer umstürzte, sodass er von dem schmutzigen Inhalt übergossen wurde.
Im ersten Augenblick erschien die Szene zum Lachen, aber auch nur für einen Augenblick. Mit einer Salve schrecklicher Flüche, das Gesicht rot vor Wut, stand der Kapitän wieder auf, und mit einem fürchterlichen Hieb schlug er den Matrosen nieder.
Es war ein schmächtiger, schon älterer Mann, sodass die Brutalität nur noch mehr hervortrat. Der andere Seemann aber war bedeutend jünger und stärker, ein richtiger Bär, mit stolzem schwarzem Schnurrbart und stiernackig.
Als er sah, dass sein Kamerad dalag, bückte er sich, sprang mit einem leisen Knurren auf den Kapitän los, und schlug ihn mit einem einzigen mächtigen Schlag auf die Knie nieder.
Das Gesicht des Offiziers, das bis dahin rot gewesen war, wurde jetzt weiß, denn das war offene Meuterei und Meuterei hatte er schon früher in seinem brutalen Kerker unterdrückt. Ohne zu warten, bis er wieder aufstehen konnte, zog er seinen Revolver aus der Tasche und richtete ihn aus den muskulösen Riesen, der vor ihm aufragte, aber im selben Augenblick, da Lord Greystoke die Waffe aufleuchten sah, schlug dieser sie zu Boden, sodass die Kugel, die dem Herzen des Matrosen zugedacht war, ihn nur ins Bein traf.
Es entstand ein Wortwechsel zwischen Clayton und dem Kapitän. Der Lord erklärte ihm nämlich, er sei entrüstet über die Grausamkeit gegen die Mannschaft und er wolle nicht dulden, dass sich je wieder etwas Derartiges ereigne, solange er und seine Frau als Passagiere aus dem Schiff seien.
Der Kapitän war auf dem Punkte, ihm heftig zu erwidern, aber er fühlte, es sei besser, das nicht zu tun, und so wandte er sich mit finsteren Blicken um und ging davon.
Er hielt es doch für klüger, einen englischen Beamten nicht zu reizen, denn die mächtige Königin hatte ein Strafwerkzeug zur Verfügung, das er kannte und fürchtete: Englands weitreichende Flotte.
Die beiden Matrosen standen auf, indem der alte Mann dem verwundeten Kameraden behilflich war. Der starke Kerl, der unter der Mannschaft als der schwarze Michel bekannt war, prüfte sein Bein bedächtig und als er fand, dass es sein Gewicht noch tragen konnte, wandte er sich Clayton zu, indem er ihm mit kurzen Worten dankte.
War auch der Ton des Mannes mürrisch, so waren seine, Worte doch offenbar gut gemeint. Kaum hatte er seine Ansprache vollendet, so hatte er sich schon umgedreht und war im Matrosenlogis verschwunden, in der offenbaren Absicht, jede weitere Unterredung zu vermeiden.
Der Lord und seine Frau sahen ihn einige Tage lang nicht mehr, und auch der Kapitän würdigte sie nur eines mürrischen Brummens, wenn er gezwungen war, mit ihnen zu sprechen. Sie speisten gemeinsam in seiner Kajüte,2 wie sie es vor dem unglücklichen Vorfall taten, aber der Kapitän sorgte dafür, dass seine Pflichten es ihm niemals erlaubten, zu gleicher Zeit mit ihnen zu essen.
Die anderen Offiziere waren derbe ungebildete Kerle und nur zu froh, gesellschaftlichen Verkehr mit dem feinen englischen Edelmann und seiner Gattin zu meiden, sodass die Claytons sehr viel sich selbst überlassen waren.
An und für sich entsprach dies ihren Wünschen vollkommen, aber dadurch waren sie auch von dem Leben und Treiben auf dem kleinen Schiff abgesondert und nicht imstande, in Fühlung mit den täglichen Vorkommnissen zu bleiben, die schon so bald in einer blutigen Tragödie endigen sollten.
In der ganzen Atmosphäre des Schiffes lag ein unbestimmtes Etwas, das Unheil verkündete.
Äußerlich ging auf dem kleinen Fahrzeug alles, soweit die Claytons es sahen, seinen gewohnten Gang, aber dass sie einer unbekannten Gefahr entgegengingen, fühlten beide, obschon sie sich gegenseitig nicht darüber aussprachen.
Am zweiten Tag, nachdem der schwarze Michel verwundet worden war, kam Clayton gerade rechtzeitig auf das Deck, um zu sehen, wie der schlaffe Körper eines Matrosen von vier Kameraden hinuntergebracht wurde, während der erste Steuermann, einen schweren Knüppel in der Hand haltend, der kleinen Gruppe trotziger Matrosen nachsah.
Clayton stellte keine Frage — er hatte es auch nicht nötig —, aber als am folgenden Tage der große Umriss eines englischen Schlachtschiffes am fernen Horizont auftauchte, war er halb entschlossen, zu verlangen, dass er und seine Gattin an dessen Bord übergesetzt würden, denn seine Befürchtung, dass ihnen bei ihrem Verbleiben auf der düsteren »Fuwalda« noch etwas Übles zustoßen könnte, wuchs ständig.
Gegen Mittag kamen sie in Sichtweite des britischen Schiffes, aber wenn Clayton auch nahezu entschlossen war, den Kapitän zu bitten, sie übersetzen zu lassen, so wurde ihm jetzt das augenscheinlich Lächerliche eines solchen Ersuchens plötzlich klar. Welchen Grund sollte er dem befehlenden Offizier von Ihrer Majestät Schiff angeben, um in der Richtung zurückzufahren, aus der er soeben gekommen war?
Wahrhaftig, wenn er den Offizieren erzählt hätte, dass zwei widerspenstige Matrosen rau behandelt worden seien, so hätten sie nur heimlich über ihn gelacht und ihn der Feigheit bezichtigt, wenn er das kleine Schiff nur aus diesem Grunde verlassen hätte.
So verzichtete Lord Greystoke darauf, an Bord des britischen Kriegsschiffs gebracht zu werden; aber am späten Nachmittag, noch bevor die Mastspitzen des Kriegsschiffes am fernen Horizont ganz verschwunden waren, fand er seine größten Befürchtungen bestätigt, und er verwünschte nun seinen falschen Stolz, der ihn einige Stunden vorher davon abgehalten hatte, sein junges Weib in Sicherheit zu bringen, als sich ihm diese Rettung bot — eine Rettung, die nun für immer vorbei war.
Es war am Nachmittag, als der kleine alte Mann, der vor einigen Tagen so unmenschlich von dem Kapitän niedergeschlagen worden war, sich an Clayton und seine Frau, die dem entschwindenden Schlachtschiff nachsahen, heranschlich. Der Alte polierte Messingstangen, und als er näher an Clayton herankam, sagte er in flüsterndem Tone:
Er wird’s bezahlen, Herr! Das glauben Sie mir aufs Wort. Er wird’s bezahlen!
Was meinen Sie, mein Bester? fragte Clayton.
Wie? Haben Sie nicht gesehen, was hier vorgeht? Dieser Teufels-Kapitän! Gestern zwei zerschlagene Köpfe und heute drei. Der vom schwarzen Michel ist wieder so gut wie neu, und er ist nicht der Kerl, der sich das gefallen lässt, er nicht, mein Wort darauf!
Sie meinen, lieber Mann, dass die Mannschaft meutern will?
Meutern? erwiderte der Alte, meutern? Totschlagen wird man, Herr, mein Wort darauf!
Wann?
Es kommt, Herr, es kommt, aber ich darf nicht sagen, wann, und ich habe jetzt schon verflucht viel gesagt, aber Sie waren neulich so gut gegen mich, und da dachte ich, es wäre nicht mehr als recht, sie zu warnen. Aber halten Sie die Zunge fest, und wenn Sie schießen hören, so gehen Sie hinunter und bleiben Sie dort! Das ist alles, aber schweigen Sie, oder man wird Ihnen eine Pille zwischen die Rippen jagen, — verlassen Sie sich darauf, Herr!
Und der alte Mann polierte weiter und entfernte sich allmählich von der Stelle, wo die Claytons standen.
Das sind ja schöne Aussichten, Alice, sagte Clayton.
Du musst den Kapitän sofort warnen, John! sagte sie. Die Unruhen können dann vielleicht noch verhütet werden.
Eigentlich müsste ich es tun, aber vom selbstsüchtigen Standpunkt aus möchte ich lieber »die Zunge festhalten«. Was die Leute auch unternehmen mögen, uns werden sie schonen, aus Dank dafür, dass ich für den schwarzen Michel Partei ergriffen habe, aber wenn sie herausfänden, dass ich sie verraten hätte, so würden wir keine Gnade vor ihnen finden, Alice!
Du hast aber nur eine Pflicht, John, und die liegt auf der Seite der verletzten Autorität! Wenn du den Kapitän nicht warnst, so machst du dich der Mithilfe schuldig, genau so, als ob du an der Anzettelung der Verschwörung mit beteiligt gewesen wärest.
Du fasst die Sache falsch auf, mein Liebling, erwiderte Clayton. An dich denke ich, — darin liegt meine erste Pflicht. Der Kapitän hat sich selbst in diese Lage gebracht. Warum soll ich im wahrscheinlich nutzlosen Versuch, ihn vor seinem eigenen brutalen Wahnsinn zu retten, es riskieren, meine Frau undenkbaren Gräueln auszusetzen? Du hast keinen Begriff, meine Liebe, von dem, was folgen würde, wenn dieses Pack von Halsabschneidern die »Fuwalda« in ihre Gewalt bekäme.
Pflicht ist Pflicht, mein Lieber, und kein Scheingrund kann etwas daran ändern. Das müsste ein armseliges Weib für einen englischen Lord sein, wenn es ihn verhindern wollte, einfach seine Pflicht zu tun. Ich verstehe die Gefahr, die daraus entstehen kann, aber ich kann ihr mit dir vereint entgegentreten, und zwar tapferer als ich es im Bewusstsein der Schuld könnte, dass du eine Tragödie hättest vermeiden können, wenn du deine Pflicht nicht vernachlässigt hättest.
So geschehe denn dein Wille, Alice, antwortete er. Vielleicht machen wir uns auch unnötige Sorgen. Wenn mir auch die Vorgänge an Bord dieses Schiffes nicht gefallen, so sind sie doch vielleicht nicht so tragisch, denn es ist möglich, dass der alte Seemann mehr die Wünsche seines bösen alten Herzens geäußert als von wirklichen Tatsachen gesprochen hat. Meuterei auf hoher See mag vor hundert Jahren häufig gewesen sein, aber im Jahre 1883 ist es das unwahrscheinlichste Vorkommnis, das man sich denken kann. — Doch da geht der Kapitän in seine Kajüte! Wenn ich ihn warnen soll, so möchte ich diese unangenehme Sache gleich erledigen, denn ich habe überhaupt wenig Lust, mit dem brutalen Menschen zu sprechen.
Indem er so sprach, schlenderte er mit sorgloser Miene der Kajütentreppe zu, die der Kapitän eben passiert hatte, und klopfte einen Augenblick später an dessen Tür.
Herein! brummte der tiefe Bass des mürrischen Offiziers. Und als Clayton eingetreten war und die Tür hinter sich geschlossen hatte, fragte er:
Nun?
Ich komme, um Ihnen den Hauptpunkt einer Unterredung mitzuteilen, die ich heute gehört habe, denn ich habe die Empfindung, dass, wenn auch nichts Wahres daran sein sollte, es auf alle Fälle gut sein wird, wenn Sie bewaffnet sein werden. Die Mannschaft beabsichtigt in Kürze Meuterei und Totschlag!
Das ist gelogen! brüllte der Kapitän. Und wenn Sie sich noch einmal in die Disziplin dieses Schiffes einmischen oder sich um Dinge kümmern, die Sie nichts angehen, so sollen Sie die Folgen tragen und zum Teufel gehen! Es ist mir gleich, ob Sie englischer Lord sind oder nicht. Ich bin Kapitän dieses Schiffes, und von jetzt ab stecken Sie Ihre Nase nicht mehr in meine Angelegenheiten!
Indem er so sprach, redete er sich in eine solche Wut hinein, dass er puterrot im Gesicht wurde und die letzten Worte nur so hinausschrie, indem er mit der einen gewaltigen Faust auf den Tisch schlug und mit der anderen Clayton bedrohte. Greystoke verzog keine Miene, sondern sah nur mit Staunen auf den erregten Mann.
Kapitän Billings, sagte er mit langsamer Betonung, wenn Sie meine Offenheit verzeihen wollen, so möchte ich Ihnen sagen, dass Sie ein Esel sind. Verstehen Sie?
Darauf drehte er sich um und verließ die Kajüte mit derselben Gemütsruhe, die ihm stets eigen war und die den Zorn eines Mannes wie Billings mehr steigerte, als eine Flut von Schimpfworten.
Wenn Clayton versucht hätte, ihn zu versöhnen, so hätte der Kapitän seine jähzornigen Worte vielleicht bedauert. So aber verblieb er in derselben Wut, wie Clayton ihn verlassen hatte, und somit war die letzte Aussicht auf ein Zusammenarbeiten für ihr gemeinsames Wohl und die Erhaltung ihres Lebens dahin.
Nun, Alice, sagte Clayton, als er zu seiner Frau zurückkehrte, wenn ich meinen Atem gespart hätte, so hätte ich mir auch ein wenig Ärger erspart. Der Kerl zeigte sich sehr undankbar. Er fiel mich an wie ein toller Hund. Er mag mit seinem alten Schiff zum Henker gehen! Was liegt mir daran. Und bis wir glücklich hier loskommen, werde ich nur noch auf unser eigenes Wohl bedacht sein. Und ich denke, dass der erste Schritt auf diesem Wege der sein wird, nach unserer Kajüte zu gehen und nach meinem Revolver zu sehen. Ich bedauere jetzt, dass ich die größeren Gewehre und die Munition ganz unten in die Koffer gepackt habe.
Sie fanden ihre Kabine in einem üblen Zustand. Kleider aus ihren offenen Koffern lagen in dem kleinen Raum umhergestreut und selbst die Betten waren auseinandergerissen.
Da hat offenbar einer sich mehr für unser Eigentum interessiert als wir selbst, sagte Clayton. Ich möchte aber wissen, was der freche Kerl gesucht hat. Lass uns doch einmal nachsehen, Alice, ob etwas fehlt.
Nach gründlichem Suchen stellte sich heraus, dass nichts weiter gestohlen worden war, als die zwei Revolver und etwas Munition, die dabei lag.
Das sind gerade die zwei Dinge, auf die ich am meisten Wert gelegt hätte, sagte Clayton. Und die Tatsache, dass sie nur diese mit fortgenommen haben, ist das Schlimmste von allem, was wir bis jetzt auf diesem erbärmlichen Kasten erfahren haben.
Was sollen wir nun tun, John? fragte seine Frau. Ich werde dich nicht mehr drängen, nochmals zum Kapitän zu gehen, denn ich möchte dich nicht noch einmal einer Beschimpfung aussetzen. Vielleicht liegt unsere beste Aussicht auf Rettung in einem neutralen Verhalten. Wenn die Offiziere imstande sind, eine Meuterei zu verhindern, so haben wir nichts zu befürchten, während, wenn die Meuterer siegen, unsere einzige schwache Hoffnung darin liegt, nicht versucht zu haben, ihre Pläne zu durchkreuzen oder zu bekämpfen.
Du hast recht, Alice. Halten wir den goldenen Mittelweg ein.
Als sie sich anschickten, ihre Kabine in Ordnung zu bringen, bemerkten Clayton und seine Frau, dass ein Stück Papier unter der Tür hereingeschoben wurde. Als Clayton sich danach bückte, war er verwundert, dass es sich weiter bewegte, und er erkannte, dass es jemand von außen hereinschob. Schnell und lautlos näherte er sich der Tür, aber als er diese aufreißen wollte, fasste seine Frau ihn beim Handgelenk.
Nein, John, flüsterte sie, sie wollen nicht gesehen werden, und deshalb wollen wir sie auch nicht überraschen. Vergiss nicht, dass wir den goldenen Mittelweg gehen wollen. Clayton zog seine Hand zurück. So standen sie da und beobachteten das kleine Stück weiße Papier, bis es vollständig diesseits der Tür war.
Dann hob Clayton es auf. Es war ein schmutziges Blatt, das unordentlich zusammengefaltet war. Beim Öffnen lasen sie darauf einige Zeilen in einer Schrift, die offenbar von einer des Schreibens nicht gewohnten Hand herrührte.
Dem Inhalt nach war es eine Warnung an die Claytons, sich bei Todesstrafe einer Meldung über das Abhandenkommen der Revolver oder einer Mitteilung über das, was der alte Matrose gesagt hatte, zu enthalten.
Ich glaube, es geht gut, sagte Clayton mit traurigem Lächeln. Alles, was wir tun können, ist uns ruhig zu verhalten und abzuwarten, was auch kommen mag.
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Wohn- und Schlafraum auf Schiffen <<<
Lord Greystoke und seine Gemahlin brauchten nicht lange warten, denn am nächsten Morgen, als er auf Deck gehen wollte, um seinen gewohnten Spaziergang vor dem Frühstück zu machen, fiel ein Schuss und dann ein zweiter und ein dritter.
Der Anblick, der sich ihm bot, bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Der kleinen Gruppe von Offizieren stand die ganze bunte Schiffsmannschaft der »Fuwalda« gegenüber, der schwarze Michel an der Spitze.
Nach der ersten Salve der Offiziere eilten die Matrosen in Deckung und feuerten hinter Mastbäumen, Ruderhaus und Kombüse heraus auf die fünf Männer, die die verhasste Autorität des Schiffes darstellten.
Zwei Matrosen waren schon unter den Kugeln des Kapitäns gefallen. Sie lagen noch, wie sie gefallen waren, zwischen den Kämpfenden.
Jetzt stürzte der erste Steuermann vornüber aufs Gesicht, und auf einen Befehl des schwarzen Michels feuerten die wütenden Gesellen auf die vier überlebenden. Die Mannschaft hatte nur sechs Feuerwaffen auftreiben können; deshalb war sie mit Bootshaken, Äxten, Beilen und Brecheisen bewaffnet.
Der Kapitän hatte seinen Revolver abgeschossen und war im Begriff, ihn wieder zu laden. Des zweiten Steuermannes Gewehr hatte versagt, und so waren nur noch zwei Waffen den Meuterern gegenüber, als diese sich rasch den jetzt zurückweichenden Offizieren näherten. Auf beiden Seiten wurde fürchterlich geflucht; dazu kam das Knallen der Feuerwaffen und das Schreien und Stöhnen der Verwundeten, sodass es auf dem Verdeck der »Fuwalda« wild genug aussah.
Noch ehe die Offiziere ein Dutzend Schritte nach rückwärts gemacht hatten, fielen die Leute über sie her. Ein dicker Neger spaltete dem Kapitän den Kopf, und einen Augenblick später waren auch die anderen niedergeschlagen, teils tot, teils durch Dutzende von Schlägen und Schüssen verwundet.
Kurz und grausig war das Werk der Meuterer auf der »Fuwalda«, und bei all diesen Vorgängen stand John Clayton unbekümmert an die Schiffstreppe angelehnt, rauchte nachdenklich seine Pfeife, als ob er einer gleichgültigen Kricketpartie zusähe.
Als der letzte Offizier gefallen war, dachte er daran, dass es Zeit sei, zu seiner Frau zurückzugehen, da sonst einer von der Mannschaft sie allein finden könnte.
Obgleich äußerlich ruhig und gleichgültig, war Clayton doch ängstlich und erregt, denn er fürchtete für die Sicherheit seiner Frau in der Nähe dieser Entmenschten, in deren Hände das Schicksal sie so unbarmherzig geworfen hatte.
Als er sich umdrehte, um die Treppe hinunterzusteigen, sah er zu seiner Überraschung seine Frau auf den Stufen stehen.
Seit wann bist du hier, Alice?
Von Anfang an, antwortete sie. Wie schrecklich, John! O, wie schrecklich! Das können wir aus den Händen solcher Menschen erwarten?
Ein Frühstück, hoffe ich, antwortete er, tapfer lächelnd, um ihre Furcht zu zerstreuen.
Ich will sie wenigstens fragen, fügte er hinzu. Komm mit mir, Alice. Wir dürfen sie nicht glauben lassen, dass wir etwas anderes als eine höfliche Behandlung von ihnen erwarten.
Unterdessen umringten die Matrosen die toten und verwundeten Offiziere, und ohne Unterschied und ohne Mitleid begannen sie, Tote und Verwundete über Bord zu werfen. Mit derselben Herzlosigkeit verfuhren sie mit ihren eigenen Verwundeten und mit den Leichen dreier Seeleute, denen ein gütiges Geschick einen sofortigen Tod durch die Kugeln der Offiziere beschieden hatte.
Plötzlich bemerkte einer von der Mannschaft die sich nähernden Claytons, und mit dem Rufe: Hier sind noch zwei für die Fische! stürzte er mit erhobener Axt auf sie zu.
Aber der schwarze Michel war flinker, sodass der Kamerad, ehe er noch einige Schritte gemacht hatte, durch einen Schuss niedergestreckt war.
Mit lautem Rufen zog er die Aufmerksamkeit der anderen auf sich, und, auf Lord und Lady Greystoke zeigend, rief er: Diese sind meine Freunde, und sie sollen in Ruhe gelassen werden. Versteht ihr? Ich bin jetzt Kapitän dieses Schiffes, und was ich befehle, geschieht, fügte er, sich zu den Claytons wendend, hinzu. Bleiben Sie für sich allein, und kein Mensch wird Ihnen ein Leid zufügen! Dabei sah er drohend zu seinen Kameraden hinüber.
Die Claytons beachteten denn auch die Anweisungen des schwarzen Michels so genau, dass sie nur wenig von der Mannschaft sahen und nichts von den Plänen der Leute erfuhren.
Gelegentlich hörten sie einen schwachen Widerhall von Zank und Streit zwischen den Meuterern, und zwei Mal erschütterten Schüsse die stille Luft. Der schwarze Michel eignete sich aber sehr gut zum Führer dieses zusammengewürfelten Volkes, denn er verstand es, sie in seiner Gewalt zu behalten.
Am fünften Tage nach der Ermordung der Offiziere wurde vom Ausguck Land gemeldet. Ob es eine Insel oder Festland war, wusste der schwarze Michel nicht, aber er kündete Clayton an, dass, wenn es sich herausstellte, dass die Gegend bewohnbar sei, er und Lady Greystoke mit ihrem Gepäck dort an Land gesetzt werden sollten.
Für ein paar Monate werden Sie dort gut aufgehoben sein, erklärte er ihnen, und unterdessen werden wir wohl an irgendeiner unbewohnten Küste landen und uns zerstreuen können. Dann will ich der britischen Regierung melden, wo Sie sind und sie wird bald ein Kriegsschiff senden, um Sie abzuholen. Es wäre eine schwierige Sache, Sie in einer zivilisierten Gegend landen zu lassen, ohne dass eine Menge Fragen gestellt würden, die keiner von uns glaubhaft beantworten könnte.
Clayton wehrte sich gegen die Unmenschlichkeit, sie an einer unbekannten Küste zu landen und den wilden Tieren und vielleicht noch wilderen Menschen preiszugeben.
Seine Worte waren aber vergeblich und nur geeignet, den schwarzen Michel zu erzürnen. Schließlich ließ er es dabei bewenden, und suchte nur noch seiner üblen Lage die beste Seite abzugewinnen.
Gegen drei Uhr nachmittags kamen sie in die Nähe einer wundervollen bewaldeten Küste, an der eine Landungsstelle zu sein schien.
Der schwarze Michel sandte ein kleines, mit einigem Mann besetztes Boot aus, um zu untersuchen, ob die »Fuwalda« dort einfahren könnte.
Nach etwa einer Stunde kehrten sie zurück und meldeten, das Wasser sei tief genug, sowohl in der Einfahrt, als auch im Innern der Bucht.
Ehe es dunkelte, lag das Schiff friedlich vor Anker auf der stillen, spiegelglatten Fläche des Busens.
Die Umgebung des Strandes war von prächtigem, halbtropischem Grün bewachsen, während in der Ferne die Gegend, die sich als Hügel- und Tafelland vom Ozean abhob, fast lückenlos mit Urwald bedeckt war.
Kein Zeichen einer menschlichen Wohnung war sichtbar, aber dass Menschen sehr wohl dort leben konnten, bewies die Fülle der Vögel und anderen Tiere, die man vom Deck der »Fuwalda« erblickte, als auch der Schimmer eines kleinen Flusses, der in die Bucht mündete und frisches Wasser in Fülle spendete.
Als sich die Nacht auf die Erde senkte, standen Clayton und seine Frau noch an der Reling, in stilles Nachdenken über ihr künftiges Schicksal versunken. Aus dem finsteren Schatten des mächtigen Waldes kamen die Lockrufe der wilden Tiere.
Das dumpfe Brüllen des Löwen und gelegentlich der schrille Schrei eines Panthers.
Die Frau drückte sich fester an ihren Mann, von ahnungsvollem Schauder ergriffen über das Grausige, das im schrecklichen Dunkel der kommenden Nächte vor ihnen lag, wenn sie beide ganz allein auf dieser wilden einsamen Küste sein würden.
Spät am Abend kam der schwarze Michel zu ihnen und wies sie an, ihre Vorbereitungen zu ihrer für den nächsten Tag angesetzten Landung zu treffen. Sie versuchten ihn zu bewegen, sie an einer wohnlicheren Küste zu landen, sodass sie hoffen könnten, in freundliche Hände zu fallen, aber keine Bitten, keine Drohungen und keine Versprechungen konnten ihn rühren.
Er antwortete ihnen:
Ich bin der einzige Mann an Bord, der Sie beide nicht lieber tot sähe, und wenn ich auch weiß, dass dies der einzig vernünftige Weg wäre, unsern eigenen Kopf zu sichern, so ist der schwarze Michel doch nicht der Mann, der eine Wohltat vergisst. Sie haben mir einmal das Leben gerettet, — ich rette das Ihrige, aber das ist auch alles, was ich tun kann. Die Leute wollen sich nicht länger hier aufhalten, und wenn wir Sie nicht schnellstens landen, so könnten sie leicht anderen Sinnes werden. Ich will alles, was Ihnen gehört, ans Land setzen, ebenso Küchengeräte und einige alte Segeltücher für Zelte und genug Essen, bis sie Früchte und Wild finden werden. Da Sie auch ihre Gewehre zum Schutz haben, können Sie hier leicht leben, bis Hilfe kommt. Wenn ich glücklich von hier fort bin, will ich sehen, dass die britische Regierung erfährt, wo Sie sind. Wo ich in Zukunft leben werde, kann ich Ihnen nicht genau sagen, denn ich weiß es selbst noch nicht. Aber man wird Sie schon finden.
Als der schwarze Michel fort war, ging das junge Paar schweigend hinunter; beide waren in düstere Ahnungen versunken.
Clayton glaubte nicht, dass der schwarze Michel auch nur im Geringsten die Absicht hatte, die britische Regierung von ihrem Aufenthalt zu benachrichtigen. Auch war er nicht sicher, dass nicht irgendein Verrat für den nächsten Tag beabsichtigt war, wenn sie mit den Seeleuten landeten, die sie mit ihrem Gepäck begleiten sollten. Sobald sie aus des schwarzen Michels Sicht waren, konnten einige der Leute sie niederschlagen, sodass das Gewissen des schwarzen Michels rein blieb.
Und selbst wenn sie diesem Schicksal entgingen, sahen sie nicht noch schwereren Gefahren entgegen? Wäre er allein gewesen, so hätte er hoffen können, noch viele Jahre zu leben, denn er war ein kräftiger, athletisch gebauter Mann.
Aber was würde aus Alice und dem anderen kleinen Leben werden, das schon so früh den Mühseligkeiten und schweren Gefahren einer Wildnis ausgesetzt würde?
Der Mann erschauerte, als er über den schrecklichen Ernst und die fürchterliche Hilflosigkeit ihrer Lage nachdachte. Aber eine gütige Vorsehung bewahrte ihn davor, die schreckliche Wirklichkeit vorauszusehen, die sie in den Tiefen des düsteren Waldes erwartete.
Am nächsten Morgen wurden in aller Frühe ihre zahlreichen Koffer und Kisten aufs Deck befördert und in bereitliegende Boote heruntergelassen, die sie an Land bringen sollten.
Es war eine große Menge der verschiedenartigsten Sachen, denn da die Claytons mit der Möglichkeit gerechnet hatten, fünf bis acht Jahre in ihrem neuen Aufenthaltsort zu bleiben, so hatten sie neben dem Notwendigen auch viele Luxussachen mitgenommen.
Der schwarze Michel sorgte dafür, dass nichts von Claytons Eigentum an Bord blieb. Ob aus Mitleid für sie oder in seinem eigenen Interesse, wäre schwer zu sagen. Auf alle Fälle wäre das Vorhandensein von Eigentum eines vermissten britischen Beamten auf einem verdächtigen Schiff in jedem zivilisierten Hafen schwer zu erklären gewesen. Der schwarze Michel war denn auch so eifrig bemüht, über die Ausführung seiner Anordnung zu wachen, dass er bei den Seeleuten sogar darauf drang, Clayton seine Revolver zurückzugeben.
In die Boote wurden auch verladen: Salzfleisch und Schiffszwieback, etwas Kartoffeln und Bohnen, Streichhölzer und Kochgeschirr, ein Werkzeugkasten und die alten Segel, die der schwarze Michel ihnen versprochen hatte.
Als ob der schwarze Michel dieselben Befürchtungen gehegt hätte, wie Clayton, begleitete er die beiden an Land, und verliest sie als letzter, nachdem die Seeleute die mitgenommenen Schiffstonnen mit frischem Trinkwasser gefüllt hatten.
Als die Boote sich langsam über die glatten Wasser der Bucht bewegten, sahen Clayton und sein Weib schweigend deren Abfahrt zu, mit einem Gefühl von drohendem Unglück und äußerster Hilflosigkeit.
Und hinter ihnen, über dem Rand eines niedrigen Hügels, lauerten auf sie andere böse Augen, die unter zottigen Brauen leuchteten.
Als die »Fuwalda« durch die enge Ausfahrt der Bucht fuhr und ihnen hinter einer Landspitze außer Sicht kam, schlang Lady Alice ihre Arme um Claytons Hals und brach in ein fassungsloses Schluchzen aus.
Tapfer hatte sie die Gefahren der Meuterei über sich ergehen lassen und mit heldenmütiger Stärke der schrecklichen Zukunft entgegengesehen, aber nun, da die Schrecken der völligen Verlassenheit sie überfielen, ließen ihre überreizten Nerven nach und der Rückschlag trat ein.
Ihr Mann versuchte nicht, ihre Tränen zu hemmen. Es war besser, der Natur ihren Lauf zu lassen, damit die lang verhaltene Gemütsbewegung sich auslöste, und es verging manche Minute, ehe das junge Weib, das eigentlich noch ein Kind war, sich wieder beherrschen konnte.
O John, rief sie schließlich, wie entsetzlich! Was fangen wir an? Was sollen wir nur tun?
Wir können nur eins tun, Alice, und er sprach so ruhig, als ob sie in ihrem traulichen Heim säßen, und das ist arbeiten! Die Arbeit muss unser Heil sein. Wir dürfen uns keine Zeit zum Nachdenken lassen, denn sonst würden wir verrückt werden. Wir müssen arbeiten und warten. Ich bin sicher, dass Hilfe kommen wird und dass sie schnell kommt, sobald es bekannt wird, dass die »Fuwalda« verloren ist, selbst wenn der schwarze Michel sein Wort nicht halten sollte.
Ja, John, wenn es sich nur um uns beide handelte, sagte sie seufzend, so könnten wir es schon aushalten, das weiß ich, aber —
Liebes Weib, antwortete er sanft, ich habe daran gedacht, aber wir müssen auch mit diesem Ereignis rechnen, wie mit allem, was noch kommen wird, tapfer und mit Vertrauen in unsere Geschicklichkeit. Vor hunderttausend Jahren standen unsere Vorfahren einer entlegenen düsteren Vergangenheit vor denselben Schwierigkeiten wie wir jetzt, vielleicht sogar in diesem selben Urwalde. Dass wir heute hier sind, ist ein Beweis ihres Sieges. Was sie taten, sollten wir es nicht auch tun? Und sogar besser, denn sind wir nicht mit höherem Wissen ausgerüstet, und besitzen wir nicht Schuss-, Verteidigungs- und Verpflegungsmittel, die die Wissenschaft uns gab, die jenen aber noch völlig unbekannt waren? Was sie mit unvollkommenen Werkzeugen und Waffen aus Stein und Knochen vollbrachten, das können wir sicher auch.
Ach John, ich wünschte ein Mann zu sein mit der Philosophie eines Mannes, aber ich bin bloß ein Weib, das mehr mit dem Herzen als mit dem Verstand sieht, und alles, was ich sehe, ist zu schrecklich, zu undenkbar, als dass ich es in Worte fassen könnte. Ich hoffe nur, dass du recht hast, John. Ich will mein Bestes tun, um eine wackere Urwaldfrau zu sein, der tapfere Kamerad eines Wildnismannes.
Claytons erster Gedanke war, ein Obdach für die Nacht herzustellen, worin sie vor den umherstreichenden Raubtieren geschützt wären.
Er öffnete den Koffer, der seine Gewehre und die Munition enthielt, damit sie wenigstens bewaffnet wären, wenn sie über der Arbeit angegriffen würden, und dann suchten sie einen Ort für ihre erste Nachtruhe.
Etwa hundert Meter vom Ufer war eine ziemlich lichte, ebene Stelle, und sie beschlossen, gegebenenfalls hier ein festes Haus zu bauen. Vorläufig hielten sie es aber für das Beste, eine kleine Plattform in den Bäumen zu errichten und zwar so hoch, dass sie außer der Reichweite der wilden Tiere wären. Zu diesem Zweck wählte Clayton vier im Rechteck stehende Bäume aus, die etwa acht Fuß voneinander entfernt waren. Dann hieb er von anderen Bäumen lange Äste ab und band diese mit den Stricken, die ihm der schwarze Michel überlassen hatte, etwa zehn Fuß über der Erde an den erwähnten vier Bäumen fest.
So hatte er ein Gerüst, über das er dann dünnere Äste eng zusammenlegte, um einen Fußboden in der Höhe herzustellen. Diesen Boden belegte er mit riesigen Wedeln von »Elefantenohr«, das ringsum massenhaft wuchs, und zuletzt noch mit einem großen mehrfach gefalteten Segeltuche.
Sieben Fuß höher legte er in ähnlicher Weise ein Dach an. Die Wände des Gemaches aber stellte er einfach dadurch her, dass er rings herum Segeltuch aufhängte.
Als dieses vollendet war, hatte er ein ziemlich gemütliches, kleines Nest, in das er Bettdecken und einiges von dem leichten Gepäck trug.
Es war inzwischen Spätnachmittag geworden, und die Abendstunden wurden dazu benützt, um eine kräftige Leiter herzustellen, auf der Lady Alice in ihr neues Heim gelangen konnte. Den ganzen Tag über war der Wald voll von lebhaften, prächtig gefiederten Vögeln und von springenden, schwatzenden Affen gewesen, die diese neuen Ankömmlinge und ihren wundervollen Nestbau mit allen Zeichen des Interesses betrachteten.
Obwohl Clayton und seine Frau scharf aufpassten, sahen sie keine größeren Tiere, aber zweimal kamen ihre kleinen Affennachbarn herbei, sahen schreiend und schwatzend zu und zogen offenbar erschreckt über die geheimnisvollen Vorgänge, die sie hier beobachteten, wieder ab.
Als die Nacht hereingebrochen war, hatte Clayton die Leiter fertig, und als er einen großen Behälter mit Wasser aus dem nahen Fluss gefüllt hatte, stiegen die beiden in ihr verhältnismäßig sicheres, luftiges Gemach.
Da es warm war, hatte Clayton die Seitenvorhänge über das Dach zurückgeschlagen. Als sie nun sich wie Türken über ihre Bettdecken kauerten, schrie Lady Alice, die angestrengt in die dunkeln Schatten des Waldes hinaussah, plötzlich auf, indem sie Claytons Arm erfasste.
John! flüsterte sie. Sieh doch! Was ist das? Ein Mann! Als Clayton zur angegebenen Richtung schaute, sah er die Schattenrisse einer großen, aufrechtstehenden Gestalt. Einen Augenblick stand sie horchend still, drehte sich langsam um und verschwand im Schatten des Dickichts.
Was ist das, John?
Ich weiß es nicht, Alice, antwortete er ernst, es ist zu dunkel, um so weit zu sehen, und es war vielleicht nur ein Schatten, den der ausgehende Mond geworfen hat.
Nein, John, es war kein Mann, es war eine riesige, groteske Karikatur eines Menschen. O, wie ich mich fürchte!
Er schloss sie in seine Arme, ihr liebe und ermutigende Worte ins Ohr flüsternd, denn für ihn gab es nichts Schmerzlicheres, als die Angst seines jungen Weibes. Er verstand diese Angst sehr wohl, obschon er selbst tapfer und furchtlos war, — eine seltene Gabe, wenn auch nur eine der vielen Eigenschaften, die ihn bei allen, die ihn kannten, beliebt gemacht hatte. Bald darauf ließ er die Vorhänge herunter, befestigte sie an den Bäumen und ließ nur eine kleine Öffnung zum Ufer hin frei.
Als es nun in ihrem luftigen, kleinen Raume stockdunkel war, legten sie sich auf die Decken und versuchten im Schlaf ihre traurige Lage zu vergessen.
Clayton legte Büchse und Revolver neben sich und sah immer zur Öffnung hin.
Kaum hatten sie die Augen geschlossen, als der schreckenerregende Schrei eines Panthers hinter ihnen aus dem Dschungel erscholl. Es kam näher und naher, bis sie das große Tier unmittelbar unter sich hörten.
Über eine Stunde lang hörten sie es schnuppernd und an den Bäumen unter ihnen kratzend, bis es sich schließlich zum Strand verzog, wo Clayton es deutlich im hellen Mondschein erkannte — ein großes, schönes Tier, das größte, das er je gesehen.
In den langen Nachtstunden fanden sie wenig Schlaf, denn die Nachtgeräusche des von Myriaden von Tieren wimmelnden Dschungels hielten ihre überreizten Nerven wach, sodass sie hundertmal durch die durchdringenden Schreie oder die heimlichen Bewegungen von Körpern unter ihnen aufgeschreckt wurden.
Der Morgen fand die beiden nur wenig erfrischt, obwohl sie dem Tagesgrauen mit einem Gefühl der Erleichterung entgegensahen.
Sobald sie ihr Frühstück, bestehend aus gesalzenem Schweinefleisch, Kaffee und Schiffszwieback, eingenommen hatten, begann Clayton mit dem Bau des Hauses, denn er sah ein, dass sie auf keine Sicherheit und keine Ruhe in der Nacht rechnen konnten, solange nicht vier starke Wände das Leben des Dschungels von ihnen abschloss.
Die Aufgabe war schwierig und erforderte den größten Teil eines Monats, obschon es sich nur um einen kleinen Raum handelte. Clayton baute die Hütte aus schmalen Baumstämmen von etwa sechs Zoll im Durchmesser. Die Ritzen verschmierte er mit Lehm, den er einige Fuß tief in der Erde fand.
An einem Ende legte er eine Feuerstelle aus kleinen Steinen vom Strande an. Diese wurden ebenfalls mit Lehm verschmiert. Als das Haus fertig war, bewarf er die ganze Außenseite mit einer vier Zoll dicken Lehmschicht.
In die Fensteröffnung brachte er waagerechte und senkrechte Äste von etwa einem Zoll im Durchmesser an, die so verflochten waren, dass sie ein festes Gitter bildeten, das auch einem kräftigen Tier widerstehen konnte.
So erhielten sie die nötige Luft, ohne befürchten zu müssen, die Sicherheit ihrer Hütte zu vermindern.
Das nach zwei Seiten steil abfallende Dach war aus schmalen, dicht aneinandergefügten Ästen gebildet, die mit langem Dschungelgras und Palmwedeln bedeckt waren, über die noch eine Lehmschicht kam.
Die Tür fertigte er aus Brettern der Kisten an; er nagelte ein Brett auf das andere und dann andere quer darüber, bis er eine so solide Tür zusammengenagelt hatte, dass sie beide darüber vergnügt waren, als sie das fertige Werk begutachteten.
Jetzt stand Clayton aber vor der größten Schwierigkeit, denn er hatte nichts, um die massive Tür einzuhängen. Nach zweitägiger Arbeit gelang es ihm aber, zwei Scharniere aus Hartholz anzufertigen, und mit diesen hängte er die Tür ein, sodass sie sich leicht öffnen und schließen ließ.
Das Verputzen und die übrigen letzten Arbeiten nahm er erst vor, als sie schon eingezogen waren. Sobald nämlich das Dach angebracht war, hatten sie schon ihr Heim bezogen. Solange die Tür sich nicht verschließen ließ, stellten sie ihre Koffer dagegen, und so hatten sie eine verhältnismäßig sichere und gemütliche Wohnung.
Die Herstellung des Bettes, der Stühle, eines Tisches und der Regale war verhältnismäßig leicht, sodass sie am Ende des zweiten Monats gut eingerichtet und, abgesehen von der steten Angst vor den wilden Tieren und der immer fühlbarer werdenden Einsamkeit, nicht gerade unglücklich waren. Nachts knurrten und brüllten große Tiere um ihre Hütte herum, aber man gewöhnt sich allmählich an immer wiederkehrende Geräusche, und so beachteten sie sie nur noch wenig und schliefen fast die ganze Nacht hindurch.
Dreimal hatten sie flüchtig eine mannsgroße Gestalt erblickt, aber sie hatten nie unterscheiden können, ob es sich um die eines Menschen oder eines wilden Tieres handelte.
Die prächtigen Vögel und die kleinen Affen hatten sich bald an ihre neuen Bekannten gewöhnt, und da sie offenbar niemals menschliche Wesen gesehen hatten, kamen sie, sobald sie die erste Furcht abgelegt hatten, immer näher, angetrieben durch die eigenartige Neugier, die die wilden Geschöpfe des Waldes und des Dschungels beherrscht. Innerhalb eines Monats hatten mehrere Vögel ihre Scheu soweit abgelegt, dass sie Futterbissen aus den freundlichen Händen der Claytons entgegennahmen.
Eines Nachmittags, als Clayton an seiner Hütte arbeitete, denn er hatte die Absicht, mehrere Räume anzubauen, kam eine Anzahl der drolligen kleinen Freunde schreiend und keifend aus der Richtung des nahen Hügels. Auf ihrer Flucht warfen sie ängstliche Blicke nach rückwärts, um schließlich in Claytons Nähe aufgeregt zu ihm hinzuschnattern, als ob sie ihn vor einer herannahenden Gefahr warnen wollten. Endlich erkannte er, was die kleinen Affen so fürchteten, es war das mannsgroße Tier, das er und seine Frau bereits bei früheren Gelegenheiten flüchtig erblickt hatten.
Es näherte sich aus dem Dschungel in einer halb aufgerichteten Stellung, indem es zuweilen die geschlossenen Fäuste auf den Boden setzte, — es war ein großer Menschenaffe. Beim Vorrücken gab er tiefe Kehllaute und gelegentlich bellende Töne von sich.
Clayton war etwas entfernt von der Hütte, da er dabei war, einen schönen Baum, der sich gerade für seine Bauzwecke besonders eignete, zu fällen. Er war sorglos geworden, da er und seine Frau monatelang in den Tagesstunden kein gefährliches Tier gesehen hatten. So hatte er denn auch seine Büchsen und Revolver in der Hütte gelassen, und als er nun den großen Affen durch das Unterholz direkt auf sich zukommen sah, und zwar in einer Richtung, die ihm praktisch ein Entkommen unmöglich machte, fühlte er doch einen Schauder den Rücken entlang rieseln.
Da er nur mit einer Axt bewaffnet war, wusste er, dass seine Aussichten in einem Kampfe mit dem wilden Tiere sehr gering waren, — und Alice? O Gott, sagte er sich, was wird aus Alice werden?
Es war kaum daran zu denken, die Hütte zu erreichen. Er wandte sich aber dorthin und rannte darauf los, indem er seinem Weibe laut zurief, hineinzueilen und die Tür zu schließen, falls der Affe ihm den Weg abschnitt.
Lady Greystoke saß in einiger Entfernung vor der Hütte und als sie sein Schreien hörte, schaute sie auf und sah, wie der Affe mit einer für ein so schweres und ungelenkes Tier fast unglaublichen Schnelligkeit vorwärts sprang, um Clayton zu überholen.
Mit einem lauten Schrei stürzte sie zur Hütte, und während sie hineineilte, warf sie nach rückwärts einen Blick, der ihre Seele mit Schrecken erfüllte, denn das Tier hatte ihrem Gatten den Rückweg abgeschnitten, und er stand nun vor dem Braunen, die Axt mit beiden Händen fassend, bereit, sie gegen das wütende Tier zu schwingen, sobald es seinen Endangriff machte.
Schließ die Tür und verriegle sie, Alice! rief Clayton. Ich kann den Kerl mit meiner Axt erledigen.
Er wusste aber, dass er von einem schrecklichen Tod bedroht war, und auch sie wusste es.
Der Affe war ein schweres Tier, das Wohl drei Zentner wiegen mochte. Seine düsteren, nahe beieinanderstehenden Augen leuchteten vor Hass unter den buschigen Brauen, und seine großen Fangzähne wurden sichtbar während eines furchtbaren Knurrens, das er ausstieß, indes er einen Augenblick vor seinem Opfer stillhielt.
Clayton sah den Eingang seiner Hütte nicht zwanzig Schritte entfernt, und ein furchtbarer Schrecken erfasste ihn, als er sein Weib darin auftauchen sah, bewaffnet mit einem Gewehr. Sie hatte immer Angst vor einer Feuerwaffe gehabt und hatte nie eine berühren wollen, aber jetzt stürzte sie auf den Affen los mit dem Mut einer Löwin, die ihr Junges verteidigt.
Zurück, Alice! rief Clayton, um Himmelswillen, geh‹ zurück!
Sie wollte aber nicht darauf hören, und da gerade im selben Augenblick der Affe zum Angriff überging, konnte Clayton weiter nichts mehr sagen.
Mit gewaltiger Kraft schwang Clayton seine Axt, aber das mächtige Tier erfasste sie mit seinen schrecklichen Händen, riss sie ihm aus der Hand und schleuderte sie weit zur Seite. Knurrend kam es näher an sein schutzloses Opfer heran, aber ehe es ihn noch umfassen konnte, hatte Frau Clayton einen Schuss abgefeuert. Die Kugel drang dem Affen zwischen den Schultern in den Rücken.
Wütend warf das Ungetüm Clayton zu Boden und rückte nun gegen seinen neuen Feind los. Vor ihm stand die angsterfüllte Frau. Sie versuchte dem Tier nochmals eine Kugel in den Leib zu jagen, aber sie verstand den Mechanismus der Waffe nicht, und der Schutz versagte.
Schreiend vor Schmerz stürzte der Affe auf die Frau los, und vor Schrecken fiel sie ohnmächtig nieder.
Im selben Augenblick sprang Clayton wieder auf und eilte auf den Affen zu, ohne zu bedenken, dass er mit bloßen Händen nichts gegen ihn ausrichten könne. Aber er wollte das Letzte versuchen, um sein geliebtes Weib zu retten.
Kaum hatte er die Hand an das mächtige Tier gelegt, als es leblos vor ihm auf den Rasen rollte. Der Affe war tot! Die Kugel hatte ihn tödlich getroffen.
Als Clayton sah, dass die Gefahr beseitigt war, wandte er sich sofort seiner Frau zu. Zum Glück war sie nicht verletzt, aber sie war noch immer bewusstlos.
Vorsichtig hob er sie auf und trug sie in ihre Hütte, wo er sie sanft aufs Bett legte.